Teil 5

losvu

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vFreitag, 25. Juni 1982, kurz nach 13.00 h

Die Befragung der Nachbarn der Shepards durch Randy und
seine Jungs hatten ergeben, dass einpaar denselben Knall ge-
hört hatten wie Pete. Auf die Frage, warum denn keiner die
Polizei gerufen habe, hatten fast alle angegeben, sie hätten ge-
dacht, es sei eine Fehlzündung gewesen. Zwei, die das Ge-
räusch als Schuss erkannt hatten, hatten gedacht, es sei von
weiter weg gekommen. Das hieß aus dem nächtlichen Tender-
loin, oder, und das war wahrscheinlicher, von der Western
Addition oder dem Mission District, die an Haight Ashbury
angrenzten. In diesen Distrikten erwachte nachts die schlafen-
de Kriminalität zum Leben und die "Geschäftswelt" war nicht
gerade zimperlich, was den Umgang mit Waffen anbetraf.

Nun war ich noch einmal bei den Shepards und wartete auf
Shep, der bei Edies Befragung anwesend sein sollte. Sie
fühle sich dann etwas wohler, hatte sie gesagt.
Scavo war zusammen mit den Kollegen Kathleen Sullivan,
Franco Stefani, Kylie Travis, Lewis Ross und Rafael zum
Justizpalast gefahren, um die Akten in Lauras Büro zu sichten.
Das war noch die "einfachere" Aufgabe. Die schwerere war
eindeutig, die anderen Akten im Archiv zu finden und zusam-
menzutragen. Mehrere Tausend Mal mindestens ein dicker
Ordner. Eine verdammte Lastwagenladung...
Edie bot mir etwas zu trinken an.
"Wasser, bitte."
Sie brachte mir ein großes Glas. Eiswürfel schwammen darin
herum und klimperten gegen den Glasrand.
"Seid ihr schon weiter gekommen ?"
"Gabe hat sie heute morgen obduziert. Die Spurensicherung ar-
beitet noch. Und Scavo ist im Justizpalast, wo sie Lauras Akten
sichtet."
Die Haustür wurde aufgeschlossen. Ein paar Augenblicke spä-
ter kam Shep ins Wohnzimmer und setzte sich neben seine
Frau auf die Couch.

Ich begann mit der Befragung. Shep hielt Edies Hand.
"Hast du vorgestern zwischen zehn und Mitternacht irgendwas
bemerkt, dass etwas nicht in Ordnung war ?"
"Nein. Ich war an diesem Abend sehr müde und bin früh zu Bett
gegangen. Es war zehn, vielleicht viertel nach. Ich bin fast sofort
eingeschlafen und habe durchgeschlafen."
"Ich blieb noch etwas auf", sagte Shep. "Ich wollte die 23 Uhr-
Nachrichen noch schauen, bin aber auf der Couch eingeschlafen.
Ich wachte von einem gedämpften Knall auf. Ich dachte, das ist
ein Schuss. Aber ich hatte von Korea geträumt... Von einem Ge-
fecht... Ich glaubte, dass der Schuss aus dem Traum war."
"Es wurde ein Einschussloch in der Wand links von Lauras Bett
gefunden. Sie hat auf ihren Angreifer geschossen."
"Mein Gott", flüsterten beide.
"Sie hatte eine Waffe ?", fragte Edie dann ungläubig. "Warum ?"
"In ihrem Beruf macht man sich viele Feinde. Hast du sonst noch
was gehört ?", wandte ich mich an Shep. "Hat sie geschrien ?
Sind oben Sachen um- oder von etwas runtergefallen ?"
Shep senkte den Kopf und sagte nichts.
"Peter ?"
"Ich bin wieder eingeschlafen. Gott, ich fühle mich so schuldig.
D-Dieses arme M-Mädchen wird über m-mir umgebr-bracht
und ich -sch-schlafe." Tränen liefen über sein Gesicht. "Ich habe
geschlafen ! Wie ein verdammter Stein !"
"Das konntest du nicht wissen, Shep."
"Gegen zwei gestern morgen bin ich wieder aufgewacht und
ins Bett gegangen. Um sieben sind wir aufgestanden wie jeden
Morgen."
"War etwas anders als sonst, als ihr zur Arbeit gegangen seid ?"
"Lauras Auto stand in der Schrader Street gegenüber. Ich habe
es gesehen, als ich zur Arbeit fuhr."
"Ich auch", bestätigte Edie. "Ich war versucht, zurückzugehen
und nach Laura zu sehen. Aber ich war schon spät dran. Also
bin ich zur Uni gerannt." Man lief etwa eine Viertelstunde von
den Shepards bis zur USF.
Mir fiel auf, dass Lauras Wagen gestern Abend noch auf dem
Stanyan um die Ecke geparkt haben sollte.
"Ich habe mir Sorgen um meine Frau gemacht", sagte Shep.
"Entschuldige, wenn ich mich etwas undeutlich ausgedrückt
habe. Aber das Auto stand ganz sicher auf der Schrader."
"Okay."
Dann bestätigte mir Edie die Aussage, die Shep am Abend
zuvor gemacht hatte: von Lauras Krankheit und ihrem Bedürf-
nis nach Ruhe. Bis auf eines...
"Es war anders als damals."
"Was war anders ?"
"Damals hat Laura mich ein paarmal gebeten zu kommen.
Einfach, um ihr ein Bad einzulassen, ihr Tee zu kochen oder
einfach mit ihr zu reden. Ich habe ihre Medizin geholt und sie
ihr gegeben. Sie ist manchmal etwas herumgelaufen, damit sie
nicht zu schwach wurde. Aber diesmal... Kein Mucks. Nach-
dem sie sich bei Peter nicht gemeldet hatte und es so komisch
roch, bin ich dann rauf in ihre Wohnung. Da hab ich sie... ge-
funden. In ihrem Schlafzimmer. Ich habe einen Schreikrampf
bekommen. E-Entschuldige mich." Fast fluchtartig verließ sie
den Raum.
"Guck nicht so, Pete ! Ich musste sie befragen."
"Ich habe doch gar nichts gesagt."
"Aber gedacht."
Sheps Miene sagte alles.
"Als ihr in der Wohnung wart, habt ihr irgendwas angefasst ?"
"Ich weiß es nicht mehr", sagte Edie, die mit einem Whiskey
in der Hand zurückkam. "Aber eine Miss Hernandez von der
Spurensicherung war bei uns und hat uns Fingerabdrücke ab-
genommen. Sie sagte, um uns auszuschließen, wenn..." Sie
stockte.
"Schon gut, Schatz", sagte Shep. "Stell das weg. Du verträgst
doch keinen Alkohol. Außerdem wirst du davon schläfrig."
Edie trank den Whiskey in einem Zug und es war kein kleiner.
"Ich habe seit vorgestern nacht nicht mehr geschlafen. Entschul-
digt mich. Auf Wiedersehen, Clark." Mit diesen Worten ging sie.
Auch ich verabschiedete mich. Es war Zeit, zum Justizpalast zu
fahren und meinen Kollgen beim Aktensortieren zu helfen.
 



 
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