Taifun (Tanaga-Versuch)

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G

Gelöschtes Mitglied 14616

Gast
Lb. Bernd,

du wagst dich hier an ein Thema heran, das sehr heikel ist. Mich hat es auch gereizt, habe aber dann die Finger davon gelassen, weil mir die richtigen Worte einfach nicht kommen wollten.

Tanaga ist eine philippinische Lyrikform. Das immerhin passt zum Thema. Dein Text drückt diese Verlorenheit, diese Trostlosigkeit in der mittleren Region der Philippinen für uns Außenstehende eigentlich ganz gut aus. Ich mag hier nur anmerken: Puppen sind auf den Philippinen absoluter Luxus, die meisten Kindern haben in diesem Land gar keine Puppen. Und wenn, dann sind das häufig Spenden aus den reichen Ländern. Oft fehlen Arme oder Beine, zumindest jedoch haben die wenigsten Schuhe. Und doch kannst du dir nicht diese Freude in den Kinderaugen vorstellen, wenn sie ein solches Spielzeug geschenkt bekommen, was hier im Müll landet!
Und so ist dein Bild geeignet für uns, die wir im Überfluss leben. Realistisch ist es aber leider nicht.

Ich mag es hier noch einmal betonen: der Taifun hat ein Land getroffen, in dem auch ohne Naturkatastrophen Millionen Menschen in absoluter Armut leben! Ich habe das auf vielen Reisen dort hin immer wieder live erlebt. Die Modernität in den großen Städten wie Manila, Cebu oder Davao täuscht. Das Elend beginnt nur wenige Kilometer weiter! Und eben dort hat der Taifun die Menschen erwischt!

LG
BeBa

p.s. Nicht böse sein. Dein Text ist ein Versuch, die Katastrophe in Worte zu fassen. In Worte zu fassen ist sie jedoch nicht!
 
O

orlando

Gast
Hallo Bernd,
ich halte diesen Versuch aus sprachlicher Sicht für wenig gelungen.
Durch "Schuh`n" und "ruhn" bringst du (ungewollt) komische Elemente in den Kurztext, was hier natürlich absolut unpassend wirkt. - Ich bin mir auch nicht sicher, ob sich dies nicht elegant umgehen ließe ...
LG orlando
 

Bernd

Foren-Redakteur
Teammitglied
Hallo,
vielen Dank für die Hinweise.
Das lässt sich nicht in Worte fassen. Es ist wahr.
Trotzdem habe ich es versucht.
Die ganze Tragödie ist furchtbar.
Puppen habe ich in den Trümmerbergen im Fernseher gesehen, denke ich. Das heißt dann, es war eine reichere Gegend oder ich habe mich geirrt. Vielleicht war es auch ein Kleidungsstück oder ein Farbtupfer und ich habe mich geirrt.

Ein Tanaga von den Phillipinen ist vielleicht genauer, ich hatte es nur beim ersten Lesen nicht so gelesen, wie heute:

Zitiert nach der englischen Wikipedia:

"Catitibay ca tolos
sacaling datnang agos!
aco’I momonting lomot
sa iyo,I popolopot."

Englische Übersetzung von Jardine Davies:

"Oh be resilient you Stake
Should the waters be coming!
I shall cower as the moss
To you I shall be clinging."

Das Tanaga wird von Vim Nadera den Mönchen Juan de Noceda und Pedro de Sanlucar zugeschrieben. - 16. Jahrhundert

Meine Übertragung, ausgehend vom Englischen:

Steh fest, du Pfosten so groß,
käme hier des Wassers Stoß!
Ich kaure nieder wie Moos,
und lasse dich niemals los.

----------------------------------

Ich habe versucht, mein Gedicht zu ändern, so schnell geht es nicht.
Es wird wohl völlig anders, wenn überhaupt.
Was die Komik betrifft: insbesondere extreme Tragödien kann man nur mit Komik aushalten.
Ich hatte sie nicht gesehen. Die Änderung ist erforderlich wegen des falschen Bildes.

Man kann auch nur einen Auszug nehmen.
 

Bernd

Foren-Redakteur
Teammitglied
Ein Taifun, so schwer, so schwer,
zog langsam übers Land daher,
voller Wucht zerdrückte er
das Haus, als ob's Spielzeug wär.
 

Bernd

Foren-Redakteur
Teammitglied
Hallo, Bernd,
eine kleine Frage:
basteln die Kinder sich Strohpuppen? Oder anderes Spielzeug?

Dass das Dichten hier heikel ist, habe ich bemerkt.

Ich will das Gedicht einer phillipinischen Bekannten schicken, habe es aber vorher zur Diskussion gestellt.
 
G

Gelöschtes Mitglied 14616

Gast
Lb. Bernd,

ich möchte hier noch einmal klarstellen, was ich mit meiner Kritik an der Puppe meine. Sicherlich gibt es dort auch Puppen, es ist also kein "puppenfreies" Land. ;) Aber Puppen, so wie wir sie kennen, die anzuziehen sind etc. (wie etwa Barbies o.ä.) sind dort unerschwinglich für die arme Bevölkerung. Mir ging es aber in dem Text auch weniger darum, ob man dort vereinzelt Puppen findet (wie du sie ja wohl in einem Bericht gesehen hast). Ich finde, das Bild der Puppe mit den Schuhen passt hier einfach nicht. Das wäre in meinern Augen eher etwas für ein Hochwasser hier in unseren Landen o.ä. Authentischer für eine solche Szene wäre gewiss eine alter Puppe, vielleicht ohne Arme etc., gewiss aber ohne Schuhe. Schuhe sind doch Puppenzubehör (weiß ich als Vater einer 7jähigen Tochter ;), und das haben die Kinder dort noch viel weniger.
Ich hoffe, du verstehst mich jetzt besser.

Zu deiner Frage:
Ja, sie basteln sich in der Tat Puppen. Ich habe z.B. Kokosnüsse gesehen, die als Puppen gedient hatten und mit denen die Kinder genauso gespielt und gesprochen haben wie die Kinder hier mit Puppen von Mattell etc. Die Phantasie der Kinder ist überall beinahe grenzenlos, wenn man es zulässt. Zu viel Spielzeug wie der Überfluss bei uns ist da dann sogar kontraproduktiv. Um so interessanter, Kinder in solch armen Regionen spielen zu sehen. Aber das ist ja nichts wirklich Neues, nicht wahr?

Übrigens gefällt mir das Original-Tanaga gut. Es zeigt übrignes in meinen Augen die philippinische Mentalität sehr schön.

LG
BeBa
 

Bernd

Foren-Redakteur
Teammitglied
Das ist deutlich besser als mein Versuch.

Mit den Puppen - das verstehe ich jetzt.
Ich kann es nicht auf einfache Art ändern.

Ich will ja die Verstörung zeigen.
 



 
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