Teil 1/14

Sir Mef

Mitglied
Nur die Erinnerung

Der Nebel hatte das Tal bereits geteilt, als die ersten, wie durch eine dicke Wand, herein brechenden Strahlen der Morgensonne, durch den weißen Rauch stießen und die kleine Kirchturmspitze freigab, auf dessen Dach sich die ersten Strahlen brachen und in der weißen Wand darunter verschwanden.
Als auch die letzten Schleier das kleine Tal freigelassen hatten vom Bann des Mystischen und die wenigen Häuser ins Reich des Lichtes getaucht wurden erreichte er die Hügelkuppe, von der die Straße geradewegs in das kleine Tal am Fuße des Berges führte.
Direkt in dem Kessel, der von den gewaltigen Bergkuppen, wie von mächtigen Händen geschützt lag, ragte das Dorf, wenn man es denn so nennen kann, in den inzwischen kristallklaren Himmel, in dem nur wenige Wolken dem Wind folgten.
Es war eines von vielen Dörfern, die sich in der Sorum – Kette, der längsten Gebirgskette zwischen den beiden Städten Aynor und Nenlar, befinden.
Nenlar war eine Staustadt, die für den größten Damm, der den Fluss Amner staute, verantwortlich war. Die Sorum – Kette, ein Gebirge mit gut dreitausendfünfhundert Fuß hohen Gipfeln ist eine der natürlichen Grenzen, die Brahmin von seinem Nachbarn Skonia trennt.
In diesem Gebirge entspringt auch der Fluss Nore, die Grenze nach Norden hin.
Dieser Fluss trägt das kalte Gestein der Berge mit sich und war lange Zeit ein beliebter Ort für Goldwäscher und Fischer, bis die Vorkommen erschöpft waren und die Bergwerke sich tiefer in die Berge fraßen.
Die Nore fließt durch die Ron Moore in denen er sich ausbreitet und seine Form als Fluss verliert.
Im Norden verwandelt er sich in schwimmende Eisschollen und mündet, meist als Gletscher, ins Eismeer.

Auch dieses kleine Dorf war mitverantwortlich für die drei Staudämme, mit denen die Bergwerke und Untertagebaugruben betrieben wurden.
Die Ruhe, die von diesem Tal zu ihm empor schrie, verwandelte sich in einen seichten Wind, der den Geruch von endloser Stille mitbrachte.
Der ganz leise seine Seele berührte und ihr zuflüsterte, wo er zu Hause war.
Nach Jahren des Heimwehs zeigte ihm diese flüsternde Stimme den Weg an den Ort zurück, in den ihn die Sonne immer mit wärmenden Strahlen begrüßte und, wie eine Mutter, Geborgenheit gegeben hat.
Die Luft wurde schnell warm und die Mittagssonne brannte bereits auf die Dächer hinunter, als er die staubige Straße verließ und hinter der kleinen Stadtmauer in eine Welt eintauchte in der er sich, als wäre es gestern gewesen, als ein kleines Kind sah, dass auf der Straße dem Wind hinterher lief.
Der junge Mann versuchte sein Wettergegerbtes Gesicht zu schützen und zog seinen dunklen Hut tiefer in die Stirn.
Er sah die Schatten, vor denen er versucht hatte sich zu verstecken, und ständig von ihm selber enttäusch in die Arme einer Frau mit langen braunen Haaren gerannt war, die ihm mit einem Taschentuch die Tränen in den Augen getrocknet und ihm zum Trost sanft die Haare von der Stirn gestrichen hatte.
Er sah ihr zartes Lächeln, wie ihr wunderschöner Mund etwas zu ihm sagte und ihre Augen leicht über seine Wange streichelten, als spürte er ihre Hand jetzt gerade in seinem Gesicht.
Er konnte den Geruch ihre Haare riechen, die immer den leichten Duft von Blütenstaub trugen, wenn sie ihm bei einer Umarmung leicht ins Gesicht fielen.
Er konnte die Vergangenheit spüren, wie sie ihm eine warme Hand ums Herz legte und seine Seele mit einer weichen Kraft stärkte.
Und er sah den Schmerz in ihren Augen, als sein Vater ihren leblosen Körper auf seinen Schoß bettete und ihr die gebrochenen Augen schloss, bevor seinen Tränen ihrem Gesicht wieder die Farbe zurückgaben.
Er sah ihren Schatten auf dem Wasser, bevor man die blau angelaufene Frau herausfischte, um ihr auf dem Friedhof die letzte Ehre zu geben.
Er hatte es nie gewollt und fühlte in ihm wieder diesen sonderbaren Schmerz, der sein Herz auf eine Folterkammer zu pressen drohte und seiner Seele die verschiedenen Qualen der Unterwelt zeigte.
Er hatte seinen Vater fast jede Nacht weinen gehört, wenn er am Fenster saß und in den Regen starrte ohne ihn wirklich zu sehen. Wie sein Herz nach jener Liebe schrie, die es ihm selber geraubt hatte. Er konnte es nicht verstehen.
Und aus dieser hilflosen Ohnmacht wuchs eine Angst, von der er wahrscheinlich selber nicht mehr wusste wo sie herkam, doch er spürte, dass sie zu wachsen begann, bis das er sich nicht mehr unter Kontrolle hatte.
Er weiß nicht was sein Vater an jenem stürmischen Abend, als die Blitze in so dichter Reihenfolge auf die Erde sausten, dass es für Minuten lang taghell war, gemacht hatte, als er den schmalen Weg zum Stausee empor stieg, der sein kleines Dorf mit Trinkwasser versorgte.
„Ich werde noch mal draußen nach dem rechten sehen!“
Der Junge Mann würde die Worte immer hören, auch wenn es schon Jahre her war.
Hatte ich geweint, fragte er sich?
Er konnte sich die Antwort nicht geben.
Doch als der Regen nachgelassen und die Nacht dem Tag Platz gemacht hatte, war sein Vater verschwunden.
Heute kann sich der junge Mann nur noch an seine verweinten Augen erinnern, wenn er ihm abends die Decke bis zum Hals schlug und mit flüsternder Stimme versprach, dass seine Mutter bald heimkehren würde.
Und auch wenn er es nicht verstanden hatte, so war in seinem Herzen eine, ihm nicht zu beschreibende Wut, dass ihn sein Vater mit seinen und den eigenen Problemen in dieser Welt allein gelassen hatte.
Er versuchte zu empfinden was damals in seinem Kopf vorgegangen sein musste, doch er konnte es nicht. Vielleicht auch weil er es nicht wollte.
Weil sein eigener Stolz ihm die Tränen verbot schluckte er seine Gedanken herunter, wischte sich mehrmals den Schweiß aus dem Gesicht und ging weiter.
Es war schon fast unerträglich warm, doch der aufkommende Wind half der warmen Luft, die sich, wie in jedem Hochsommer, in dem Talkessel absetzte, den Weg über die Berge zu finden, wo sie in den weißen Wolken verschwand um bald darauf ein Gewitter heraufzubeschwören.
Die Luft war schwül und es roch nach einem frischen Sommerregen, der die Felder auf den Bergkuppen mit Wasser tränken würde.
Noch bevor der Regen kam erreichte er den von mächtigen Eichen eingerahmten Marktplatz, den Weidemoosplatz, von dem nur die Wulfenigasse abzweigte und irgendwo hinter den Häusern im freien Gelände endete.

Die gewaltigen Bäume reichten mit ihren Kronen weit hinunter und warfen weite, auslaufende Schatten über den Platz, tauchten ihn in ein unheimliches Grau, aus dem jede Farbe gewichen war.
Graue Wolken hatten die Sonne jetzt endgültig verschluckt und den Blick auf den Himmel geschlossen.
Noch bevor er sich wundern konnte, wie schnell das Wetter in dieser Region umschlagen konnte, drang der erste Donner gedämpft und noch sehr weit entfernt über die Hügel in das Tal, wo sich der Knall verlor.
Und dann kam der Regen.
Feste, fast Golfball große Tropfen klatschten auf die Pflastersteine unter seinen Füßen. Sie spritzten in sekundenschnellen gebildeten Pfützen auseinander, zogen weite Kreise auf der spiegelglatten Fläche.
Es dauerte nur wenige Minuten und der Stoff seiner Kleider hatte sich so mit Wasser voll gesogen, dass sie wie schwere Metallplatten an seiner Haut klebten, die ein Vorwärtskommen schier unmöglich machten.
Er hatte Mühe seine dunkelbraunen Augen vor dem Wasser zu schützen, das wie Flutbäche an seinem Wettergegerbten und doch weichen Gesichtszügen herunter lief.
Vor ihm türmte sich eine Wand auf, die ihm die Sicht verbot, dass er befürchtete im Kreis zu irren, ohne den Platz verlassen zu können.
Der Regen hatte sich in spitze Metallsplitter verwandelt, die seine nackte Haut wie Messer trafen.
Der Platz hatte sich in einen flachen Teich verwandelt, in den die Tropfen in immer schnellerer Reihenfolge aufschlugen, so dass sich die gebildeten Kreise im Wasser überschnitten, oder sich erst gar nicht ausbreiten konnten.
Der Wind schob das Wasser in kleinen Wellen vor sich her, presste es durch die winzigen Gitterstäbe des Abwasserkanals, wo die Flut sprudelnd verschwand.
Es war dunkel geworden und die wenigen Farben, die man noch zwischen Nebel und Regen erkennen konnte warfen verschwommenen Spiegelungen des Lichts über das Wasser.
Er versuchte seine Orientierung wieder zu finden, war jedoch nicht mehr in der Lage seine Position zu bestimmen.
Um ihn herum erwachte ein Chaos aus Regen, undurchschaubaren Nebelschleiern und einem lauten, in immer kürzeren Abständen auftretendem Donner, der von grellen, fast taghellen Blitzen begleitet wurde.
Der Regen schien immer stärker zu werden und die Sicht immer beschwerlicher.
Er spürte die kalte Hand, die ihm mit nassen Fingern über die nackte Haut strich und jedes Haar einzeln aufstellte.
Er spürte seine Beine, wie sie mühsam durch das knöcheltiefe Wasser zu waten versuchten.
Wankend und taumelnd, als hätte er einen über den Durst getrunken, versuchte er das helle Licht am Ende des Tunnels auszumachen, der aus Regen und Nebel zu bestehen schien.
Als blickte er durch ein Glas mit Wasser erkannte er in dem Licht die beleuchteten Fenster, die ihm Hoffnung auf etwas Warmes zu essen und ein weiches Bett versprachen.
Er sah die mit Eisen beschlagene Holztür erst, als er über den Bordstein stolperte und gerade noch rechtzeitig zum Halten kam, um die Tür nicht wie ein Rammbock einzureißen.
Noch mehrere Minuten suchte er im halbdunklen nach dem Türknauf, glitt mit seiner Rechten an dem groben Holz hinunter bis er den Griff in der Hand hielt, der unter seiner Berührung immer kälter zu werden schien.
Schnell öffnete er die Tür und trat in den dahinter liegenden Raum.
Durch seine Größe fühlte er sich gezwungen sich durch die Tür hindurch zu bücken, und machte einen buckligen Eindruck, der zu seiner sonst so stattlichen Statur nicht passte.
Er stand vor eine Wand aus stehendem Qualm, Rauch und aufsteigendem Schweiß, der nicht rechtzeitig kondensieren konnte und die wenigen Fenster beschlug.
Schwache Lampen unter der niedrigen Decke warfen weiche Lichtzylinder durch den Raum, in denen sich der aufsteigende Zigarettenrauch in Spiralen nach oben drehte, wo er sich unter der verputzten Decke verteilte und durch die wenigen geöffneten Fenster verschwand.
Dunkles Gelächter und leises Klirren von Gläsern schwamm, als verzerrtes Geräusch durch den Raum, der vor Gästen zu platzen schien.
Auch wenn das Gasthaus nicht größer als ein kleines Appartement gewesen sein konnte, drängten sich einfach gekleidete Gäste um die Bar und an den wenigen, im hinteren Teil aufgestellten Tischen, saßen Bauern aus dem Dorf die Karten spielten.
Ein einzelner Mann mit schlichtem Baumwolljackett und einer Hose, bei der man nicht sagen konnte, ob sie aus dem Mittelalter oder schon aus der Zeit Ornes des Barbaren stammte, saß in der einzigen Ecke die einen Tisch anbot und nahm eine nicht zu definierende Mahlzeit ein.
Er schluckte einen Bissen hinunter, warf kurze Blicke in die Runde am Tisch der Bauern, musterte den Eindringling mit einem kurzen Blick und wandte sich wieder seinem Krug Bier zu, den er geräuschvoll absetzte.
Er wiederholte das mehrmals, bis der junge Mann sich entschloss an der Theke auch ein Bier zu bestellen.
„Wer seid Ihr?“
Bevor er die Theke erreichte sprach ihn der Wirt in seiner grauen Schürze an, die mal weiß gewesen sein musste.
„Mein Name ist Mef“, mehr hatte er dazu nicht zu sagen, warum auch.
Sollte etwas das ganze Dorf wissen warum er hier war?
Er wusste es ja selber nicht.
Früher einmal währe er gerne wieder hergekommen, schließlich hatte er ja hier gewohnt, war hier aufgewachsen.
Doch irgendetwas hatte sich den letzten zehn Jahren verändert.
Wenn er nur wüsste was.
Ihm kam ein Gedanke...
„Und was wollt ihr hier?“
Der Wirt unterbrach seine Gedanken und holte ihn in die Wirklichkeit zurück.
„Ich will etwas zu trinken!“
Der Wirt runzelte die Stirn und sah den Hochgewachsenen Mann misstrauisch an.
Grummelnd wendete er sich ab und tat irgendetwas hinter der Theke, bis er ihm ein Bier auf den Tresen stellte und ging.

Mef trank, während er auf den Wirt wartete um ihn nach einer Unterkunft für die Nacht zu fragen.
Doch der fettleibige Mann in der weißen Schürze schüttelte nur den Kopf. Dabei spiegelten sich die Lampen hinter der Bar, die eigentlich die Schnapsflaschen vor dem polierten Spiegeln anleuchten sollten, auf seiner blanken Glatze, die in allen Farben des Regenbogens zu schimmern schien.
Eine Spur zu schnell, für eine Antwort, dachte er noch, wandte sich aber halb wieder in den Raum und warf einen betrübten Blick durch die Fenster, hinter denen immer noch die Sturmflut tobte.
Er nahm erneut einen Schluck
Das Getränk schmeckte furchtbar und Mef verzog angewidert das Gesicht.
Mürrisch legte er meinen Mantel ab, aus dem man ein Trinkwasserressort hätte machen können, strich sich mit der Rechten durch die vom Regen feuchten gewordenen blonden Haare und wischte sich die letzten Tropfen aus den Augen, die bereits von dem vielen Rauch zu tränen begannen.
Schnell hatte sich sein Bier in Luft verwandelt und er war von sich selber gezwungen ein weiteres zu bestellen.
Als er sich die erste Pfeife anzündete, störte ihn auch der beißende Rauch nicht mehr, der seine Augen wohl in rote, angeschwollenen Kugeln verwandelt haben musste. Sein Anblick schien, mit weit austretenden Augen, wohl alle anderen Gäste von ihm fern zuhalten.
Niemand kümmerte sich mehr um ihn, selbst der misstrauische Wirt, dem sein Blick nicht entgangen war.
Aber was erwartet man, in so einem Nest, wo jede Jeden kennt, schließlich war er hier ja groß geworden.
Wangeweile plagte ihn.
Also bestellte er sich noch ein Bier, obwohl er wusste, das langsam der Punkt kommen würde an dem er einen klaren Kopf behalten musste.
Denn durch diesen sausten bereits Bilder und Gedanken wie Karren, die er nicht zu ende bringen konnte, weil sich schon neue Bilder hinter seiner Stirn ausbreiteten, und die Alten verdrängten.
Und die Zeit verstrich, ohne dass er es wahrnahm. Da er sowie so nicht mehr all zuviel wahrnahm bemerkte er auch nicht, wie sich die Skatrunde immer schneller auflöste und kurz darauf der Mann in dem schlichten Jackett und der alten Hose das Gasthaus verließ, ohne seine entstandene Rechnung zu bezahlen.
Plötzlich, viel schneller als sich seine Gedanken drehten, war er alleine in dem Raum, der ihm jetzt viel größer und geräumiger vorkam.
Mit einem Drang, der schon lange in ihm aufgestauten Flüssigkeit zu entledigen, ließ er sich vom Hocker rutschen. Mit torkelnden Schritten stolperte er auf die einzige Tür in diesem Raum zu, auf der in weißen Buchstaben, wie von einem Kind gepinselt das Wort „Klosett“ stand.
Hinter der Tür erwachte ihn erwartungsgemäß ein winziger Raum mit nur einer Toilette, einem Waschbecken dessen Farbe er nicht mehr definieren möchte und ein Spiegel, in dem man sich nur betrachten konnte wenn man einen Meter groß war.
Er sank in die Knie, betrachtete kurz sein Gegenüber in dem Spiegel, von dem er nicht annehmen wollte, dass es sein eigenes sein konnte, schaufelte sich zwei Hände Wasser ins Gesicht und gab seinem Drang, was er schon lange verdient hatte, bevor er wieder zurück ging.
In dem Wirtshaus hatte sich nicht viel geändert.
Der Rauch hing immer noch wie eine undurchdringliche Wand vor der Theke und die Lichter unter der Decke schienen noch schwächer geworden zu sein.
Nur der Wirt hatte endlich aufgehört das einzige, Glas zu polieren, bis das er nur noch hauchdünn sein würde, sondern stellte bereits die ersten Stühle an den leer geräumten Tischen hoch, wobei er ihm Blicke zuwarf die ihn unwiderruflich zum Gehen aufforderten.
Er ging nicht.
Sondern bestellte noch ein Bier, als der Wirt mit seiner Arbeit fertig war und hinter die Theke getreten war.
Während er ihm das Bier zapfte warf er ihm böse Blicke zu, die er geflossen ignorierte.
Doch er genoss es, wie der Fettleibige jede zweite Minute unmissverständlich auf die große Wanduhr über dem Flaschenregal sah und sein Blick mit jeder Dritten erschöpfender wirkte.
Er hoffte auf seine Resignation, wonach er ihm dann doch eins seiner freien Zimmer geben musste, dass er ihm selbstverständlich nur unter Vorbehalt verwehrte.
Doch als die Zeiger der Uhr Mitternacht überschritten hatten, forderte er ihn mit energischer Stimme auf zu gehen. Er löschte die Lichter über der Theke, noch bevor Mef widerwillig die Tür erreichte.
Auch wenn der Regen nachgelassen hatte, und die Sicht in die hereinbrechende Nacht besser geworden war, hatte er sich schon nach kurzer Zeit wieder völlig durchnässt, noch bevor er den Marktplatz erreichte.
Es war totenstill hinter den Fenstern. Nirgends brannte mehr ein Licht, als er einen hastigen Blick über die Häuser warf.
Noch mit der Frage beschäftigt, wo er die heutige Nacht verbringen konnte, ging er los, ohne zu wissen wohin.
Er hatte sein Zelt und alle Habseligkeiten bei seinem Pferd oberhalb des angrenzenden Wäldchens gelassen, um nicht zu viel unnötige Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen.
Eigentlich sollte es ja auch nur ein Kurzbesuch werden, aber die lange Reise hatte ihn aufgehalten.
Nicht das er besonders träge vorangekommen war, doch das Leben im freien Feld hinterließ halt so seine Spuren, nicht nur auf seinem Gesicht.

Er überlegte, ob er weiterziehen sollte, wollte sich jedoch, von der sonst immer so herzhaften Gastfreundlichkeit, die stark abgenommen zu haben schien, nicht beirren lassen.
Als ihm die schmale Gestalt entgegen kam, konnte er sich nicht entscheiden, ob er jetzt an der Realität zweifelte, oder ihm sein Zustand, das getrunkenen Bier und der Regen nur einen bösen Streich spielten.
Sie trug die Kapuze so tief ins Gesicht gezogen, dass er über den hochgezogenen Kragen nur ihre Augen erkennen konnte.
Der Regen lief ihr an allen nur denkbaren Körperteilen herunter und hatte ihr Kleid, dass sie unter dem Mantel verborgen zu halten versuchte, so durchnässt, dass sich das Kleid hauchzart, eng an ihren Körper anschmiegte und man darunter die zarten Formen einer jungen Frau erkennen konnte.
Erst als sie an ihm vorüber ging, konnte er in ihren Augen die Überraschung wahrnehmen, die mehr Fragen aufwarf, als sie ihm mit einem Mal hätte stellen können.
Er fühlte eine sonderbare Wärme, als sie an ihm vorüberging. Ein seichter Windhauch. Er konnte ihre innerliche Kraft spüren und versuchte genau diesen Moment für immer in seinen Gedanken einzuschließen.
Und auch wenn dieser Moment, in dem sie ihn mit ihren dunklen Augen anstarrten nur wenige Sekunden gedauert haben konnte, fühlte er eine sonderbare Zuneigung.
Eine gewisse Sympathie auf den ersten Blick, die ihm eine warme Hand ums Herz legte, die sich erst löste, als ihre zarte Gestalt hinter der Wand aus Finsternis und fallendem Regen verschwand.
Und auch wenn er sich sicher war sie nicht zu kennen, kam es ihm vor, als wäre sie schon seit Jahren ein Teil seines Lebens.
Etwas Vertrautes.
E fühlte dieses kleine Stück Heimat tief in ihm. Aufgewühlt von ihr und in ihm erwacht.
Schon seit langer Zeit nicht mehr gespürt.
Der Wunsch nach Geborgenheit und Ruhe.
Eine Zufriedenheit, die sie ihm gab, die er in sich begraben hatte, um nicht mehr darüber nachdenken zu müssen, ohne zu wissen was er da eigentlich tat.
Er fühlte, wie plötzlich jener in ihm aufgestaute Schmerz sich löste und in bitteren Tränen, die sich mit dem Regen vermischten verschwand. Doch er merkte nicht, was genau geschah.
Trotzdem, in diesem Moment wusste er, dass sie ihm mehr gegeben hatte, als sie selber ahnte.
Ein Gefühl, dass einem eine Mutter zu geben bereit war, wenn sie einem die Haare aus der Stirn strich und man den warmen Atem spürte, wenn sie einem leise etwas ins Ohr flüsterte.
Und plötzlich war das alte Bild wieder da.
Ein kleiner Junge, der weinend in ihre ausgestreckten Arme flüchtete.
Plötzlich war dieser Blick wieder da mit dem sie ihn angeschaut hatte und ihm tröstende Worte zusprach.
Nur der Schmerz blieb aus.
Der Schmerz, aus ihren toten Augen, aus denen die nackte Panik empor rief.
Er suchte tief in sich nach diesem Schmerz, den er lange Zeit mit sich getragen hatte, wie einen Mantel, doch er fand ihn nicht mehr.
Jahrelang hatte er ihn an seiner Seite gehalten, nur gewünscht ihn loszuwerden.
Und jetzt?
Jetzt fühlte er sich richtig alleine.
Seine Gedanken wurde abrupt unterbrochen, als er leise Schritte durch die Pfützen stampfen hörte und seinen Blick aufrichtete auch wenn er noch nichts erkennen konnte.
Erst jetzt spürte er wieder, wie nass er geworden war und wie kalt diese Nacht doch war.
Erbärmlich kalt.
Und so nass, dass er die Tropfen schon gar nicht mehr wahrnahm, geschweige denn in auf seiner Haut spürte.
Vergeblich versuchte er zu ermitteln, aus welcher Richtung die Schritte kamen, doch er konnte in seinem Kopf den Orientierungssinn nicht mehr finden und so ließ er seinen Blick wahllos zirkulieren, ohne auch nur das von ihm beabsichtigte Ergebnis zu erzielen. Endlich die Gestalt auszumachen, die jene Schritte verursachte.
Noch bevor er überlegen konnte, warum in dieser Nacht noch so viele Menschen durch den Regen liefen, verstummten die Schritte und er gab das wirre drehen im Kreis auf, weil sich ein Schwindelanfall ankündigte, hörte jedoch nichts mehr, außer dem Regen, der immer noch in unregelmäßigen Abständen auf die Pfützen brach und diese auseinander riss.
„Entschuldigung...!“
Die zarte Frauenstimme ließ ihn herum fahren.
Er drohte das Gleichgewicht zu verlieren.
Mit klopfendem Herzen, einem rasenden Puls und rudernden Armen, um nicht zu fallen, sah er wieder in ihre Augen, die vor Überraschung noch größer geworden waren.
„Entschuldigung“, wiederholte sie.
„Ich wollte sie nicht erschrecken, aber kann ich ihnen vielleicht weiter helfen?“
Sie machte eine kurze Pause, drehte sich nervös um und sprach weiter.
„Ich meine, sie stehen schon seit gut einer Stunde hier im Regen. Es geht mich zwar nichts an, aber sie werden sich hier draußen bestimmt den Tod holen!“
Sie blickte sich noch nervöser um, und wollte sich schon zum Gehen abwenden, als er seine Sprachlosigkeit überwand, und sie fragte, wo er seine Nacht verbringen konnte.
„Na ja im Wirtshaus, oder hat man sie dort abgewiesen?“ fragte sie.
Mef nickte nur langsam.

Irgendwie kam ihr dieser Typ seltsam vor. Was machte er hier nur bloß mitten in der Nacht, und so verwirrt.
Sie beschloss nicht weiter darüber nachzudenken und begrub alle Zweifel hinter ihrem heiligen Gut.
Der Gastfreundschaft.
Nur wortlos wies sie mir mit einem Blick die Richtung, machte eine Geste ihr zu folgen und verschwand wie ein Schatten in der Nacht.
Er hatte Mühe mit ihr Schritt zu halten und konnte erst wieder Luft schnappen, als sie vor einem winzigen Fachwerkhaus hielt, in ihrer Manteltasche nach einem Schlüsselbund wühlte und die Tür aufschloss.
„Was macht ein Mann wie sie, bei so einem Wetter und dazu noch mitten in der Nacht da draußen? Wie ein Landstreicher sehen sie nicht aus!“ bemerkte sie und hängte ihren Mantel an die Garderobe, wo er auf den Fußbodendielen eine kleine Pfütze hinterließ.
Mit forderndem Blick sah sie ihn an und schüttelte nur den Kopf.
„Nur ein Dummkopf ist bei so einem Wetter draußen.“
„Ich bin nicht von hier und nur auf der Durchreise“, wandte er ein, auch wenn er es in dem Moment hasste sie anzulügen fiel ihm nichts Besseres ein, um das Rechtzufertigen.
„Im Gasthaus hat man sie abgewiesen nicht wahr? Ich kann’s mir vorstellen, Fremde sind nicht sehr erwünscht...“
„Aber ich bin doch nicht“,
Ich schluckte seinen Einwand hinunter und biss sich auf die Zunge.
Noch wollte er nicht, dass sie erfuhr wer er war. Vielleicht wollte er es auch nie, doch darüber nachzudenken war er zu müde.
„Was sind sie nicht?“ mit langsamen Schritten kam sie ihm so nah, dass er ihren Atem fühlen konnte, als sie ihn kritisch musterte.
Und als hätte er sich plötzlich in ein Gespenst verwandelt, brachen ihre wunderschönen blauen Augen so groß auf, als wollen sie aus ihren Höhlen treten.
„Du bist...nein das kann nicht sein... Man sagte mir du seiest... Na ja tot?“
Er wusste nicht wer sie war, doch das sie ihn erkannte, da hatte er gar keine Zweifel mehr, und das allein war Grund dafür ihr eine Erklärung abzugeben.
„Nun ja. Seit mein Vater verschwunden ist, “ er stockte, wusste nicht ob er in diesem Moment mein Herz nicht zu weit öffnete.
„...ich konnte einfach nicht länger bleiben. Das Gerede und so!“
„Aber was hast du die ganze Zeit gemacht?“ hauchte sie.
Er überlegte lange, als würde er sich nicht mehr an die Zeit erinnern, auch wenn sie so deutlich vor meinen Augen lag.
„Ich bin umhergewandert.“
Er sah wieder die brennende Stadt vor ihm.
„Umhergewandert?“
Sie lachte unwirklich, während ihre blonden Haare hin und her wirbelten.
Sie spürte dass er nicht darüber reden wollte, Frauen haben für so etwas einen anderen Sinn und prasseln nicht einfach los mit Fragen.
Ihre Mutter hatte das immer gesagt und die musste es ja wissen.
Doch schließlich regierte die Neugierde.
„Und wo wandert man so?“
„Ich habe Zólkner gejagt.“
„Zólkner!“ brach sie hervor. „Du hast sie gejagt?“
Er merkte, das er hatte ihre Neugierde geweckt und wollte das Thema sofort beenden, um nicht noch neues böses Blut aufkommen zu lassen.
„Sie versklaven Menschen und unterdrücken das Land wo sie nur können. Ich habe mich immer aus Bekanntschaften ferngehalten!“
Sie lächelte müde, auch wenn seine Aussage zweifellos nicht der Wahrheit entsprach, doch er wollte ihr nicht noch mehr Angst machen, die sie sicherlich nicht verkraftet hätte.
„Und?!“
Er nickte.
„Nachdem ich ihr Handeln gesehen hatte und sie mir einen Menschen nahmen, den ich sehr schätzte, konnte ich meinen Hass nicht mehr zügeln.“
Und immer mehr begann ihm diese Unterredung unheimlicher zu werden.
Er wollte nicht so viel von sich erzählen, doch ihre Augen schienen ihn förmlich dazu zu zwingen, ihr seine Seele zu offenbaren.
Er unterdrückte den Schmerzensschrei, mit dem er versuchte sich wieder unter Kontrolle zu bekommen und erhob sich langsam.
„Ich muss gehen. Ich danke dir für deine Gastfreundschaft, doch ich kann nicht bleiben!“
Er musste dieser Frau aus dem Weg gehen, den er spürte etwas besonderes ging von ihr aus, dass ihn nicht Herr meiner selbst bleiben ließ.
„Du kannst doch nicht einfach so wieder verschwinden!“
Empört stand sie auf, wobei der Stuhl geräuschvoll nach hinten schlug und scheppernd zu Boden fiel.
„Ich habe noch so viele Fragen und wo willst du überhaupt hin, bei dieser Nacht und dem Regen. Bleib hier! Zu lange haben wir uns nicht mehr gesehen!“
Er wusste, dass sie so antworten würde, ärgerte sich darüber, dass er nicht standhalten konnte und plötzlich fiel ihm ihr Gesicht ein, wie durch einen Schleier aus Nebel.
Das Gesicht eines kleines Mädchens, dass ihn bei der Hand nahm und eine mit Blumen gefüllte Wiese hinunter stürmte.
„Ich kann nicht“, wiederholte er.
„Draußen oberhalb des Wäldchens wartet ein Freund und mein Hab und Gut. Ich werde ihn aufsuchen müssen!“
Natürlich wusste er, dass Jura besser auf sich alleine aufpassen konnte, als er auf ihn, doch ihm fiel keine bessere Ausrede ein.
„Ein Freund?“
Fassungslos weiteten sich ihre Augen.
„Wieso hast du ihn nicht mitgebracht, ich habe doch so viel Platz? Willst du ihn etwas die ganze Nacht im Regen stehen lassen?“
„Das würdest du nicht verstehen. Ich möchte keine unangenehme Aufmerksamkeit auf mich ziehen. Er ist ein Wozarn.“
Er hatte keine andere Reaktion von ihr erwartet, als dass sie mit Angstgeweiteten Augen ein paar Schritte von ihm zurück wich und sich an der Tischkante festkrallen musste.
„Du? Hast einen... Wozarn?“
Er rollte mit denn Augen.
„Ich besitze ihn nicht, er ist mein Freund!“
„Ein Wozarn“, wiederholte sie nachdenklich.
Sie sprach das Wort irgendwie seltsam aus, so als ob er plötzlich ein Fremder geworden wäre.
Schon lange hatte man diese Wesen nicht mehr in der Gegend gesehen.
Der Wozarn ist eine Art von Wolf mit bläulich schimmerndem Fell. Auf seinem Kopf ragen, zwischen den spitz aufgerichteten Ohre zwei Hörner empor, die sich geschwungen nach vorne richten.
Doch so schnell sie sich auch in die Angst vertiefen konnte, umso schneller verflog sie auch wieder, und machte der ungewollten Neugierde platz.
„Darf ich ihn sehen?“
Seine Gedanken kreisten, alles was er wollte war so schnell wie möglich wieder verschwinden, als wäre er niemals da gewesen.
Heute gibt es nur noch wenige Wozarns. Jäger verfolgten sie wegen ihrem blauen Pelz und Schausteller wegen seiner einigartigen Gabe, denken und sprechen zu können.
Mit den Jahren ist diese Rasse fast ausgestorben auch wenn sie gut mehrere hundert Jahre alt werden.
Geschätzt hatte er den Wozarn immer wegen seiner Erfahrung und seinem Wissen, dass die weisesten aller Lande übersteigt.
Doch zur Schau stellen wollte er ihn nun wirklich nicht.
„Ich denke nicht dass das eine gute Idee ist. Er ist sehr eigen, außerdem muss ich jetzt wirklich los. Er wartet auf mich!“
Sie rümpfte die Nase.
„Dann erzähl mir wenigstens, wie du ihn kennen gelernt hast…!“
„Es tut mir leid. Ich möchte mich für deine Gastfreundschaft bedanken, aber ich muss gehen.“
Ohne mich umzuwenden oder sie eine Blickes zu würdigen, griff er nach meinem Mantel, streifte ihn über und verließ das Haus.
Der Regen hatte nachgelassen und er verfluchte sich selber für seine so grobe Art ihre Gastfreundschaft zu danken, doch sie mit in diese Welt voller Gefahren und Zweifel der Gesetzlosen zu stoßen, würde ihn auf Ewig in Alpträumen verfolgen und so beruhigte er sein Gewissen mit dem Gedanken etwas richtig gemacht zu haben.
Noch immer wusste er nicht woher diese Frau ihn zu kennen glaubte, und mir fiel kein Gesicht ein, an das er sich erinnern konnte.
Nur dieses Mädchen auf der Wiese aber wie war ihr Name?
Die Wolken hatten sich verzogen und der kalte Wind, der an meinen Kleidern riss, trieb sie über die Berge, damit sie den Vollmond freigeben würden.
Das Licht der Sterne und der hellen Scheibe am Himmel ließ die Welt in hellen Grautönen erscheinen.
Sein Umhang, der das weiße Hemd und die kurz geschnittene Hose zu schützen versuchte, flattert laut im Wind.
Auch wenn er noch nicht mit seinen Gedanken am Ende war, so erreichte er die Bergkuppe über dem Tal und somit auch den angrenzenden Wald.
„Dein Besuch war kurz!“
Die dunkle, raue Stimme aus dem Unterholz, formte sich zu einem Körper, der im Schein des Mondes noch blauer wirkte als sonst und der Wozarn trat auf den hellen, vom Mond erleuchteten Weg.
„Jura wir packen zusammen und verlassen das Lager. Noch heute Nacht!“
Und auch wenn die Worte schneidender waren als gewollt, so wusste der Wozarn das in ihm ein Sturm aus Gefühlen zu toben begann.
„Mein Freund, denkst du nicht ein wenig übereifrig zu handeln, ich bin müde und Morgen ist auch noch ein Tag!“
„Du hast ja Recht. Aber die Erinnerung ist hier zu stark und ich kann das nicht.
Wieder einmal hab ich menschliche Kälte erfahren, und zugleich ihre Liebe gespürt!“
Langsam drehte sich der Wozarn zu ihm um und legte sich neben den Baum am Rande des Weges.
„Ich habe das Gefühl sie zu kennen kann mich aber nicht erinnern. Vor Augen hab ich das Gesicht eine Mädchens.“
Jura sah mich verwirrt an.
„Sie? Welches Mädchen?“
Ich schüttelte mit dem Kopf.
„Ich rede zu viel. Entschuldige!“
Seinen wachen Augen schienen überall gleichzeitig zu sein und er bezweifelte nicht, dass Mef ihm etwas vorbehalten wollte.
Seine Gedanken über die Begegnung mit dem Mädchen, die sein Freund ansprach, ließ er sich jedoch nicht ablesen.
Jura spitzte die Ohre und Mef registrierte es schon fast unbewusst, doch sein Gehör reichte nicht aus, um wahrzunehmen was sein Freund schon lange gewittert hatte.
„Mein Freund, du musst noch viel lernen!“
Empört über diese Beleidigung wollte Mef umfahren und ihn zurechtweisen, doch etwas an seinem Blick erfüllte ihn nicht mit Tadel sondern mit väterlicher Liebe.
Schon immer war der Wolf für ihn so etwas wie ein Vater gewesen, den er nie gehabt hatte.
„Was meist du?“
Jura wies mit seinem Kopf den Förolachweg zum Dorf hinunter, der die Bergdörfer mit Aynor verband und versuchte mit seinem Wolfsmaul ein Lächeln zustande zu bringen.
„Man ist dir gefolgt!“
Die Worte trafen Mef wie ein Schlag und er griff weniger aus Reflex sonder aus böser Vorahnung zu seiner Satteltasche, zog das Schwert heraus und spannte mich.
Jura begann zu lachen, legte sich auf den Rücken und zeigte mir seine verwundbare Seite.
„Es ist keine Gefahr, aber du musst lernen ruhiger zu werden“, fügte er schmunzelnd hinzu.
Er versuchte ihm böse zu sein für diesen Scherz, konnte sich aber nicht beherrschen und musste Lachen, ohne das er es wollte.
Es tat gut.
Vielleicht wollte er es ja doch, dachte Mef bei sich, ging zu dem Wozarn hinüber uns kraulte ihm den Bauch, bis dieser sich erhob und ihn lange anstarrte.
„Du bist ein guter Mensch Mef!“
Seine Wolfsaugen füllten sich mit Tränen.
„Vergiss das nie!“
Er schüttelte energisch den Kopf und erhob sich.
Jura wandte sich dem Weg zu und machte einige Schritte auf die kleine Baumgruppe am Rande zu.
„Und jetzt lass uns sehen, wer uns da besuchen kommt!“
Mef hätte wissen müssen, dass er doch Jemanden gewittert hatte, doch er wusste auch, dass dieser Jemand kein Feind sein konnte, dafür kannte er Juras Spürsinn nun viel zu gut.
Der Wolf war schon hinter der Baumgruppe verschwunden, als er sich in Bewegung setzt und sein Schwert zurück in die Scheide steckend zu Boden legte.
Der Anblick der ihn bei den Bäumen erwartete, hätte ihn zum Lachen gebracht, wäre die Situation nicht so skurril gewesen.
Da stand sie nun in ihrem noch immer nassen Kleid, den Mantel um die zarten Schultern gehangen zitternd vor Angst gegen den Baum gepresst.
Den Blick nicht von dem Wozarn lassend und ständig mit den Nerven wieder ganz am Boden.
„Mir scheint“, begann der Wozarn.
„Du hast ziemlichen Eindruck hinterlassen, wenn dir schon so schöne Frauen hinterher laufen und das noch mitten in der Nacht.
Vielleicht sollte ich sie einmal probieren, ob sie auch schmeckt. Menschen sollen ja doch ziemlich delikat sein!“
„Jura!“ ermahnte er ihn.
Er konnte in ihren Augen die Angst erneut aufflammen und jede Spur von Neugier war daraus gewichen und machte nur noch dem Gefühl platz, dass ihr zu sagen schien, dass hättest du nicht tun sollen.
Das geschah ihr recht, dachte Mef und ein freches Schmunzeln zollte sich auf seine Lippen.
Während er noch über den Vorfall nachdachte schoss es ihm wie ein Blitz in den Kopf.
„Lis“, flüsterte er.
„Lis, was tust du hier?“
Erst nach wenigen Sekunden wurde ihm gerade wieder bewusst was er da überhaupt gesagt hatte.
Er konnte sich an ihren Namen erinnern als wäre es gestern gewesen.
„Ich... Wollte nicht... Habe gedacht...!“
Ihre Stimme überschlug sich, die kleinen Hände zitterten noch heftiger, als sie es schon taten und ihr fiel das Reden in den Hals zurück.
Mef schob Jura leicht in den Hintergrund und fasste sie fest an beiden Schultern.
„Es ist alles in Ordnung, er wird dir nichts tun. Das versprech ich dir!“
„Versprech lieber nichts was du nicht halten kannst Mef!“
Er drehte sich dem Wozarn zu und warf ihm einen wütenden Blick zu, der seine Laune kleine Mädchen zu erschrecken, sinken ließ.
Lange sah er ihr noch in die Augen, bis er seinen Griff löste und sie frei ließ.
„Es wird besser sein wenn du nach Hause zurück kehrst und schnell vergießt, was du hier gesehen hast.
Die Welt da draußen kann nicht immer so bunt und lustig sein, wie es euch die Alten erzählen. Sie ist gefährlich!“
Zitternd nickte sie und machte auf dem Absatz kehrt, ohne sich noch einmal umzudrehen.
„Mef!“ Der Wozarn war aufgeschreckt und seine Ohren lagen dich an seinem spitzen Kopf.
„Es kommt Jemand. Sehr viele Reiter!“ Blitzschnell wusste der Kämpfer, dass diese Gefahr ernst zunehmen schien. Und auch Jura wusste das die junge Frau, sich gerade mitten in der Nacht auf dem Weg befand, noch immer verstört und vor Angst nicht mehr sie selbst.
„Laufe ihr nach, ich werde herausfinden wer die Nacht stört!“
Jura war schon verschwunden, noch bevor er etwas sagen konnte und stob in die Nacht aus der die Geräusch zu kommen schienen.
Sie war noch nicht sehr weit gekommen, hatte sich auf einem Grenzstein niedergelassen und versuchte ihre zitternden Hände zu beruhigen.
Er versuchte nicht sonderlich leise zu sein, als er sich ihr näherte, um sie nicht zu erschrecken und womöglich mit einem Schrei die Fremden auf uns Aufmerksam zu machen.
„Lis!“
Der Name schien wie Balsam durch seinen Hals zu rannen, wenn er ihn aussprach und ihre wundervollen...
Langsam drehte sie sich zu mir um.
Er zügelte seine Gedanken.
In ihren Augen schimmerten, trotz der Nacht, Tränen die ihr die Wange herunter liefen.
„Was ist nur aus dem lieben Jungen geworden, der mit mir über die Wiese getollt war?“
Ihre Stimme schluchzte und die Verwirrung deutlich auf ihrem Gesicht lesend, ging er in die Hocke, um ihren Augen näher zu sein.
„Ich will es dir später erklären, doch jetzt müssen wir verschwinden. Es sind Reiter unterwegs, und ich glaube nicht das dies nur des Callbote ist!“
Zögernd nahm sie seine Hand und ließ sich willenlos in den angrenzenden Wald ziehen, in dessen Unterholz sein Pferd und Gepäck verborgen waren.
Das Feuer war bereits heruntergebrannt und erkannte die sterblichen Überreste zweier Kaninchen, die seinem Freund als Abendessen gedient haben mussten.
Es dauerte nicht lange und er konnte die klappernden Hufe auf dem mit Sand und Steinen aufgeschütteten Weg hören, wie sie schnell näher kamen.
Es musste Schlachtrösser gewesen sein, den das klirrende Metall im Takt der Hufe war fast noch lauter.
Noch bevor die Reiter an ihnen vorbeikommen konnte brach der Wozarn durch das Unterholz, blieb jedoch in sicherer Entfernung, als er Lis sah, die erneut zu zittern begann.
„Es sind zehn Mann alle in schwerer Rüstung.
Zólkner würde ich sagen, wenn mich meine Nase nicht täuscht.“
Das musste sie auch nicht, dachte Mef.
Das grollen der Streitrösser nahm er schon nach wenigen Sekunden selber wahr.
Ein winziges Erdbeben.
„Welche Richtung nehmen sie!“
Jura zögerte kurz, kam dann langsam näher und flüsterte, so dass nur Mef seine Antwort hören konnte.
„Direkt auf das Dorf. Sieht nicht gut aus mein Freund!“
„Können wir sie aufhalten?“
Der Wozarn schüttelte langsam aber bestimmt mit dem Kopf und kam noch einen Schritt näher, während Lis einen Schritt zurück wich.
„Sie tragen das Banner des Sorum – Clan.“
Sorum – Clan ging es ihm durch den Kopf.
Es war der Höchste und auch bedeutendste Clan.
Die hauseigene Elite jenen Mannes den der Krieger schon seit Jahren versuche zur Strecke zu bringen.
Der Zólkner selbst.
Er wusste das Jura recht hatte. Ein Angriff käme nicht in Frage, doch er wusste auch was der Clan hier verloren hatten.
Noch bevor sie das Dorf erreichten wusste Mef, dass dort unten kein Bauer mehr lebend, oder frei aus dieser Begegnung gehen würde.
„Hoffentlich lassen sie wenigsten einige am Leben!“
Er hatte die Worte eigentlich nicht aussprechen wollen, doch seine Gedanken kamen so laut, dass Lis erschrocken herumfuhr und ihn mit großen Augen anstarrte.
„Du meinst...?“
Er drückte ihr bestimmt die Hand auf den Mund und wies sie mit einem Zeichen an ruhig zu sein, doch er wusste wie schwer das sein müsste.
„Für die Nacht bleibst du hier und Morgen sehen wir weiter.“
Die Reiter waren den schmalen Weg hinunter geritten und man hörte nur noch gedämpft ihre Tiere in dem Talkessel.
„Ein Feuer kann ich dir nicht bieten, aber etwas Schutz und eine warme Decke.“
„Ich kann nicht... Ich muss darunter... Was geschieht dort?“
Noch bevor der junge Mann ihr antworten konnte versetzte der Wozarn ihr einen Hieb mit der Pranke gegen ihren Hinterkopf, dass sie bewusstlos zu Boden sank und regungslos liegen blieb.
„Na ja etwas sanfter hätte auch nicht geschadet.“
Jura versuchte wieder zu grinsen und es gelang ihm auch dieses Mal nicht.
„Wieso? Eine junge Frau muss was vertragen wenn sie mit uns weiter ziehen will und...“
„Nein!“
Er hatte fast geschrieen und musste sich zur Ordnung rufen. Auch wenn die Reiter uns nicht mehr hören konnte, so war es doch gut möglich das sie einen Wachposten am Wegesrand zurück gelassen hatten.
„Nein“, wiederholte Mef etwas leiser.
„Sie wird nicht mitkommen.“
Jura schlich näher an mich heran.
„Du weißt genauso gut was dort unten gerade passiert und du weißt auch, dass niemand mehr in dieses Dorf zurückkehren kann.
Wo soll sie leben? Wie sich ernähren?“
Ich wusste das Jura recht hatte, doch wollte ich es in diesem Moment nicht wahrhaben.
Vielleicht wollte er es auch nicht in einem anderen Moment wahrhaben, doch das spielte jetzt keine Rolle mehr.
Aus dem Dorf hörten sie bereits die ersten Schreie.
 



 
Oben Unten