Teil 3

losvu

Mitglied
"Das könnte Zufall sein."
"Das glaubst du doch selber nicht", sagte sie und
gähnte dann. "Ich sollte mich mehr darüber aufre-
gen, aber ich fühle mich einfach nur wie tot." Sie
ließ sich auf ihren Stuhl zurückfallen.
"Du solltest nicht weiter an diesem Fall arbeiten..."
"Komm mir nicht mit Befangenheit, Craig ! Ich
werde weitermachen. Basta !"
In einem solchen Zustand hatte ich sie noch nie
erlebt und war außerdem zu müde, um ihr zu
widersprechen. Doch was sie mir erzählt hatte,
gab mir durchaus zu denken. Dennoch wollte ich
erst Lauras Akten durchforsten, ehe ich mich
Sachs zuwenden wollte. Ich würde ihn im Hinter-
kopf behalten...
"Wir sollten versuchen, noch etwas zu schlafen.
In fünf Stunden ist ihre Autopsie."
Sie hob eine Augenbraue. "Du bist erstaunlich
gelassen dafür, dass ich dir gerade erzählt habe,
dass ein mutmaßlicher Frauenmörder mich töten
will."
"Ich muss das erst verdauen. Dann bin ich gerne
bereit, dich anzuschreien und dich dafür übers
Knie zu legen, dass du mir etwas so Wichtiges
und Ernstes verschwiegen hast. Komm jetzt."

Scavo war überraschend schnell wieder einge-
schlafen. Ihre Erinnerungen an diese lang vergan-
gene Zeit hatten sie sichtlich geschlaucht. Sie
schlief wie eine Tote. Ich dagegen lag wach. Ich
hatte zwar durchaus das gemeint, was ich ihr ge-
sagt hatte, doch mich plagte derselbe Gedanke
wie sie. Was, wenn es wirklich Sachs gewesen
war, der Laura Bellini umgebracht hatte ? Dann
konnte er sich durchaus Scavo zuwenden. Eine
ertrunkene Frau in einer Badewanne in New York
und eine regelrecht abgeschlachtete in ihrer Woh-
nung 6000 Kilometer entfernt und die einzige Ver-
bindung zwischen diesen sehr unterschiedlichen
Verbrechen schien Adrian Sachs zu sein.
Ich dachte an meine Mutter und meine erste Frau
Olivia. Die Vergangenheit holt uns immer ein und
die Geister geben solange keine Ruhe, bis man
sich ihnen stellt...


25. Juni 1982, kurz vor 9 Uhr morgens

Ich fühlte mich wie erschlagen nach nur drei Stunden
Schlaf. Die restliche Zeit hatte ich mich unruhig
herumgewälzt. Nicht mal drei Tassen starker
schwarzer Kaffee hatten mich munter gemacht.
Leigh und ich durchquerten schweigend das Foyer
der Rechtsmedizin, gingen durch einen großen Raum
mit Kühlfächern links und rechts an der Wand und
dann in einen Vorraum, wo wir aus Schränken
Schutzkleidung - OP-Kleidung und Handschuhe -
hervorholten und überzogen. Dann betraten wir den
angrenzenden großen Autopsiesaal, wo die Autopsie
von Laura Bellini stattfand. Nur einer der fünf
Stahltische war belegt, der in der Mitte. Auf ihm lagen
die Überreste von Laura Bellini. Sie war nackt; die
Haut fahl unter dem Neonlicht und die Blutergüsse
schimmerten in allen Farben des Regenbogens. Die
Stichwunden hoben sich dunkelrot ab. Die Hals-
wunde wirkte wie ein breites, perveses Grinsen. An
der Wand hinter dem Tisch befanden sich mehrere
große Waschbecken und Organwaagen und Schränke,
in denen Gabriel und seine Kollegen Arbeitsutensilien
und andere Spielsachen lagerten. Gabe nahm gerade
ein Skalpell zur Hand.
Seine Kollegin Irvine Hale war etwas vom Tisch
zurückgetreten. Hale hatte rotes Haar und blaue Augen
und war etwas kleiner als Leigh; eine hübsche Frau,
die man in einem Leichenschauhaus nicht gerade
erwarten würde.
"Guten Morgen", sagte sie lächelnd, "ihr kommt gerade
richtig. Es geht ans Eingemachte."
"Hey. Du siehst scheiße aus", begrüßte mich Gabriel.
"Ich liebe dich auch, großer Bruder."
Gabe grinste. Dann beugte er sich über die Tote. Er
setzte das Skalpell an ihrem linken Schlüsselbein an und
zog es zum rechten, dann machte er einen Schnitt bis
hinunter zu ihrem Schambein und klappte das Gewebe
zurück. Der Anblick der Brüste, von denen eine zu jeder
Seite des Rumpfes auf dem Stahl des Tisches ruhte, be-
reitete mir Magenschmerzen und ich sah weg. Sah Scavo
an, die mich entgeistert ansah. Wir hatten schon meh-
reren Dutzend Autopsien beigewohnt, doch wenn man
das Opfer kannte wie Scavo... Das war schon etwas
ganz anderes.
Bevor Gabe etwas sagen konnte, reichte Irvine ihm den
Rippenspreizer, der an eine Beißzange erinnerte und er
knackte den schützenden Knochenkäfig des Thorax. Er
entfernte nacheinander Herz und Lungen und untersuchte
sie auf einer Art Schneidebrett am Fußende des Tisches.
Dabei diktierte er seine Beobachtungen in das Mikrofon,
das über dem Tisch angebracht war und überließ die
Organe anschließend Irvine, die ihnen Proben entnahm.
Mehrere Rippen waren gebrochen gewesen und eine
hatte sich in die linke Lunge gebohrt, die dadurch kolla-
biert war.
Dann wandte er sich der Bauchhöhle zu. Ein strenger
Geruch erfüllte den Raum. Fäkalien, Verdauungsgase...
Er entnahm den Magen und öffnete ihn. Er enthielt Reste
von Kartoffeln, durchmischt mit Fleisch und einer dunk-
len Flüssigkeit. Ein Burger, Pommes und Cola ? Es sah
noch reletiv gut aus, das heißt, man konnte noch erkennen,
was es gewesen war. Und Kartoffeln werden als erstes
verdaut, ihre Stärke als erstes gelöst. Sie musste unmittel-
bar vor ihrem Tod noch gegessen haben. Wie alle anderen
Organe stellen auch die Verdauungsorgane ihre Tätigkeit
ein, wenn der Tod eintritt. Das liegt in der Natur der Sache.
Ohne Sprit läuft kein Motor und ohne Blut kein Organismus.
Gabe entnahm und untersuchte noch den Darm, die Leber,
Gallenblase, Nieren und Blase, die Milz, Bauchspeichel-
drüse, und schließlich die Geschlechtsorgane.
Irvine bereitete die Öffnung des Schädels vor, dem später
das Gehirn entnommen werden sollte. Sie setzte das Skal-
pell hinter dem rechten Ohr an, machte einen tiefen Schnitt
bis zum linken und klappte dann die Kopfhaut nach vorn.
Lauras Gesicht implodierte. Das freigelegte Schädeldach
glänzte im Neonlicht. Dann legte sie die Stryker-Säge
bereit.
Gabe hatte festgestellt, dass der Darm leer war und gab
ihn nun Irvine, die ihn auswusch und Proben davon nahm.
Die Blase war ebenfalls leer. An Bauchspeicheldrüse,
Gallenblase und Blase fanden sich keine Verletzungen,
doch Nieren und Leber wiesen Einblutungen auf und die
Milz war gerissen. "Trittverletzungen", kommentierte Gabe
knapp. Dann wandte er sich - äußerst widerstrebend - den
Geschlechtsorgane zu. In der Vagina hatte eine S&W Kali-
ber .38 gesteckt. Gabriel untersuchte zuerst Eierstöcke und
Eileiter, dann die Gebärmutter und zum Schluss die Vagina.
Keine Verletzungen.
"Keine Anzeichen einer Vergewaltigung, doch Spuren von
Geschlechtsverkehr."
"Sie hatte vor ihrem Tod noch Sex ?", fragte Scavo. "Aber
bestimmt nicht mit dem Täter. Sie wäre bestimmt lieber
gestorben, als freiwillig mit ihm zu schlafen."
"Sie hatte höchstens einen Tag vorher Verkehr. Sonst wären
die Spuren nicht mehr erkennbar gewesen. Es gibt auch kei-
nerlei Schussverletzungen. Die Waffe wurde nicht abgefeuert."
"Wie viele Waffen in Vaginen hast du schon gehabt ? Keine,
nicht wahr ? Wie willst da wissen, wie das Gewebe auf eine
derartige Verletzung reagiert ?", fragte ich.
"Es lag Berührung mit dem Gewebe vor, das haben wir durch
die Anhaftungen am Lauf gesehen. Wenn er sie abgefeuert
hätte, hätte es auf jeden Fall Schmauchspuren und heftige
Blutungen gegeben. Und Verletzungen an den Organen in un-
mittelbarer Nachbarschaft."
"Dem Darm, den Nieren und der Blase."
"Ja."
"Eventuell sogar eine Austrittswunde, wenn das Projektil von
einem Knochen abgelenkt worden wäre."
"Ich glaube, mir wird schlecht !" Scavo war fast so bleich wie
die Tote. Sie wich zurück und wankte aus dem Raum.
Irvine hatte sich dem Schädel zugewandt. Die Stryker-Säge
erwachte zu kreischendem Leben und meine Nackenhaare
stellten sich auf. Doch dann schaltete sie sie wieder aus.
"Gabriel, komm mal her. Schau dir das an."
Wir traten beide zum Kopfende des Tisches. "Das" waren
sternförmig vom Schädeldach weglaufende Bruchlinien. "Die
zerbrochene Lampe aus dem Schlafzimmer", sagte ich, "er hat
ihr damit auf den Kopf geschlagen."
"Daher die Brillenhämatome", meinte Gabe. Dann erklärte er
mir, was für Verletzungen er bei der äußerlichen Untersuchung
der Leiche noch gefunden hatte. Die Nase war gebrochen
gewesen, ebenso wie ihr linkes Jochbein.
Brillenhämatome heißen so, weil sie das Auge wie Brillengläser
umschließen. Man kann sie für ein sogenanntes "blaues" Auge
halten, doch im Gegensatz zum gemeinen Veilchen, das durch
einen Schlag von vorn entsteht, sind sie unter anderem Zeichen
für Schädelverletzungen. Ein klassisches Beispiel dafür, dass
Verletzungen sich nicht immer dort manisfestieren, wo sie
ursprünglich entstanden sind.
Nachdem Irvine die Bruchlinien fotografiert hatte, schaltete sie
die Strykersäge wieder ein und ließ sie ihre Aufgabe überneh-
men. Knochenstaub wirbelte auf und es roch streng nach
Zahnarzt. Im Gegensatz zu normalen Sägen dreht sich das
Sägeblatt nicht, sondern ruckt vor und zurück. Der Schädel
wird sozusagen aufgehebelt. Als die Säge den Schädel einmal
umrundet hatte, umfasste Irvine das gelockerte Schädeldach
und drehte es einmal herum; dann zog sie es einfach ab. Das
schlüpfrige Geräusch, das dies verursachte, ließ mich schau-
dern. Irvine durchtrennte die harte Hirnhaut mit einem Skalpell
und nahm dann ein langes, dünnes Instrument mit einer langen
dünnen Klinge, das an ein Stilett erinnerte und umrundete
damit einmal den Innenraum des Schädels.
Dann griff sie hinein und zog den Inhalt vorsichtig heraus. Der
Anblick des Gehirns in ihren Händen war irgendwie surreal.
Sie ging zur Organwaage und legte es hinein. "Tausendsieben-
undachtzig Gramm", sagte sie laut. Dann legte sie es auf das
Schneidbrett und Gabe schnitt es an. Durch den Schlag auf
den Kopf war an der Stelle, wo die Schädelverletzung war,
ein großes subdurales Hämatom entstanden. Gabriel unter-
suchte die Stelle, dann legte er das Gehirn in eine Formalde-
hydlösung, damit es aushärten konnte. Nach etwa einer
Woche würde es weiter untersucht werden können. In
seinem jetzigen Zustand hatte es die Konsistenz von Wackel-
pudding und war zu Untersuchungszwecken völlig ungeeignet.
Das Formaldehyd schadete dem Gewebe nicht, im Gegenteil,
es konservierte etwaige Verletzungen und Spuren. Wir stan-
den ein paar Augenblicke schweigend um die Tote herum.
Die beiden offenen, leeren Körperhöhlen gähnten wie Abgrün-
de zwischen Gabe und mir auf der einen Seite des Tisches und
Irvine auf der anderen.
"Schau genau hin, Clark", sagte er leise und machte eine ausla-
dende Armbewegung von der Toten zum Waschbecken und
dem Schneidebrett, wo ihre Organe verteilt waren. "Mehr sind
wir nicht und mehr war auch Laura Bellini nicht."
"Biologie."
"Genau. Wir alle haben denselben Bauplan..."
"...aber entscheidend ist, was man daraus macht."
Er sah mich nachdenklich an. "So habe ich das noch nie
gesehen."
"Laura hat verdammt viel aus diesem Umstand gemacht",
sagte Scavo von der Schwingtür her. Wir drehten uns um.
Sie war nicht mehr so blass und kam auch wieder näher.
"Und verdammt viele Menschen damit verdammt wütend
gemacht."
"Wir müssen ihre Fallakten aus ihrem Büro und dem Archiv
holen."
Ich stöhnte. Es würden Tausende, nein, Zehntausende, sein.
Die Gedenkminute war vorüber.
Gabriel und Irvine begannen, die Organe zurück an ihren
Platz zu setzen. Während andere Pathologen - darunter auch
der Leiter der Rechtsmedizin, Jack Travis - die Organe in
einem einzigen Kuddelmuddel zurückpackten und den Schnitt
dann grob vernähten, legte Gabriel jedes Organ zurück an die
Stelle, wo er es herausgeholt hatte. Danach vernähte er den
T-Schnitt mit feinen, eng aneinander liegenden Stichen.
Irvine fügte das herausgenommene Stück Schädeldach wie-
der in seine ursprüngliche Umgebung ein, zog die Kopfhaut
wieder in ihre vorherige Position und vernähte den Schnitt.
Laura hatte wieder ein Gesicht. Als beide fertig waren,sah
Laura Bellinis Körper nicht aus wie Frankensteins Monster,
sondern fast so wie vor der Autopsie. Nur die feine kunst-
volle Naht erinnerte daran. Und daran, dass Gabriel wäh-
rend seines Studiums lange in der Chirurgie gearbeitet hatte.
Er rief nach Tyrone und Hector, die daraufhin mit einer Roll-
bahre hereinkamen, Lauras Körper darauf legten und sie
zurück zu ihrem Kühlfach - Nr. 37 - brachten und hinein-
legten.
Gabe und Irvine zogen ihre Handschuhe aus und warfen sie
in einen Mülleiner unter dem Waschbecken. Später würden
Ty und Hector den Tisch und die Instrumente säubern.
Die Uhr an der Wand über den Waschbecken zeigte zehn
Minuten nach elf Uhr an.
 

F Fuller

Mitglied
Hi losvu,

auch hier muss noch gefeilt werden. Ein beispiel:

"Ich fühlte mich wie erschlagen nach nur drei Stunden
Schlaf. Die restliche Zeit hatte ich mich unruhig
herumgewälzt. Nicht mal drei Tassen starker
schwarzer Kaffee hatten mich munter gemacht.
Leigh und ich durchquerten schweigend das Foyer
der Rechtsmedizin, gingen durch einen großen Raum
mit Kühlfächern links und rechts an der Wand und
dann in einen Vorraum, wo wir aus Schränken
Schutzkleidung - OP-Kleidung und Handschuhe -
hervorholten und überzogen. Dann betraten wir den
angrenzenden großen Autopsiesaal, wo die Autopsie
von Laura Bellini stattfand."

Meine Version:

Ich fühlte mich wie erschlagen nach nur drei Stunden
Schlaf. Die restliche Zeit hatte ich mich unruhig herumgewälzt. Nicht mal drei Tassen starker schwarzer Kaffee konnten mich munter machen.
Leigh und ich durchquerten schweigend das Foyer der Rechtsmedizin, gingen durch einen großen Raum mit Kühlfächern links und rechts an der Wand und dann in einen Vorraum, wo wir aus Schränken OP-Kleidung und Handschuhe hervorholten und überzogen. Dann betraten wir den angrenzenden großen Saal, wo die Autopsie von Laura Bellini stattfinden sollte.

Ansonsten ist es zwar interessant, was Du schreibst, aber für den "gewöhnlichen" Leser etwas lang. Ich würde an Deiner Stelle versuchen, die Autopsie etwas zusammen zu fassen, vieleicht in einer Art verbalen Bericht, den Gabriel und Irvine abgeben...


F.
 



 
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