Tag 7:
Am Mittwochmorgen überhörte Karl den Wecker und als seine Mutter ihn wecken kam, konnte er sich kaum bewegen. Jeder seiner Knochen schien mit etwas gefüllt zu sein, dass noch schwerer als Blei sein musste, seine Muskeln fühlten sich an, als wenn sie mit Steinen ersetzt worden waren, und sein Gehirn hatte irgendjemand in der Nacht scheinbar mit Watte ausgestopft, um die Hohlräume zwischen wirren Träumen über sprechende Raben, heulende Wölfe und jaulende Füchse zu stopfen.
Um es kurz zu machen - Karl fühlte sich so beschissen, wie noch nie zuvor in seinem Leben. Jedenfalls konnte er sich nicht daran erinnern, dass es ihm jemals schlechter gegangen war.
Nicht das dies in seinem momentanen Zustand etwas hieß.
Jegliche Gedanken an irgendetwas auch nur entfernt Nützliches war durch Traumfetzen ersetzt worden. Diese Fetzen dagegen waren so real, dass Karl sich noch nicht einmal sicher war, ob er überhaupt aufgewacht war, oder ob er sich nicht immer noch in diesem Wald befand und hinter einem Schatten her jagte, begleitet von zwei Raben und zwei Wölfen, und gejagt von Füchsen und anderen Wesen.
Er stöhnte als etwas kühles seine Stirn berührte und hörte Stimmen, die eindeutig nicht zu seinem Traum passten.
"Er kann heute nicht kommen. Er ist krank."
".. ein Doktor."
"...unnötig...lass mich einfach nach ihm sehen."
"Nein, dass kann nicht sein! Niemals."
"...Schicksal. Dem kann keiner entkommen."
Mühevoll klammerte Karl sich an diese Stimmen, versuchte dem blutroten Abgrund zu entkommen, der sich auf einmal vor ihm aufgetan hatte und drohte ihn zu verschlingen.
"Er könnte sterben!"
"Das wird er nicht. Du weißt was es ist."
Seine Augenlieder flackerten, und endlich, endlich schaffte er es sie etwas zu öffnen.
"Mama....", brachte er hinaus, seine Stimme heiser, seine Kehle trocken, und das Licht brannte unerträglich, beinahe wie eine brennende Fackel, die jemand direkt in seine Augen hielt.
"Karl! Warte, ich rufe einen Arzt. Trink erstmal was."
"Ich brauche keinen Arzt", sagte er mit Mühe. Es war die Wahrheit. Irgendwo tief in sich wusste er, dass es wahr war. Ein Arzt würde ihm nicht helfen können, nicht hier, nicht jetzt. Gegen dieses hier gab es keine Medizin. Er musste durch den blutigen Fluss schwimmen, musste versuchen den Schatten einzuholen und seinen Verfolgern zu entkommen, musste versuchen zu verstehen. Erst dann wäre er frei.
"Erika, hör auf ihn. Sogar in seinem jetzigen Zustand versteht er es."
"Er hat Fieberträume. Mein Gott, er ist gerade erst 13. Er ist noch ein Kind! Wie könnt ihr ihm so was antun? Wie kann er ihm das antun?"
"Es ist seine Bestimmung. Seine Zukunft. Du wusstest, dass es dazu kommen würde. Er ist die Zukunft, Erika. Niemand kann es ändern. Du wusstest es von Anfang an."
"Ich wusste gar nichts", hörte Karl, und er hatte gerade noch Zeit, sich über die Bitterkeit in der Stimme seiner Mutter zu wundern, bevor die roten Wellen über ihn einschlugen, und er gegen das Ertrinken ankämpfte.
Er musste ihn finden, musste ihnen entkommen. Der ultimative Preis für das Wissen. Ein Auge für das Wissen und die Magie, ein Ring für die Liebe und den Untergang der Welt.
Es war sein Preis. Erst dann würde er dies hier alles verstehen können, erst dann würde er mit den Tieren kommunizieren und den Göttern speisen können.
Wissen war Macht, und er brauchte sie. Um jeden Preis. Er musste ihnen entkommen um diesen Preis zu erhalten, und er brauchte diesen Preis, um ihnen zu entkommen.
Ein Paradox.
"Du verpasst gerade deine Lateinarbeit. Dekliniere Deus. Einmal ganz durch." Als Karl sich umdrehte, sah er Melanie, die ihn tadelnd ansah. Irgendwie war dies fast der einzige Punkt, der irgendwie Sinn zu machen schien.
Und dann waren dort die Zwillinge, miteinander auf ewig verbunden, sogar bis über den Tod hinaus. Und nicht nur miteinander, sondern auch mit ihm.
Sie waren eins.
Eine untrennbare Ganzheit.
"Vertraue dem Fuchs nicht."
"Er ist das, was wir jagen."
"Ignoriere die Eulen, aber höre auf die Raben."
Mühevoll versuchte Karl am anderen Ufer aus dem Fluss zu klettern, aber seine Kleidung war so voll gesogen mit Wasser (oder war es Blut? Karl konnte es nicht mehr sagen), dass er immer wieder ins Wasser zurückfiel.
Dann spürte er Hände, von oben und von unten, die ihn aus dem Wasser schoben und zogen, und ihn auf den feuchten Waldboden legten. Der Geruch von Wald und Moos und Blätter legten sich über seine Sinne, beruhigten ihn und gaben ihm ein Gefühl von Sicherheit und Geborgenheit, von zu Hause.
"Er ist noch nicht so weit. Das Wissen ist noch zu schwer für ihn. Er muss erst noch weiter gehen."
Karl wollte protestieren und versuchte sich sogar aufzusetzen, aber eine Hand auf seiner Brust stoppte ihn.
"Du bist zu früh gekommen", hörte er die Stimme eines Mannes. Als er die Augen endlich öffnen konnte, sah er einen alten Mann, der neben ihm kniete, das Gesicht im Schatten seines Schlapphutes versteckt. "Du solltest noch nicht hier sein, Sohn."
Sohn?
"Erst zur nächsten Jagd wirst du dazu bereit sein. Hoffentlich."
"Was passiert mit mir?"
Der alte Mann sah ihn an, und obwohl Karl seine Augen nicht sehen konnte, kam es ihm so vor, als bohrte sich sein Blick in Karl hinein, als würde er ihn von innen nach außen lesen. "Du erwachst."
Karl nickte und schüttelte zu gleich den Kopf. "Was heißt das?"
"Das wirst du wissen, wenn es so weit ist."
Schon wieder. Es war immer das gleiche, egal ob er wach war oder träumte. Da waren es sprechende Raben, und hier alte Männer. Es war frustrierend.
Der alte Mann lachte. "Hör auf ihn. Er wird dir den Weg weisen und dich schützen. Er ist mein Auge und mein Ohr."
"Wer? Der Rabe?"
"Natürlich."
"Und wer bist du?", fragte Karl, und versuchte wieder einmal sich aufzusetzen. Der alte Mann war stärker als es schien, oder vielleicht war Karl auch einfach nur zu schwach nach seinem unfreiwilligen Bad, aber er kam gegen die Hand auf seiner Brust nicht an. "Auch das wirst du früh genug erfahren." Und damit stand der alte Mann auf.
"Warte!" Karl musste es einfach wissen. "Bist du mein Vater?"
"Ich bin der Vater von allem. Aber du musst jetzt gehen", sagte er lächelnd. "Deine Mutter ist krank vor Sorge, und lange wird sie den Worten meines Vertrauten nicht mehr glauben. Du warst schon zu lange hier. Kehre zurück. Vergesse was du hier gesehen hast und komme zur Jagd wieder."
"Wann ist die Jagd?"
"Wenn du bereit bist", sagte der Mann einfach. "Und jetzt vergesse!"
"Wie soll ich das hier vergessen?"
Der alte Man verschwand mit einem Kichern im Wald, gerade als der Erdboden sich unter Karl auftat und ihn hineinzog. Das Ganze passierte so schnell, dass Karl noch nicht einmal überrascht sein konnte.
Als er die Augen öffnete, sah er seine Mutter an seiner Bettseite sitzen. "Mama?"
"Oh, Gott, Karl!", rief sie, und umarmte ihm. "Ist alles in Ordnung? Wie geht es dir? Du bist ja gar nicht mehr heiß." Karl erwiderte die Umarmung und sah an ihr vorbei.
Auf Stühlen direkt neben seinem Bett saßen die Zwillinge, hielten sich an ihren Händen und lächelten ihn an. "Willkommen zurück." Karl hatte keine Ahnung was sie hier taten, aber er nickte, was wohl die einzige passende Reaktion in dieser doch eher merkwürdigen Situation schien.
-- miteinander auf ewig verbunden, sogar bis über den Tod hinaus--
Karl schüttelte den Gedanken ab und konzentrierte sich auf das Hier und Jetzt.
"Ich hab dir gesagt, es würde in Ordnung kommen, Erika."
Und noch ein Besucher. Karl kannte ihn nicht, aber er sah wie eine größere Ausgabe der Zwillinge aus. Wahrscheinlich ihr Vater. Aber was tat er hier? Und woher kannte er seine Mutter? Immerhin waren sie erst vor wenigen Tagen hier hingezogen...
Es ist alles in Ordnung. Mach dir keine Sorgen.
"Ich hab irgendwas wirres geträumt", sagte Karl und leckte sich die Lippen. Sein Hals fühlte sich noch immer rau an, als wäre er eine lange Strecke gerannt, oder hätte sich heißer geschrieen.
"Ich bring dir sofort einen Tee", sagte seine Mutter und stand auch schon auf. "Und ich denke, ihr solltet jetzt gehen. Mein Sohn braucht Ruhe, Ihr werdet ihn schon noch früh genug wieder sehen", sagte sie, und da war das unheilvolle Beben in ihrer Stimme, das Karl nur zu gut kannte. Normalerweise war es immer ein Zeichen dafür, dass sie extrem sauer war, aber versuchte es nicht zu zeigen.
Hatte er irgendwas verpasst? Karl glaubte nicht, dass er von irgendjemand hier eine Antwort darauf bekommen würde.
Der Vater der Zwillinge nickte. "Sie hat Recht. Kommt, Kinder. Ihr könnt euch ja morgen davon überzeugen, dass es Karl wieder gut geht", sagte er mit einer Selbstverständlichkeit, als wenn sie sich schon seit Ewigkeiten kennen würden, und nicht erst seit wenigen Tagen oder, in seinem und Karls Fall, gar nicht. "Wenn du was brauchst, komm ruhig rüber oder ruf an, Erika. Wir sind immer für euch da."
"Dazu wird es wohl nicht kommen, Bertram, aber danke für dein Angebot."
Svenja lächelte ihn an und winkte ihm noch mal zu, bevor sie ihrem Vater und Karls Mutter nachging. Sven folgte etwas langsamer. An der Türe drehte er sich noch mal zu Karl um. "Hast du ihn getroffen? Was hat er gesagt?"
In Karls Gesicht spiegelte sich nur ein großes Fragezeichen wieder. Das war das Einzige, dessen er sich sicher war.
Vergesse.
"Sven, komm jetzt endlich!"
"Du musst mir unbedingt erzählen, was passiert ist. Wir haben schon so lange darauf gewartet..."
Karl sah Sven verständnislos hinterher, als dieser endlich den anderen folgte und Karl alleine ließ.
-.-.-.-.-.-.-.-
Am Mittwochmorgen überhörte Karl den Wecker und als seine Mutter ihn wecken kam, konnte er sich kaum bewegen. Jeder seiner Knochen schien mit etwas gefüllt zu sein, dass noch schwerer als Blei sein musste, seine Muskeln fühlten sich an, als wenn sie mit Steinen ersetzt worden waren, und sein Gehirn hatte irgendjemand in der Nacht scheinbar mit Watte ausgestopft, um die Hohlräume zwischen wirren Träumen über sprechende Raben, heulende Wölfe und jaulende Füchse zu stopfen.
Um es kurz zu machen - Karl fühlte sich so beschissen, wie noch nie zuvor in seinem Leben. Jedenfalls konnte er sich nicht daran erinnern, dass es ihm jemals schlechter gegangen war.
Nicht das dies in seinem momentanen Zustand etwas hieß.
Jegliche Gedanken an irgendetwas auch nur entfernt Nützliches war durch Traumfetzen ersetzt worden. Diese Fetzen dagegen waren so real, dass Karl sich noch nicht einmal sicher war, ob er überhaupt aufgewacht war, oder ob er sich nicht immer noch in diesem Wald befand und hinter einem Schatten her jagte, begleitet von zwei Raben und zwei Wölfen, und gejagt von Füchsen und anderen Wesen.
Er stöhnte als etwas kühles seine Stirn berührte und hörte Stimmen, die eindeutig nicht zu seinem Traum passten.
"Er kann heute nicht kommen. Er ist krank."
".. ein Doktor."
"...unnötig...lass mich einfach nach ihm sehen."
"Nein, dass kann nicht sein! Niemals."
"...Schicksal. Dem kann keiner entkommen."
Mühevoll klammerte Karl sich an diese Stimmen, versuchte dem blutroten Abgrund zu entkommen, der sich auf einmal vor ihm aufgetan hatte und drohte ihn zu verschlingen.
"Er könnte sterben!"
"Das wird er nicht. Du weißt was es ist."
Seine Augenlieder flackerten, und endlich, endlich schaffte er es sie etwas zu öffnen.
"Mama....", brachte er hinaus, seine Stimme heiser, seine Kehle trocken, und das Licht brannte unerträglich, beinahe wie eine brennende Fackel, die jemand direkt in seine Augen hielt.
"Karl! Warte, ich rufe einen Arzt. Trink erstmal was."
"Ich brauche keinen Arzt", sagte er mit Mühe. Es war die Wahrheit. Irgendwo tief in sich wusste er, dass es wahr war. Ein Arzt würde ihm nicht helfen können, nicht hier, nicht jetzt. Gegen dieses hier gab es keine Medizin. Er musste durch den blutigen Fluss schwimmen, musste versuchen den Schatten einzuholen und seinen Verfolgern zu entkommen, musste versuchen zu verstehen. Erst dann wäre er frei.
"Erika, hör auf ihn. Sogar in seinem jetzigen Zustand versteht er es."
"Er hat Fieberträume. Mein Gott, er ist gerade erst 13. Er ist noch ein Kind! Wie könnt ihr ihm so was antun? Wie kann er ihm das antun?"
"Es ist seine Bestimmung. Seine Zukunft. Du wusstest, dass es dazu kommen würde. Er ist die Zukunft, Erika. Niemand kann es ändern. Du wusstest es von Anfang an."
"Ich wusste gar nichts", hörte Karl, und er hatte gerade noch Zeit, sich über die Bitterkeit in der Stimme seiner Mutter zu wundern, bevor die roten Wellen über ihn einschlugen, und er gegen das Ertrinken ankämpfte.
Er musste ihn finden, musste ihnen entkommen. Der ultimative Preis für das Wissen. Ein Auge für das Wissen und die Magie, ein Ring für die Liebe und den Untergang der Welt.
Es war sein Preis. Erst dann würde er dies hier alles verstehen können, erst dann würde er mit den Tieren kommunizieren und den Göttern speisen können.
Wissen war Macht, und er brauchte sie. Um jeden Preis. Er musste ihnen entkommen um diesen Preis zu erhalten, und er brauchte diesen Preis, um ihnen zu entkommen.
Ein Paradox.
"Du verpasst gerade deine Lateinarbeit. Dekliniere Deus. Einmal ganz durch." Als Karl sich umdrehte, sah er Melanie, die ihn tadelnd ansah. Irgendwie war dies fast der einzige Punkt, der irgendwie Sinn zu machen schien.
Und dann waren dort die Zwillinge, miteinander auf ewig verbunden, sogar bis über den Tod hinaus. Und nicht nur miteinander, sondern auch mit ihm.
Sie waren eins.
Eine untrennbare Ganzheit.
"Vertraue dem Fuchs nicht."
"Er ist das, was wir jagen."
"Ignoriere die Eulen, aber höre auf die Raben."
Mühevoll versuchte Karl am anderen Ufer aus dem Fluss zu klettern, aber seine Kleidung war so voll gesogen mit Wasser (oder war es Blut? Karl konnte es nicht mehr sagen), dass er immer wieder ins Wasser zurückfiel.
Dann spürte er Hände, von oben und von unten, die ihn aus dem Wasser schoben und zogen, und ihn auf den feuchten Waldboden legten. Der Geruch von Wald und Moos und Blätter legten sich über seine Sinne, beruhigten ihn und gaben ihm ein Gefühl von Sicherheit und Geborgenheit, von zu Hause.
"Er ist noch nicht so weit. Das Wissen ist noch zu schwer für ihn. Er muss erst noch weiter gehen."
Karl wollte protestieren und versuchte sich sogar aufzusetzen, aber eine Hand auf seiner Brust stoppte ihn.
"Du bist zu früh gekommen", hörte er die Stimme eines Mannes. Als er die Augen endlich öffnen konnte, sah er einen alten Mann, der neben ihm kniete, das Gesicht im Schatten seines Schlapphutes versteckt. "Du solltest noch nicht hier sein, Sohn."
Sohn?
"Erst zur nächsten Jagd wirst du dazu bereit sein. Hoffentlich."
"Was passiert mit mir?"
Der alte Mann sah ihn an, und obwohl Karl seine Augen nicht sehen konnte, kam es ihm so vor, als bohrte sich sein Blick in Karl hinein, als würde er ihn von innen nach außen lesen. "Du erwachst."
Karl nickte und schüttelte zu gleich den Kopf. "Was heißt das?"
"Das wirst du wissen, wenn es so weit ist."
Schon wieder. Es war immer das gleiche, egal ob er wach war oder träumte. Da waren es sprechende Raben, und hier alte Männer. Es war frustrierend.
Der alte Mann lachte. "Hör auf ihn. Er wird dir den Weg weisen und dich schützen. Er ist mein Auge und mein Ohr."
"Wer? Der Rabe?"
"Natürlich."
"Und wer bist du?", fragte Karl, und versuchte wieder einmal sich aufzusetzen. Der alte Mann war stärker als es schien, oder vielleicht war Karl auch einfach nur zu schwach nach seinem unfreiwilligen Bad, aber er kam gegen die Hand auf seiner Brust nicht an. "Auch das wirst du früh genug erfahren." Und damit stand der alte Mann auf.
"Warte!" Karl musste es einfach wissen. "Bist du mein Vater?"
"Ich bin der Vater von allem. Aber du musst jetzt gehen", sagte er lächelnd. "Deine Mutter ist krank vor Sorge, und lange wird sie den Worten meines Vertrauten nicht mehr glauben. Du warst schon zu lange hier. Kehre zurück. Vergesse was du hier gesehen hast und komme zur Jagd wieder."
"Wann ist die Jagd?"
"Wenn du bereit bist", sagte der Mann einfach. "Und jetzt vergesse!"
"Wie soll ich das hier vergessen?"
Der alte Man verschwand mit einem Kichern im Wald, gerade als der Erdboden sich unter Karl auftat und ihn hineinzog. Das Ganze passierte so schnell, dass Karl noch nicht einmal überrascht sein konnte.
Als er die Augen öffnete, sah er seine Mutter an seiner Bettseite sitzen. "Mama?"
"Oh, Gott, Karl!", rief sie, und umarmte ihm. "Ist alles in Ordnung? Wie geht es dir? Du bist ja gar nicht mehr heiß." Karl erwiderte die Umarmung und sah an ihr vorbei.
Auf Stühlen direkt neben seinem Bett saßen die Zwillinge, hielten sich an ihren Händen und lächelten ihn an. "Willkommen zurück." Karl hatte keine Ahnung was sie hier taten, aber er nickte, was wohl die einzige passende Reaktion in dieser doch eher merkwürdigen Situation schien.
-- miteinander auf ewig verbunden, sogar bis über den Tod hinaus--
Karl schüttelte den Gedanken ab und konzentrierte sich auf das Hier und Jetzt.
"Ich hab dir gesagt, es würde in Ordnung kommen, Erika."
Und noch ein Besucher. Karl kannte ihn nicht, aber er sah wie eine größere Ausgabe der Zwillinge aus. Wahrscheinlich ihr Vater. Aber was tat er hier? Und woher kannte er seine Mutter? Immerhin waren sie erst vor wenigen Tagen hier hingezogen...
Es ist alles in Ordnung. Mach dir keine Sorgen.
"Ich hab irgendwas wirres geträumt", sagte Karl und leckte sich die Lippen. Sein Hals fühlte sich noch immer rau an, als wäre er eine lange Strecke gerannt, oder hätte sich heißer geschrieen.
"Ich bring dir sofort einen Tee", sagte seine Mutter und stand auch schon auf. "Und ich denke, ihr solltet jetzt gehen. Mein Sohn braucht Ruhe, Ihr werdet ihn schon noch früh genug wieder sehen", sagte sie, und da war das unheilvolle Beben in ihrer Stimme, das Karl nur zu gut kannte. Normalerweise war es immer ein Zeichen dafür, dass sie extrem sauer war, aber versuchte es nicht zu zeigen.
Hatte er irgendwas verpasst? Karl glaubte nicht, dass er von irgendjemand hier eine Antwort darauf bekommen würde.
Der Vater der Zwillinge nickte. "Sie hat Recht. Kommt, Kinder. Ihr könnt euch ja morgen davon überzeugen, dass es Karl wieder gut geht", sagte er mit einer Selbstverständlichkeit, als wenn sie sich schon seit Ewigkeiten kennen würden, und nicht erst seit wenigen Tagen oder, in seinem und Karls Fall, gar nicht. "Wenn du was brauchst, komm ruhig rüber oder ruf an, Erika. Wir sind immer für euch da."
"Dazu wird es wohl nicht kommen, Bertram, aber danke für dein Angebot."
Svenja lächelte ihn an und winkte ihm noch mal zu, bevor sie ihrem Vater und Karls Mutter nachging. Sven folgte etwas langsamer. An der Türe drehte er sich noch mal zu Karl um. "Hast du ihn getroffen? Was hat er gesagt?"
In Karls Gesicht spiegelte sich nur ein großes Fragezeichen wieder. Das war das Einzige, dessen er sich sicher war.
Vergesse.
"Sven, komm jetzt endlich!"
"Du musst mir unbedingt erzählen, was passiert ist. Wir haben schon so lange darauf gewartet..."
Karl sah Sven verständnislos hinterher, als dieser endlich den anderen folgte und Karl alleine ließ.
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