1
Plato steuerte auf den vorderen der fünf schwarzen Wagen zu. Gefolgt von Boris, Markus und Silvio. Die restlichen sechzehn Mitglieder verteilten sich auf die anderen Wagen. Plato war der Anführer dieser zwanzig Kämpfer zählenden Einheit.
Zwanzig Spezialisten sollten genügen um diesen Einsatz erfolgreich abzuschließen.
Seit er und seine Jungs für die Regierung arbeiteten, hatte sich einiges verändert.
Nun arbeiteten sie Hand in Hand, und nicht gegeneinander. Es war ein Pakt der besonders Plato und den anderen auf Dauer zugute kam, und der sie in nur jedem erdenklichen Luxus leben ließ. Diese Spezialeinheit, oder wie Plato immer sagt, dieser Verein, bestand nun schon seit knapp einem Jahr und seine Mitgliederzahl hatte sich nahezu verzehnfacht. Nur wenige wussten von ihrer Existenz, und es wurden weltweit immer neue Kämpfer davon überzeugt, dem Verein beizutreten und die Pläne der Regierung sahen vor ebenso weltweit zu operieren. Bis keiner dieser elenden Bastarde mehr auf diesem Planeten umherwandeln würde. Und ohne Plato und seinesgleichen standen die Chancen, dieses Ziel jemals zu erreichen bei nahezu Null.
Es war Plato, der zusammen mit dem Präsidenten der Vereinigten Staaten diesen Pakt ausgehandelt hatte, und es war Plato gewesen, der die ersten Mitglieder rekrutierte und der Regierung beibrachte wie sie vorzugehen hatte. Das machte ihn zum Oberbefehlshaber der Truppe, und er hatte in der Rangordnung keinen mehr über sich sitzen. Er nahm nur Befehle direkt und persönlich vom Staatsoberhaupt entgegen. Ob er sie dann ausführte oder nicht, war eine andere Sache. Plato hatte eigentlich immer etwas zu nörgeln, und Pakt hin oder her, es wurde immer erst wieder neu verhandelt. Die Regierung sollte nicht glauben, dass sie hier eine absolut hörige Truppe unter ihrem Kommando hatte. Das wilde und freiheitsliebende lag nun mal in ihrer Natur, und nicht umsonst entstammten fast neunzig Prozent des Vereins irgendwelchen Bikergangs, die es mit dem Gesetz natürlich auch nicht so genau nahmen. Spätestens nach seinem vierten Einsatz hatte Plato das unmissverständlich klar gemacht.
Plato saß im Büro eines Beraters des Präsidenten, der ihm gerade klugscheißerisch erklären wollte, wie er seinen Job zu machen hatte, und Plato solle die doch sehr gesetzeswidrige Vorgehensweise bei dem letzten Auftrag rechtfertigen. In den Augen des Herrn Berater waren Plato und seine Truppen nur üble Schläger, Schmarotzer und Abschaum, der eigentlich nicht auf diesem, seinem schönen Planeten existieren dürften.
Er riet dem Präsidenten, der bei dieser Unterredung auch anwesend war, energisch dazu diese Individuen zu entsorgen. Keine Regierung der Welt sollte sich mit solch niederem gewalttätigem Volk einlassen. Plato hörte sich das Geseiere und die Beleidigungen des Beraters einige Minuten an, dann erhob er sich aus seinem Ledersessel und ging langsam auf ihn zu. Plato war wie alle in der Truppe, ein hünenhafter Mann. Muskelbepackt, die Ohren und Finger mit schweren silbernen Ringen geschmückt, und seine lange schwarze Haarmähne zu einem Zopf gebunden, der ihm zwischen den Schulterblättern bis fast runter zum Gürtel seiner Hose hing. Ein Biker eben. Sein schwarzes T-Shirt, das bei jeder Bewegung seines mächtigen Brustkorbes zu reißen drohte, gewährte freien Blick auf zwei gewaltige bis zu den Handgelenken tätowierte Arme. Je näher Plato kam, desto langsamer und leiser redete der knapp zwei Köpfe kleinere Klugscheißer des Präsidenten.
Als er nah genug war packte Plato den Kopf seines Gegenübers und mit einem lauten Knacken brach er ihm das Genick. Der Berater sackte schlagartig vor seinen Füßen zusammen und Plato verließ ohne ein Wort das Büro. Seitdem hatte er nie mehr einen Berater zu Gesicht bekommen und niemand hatte je wieder seine Art Dinge zu erledigen kritisiert.
Nun saß Plato in einem von fünf schwarzen Audi Q7 mit komplett abgedunkelten Scheiben und der feinsten Ausstattung. Er liebte deutsche Wagen. Sie waren für ihn Symbol von höchster Qualität und Zuverlässigkeit, und auch die deutschen Designer betrachtete Plato als die weltbesten. Was Autos anging, da lagen die deutschen Marken in seiner Gunst weit vorne. Aber was Motorräder anging, da gab es natürlich nichts besseres als Harley Davidson. Kein Bike einer anderen Marke würde ihm je unter den Arsch kommen. Plato hatte die Augen geschlossen und ging in Gedanken die Berichte und Fotos des Informanten noch einmal durch und versuchte sich darauf einzustellen, was sie erwarten würde. Es würde kein Spaziergang werden, und jeder normale Mensch würde dort vor Grauen und Ekel wohl auf der Stelle in Ohnmacht fallen, aber sie würden siegreich zurückkehren. Plato riss die Augen auf, als Boris der Russe, der am Steuer saß ihn aus seinen Gedanken holte. „ Alle Wagen besetzt Boss, wir können los.“
Plato mochte den Russen. Er war zwar nicht der hellste, doch auf ihn war stets Verlass. Wenn Boris etwas sagte dann meinte er es auch so, und wenn er etwas ankündigte, dann fand das auch statt. Boris maß gut zwei Meter und zehn, und war damit sogar ein wenig größer als Plato, doch ebenfalls von so kräftiger Statur wie der Rest der Truppe. Nur im Gegensatz zu seinem Anführer hatte er den Schädel fast kahlrasiert. Boris schaute Plato an und wartete auf seinen Befehl. Plato betrachtete einige Sekunden den runden kahlen Schädel seines russischen Freundes, dann drehte er sich nach hinten um und blickte zu Markus und Silvio. Man konnte dem Deutschen und dem Italiener die Vorfreude von den Gesichtern ablesen. Silvio fiel in die Kategorie hinterlistiger Meuchelmörder. Immer mit ganzem Herzen dabei, wenn es darum ging jemanden hinterrücks ein Messer zwischen die Schultern zu rammen. Aber auch im offenen Kampf tödlich und vor allem kaum zu stoppen. Was wohl an seinem Temperament lag. Markus war vom Wesen her das genaue Gegenteil. Genauso tödlich und kampferprobt, jedoch eiskalt. Der Deutsche tötete ohne eine Miene zu verziehen. Schnell, präzise und effektiv.
Wo der Italiener sich schon bis zur Weißglut aufregte und an die Decke ging, da hatte der Deutsche noch den Pulsschlag eines Schlafenden. Markus und Silvio grinsten Plato zu, der erwiderte das Grinsen und gab Befehl zur Abfahrt: „Na dann mal los, sonst kommen wir noch zu spät zum Dinner. Wenigstens kann es nicht kalt werden, denn das ist es ja schon von vorneherein.“ Und unter grölendem aller Insassen startete Boris den Wagen. Die anderen Fahrer taten es ihm gleich, und die Kolonne setzte sich in Bewegung.
2
Alle hatten Stellung bezogen. Die besten Scharfschützen des FBI hatten das kleine Jagdschloss im Wald umstellt, für jedes Fenster ein Scharfschütze. Das Gebäude lag mitten in einem kleinen See und war nur über eine etwa zwanzig Meter lange steinerne Brücke zu erreichen, die von Spezialisten des FBI mit Sprengsätzen versehen wurde.
Agent Miller kam zurück von seinem Rundgang und begab sich zurück zu Agent Barkley, dem Leiter des Einsatzes. Der Himmel war Wolkenlos an diesem Herbstabend und der Mond schien recht hell, so dass Miller stets darauf bedacht war sich im Dunkeln zu halten und möglichst keine unnötigen Geräusche zu machen. Was wegen des ganzen trockenen Gehölzes auf dem Boden schon schwer genug war. „ Alle sind auf ihren Posten Agent Barkley.“
Miller kauerte sich dicht an Barkley heran, um so leise wie möglich sprechen zu können.
„ Sehr gut Miller. Wir müssen höllisch aufpassen, wenn sie uns entdecken bevor diese Spezialtruppe des Präsidenten eingetroffen ist, sind wir im Arsch.“ Miller war immer wieder irritier über die Ausdrucksweise seines Vorgesetzten. Ihm hatten sie das in der Ausbildung zum Agent anders beigebracht. Miller hatte sich zu Beginn seiner Ausbildung so einiges anders vorgestellt, doch als er fertig war wurde er Barkley unterstellt und musste ernüchternd feststellen das alles anders war als im Fernsehen. Barkley war ein kleiner untersetzter bis fetter kahlköpfiger Kerl der wohl eher einem Stammgast eines Stripschuppens ähnelte als einem Abteilungsleiter des FBI. Eine Ausdrucksform bei der jeder Gossenkriminelle vor Scham erröten würde und auch sein Umgang mit eben diesen war mehr als zweifelhaft.
Miller hatte vor Jahren miterleben müssen, wie Barkley einem sogenannten „kleinen Fisch“ einen Fingernagel mit einer Zange langsam vom Finger riss, um zu erfahren wer der Drahtzieher hinter dem damaligem Fall war. Miller war froh gewesen, das es bei einem Fingernagel geblieben ist. Jedem Ganoven musste Angst und Bange werden, wenn er mitbekam, dass Agent Barkley auf ihn angesetzt wurde.
Aber dieser Mann stand immer voll und ganz zu seinem Team. Man konnte sich immer auf ihn verlassen, und er hatte schon des öfteren für einen seiner Jungs bei den hohen Tieren den Kopf hingehalten, um eine Suspendierung desjenigen zu verhindern. Barkley wusste genau, dass er nicht so schnell rausgeworfen werden würde. Dafür war er viel zu erfolgreich mit dem was er tat.
„ Finden sie es nicht auch etwas übertrieben?“, wollte Miller wissen. „ Ich meine die ganzen Scharfschützen und die Sprengladungen, Sir.“
„ Hör mal Jungchen, wir haben es hier nicht mit einer Bande von Drogenhändlern oder mit der verfickten Mafia zu tun. Das sind Monster. Wir wollen nur sichergehen das wir auch jedes dieser kleinen blutpissenden Arschlöcher erwischen. Ich habe es bisher noch nie gesehen, und bin verdammt noch mal auch nicht scharf drauf es heute Nacht zu erleben, aber laut den Berichten des Informanten und der Truppe des Präsidenten, ist es für diese Bastarde ein Kinderspiel das bisschen Wasser da zu überspringen.“ Barkley drehte nun den Kopf, der die ganze Zeit auf das Schloss gerichtet war, zu Miller und sprach mit weit aufgerissenen Augen weiter: „Und dann gnade uns Gott. Das sind Bestien. Und die Supertypen des Präsis werden sich einen Scheiß um sie kümmern Miller, wenn eins dieser Dinger durchs Fenster geflogen kommt und es vor ihnen landet bevor wir es mit unseren verhurten Gewehren vom Himmel pusten. Dann... werden... sie... Höllenqualen....leiden. Verstanden, Jungchen?“
An der Art wie Barkley zu reden begann merkte Miller sofort wie angespannt sein Vorgesetzter sein musste, und Barkleys Gesichtsausdruck bestätigte es nur noch.
„Natürlich Sir, hab´ verstanden.“, gluckste Miller kleinlaut.
„ Ich will ihnen ja nichts, Jungchen. Ich will nur, dass keiner von euch die Sache hier unterschätzt. In der heutigen Nacht stehen die Chancen elend und qualvoll zu sterben höher als in ihren gesamten verschissenen Einsätzen bisher.“
Miller hatte natürlich ebenso wie alle anderen die Berichte gelesen, doch hatte er sie nicht wirklich für voll genommen. Doch nun wurde er wirklich nervös. Es bedeutete schon etwas, wenn Barkley so angespannt war. Miller kontrollierte erneut sein Gewehr, legte sich in Position und blickte durch sein Fernglas. Er blickte durch ein Fenster im Erdgeschoss, in den ehemaligen großen Tanzsaal des Schlosses, der zu einer Bar mit Bühne für Livemusik umgestaltet wurde.
In dem Ausschnitt, den Miller durch sein Fernglas und durch das fast deckenhohe Fenster sah, zählte er nicht weniger als fünfundzwanzig Personen. Größtenteils in schwarz gekleidet, einige in langen Ledermänteln, und andere in mit Schnallen und Ketten behangenen Kleidungsstücken. Beinahe alle mit langen Haaren und die Gesichter wo es nur ging mit Piercings gespickt. Die gesamte Gruftiszene der Umgebung musste dort versammelt sein. Einer der Typen erinnerte Miller an den Hauptdarsteller aus dem Film The Crow . Alles sah sehr vornehm und edel aus, vieles der Einrichtung war in dunklem Samt gehalten und große antikwirkende Kronleuchter hingen an der Decke. Allgemein war die Beleuchtung sehr gedämpft, in den Kronleuchtern brannten Kerzen und ansonsten sah Miller noch mehrere Wandhalter, in regelmäßigen Abständen, die ebenfalls mit Kerzen bestückt waren. Es war gerade hell genug, um nicht irgendwo im Raum eine völlig dunkle Ecke zu haben.
Miller legte sein Fernglas zur Seite, nahm sein Gewehr zur Hand und zielte mit dem Zielfernrohr auf den weiß und schwarz geschminkten The Crow Freak. Das Zielfernrohr brachte wesentlich mehr als das Fernglas und der Kopf des Freaks füllte nun den kleinen runden Ausschnitt den Miller sah, zur Gänze aus. Er stand seitlich zu Miller und nahm einen großen Schluck aus einem edlen Silberkrug, der reichlich verziert war. Er erkannte die Verzierungen als Lilien- und Rosenranken die ein Fledermauswappen umrankten. Am oberen Rand und am Fuß des Kelches waren dunkle Edelsteine eingefasst, die innerlich zu glühen schienen. Der Typ nahm einen so großen Schluck, dass ihm der Rotwein den er trank, am Mund vorbei und übers Kinn herab lief. Dann nahm er das edle Trinkgefäß vom Mund weg und blickte starr geradeaus, als würde er sich auf irgendetwas konzentrieren. Nach etwa fünf oder sechs Sekunden, Miller wollte gerade wieder vom Zielfernrohr aufblicken, drehte der Kerl mit einem Ruck den Kopf in seine Richtung und blickte Miller genau ins Auge. Dachte dieser jedenfalls und ließ vor Schreck das Gewehr fallen. Sein Herz hämmerte wie wild los.
„ Was soll das, Jungchen?“, hörte er Barkley ärgerlich flüstern. „Wenn sie weiter so einen Lärm machen sind wir schneller Eintopf, als sie sich in die Hosen pissen können.“
„Tut mir leid Sir, ein Insekt ist mir wohl in den Ärmel gekrabbelt. Ich war so konzentriert, dass es mich völlig erschreckt hatte.“
„ Na wenn sie sich schon von den verkackten kleinen Viechern hier draußen erschrecken lassen Miller, dann werden sie wohl an Herzversagen und vollgeschissener Hose sterben, wenn sie die Viecher dort drinnen in Aktion erleben.“
Miller nahm kleinlaut sein Gewehr wieder auf, traute sich aber nicht so recht durch Zielfernrohr zu schauen. Er nahm lieber wieder sein Fernglas.
Der Typ stand immer noch an der selben Stelle, nur blickte er nicht mehr in Millers Richtung sondern unterhielt sich jetzt wohl amüsiert mit einem anderen Kerl in schwarz. Sie tranken und lachten zusammen. Der Schrecken war verflogen und Miller war sich nun sicher, das er sich getäuscht haben musste. Er ärgerte sich innerlich über seine Schreckhaftigkeit und dachte noch einmal an die Berichte. Wenn das in dem Schloss wirklich irgendwelche Vampir- oder Hexenwesen sein sollten, dachte sich Agent Miller, was könnten da schon ein Haufen Elitekämpfer des Präsidenten ausrichten?
Es war das erste mal, dass die Spezialtruppe mit jemandem zusammen arbeitete. Niemand, mit Ausnahme des Feindes, hat sie je im Einsatz gesehen. Und bisher hatte keiner ihrer Gegner überlebt, sodass eventuell herumerzählt werden konnte, wie sie arbeiteten oder wer sie waren. Nur der Präsident und einige seiner Vertrauten wussten genau über sie bescheid.
Miller wurde bewusst, dass dieser Einsatz hier etwas großes sein musste, wenn sie nun doch mit jemandem zusammenarbeiten würden.
Er beobachtete weiter durch sein Fernglas und lauschte dabei dem Wind der durch die Baumkronen wehte, und ein leises angenehmes Rascheln erzeugte.
3
Laut und bedrohlich dröhnte die Musik durch den Saal. Der Frontmann der Band brüllte und grunzte sich die Lunge aus dem Leib, die Gitarristen schmetterten den Gästen die wildesten Gitarrenriffs um die Ohren und der Drummer prügelte mit unmenschlicher Geschwindigkeit auf sein Schlagzeug ein, als wollte er es zu Klump schlagen. Heavy Metal at it´s best. Samuel starrte aufmerksam durchs Fenster, hinaus in die Dunkelheit.
„ Hey Samuel.“, sein Bruder riss in schlagartig aus seinen Gedanken. „ Das wird ja heute wieder eine super Nacht. Hast du die ganzen Ahnungslosen hier gesehen? So viele hatten wir schon lange nicht mehr.“
„ Auch wenn die Musik so laut ist, dass eigentlich nur noch der direkte Nebenmann einen verstehen kann, solltest du dir gut überlegen was du hier herumbrüllst und was du besser für dich behalten solltest.“ Es war Samuels jüngerer Bruder, Trigon, der freudestrahlend vor ihm stand und vor lauter Vorfreude auf die kommende Nacht fast zu platzen drohte.
„ Hast ja recht.“, meinte Trigon nun deutlich leiser. „ Aber heute ist deine Nacht Brüderchen. In drei Stunden ist Mitternacht, und du wirst zu einem Lord gemacht und kannst deinen eigenen Clan gründen. Und wenn ich mich so umsehe, hat unser Vater ein berauchendes Fest zu Ehren des neuen Lords organisiert.“
„Ja ja, ich freue mich ja auch. Aber das heißt auch, dass ich euch verlassen muss um meinen eigenen Clan zu gründen.“
Trigon legte eine Hand auf die Schulter von Samuel, und schob sein Gesicht ganz nah an das weiß mit schwarzen Linien durchzogene geschminkte Gesicht seines Bruders heran, und sagte leise: „ Bruderherz, denke nicht an solch traurige Dinge. Nicht heute Nacht. Heute ist ein Fest der Freude. Dein Fest. Ich werde dich genauso vermissen, aber die Welt ist klein.“ Dann wurde Trigon wieder lauter.“ Und Gott verdammt noch mal, ich werde dich schneller finden als dir lieb ist, wenn mir mal danach sein sollte dir in den Arsch zu treten. Und jetzt fang an zu feiern du blöder Hund.“ Trigon grinste frech.
Nun musste auch Samuel grinsen. „ Du kleines verdammtes Arschloch, also gut. Lass uns feiern.“
4
Boris stoppte den Wagen am Rand der Straße, brachte den kräftigen Motor zum stillstand, und die anderen taten es ihm gleich. Als wäre es wie eine Choreografie immer wieder geübt worden, öffneten sich alle Türen der fünf Audis gleichzeitig und die Insassen stiegen aus. Plato versammelte sie um sich. „ Wir werden hier in den Wald gehen. Bis zum Schloss sind es nur knapp zwei Kilometer und Agent Barkley vom FBI hat mir eben per SMS mitgeteilt, dass sie vor etwa zwei Stunden Stellung bezogen haben und dass seit längerem die Tore des Schlosses zu sind und sich keiner mehr rein oder raus bewegt hat.
Wir dürften also unterwegs auf keine Nachzügler treffen. In neunzig Minuten ist Mitternacht und sie werden mit der Zeremonie beginnen.“ Plato blickte in die Runde, und Silvio wollte gerade etwas loswerden, als Plato ihm zuvor kam: „Ich weiß, es gefällt euch nicht. Mir gefällt es auch nicht, aber der Häuptling war der Meinung es wäre an der Zeit, den Leuten zu zeigen wer für sie die Drecksarbeit macht. Unser Verein wird allmählich zu groß um ihn geheim zu halten.“ Plato blickte in die Gesichter seiner Krieger und stieß dann Silvio mit dem Ellenbogen in die Seite. Jeder körperlich normal proportionierte Mensch wäre bei dem Stoß auf die Knie gefallen und hätte womöglich eine oder mehrere Rippen gebrochen. „ Also macht euch nichts draus Jungs. Wir wussten, dass der Tag kommen würde. Und glaubt mir, sie werden uns lieben. Und wenn nicht, dann werden wir ihnen schon beibringen uns zu lieben.“ Allgemeines Gelächter ging durch die Runde, und Plato war froh, die Laune seiner Truppe wieder gehoben zu haben. „ Das heißt, wir können in Zukunft beliebig Unterstützung bekommen, wenn uns danach ist. Ob nun vom Militär oder wie jetzt vom FBI, sie stehen zu unserer freien Verfügung. Also tun wir dem Präsidenten den Gefallen, und zeigen uns von unserer besten Seite. Immerhin verdanken wir ihm auch etwas. Das Serum. Vergesst das nicht. Nur so sind wir jeder unser eigener Herr.“ Plato erntete zustimmendes Kopfnicken der anderen und ein kräftiges lautes „jawohl“ von dem Russen. „ Also lasst uns keine Zeit verschwenden.“ Damit beendete Plato seine Ansprache und verschwand im Dickicht. Die anderen folgten ihm, und einer nach dem anderen wurde von der Dunkelheit des Waldes verschluckt.
5
Agent Barkley zuckte vor Schreck so heftig zusammen, dass sogar Agent Miller neben ihm einen Schrecken bekam. Keiner von ihnen hatte bemerkt, dass plötzlich jemand direkt hinter ihnen stand. Erst als Plato Barkley mit einem Finger auf die Schulter klopfte, und damit Barkleys Herz fast zum Stillstand gebracht hatte, wurden die Agents auf ihn aufmerksam. Beide starrten ihn nun mit vor Schreck bleichen Gesichtern und aufgerissenen Augen an. Ein riesiger Kerl mit langen schwarzen Haaren und einem schwarzen Ledermantel der hinunter bis zu den schweren schwarzen Einsatzstiefeln ging.
Nach einigen Augenblicken erst bemerkte Barkley noch mehr Bewegung im Dunkeln hinter dem Riesen. Man erkannte beinahe nur die Gesichter, denn alle die sich nun nach und nach um ihn und Miller versammelten, trugen die selben Klamotten wie der Kerl der direkt bei ihnen stand. Am Ende zählte Barkley zwanzig Mann. Barkley war nicht wohl bei der Sache und das einzige was ihm momentan durch den Kopf ging, war die Vermutung, dass sie nun doch entdeckt worden waren. Er überlegte ob er sein Gewehr herum reißen sollte, um es dem riesigen Kerl unters Kinn zu halten. Nur zur Sicherheit. Die Stille um sie herum wurde nur durch das schnelle angespannte schnaufen von Miller und Barkley durchbrochen, und Plato schaute mit starrem Blick auf die Agent herab. Er konnte die Anspannung in ihren Gesichtern sehen und er roch ihre Angst. Und er wusste genau, dass keiner der beiden wissen konnte, wie er und seine Jungs aussehen. Plato genoss das Ganze, doch dann entschloss er sich dafür, die zwei zu erlösen. „ Wenn wir jetzt jemand anderes wären, wärt ihr schon lange tot“, flüsterte Plato mit einem Grinsen bis über beide Ohren. „ Gestatten, Plato mein Name. Und das ist meine Truppe. Ich hoffe doch sehr, dass sie mein Name etwas beruhigen kann, denn den hat man ihnen ja wohl mitgeteilt.“
„ Oh ja natürlich“ , Barkley begann sich wieder zu fassen. „ Aber ein oder zwei Fotos von ihnen wären nicht schlecht gewesen, damit ich gewusst hätte wen wir erwarten. Ich hätte mir vor Schreck fast in die Hosen geschissen.“
„ Ja“, Miller hatte sich nun auch wieder im Griff. „ Oder was wäre wenn wir sie für den Feind gehalten und erschossen hätten.“ Plato und einige der anderen schwarzgekleideten Gestalten fingen leise an zu lachen. „ Das, kann ich ihnen versichern, wäre ihnen nicht passiert. Oder besser gesagt, nicht gelungen, auch wenn sie es gewollt hätten.“
Plato klang bewusst etwas hochnäsig und arrogant, denn er wollte sich das FBI ja nun nicht direkt zum Busenfreund machen. Und es zeigte Wirkung, wie er an Agent Barkley sehen konnte. Barkley konnte ihn und seine Truppe jetzt schon nicht leiden, und das gefiel Plato. Er brauchte keine neuen Freunde.
6
Plato schaute sich um, verschaffte sich einen ersten Überblick und wandte sich an Barkley: „ Nun, Agent Barkley, sind sie soweit oder haben sie noch irgendwelche Fragen bevor der Tanz beginnt?“
„ Eigentlich nur eine“, entgegnete Barkley. „Weshalb lassen wir die Army nicht einfach dieses kleine Prinzessinenschlösschen, mitsamt seinen Prinzessinnen, in Schutt und Asche bomben? Dann müssten wir hier nicht alle unser kleines scheiß Leben aufs Spiel setzen. Falls das Ganze hier wirklich so gefährlich sein sollte, wie es aus ihren Berichten hervorgeht.“ Barkley blickte kurz zu Miller, zwinkerte ihm zu und setzte noch einen drauf. Er schaute Plato starr in die Augen. „Oder wollte sich hier nur jemand besonders wichtig machen?“
Plato konnte sich ein grinsen nicht verkneifen. Ja, dachte er, Agent Barkley kann uns wirklich nicht leiden. Aber Plato begann ihn zu mögen. Ein wenig jedenfalls. Barkley war durch und durch ein Schweinehund und hatte keine Angst ihm zumindest verbal Kontra zu geben. Ein Mistkerl genau nach seinem Geschmack.
Immer noch grinsend sagte er zu Barkley: „Nein, wichtig machen wollten wir uns nicht. Das sind wir schon.“ Boris und die anderen begannen zu kichern und Barkley blickte entsetzt und empört von einem zum anderen. „Und sie scheinen nicht wichtig genug zu sein, um ihnen die vollständigen Berichte zu geben. Aber damit sie und ihre Agents heute Abend nicht von kleinen süßen Prinzessinnen die Ärsche verhauen bekommen, werde ich ihnen etwas mehr über unsere feierwütigen Freunde dort drinnen erzählen. Dann werden sich wohl alle weiteren Fragen erübrigen.“ Damit hatte Plato Barkley mundtot gemacht und er konnte es sich nun ebenfalls nicht verkneifen, noch einen drauf zu setzten: „Und im übrigen setzten hier nicht alle ihr Leben aufs Spiel.“ Plato grinste nun über beide Ohren und beugte sich etwas zu Barkley herunter. „Das tun nur sie.“
Barkley hatte den Mund weit offen stehen und wollte Plato nur zu gerne Paroli bieten. Doch er wusste nicht wie, und auch Miller konnte es nicht fassen. Er hatte noch niemanden erlebt, der seinen Vorgesetzten so in seine Schranken verwiesen und ihn so vor seinen Agents dastehen lassen hatte.
Und da Plato nun nicht wirklich damit rechnete, dass einer der Agents noch irgendetwas entgegenzusetzen hatte, begann er mit seiner Geschichte.
7
Rasmus war ein stolzer und mächtiger Clanführer. Er befehligte mehrere hundert Vampire, und alle waren sie ihm treu ergeben. Es war im finstersten Mittelalter, als Rasmus seine größte Schlacht zu schlagen hatte. Sein Clan war als letzter noch übrig, der Kampf gegen das von ihm so verhasste Hexenvolk dauerte nun schon sein fast dreihundert Jahren an, und hatte nun den Höhepunkt erreicht. Er war sich seines Sieges so sicher, es konnte nicht mehr lange dauern und sie würden sie alle vernichtet haben. Rasmus bekam sogar Unterstützung von Seiten der Menschen, ohne das diese davon wussten. Die Inquisitoren des Christentums liefen zu der Zeit zur Hochform auf. Ja, die Kirche gab ihr bestes, und es wurde immer öfters eine richtige Hexe auf dem Scheiterhaufen gerichtet. Rasmus amüsierte sich immer wieder darüber, wie Frauen angeblich der Hexerei überführt wurden. Es gab die verrücktesten Methoden mit denen man eine Hexe zu erkennen glaubte. Durch dieses unprofessionelle Vorgehen landeten natürlich auch etliche Nieten auf dem Scheiterhaufen. Und immer wenn Rasmus sich bei einer dieser Hexenverbrennungen unter die Zuschauer mischte, wusste er schon bevor sie brannte, ob sie diesmal richtig lagen.
Der nun schon so lange anhaltende Krieg zwischen seinem und dem Hexenvolk hatte ihn sehr sensibel werden lassen. Er konnte sie riechen. Er wusste genau wann er es mit einer Hexe zu tun hatte und wann nicht.
Und nun, da er das Ende dieses Krieges zu sehen schien, und er sich des Sieges so sicher war, scheiterte er kläglich.
Jahrhunderte lang hatte er gekämpft. Gekämpft für sein Volk, gekämpft für seine von Hexen zu Tode gefolterte Mutter, gekämpft für seinen von Hexen hingerichteten Vater und nun wurde er zu Fall gebracht. Alles wofür er gekämpft, wofür er geblutet hatte, bedeutete nun nichts mehr. Erbarmungslos und ohne Vorwarnung wurde er niedergestreckt, und verlor den großen Krieg.
Die Liebe brachte ihn zu Fall. Er war chancenlos und sie war eine Hexe. Exelsa.
Nach der großen Hexenmutter und ihren fünf Töchtern die ranghöchste in der Hexensippe. Die Mutter aller Hexen behandelte sie fast schon wie ihre eigenen Töchter, und stellte sie noch über ihren einzigen Sohn, den jungen Hexer Magnus. Männliche Nachkommen waren in der Regel unerwünscht und wurden sofort enthauptet. Nur einige wenige Exemplare, mit vermeintlich guten Genen, wurden verschont und dienten in erster Linie dem Zeugen von Nachkommen und somit dem erhalt des Hexenvolkes.
Exelsa und Rasmus versuchten jeweils die Gemüter der Ihren umzustimmen, und ohne Verdacht zu erwecken, den Krieg zu beenden und zwischen den beiden Völkern Frieden zu stiften. Jedoch ohne Erfolg. Der Hass saß zu tief in beiden Lagern, und so dauerte es auch nicht lange bis ihre Liebe zueinander erkannt wurde. Es war Magnus der sie durchschaute und verriet. Ab diesem Zeitpunkt führten sie ein Leben auf der Flucht, und der Krieg zwischen Hexen und Vampiren ging weiter.
Die Zeit bescherte Rasmus und Exelsa einen Sohn. Palus, der erste Vampirhexer. Er vereinte die Kräfte beider Völker und wuchs zum mächtigsten Nachtwesen, welches die Völker der Erde bis dahin gesehen hatten, heran. Rasmus und Exelsa schenkten ihm noch eine Schwester, Leika, die ebenfalls beide Kräfte in sich vereinte. Und nach einigen Jahrzehnten Innzucht war ein neuer Clan geboren. Ein Clan junger Vampirhexer und Vampirhexen mit Palus und Leika als Anführer.
Nun sinnten Rasmus und Exelsa nach Rache. Exselsa braute ein Elixier, welches nur wenige auserwählte Hexen zustande brachten. Rasmus fertigte einen unzerstörbaren Dolch aus Glas und Diamant, der hohl war, und in der Art einer Spritze funktionierte. Sie füllten den Dolch mit dem Elixier und Exelsa belegte beides mit einem Zauber.
Sie erklärten Palus was es mit dem Dolch auf sich hatte, und Rasmus stieß ihm den gläsernen Dolch ohne Vorwarnung mitten ins Herz. Dabei gab der Dolch einen kleinen Tropfen des Elixiers über seine Spitze frei, der sich durchs Herz in Palus Blut verbreitete.
Rasmus riss den Dolch wieder heraus, die Wunde heilte in nur wenigen Augenblicken und nach einer Nacht voller Qualen war Palus stärker und mächtiger als je zuvor. Er war wiedergeboren als nun beinahe unbesiegbarer Lord der Finsternis. Vampir- und Hexenkräfte um ein vielfaches gesteigert, und nur durch einen erneuten Stich mit dem gläsernen Dolch, mitten ins Herz zu besiegen. Und hundert Jahre nach dieser Nacht, auf die Stunde genau, kann der Lord den Dolch erneut benutzen. Nicht an sich selbst, sondern er kann seinen, ab dieser Nacht zählenden, Erstgeborenen zu einem neuen Lord machen, wodurch er selbst entgültig unsterblich wird. Rasmus wäre ab da nicht mehr zu töten, und nach weiteren hundert Jahren hätte sein Erstgeborener, der neue Lord der Finsternis, die Möglichkeit seinen eigenen Erstgeborenen wiederum zu einem neuen Lord zu machen und somit als Altlord unsterblich zu werden. Alle hundert Jahre, bis das Elixier im Dolch aufgebraucht ist, würde das Volk der Vampirhexen einen nicht zu tötenden und unbeschreiblich mächtigen Altlord dazubekommen und die Welt beherrschen.
Palus sollte nun als Lord der Finsternis mit seinem Clan losziehen und die Völker seiner Eltern richten, ihrer nicht gewährten Liebe wegen. Der Clan der Vampirhexen, mit Palus dem Lord der Finsternis an der Spitze, war zu mächtig. Nach wenigen Jahren waren das Vampirvolk und das Hexenvolk ausgelöscht. Palus setzte einen Sohn in die Welt, seinen als Lord Erstgeborenen. Samuel. Stolz präsentierte er das Neugeborene, seinen Nachfolger als Lord der Finsternis, seinen Eltern Exelsa und Rasmus. Dann tötete er sie.
Exelsa, die letzte reine Hexe und Rasmus den letzten reinen Vampir. Die letzten ihrer nun ausgestorbenen Völker.
8
Agent Miller und Agent Barkley starrten Plato stumm an, wie zwei kleine Kinder die darauf warteten, dass Mutti die spannende Geschichte weitererzählt.
Plato grinste und sagte leise zu den Agents: „Und heute Nacht sind Einhundert Jahre rum.
Ach wie schnell die Zeit vergeht.“
Platos Jungs fingen an zu lachen und die Agents schreckten regelrecht hoch.
„Also meine Herren, ich hoffe ihnen hat meine kleiner Geschichtsunterricht gefallen.
Fakt ist, dass heute Nacht entweder eine Menge Vampirhexer und Vampirhexen samt Lord der Finsternis ihren letzten Atemzug tun werden, oder aber ein neuer Lord der Finsternis mitsamt einem unsterblichen Altlord wird geboren.“
Plato blickte kurz in die Runde und dann wieder in die immer noch fassungslosen Gesichter der Agents.
„ Also ich persönlich bin ja schwer von Möglichkeit eins angetan. Oder was meinen sie, Agent Barkley?“
Plato versetzte Barkley eine freundschaftlichen Schlag auf die Schulter.
„ Ja... ja natürlich... Möglichkeit eins bitte.... danke...“ , stammelte es nur aus dem Agent heraus. Der Ärmste war hoffnungslos überfordert und in nicht geringem Maße verwirrt.
„Gut so“ motivierte Plato den Agent „ Eine ausgezeichnete Wahl. Wir haben allerdings ein recht kleines Zeitfenster um Möglichkeit eins zu ermöglichen. Palus trägt seit jeher den gläsernen Dolch gut behütet am Körper. Er trägt eine leichte aber sehr stabile Rüstung, einen Brustpanzer in dessen Innenseite der Dolch eingebettet liegt. Mit einem magischen Bann fest mit dem Brustpanzer vereint, als währen sie miteinander verwachsen. Und nur Palus kennt das Zauberwort um den Bann zu brechen und den Dolch freizugeben. Er wird selbstverständlich erst kurz vor der Zeremonie die Rüstung ablegen und den Dolch hervorholen. Und ab da beginnt unser Zeitfenster. Und es endet mit dem Stich ins Herz seines Sohnes. Das wird ein verdammt kleines Zeitfenster sein. Nicht wahr, Agent Miller?“
Miller sagte gar nichts, sondern nickte nur mehrmals.
„ Während ein Teil meiner Männer mit Palus gib mir deinen Dolch ich will ihn haben spielt, versucht der Rest der Truppe seinen Erstgeborenen Samuel umzulegen um Palus zumindest mal die entgültige Unsterblichkeit zu versauen. Aber es wäre ja nicht der erste Versuch seit seiner Geburt. Es gab schon etliche Versuche Samuel zu töten und somit den unsterblichen Altlord Palus zu verhindern. Auch vor unserer Zeit schon. Es gab zum Beispiel etliche Neider in den eigenen Reihen des Clans. Doch Samuel wird seit der Geburt so gut geschützt und bewacht, das es genauso schwer ist ihn zu töten, wie Palus den Dolch zu entreißen.
So, das wäre dann die Geschichte zu diesem Einsatz. Es ist Fakt, dass wir es hier mit unmenschlichen Kreaturen zu tun haben, die ebenso unmenschliche Kräfte besitzen. Sie sollten wissen, das diese Biester nur durch eine Art zu töten sind. Ihr Herz muss aufhören zu schlagen. Egal wie, durch einen gezielten Schuss, oder durch verbrennen. Sie können es auf ewig einfrieren oder in kleine Stücke hacken. Ihrer Kreativität sind dabei keine Grenzen gesetzt. Es ist ausgiebig getestet worden, ein einzelnes noch schlagendes Vampirherz ist in der Lage, den kompletten Vampir zu regenerieren. Wir brachten unserer Forschungsabteilung ein noch pumpendes Herz, sie sperrten es in ein mannshohes gläsernes Gefängnis, und nach und nach bildete sich organische Masse um es herum. Nach etwa zwei Monaten tobte ein vollständig regenerierter und stinkwütender Vampir durch den Kasten aus Panzerglas. Die Regel lautet, je geringer die Verletzung, desto schneller heilt sie. Also zielen sie gut. Das ist ein Grund weshalb die Army nicht zum Einsatz kommt. Die Möglichkeit, dass sich unter dem zerbombten Schloß noch schlagende Vampirherzen befinden würden ist einfach zu groß, und Palus lässt sich nur mit dem Dolch töten.“
Plato räusperte sich und gab den Agents kurz Zeit, Ihre Gedanken zu sortieren, und erzählte dann weiter.
„ Weiterhin ist der Präsident der Meinung, wir sollten möglichst viele der normalen Menschen dort rausholen. Meiner Meinung nach wird uns das aber wohl kaum gelingen. Bei diesen Biestern ist es üblich, dass sie sich zu ihren Partys und Zeremonien normal Sterbliche einladen. Deshalb auch die Tarnung als Metal und Rock Bar. Die Leute kommen um zu feiern, und werden den nächsten Morgen nicht mehr erleben. Die ganzen Vampirfilme und Geschichten haben nämlich einen wahren Kern. Sie brauchen trotz der genetischen Kreuzung von Vampir und Hexe immer noch menschliches Blut zum überleben. Die Sonne kann ihnen nichts mehr anhaben, doch das Blut brauchen sie immer noch.“
Plato lachte leise. „ Und Knoblauch hat noch nie funktioniert. Damit würzen sie höchstens die Innereien der Opfer, wenn sie sich über diese hermachen. Also, bevor die Zeremonie beginnt, werden sie sich an den ahnungslosen Sterblichen laben, und wir können nicht vorher eingreifen. Sie und ihre Agents können also unbesorgt auf alles schießen, was hier gleich aus dem Schloss gerannt kommt. Also wenn es dann keine weiteren Fragen mehr gibt, kann der Tanz ja gleich losgehen.“
Plato schaute beide Agents an, und amüsierte sich köstlich über diese fahlen ausdruckslosen Gesichter. Miller sah aus als würde er gleich kotzen.
Barkley schluckte kräftig. „ Also gut“, begann er leise. „ Dann muss es wohl so sein. Aber mir brennt nun doch eine Frage auf der Zunge.“
„ Ich bin ganz Ohr .“ entgegnete Plato.
Barkley holte tief Luft und ließ seinen Blick über Plato und dessen Männer schweifen.
„ Was können sie denn gegen diese Viecher ausrichten. Wenn die wirklich so gefährlich sind, muss doch mehr nötig sein als zwanzig kräftige Jungs, um den Einsatz hier zu erledigen. Sie scheinen ja noch nicht einmal bewaffnet zu sein, wenn ich dass richtig sehe.“
„ Nun Agent Barkley, das haben sie gut beobachtet. Wir sind nicht bewaffnet, und das ist auch nicht nötig. Denn bis auf Palus, haben alle diese Wesen noch eine Schwäche. Palus besitzt diese durch den Stich mit dem Dolch nicht mehr, aber alle anderen. Es gibt noch eine Möglichkeit sie zu töten.“ Plato blickte zu seinen Männern, und Boris nickte ihm grinsend zu. Er wandte sich wieder an die Agents und kam mit seinem Kopf ganz nahe an beide heran.
Und nach einigen endlos wirkenden Sekunden, sagte er leise: „ Bei dieser einen Möglichkeit, kommen meine Männer und ich ins Spiel. Und jetzt laufen sie bloß nicht schreiend davon und alarmieren das ganze Schloß. Denn bevor sie das machen, müsste ich sie auf der Stelle erschlagen um den Einsatz nicht zu gefährden.“
Barkley und Miller rissen entsetzt die Augen auf, und Barkley holte gerade Luft um etwas zu sagen. Doch Plato kam ihm zuvor.
„ Der Stillstand ihrer Herzen ist die eine Möglichkeit. Die einzige Möglichkeit für sie und ihre Agents. Die andere Möglichkeit ist...“ Plato setzte bewusst eine kurze Pause, um die Spannung und so auch den Überraschungseffekt möglichst hoch zu halten. Auf diesen Moment freute er sich schon den ganzen Abend. „ ...der Biss eines Werwolfes.“
Plato steuerte auf den vorderen der fünf schwarzen Wagen zu. Gefolgt von Boris, Markus und Silvio. Die restlichen sechzehn Mitglieder verteilten sich auf die anderen Wagen. Plato war der Anführer dieser zwanzig Kämpfer zählenden Einheit.
Zwanzig Spezialisten sollten genügen um diesen Einsatz erfolgreich abzuschließen.
Seit er und seine Jungs für die Regierung arbeiteten, hatte sich einiges verändert.
Nun arbeiteten sie Hand in Hand, und nicht gegeneinander. Es war ein Pakt der besonders Plato und den anderen auf Dauer zugute kam, und der sie in nur jedem erdenklichen Luxus leben ließ. Diese Spezialeinheit, oder wie Plato immer sagt, dieser Verein, bestand nun schon seit knapp einem Jahr und seine Mitgliederzahl hatte sich nahezu verzehnfacht. Nur wenige wussten von ihrer Existenz, und es wurden weltweit immer neue Kämpfer davon überzeugt, dem Verein beizutreten und die Pläne der Regierung sahen vor ebenso weltweit zu operieren. Bis keiner dieser elenden Bastarde mehr auf diesem Planeten umherwandeln würde. Und ohne Plato und seinesgleichen standen die Chancen, dieses Ziel jemals zu erreichen bei nahezu Null.
Es war Plato, der zusammen mit dem Präsidenten der Vereinigten Staaten diesen Pakt ausgehandelt hatte, und es war Plato gewesen, der die ersten Mitglieder rekrutierte und der Regierung beibrachte wie sie vorzugehen hatte. Das machte ihn zum Oberbefehlshaber der Truppe, und er hatte in der Rangordnung keinen mehr über sich sitzen. Er nahm nur Befehle direkt und persönlich vom Staatsoberhaupt entgegen. Ob er sie dann ausführte oder nicht, war eine andere Sache. Plato hatte eigentlich immer etwas zu nörgeln, und Pakt hin oder her, es wurde immer erst wieder neu verhandelt. Die Regierung sollte nicht glauben, dass sie hier eine absolut hörige Truppe unter ihrem Kommando hatte. Das wilde und freiheitsliebende lag nun mal in ihrer Natur, und nicht umsonst entstammten fast neunzig Prozent des Vereins irgendwelchen Bikergangs, die es mit dem Gesetz natürlich auch nicht so genau nahmen. Spätestens nach seinem vierten Einsatz hatte Plato das unmissverständlich klar gemacht.
Plato saß im Büro eines Beraters des Präsidenten, der ihm gerade klugscheißerisch erklären wollte, wie er seinen Job zu machen hatte, und Plato solle die doch sehr gesetzeswidrige Vorgehensweise bei dem letzten Auftrag rechtfertigen. In den Augen des Herrn Berater waren Plato und seine Truppen nur üble Schläger, Schmarotzer und Abschaum, der eigentlich nicht auf diesem, seinem schönen Planeten existieren dürften.
Er riet dem Präsidenten, der bei dieser Unterredung auch anwesend war, energisch dazu diese Individuen zu entsorgen. Keine Regierung der Welt sollte sich mit solch niederem gewalttätigem Volk einlassen. Plato hörte sich das Geseiere und die Beleidigungen des Beraters einige Minuten an, dann erhob er sich aus seinem Ledersessel und ging langsam auf ihn zu. Plato war wie alle in der Truppe, ein hünenhafter Mann. Muskelbepackt, die Ohren und Finger mit schweren silbernen Ringen geschmückt, und seine lange schwarze Haarmähne zu einem Zopf gebunden, der ihm zwischen den Schulterblättern bis fast runter zum Gürtel seiner Hose hing. Ein Biker eben. Sein schwarzes T-Shirt, das bei jeder Bewegung seines mächtigen Brustkorbes zu reißen drohte, gewährte freien Blick auf zwei gewaltige bis zu den Handgelenken tätowierte Arme. Je näher Plato kam, desto langsamer und leiser redete der knapp zwei Köpfe kleinere Klugscheißer des Präsidenten.
Als er nah genug war packte Plato den Kopf seines Gegenübers und mit einem lauten Knacken brach er ihm das Genick. Der Berater sackte schlagartig vor seinen Füßen zusammen und Plato verließ ohne ein Wort das Büro. Seitdem hatte er nie mehr einen Berater zu Gesicht bekommen und niemand hatte je wieder seine Art Dinge zu erledigen kritisiert.
Nun saß Plato in einem von fünf schwarzen Audi Q7 mit komplett abgedunkelten Scheiben und der feinsten Ausstattung. Er liebte deutsche Wagen. Sie waren für ihn Symbol von höchster Qualität und Zuverlässigkeit, und auch die deutschen Designer betrachtete Plato als die weltbesten. Was Autos anging, da lagen die deutschen Marken in seiner Gunst weit vorne. Aber was Motorräder anging, da gab es natürlich nichts besseres als Harley Davidson. Kein Bike einer anderen Marke würde ihm je unter den Arsch kommen. Plato hatte die Augen geschlossen und ging in Gedanken die Berichte und Fotos des Informanten noch einmal durch und versuchte sich darauf einzustellen, was sie erwarten würde. Es würde kein Spaziergang werden, und jeder normale Mensch würde dort vor Grauen und Ekel wohl auf der Stelle in Ohnmacht fallen, aber sie würden siegreich zurückkehren. Plato riss die Augen auf, als Boris der Russe, der am Steuer saß ihn aus seinen Gedanken holte. „ Alle Wagen besetzt Boss, wir können los.“
Plato mochte den Russen. Er war zwar nicht der hellste, doch auf ihn war stets Verlass. Wenn Boris etwas sagte dann meinte er es auch so, und wenn er etwas ankündigte, dann fand das auch statt. Boris maß gut zwei Meter und zehn, und war damit sogar ein wenig größer als Plato, doch ebenfalls von so kräftiger Statur wie der Rest der Truppe. Nur im Gegensatz zu seinem Anführer hatte er den Schädel fast kahlrasiert. Boris schaute Plato an und wartete auf seinen Befehl. Plato betrachtete einige Sekunden den runden kahlen Schädel seines russischen Freundes, dann drehte er sich nach hinten um und blickte zu Markus und Silvio. Man konnte dem Deutschen und dem Italiener die Vorfreude von den Gesichtern ablesen. Silvio fiel in die Kategorie hinterlistiger Meuchelmörder. Immer mit ganzem Herzen dabei, wenn es darum ging jemanden hinterrücks ein Messer zwischen die Schultern zu rammen. Aber auch im offenen Kampf tödlich und vor allem kaum zu stoppen. Was wohl an seinem Temperament lag. Markus war vom Wesen her das genaue Gegenteil. Genauso tödlich und kampferprobt, jedoch eiskalt. Der Deutsche tötete ohne eine Miene zu verziehen. Schnell, präzise und effektiv.
Wo der Italiener sich schon bis zur Weißglut aufregte und an die Decke ging, da hatte der Deutsche noch den Pulsschlag eines Schlafenden. Markus und Silvio grinsten Plato zu, der erwiderte das Grinsen und gab Befehl zur Abfahrt: „Na dann mal los, sonst kommen wir noch zu spät zum Dinner. Wenigstens kann es nicht kalt werden, denn das ist es ja schon von vorneherein.“ Und unter grölendem aller Insassen startete Boris den Wagen. Die anderen Fahrer taten es ihm gleich, und die Kolonne setzte sich in Bewegung.
2
Alle hatten Stellung bezogen. Die besten Scharfschützen des FBI hatten das kleine Jagdschloss im Wald umstellt, für jedes Fenster ein Scharfschütze. Das Gebäude lag mitten in einem kleinen See und war nur über eine etwa zwanzig Meter lange steinerne Brücke zu erreichen, die von Spezialisten des FBI mit Sprengsätzen versehen wurde.
Agent Miller kam zurück von seinem Rundgang und begab sich zurück zu Agent Barkley, dem Leiter des Einsatzes. Der Himmel war Wolkenlos an diesem Herbstabend und der Mond schien recht hell, so dass Miller stets darauf bedacht war sich im Dunkeln zu halten und möglichst keine unnötigen Geräusche zu machen. Was wegen des ganzen trockenen Gehölzes auf dem Boden schon schwer genug war. „ Alle sind auf ihren Posten Agent Barkley.“
Miller kauerte sich dicht an Barkley heran, um so leise wie möglich sprechen zu können.
„ Sehr gut Miller. Wir müssen höllisch aufpassen, wenn sie uns entdecken bevor diese Spezialtruppe des Präsidenten eingetroffen ist, sind wir im Arsch.“ Miller war immer wieder irritier über die Ausdrucksweise seines Vorgesetzten. Ihm hatten sie das in der Ausbildung zum Agent anders beigebracht. Miller hatte sich zu Beginn seiner Ausbildung so einiges anders vorgestellt, doch als er fertig war wurde er Barkley unterstellt und musste ernüchternd feststellen das alles anders war als im Fernsehen. Barkley war ein kleiner untersetzter bis fetter kahlköpfiger Kerl der wohl eher einem Stammgast eines Stripschuppens ähnelte als einem Abteilungsleiter des FBI. Eine Ausdrucksform bei der jeder Gossenkriminelle vor Scham erröten würde und auch sein Umgang mit eben diesen war mehr als zweifelhaft.
Miller hatte vor Jahren miterleben müssen, wie Barkley einem sogenannten „kleinen Fisch“ einen Fingernagel mit einer Zange langsam vom Finger riss, um zu erfahren wer der Drahtzieher hinter dem damaligem Fall war. Miller war froh gewesen, das es bei einem Fingernagel geblieben ist. Jedem Ganoven musste Angst und Bange werden, wenn er mitbekam, dass Agent Barkley auf ihn angesetzt wurde.
Aber dieser Mann stand immer voll und ganz zu seinem Team. Man konnte sich immer auf ihn verlassen, und er hatte schon des öfteren für einen seiner Jungs bei den hohen Tieren den Kopf hingehalten, um eine Suspendierung desjenigen zu verhindern. Barkley wusste genau, dass er nicht so schnell rausgeworfen werden würde. Dafür war er viel zu erfolgreich mit dem was er tat.
„ Finden sie es nicht auch etwas übertrieben?“, wollte Miller wissen. „ Ich meine die ganzen Scharfschützen und die Sprengladungen, Sir.“
„ Hör mal Jungchen, wir haben es hier nicht mit einer Bande von Drogenhändlern oder mit der verfickten Mafia zu tun. Das sind Monster. Wir wollen nur sichergehen das wir auch jedes dieser kleinen blutpissenden Arschlöcher erwischen. Ich habe es bisher noch nie gesehen, und bin verdammt noch mal auch nicht scharf drauf es heute Nacht zu erleben, aber laut den Berichten des Informanten und der Truppe des Präsidenten, ist es für diese Bastarde ein Kinderspiel das bisschen Wasser da zu überspringen.“ Barkley drehte nun den Kopf, der die ganze Zeit auf das Schloss gerichtet war, zu Miller und sprach mit weit aufgerissenen Augen weiter: „Und dann gnade uns Gott. Das sind Bestien. Und die Supertypen des Präsis werden sich einen Scheiß um sie kümmern Miller, wenn eins dieser Dinger durchs Fenster geflogen kommt und es vor ihnen landet bevor wir es mit unseren verhurten Gewehren vom Himmel pusten. Dann... werden... sie... Höllenqualen....leiden. Verstanden, Jungchen?“
An der Art wie Barkley zu reden begann merkte Miller sofort wie angespannt sein Vorgesetzter sein musste, und Barkleys Gesichtsausdruck bestätigte es nur noch.
„Natürlich Sir, hab´ verstanden.“, gluckste Miller kleinlaut.
„ Ich will ihnen ja nichts, Jungchen. Ich will nur, dass keiner von euch die Sache hier unterschätzt. In der heutigen Nacht stehen die Chancen elend und qualvoll zu sterben höher als in ihren gesamten verschissenen Einsätzen bisher.“
Miller hatte natürlich ebenso wie alle anderen die Berichte gelesen, doch hatte er sie nicht wirklich für voll genommen. Doch nun wurde er wirklich nervös. Es bedeutete schon etwas, wenn Barkley so angespannt war. Miller kontrollierte erneut sein Gewehr, legte sich in Position und blickte durch sein Fernglas. Er blickte durch ein Fenster im Erdgeschoss, in den ehemaligen großen Tanzsaal des Schlosses, der zu einer Bar mit Bühne für Livemusik umgestaltet wurde.
In dem Ausschnitt, den Miller durch sein Fernglas und durch das fast deckenhohe Fenster sah, zählte er nicht weniger als fünfundzwanzig Personen. Größtenteils in schwarz gekleidet, einige in langen Ledermänteln, und andere in mit Schnallen und Ketten behangenen Kleidungsstücken. Beinahe alle mit langen Haaren und die Gesichter wo es nur ging mit Piercings gespickt. Die gesamte Gruftiszene der Umgebung musste dort versammelt sein. Einer der Typen erinnerte Miller an den Hauptdarsteller aus dem Film The Crow . Alles sah sehr vornehm und edel aus, vieles der Einrichtung war in dunklem Samt gehalten und große antikwirkende Kronleuchter hingen an der Decke. Allgemein war die Beleuchtung sehr gedämpft, in den Kronleuchtern brannten Kerzen und ansonsten sah Miller noch mehrere Wandhalter, in regelmäßigen Abständen, die ebenfalls mit Kerzen bestückt waren. Es war gerade hell genug, um nicht irgendwo im Raum eine völlig dunkle Ecke zu haben.
Miller legte sein Fernglas zur Seite, nahm sein Gewehr zur Hand und zielte mit dem Zielfernrohr auf den weiß und schwarz geschminkten The Crow Freak. Das Zielfernrohr brachte wesentlich mehr als das Fernglas und der Kopf des Freaks füllte nun den kleinen runden Ausschnitt den Miller sah, zur Gänze aus. Er stand seitlich zu Miller und nahm einen großen Schluck aus einem edlen Silberkrug, der reichlich verziert war. Er erkannte die Verzierungen als Lilien- und Rosenranken die ein Fledermauswappen umrankten. Am oberen Rand und am Fuß des Kelches waren dunkle Edelsteine eingefasst, die innerlich zu glühen schienen. Der Typ nahm einen so großen Schluck, dass ihm der Rotwein den er trank, am Mund vorbei und übers Kinn herab lief. Dann nahm er das edle Trinkgefäß vom Mund weg und blickte starr geradeaus, als würde er sich auf irgendetwas konzentrieren. Nach etwa fünf oder sechs Sekunden, Miller wollte gerade wieder vom Zielfernrohr aufblicken, drehte der Kerl mit einem Ruck den Kopf in seine Richtung und blickte Miller genau ins Auge. Dachte dieser jedenfalls und ließ vor Schreck das Gewehr fallen. Sein Herz hämmerte wie wild los.
„ Was soll das, Jungchen?“, hörte er Barkley ärgerlich flüstern. „Wenn sie weiter so einen Lärm machen sind wir schneller Eintopf, als sie sich in die Hosen pissen können.“
„Tut mir leid Sir, ein Insekt ist mir wohl in den Ärmel gekrabbelt. Ich war so konzentriert, dass es mich völlig erschreckt hatte.“
„ Na wenn sie sich schon von den verkackten kleinen Viechern hier draußen erschrecken lassen Miller, dann werden sie wohl an Herzversagen und vollgeschissener Hose sterben, wenn sie die Viecher dort drinnen in Aktion erleben.“
Miller nahm kleinlaut sein Gewehr wieder auf, traute sich aber nicht so recht durch Zielfernrohr zu schauen. Er nahm lieber wieder sein Fernglas.
Der Typ stand immer noch an der selben Stelle, nur blickte er nicht mehr in Millers Richtung sondern unterhielt sich jetzt wohl amüsiert mit einem anderen Kerl in schwarz. Sie tranken und lachten zusammen. Der Schrecken war verflogen und Miller war sich nun sicher, das er sich getäuscht haben musste. Er ärgerte sich innerlich über seine Schreckhaftigkeit und dachte noch einmal an die Berichte. Wenn das in dem Schloss wirklich irgendwelche Vampir- oder Hexenwesen sein sollten, dachte sich Agent Miller, was könnten da schon ein Haufen Elitekämpfer des Präsidenten ausrichten?
Es war das erste mal, dass die Spezialtruppe mit jemandem zusammen arbeitete. Niemand, mit Ausnahme des Feindes, hat sie je im Einsatz gesehen. Und bisher hatte keiner ihrer Gegner überlebt, sodass eventuell herumerzählt werden konnte, wie sie arbeiteten oder wer sie waren. Nur der Präsident und einige seiner Vertrauten wussten genau über sie bescheid.
Miller wurde bewusst, dass dieser Einsatz hier etwas großes sein musste, wenn sie nun doch mit jemandem zusammenarbeiten würden.
Er beobachtete weiter durch sein Fernglas und lauschte dabei dem Wind der durch die Baumkronen wehte, und ein leises angenehmes Rascheln erzeugte.
3
Laut und bedrohlich dröhnte die Musik durch den Saal. Der Frontmann der Band brüllte und grunzte sich die Lunge aus dem Leib, die Gitarristen schmetterten den Gästen die wildesten Gitarrenriffs um die Ohren und der Drummer prügelte mit unmenschlicher Geschwindigkeit auf sein Schlagzeug ein, als wollte er es zu Klump schlagen. Heavy Metal at it´s best. Samuel starrte aufmerksam durchs Fenster, hinaus in die Dunkelheit.
„ Hey Samuel.“, sein Bruder riss in schlagartig aus seinen Gedanken. „ Das wird ja heute wieder eine super Nacht. Hast du die ganzen Ahnungslosen hier gesehen? So viele hatten wir schon lange nicht mehr.“
„ Auch wenn die Musik so laut ist, dass eigentlich nur noch der direkte Nebenmann einen verstehen kann, solltest du dir gut überlegen was du hier herumbrüllst und was du besser für dich behalten solltest.“ Es war Samuels jüngerer Bruder, Trigon, der freudestrahlend vor ihm stand und vor lauter Vorfreude auf die kommende Nacht fast zu platzen drohte.
„ Hast ja recht.“, meinte Trigon nun deutlich leiser. „ Aber heute ist deine Nacht Brüderchen. In drei Stunden ist Mitternacht, und du wirst zu einem Lord gemacht und kannst deinen eigenen Clan gründen. Und wenn ich mich so umsehe, hat unser Vater ein berauchendes Fest zu Ehren des neuen Lords organisiert.“
„Ja ja, ich freue mich ja auch. Aber das heißt auch, dass ich euch verlassen muss um meinen eigenen Clan zu gründen.“
Trigon legte eine Hand auf die Schulter von Samuel, und schob sein Gesicht ganz nah an das weiß mit schwarzen Linien durchzogene geschminkte Gesicht seines Bruders heran, und sagte leise: „ Bruderherz, denke nicht an solch traurige Dinge. Nicht heute Nacht. Heute ist ein Fest der Freude. Dein Fest. Ich werde dich genauso vermissen, aber die Welt ist klein.“ Dann wurde Trigon wieder lauter.“ Und Gott verdammt noch mal, ich werde dich schneller finden als dir lieb ist, wenn mir mal danach sein sollte dir in den Arsch zu treten. Und jetzt fang an zu feiern du blöder Hund.“ Trigon grinste frech.
Nun musste auch Samuel grinsen. „ Du kleines verdammtes Arschloch, also gut. Lass uns feiern.“
4
Boris stoppte den Wagen am Rand der Straße, brachte den kräftigen Motor zum stillstand, und die anderen taten es ihm gleich. Als wäre es wie eine Choreografie immer wieder geübt worden, öffneten sich alle Türen der fünf Audis gleichzeitig und die Insassen stiegen aus. Plato versammelte sie um sich. „ Wir werden hier in den Wald gehen. Bis zum Schloss sind es nur knapp zwei Kilometer und Agent Barkley vom FBI hat mir eben per SMS mitgeteilt, dass sie vor etwa zwei Stunden Stellung bezogen haben und dass seit längerem die Tore des Schlosses zu sind und sich keiner mehr rein oder raus bewegt hat.
Wir dürften also unterwegs auf keine Nachzügler treffen. In neunzig Minuten ist Mitternacht und sie werden mit der Zeremonie beginnen.“ Plato blickte in die Runde, und Silvio wollte gerade etwas loswerden, als Plato ihm zuvor kam: „Ich weiß, es gefällt euch nicht. Mir gefällt es auch nicht, aber der Häuptling war der Meinung es wäre an der Zeit, den Leuten zu zeigen wer für sie die Drecksarbeit macht. Unser Verein wird allmählich zu groß um ihn geheim zu halten.“ Plato blickte in die Gesichter seiner Krieger und stieß dann Silvio mit dem Ellenbogen in die Seite. Jeder körperlich normal proportionierte Mensch wäre bei dem Stoß auf die Knie gefallen und hätte womöglich eine oder mehrere Rippen gebrochen. „ Also macht euch nichts draus Jungs. Wir wussten, dass der Tag kommen würde. Und glaubt mir, sie werden uns lieben. Und wenn nicht, dann werden wir ihnen schon beibringen uns zu lieben.“ Allgemeines Gelächter ging durch die Runde, und Plato war froh, die Laune seiner Truppe wieder gehoben zu haben. „ Das heißt, wir können in Zukunft beliebig Unterstützung bekommen, wenn uns danach ist. Ob nun vom Militär oder wie jetzt vom FBI, sie stehen zu unserer freien Verfügung. Also tun wir dem Präsidenten den Gefallen, und zeigen uns von unserer besten Seite. Immerhin verdanken wir ihm auch etwas. Das Serum. Vergesst das nicht. Nur so sind wir jeder unser eigener Herr.“ Plato erntete zustimmendes Kopfnicken der anderen und ein kräftiges lautes „jawohl“ von dem Russen. „ Also lasst uns keine Zeit verschwenden.“ Damit beendete Plato seine Ansprache und verschwand im Dickicht. Die anderen folgten ihm, und einer nach dem anderen wurde von der Dunkelheit des Waldes verschluckt.
5
Agent Barkley zuckte vor Schreck so heftig zusammen, dass sogar Agent Miller neben ihm einen Schrecken bekam. Keiner von ihnen hatte bemerkt, dass plötzlich jemand direkt hinter ihnen stand. Erst als Plato Barkley mit einem Finger auf die Schulter klopfte, und damit Barkleys Herz fast zum Stillstand gebracht hatte, wurden die Agents auf ihn aufmerksam. Beide starrten ihn nun mit vor Schreck bleichen Gesichtern und aufgerissenen Augen an. Ein riesiger Kerl mit langen schwarzen Haaren und einem schwarzen Ledermantel der hinunter bis zu den schweren schwarzen Einsatzstiefeln ging.
Nach einigen Augenblicken erst bemerkte Barkley noch mehr Bewegung im Dunkeln hinter dem Riesen. Man erkannte beinahe nur die Gesichter, denn alle die sich nun nach und nach um ihn und Miller versammelten, trugen die selben Klamotten wie der Kerl der direkt bei ihnen stand. Am Ende zählte Barkley zwanzig Mann. Barkley war nicht wohl bei der Sache und das einzige was ihm momentan durch den Kopf ging, war die Vermutung, dass sie nun doch entdeckt worden waren. Er überlegte ob er sein Gewehr herum reißen sollte, um es dem riesigen Kerl unters Kinn zu halten. Nur zur Sicherheit. Die Stille um sie herum wurde nur durch das schnelle angespannte schnaufen von Miller und Barkley durchbrochen, und Plato schaute mit starrem Blick auf die Agent herab. Er konnte die Anspannung in ihren Gesichtern sehen und er roch ihre Angst. Und er wusste genau, dass keiner der beiden wissen konnte, wie er und seine Jungs aussehen. Plato genoss das Ganze, doch dann entschloss er sich dafür, die zwei zu erlösen. „ Wenn wir jetzt jemand anderes wären, wärt ihr schon lange tot“, flüsterte Plato mit einem Grinsen bis über beide Ohren. „ Gestatten, Plato mein Name. Und das ist meine Truppe. Ich hoffe doch sehr, dass sie mein Name etwas beruhigen kann, denn den hat man ihnen ja wohl mitgeteilt.“
„ Oh ja natürlich“ , Barkley begann sich wieder zu fassen. „ Aber ein oder zwei Fotos von ihnen wären nicht schlecht gewesen, damit ich gewusst hätte wen wir erwarten. Ich hätte mir vor Schreck fast in die Hosen geschissen.“
„ Ja“, Miller hatte sich nun auch wieder im Griff. „ Oder was wäre wenn wir sie für den Feind gehalten und erschossen hätten.“ Plato und einige der anderen schwarzgekleideten Gestalten fingen leise an zu lachen. „ Das, kann ich ihnen versichern, wäre ihnen nicht passiert. Oder besser gesagt, nicht gelungen, auch wenn sie es gewollt hätten.“
Plato klang bewusst etwas hochnäsig und arrogant, denn er wollte sich das FBI ja nun nicht direkt zum Busenfreund machen. Und es zeigte Wirkung, wie er an Agent Barkley sehen konnte. Barkley konnte ihn und seine Truppe jetzt schon nicht leiden, und das gefiel Plato. Er brauchte keine neuen Freunde.
6
Plato schaute sich um, verschaffte sich einen ersten Überblick und wandte sich an Barkley: „ Nun, Agent Barkley, sind sie soweit oder haben sie noch irgendwelche Fragen bevor der Tanz beginnt?“
„ Eigentlich nur eine“, entgegnete Barkley. „Weshalb lassen wir die Army nicht einfach dieses kleine Prinzessinenschlösschen, mitsamt seinen Prinzessinnen, in Schutt und Asche bomben? Dann müssten wir hier nicht alle unser kleines scheiß Leben aufs Spiel setzen. Falls das Ganze hier wirklich so gefährlich sein sollte, wie es aus ihren Berichten hervorgeht.“ Barkley blickte kurz zu Miller, zwinkerte ihm zu und setzte noch einen drauf. Er schaute Plato starr in die Augen. „Oder wollte sich hier nur jemand besonders wichtig machen?“
Plato konnte sich ein grinsen nicht verkneifen. Ja, dachte er, Agent Barkley kann uns wirklich nicht leiden. Aber Plato begann ihn zu mögen. Ein wenig jedenfalls. Barkley war durch und durch ein Schweinehund und hatte keine Angst ihm zumindest verbal Kontra zu geben. Ein Mistkerl genau nach seinem Geschmack.
Immer noch grinsend sagte er zu Barkley: „Nein, wichtig machen wollten wir uns nicht. Das sind wir schon.“ Boris und die anderen begannen zu kichern und Barkley blickte entsetzt und empört von einem zum anderen. „Und sie scheinen nicht wichtig genug zu sein, um ihnen die vollständigen Berichte zu geben. Aber damit sie und ihre Agents heute Abend nicht von kleinen süßen Prinzessinnen die Ärsche verhauen bekommen, werde ich ihnen etwas mehr über unsere feierwütigen Freunde dort drinnen erzählen. Dann werden sich wohl alle weiteren Fragen erübrigen.“ Damit hatte Plato Barkley mundtot gemacht und er konnte es sich nun ebenfalls nicht verkneifen, noch einen drauf zu setzten: „Und im übrigen setzten hier nicht alle ihr Leben aufs Spiel.“ Plato grinste nun über beide Ohren und beugte sich etwas zu Barkley herunter. „Das tun nur sie.“
Barkley hatte den Mund weit offen stehen und wollte Plato nur zu gerne Paroli bieten. Doch er wusste nicht wie, und auch Miller konnte es nicht fassen. Er hatte noch niemanden erlebt, der seinen Vorgesetzten so in seine Schranken verwiesen und ihn so vor seinen Agents dastehen lassen hatte.
Und da Plato nun nicht wirklich damit rechnete, dass einer der Agents noch irgendetwas entgegenzusetzen hatte, begann er mit seiner Geschichte.
7
Rasmus war ein stolzer und mächtiger Clanführer. Er befehligte mehrere hundert Vampire, und alle waren sie ihm treu ergeben. Es war im finstersten Mittelalter, als Rasmus seine größte Schlacht zu schlagen hatte. Sein Clan war als letzter noch übrig, der Kampf gegen das von ihm so verhasste Hexenvolk dauerte nun schon sein fast dreihundert Jahren an, und hatte nun den Höhepunkt erreicht. Er war sich seines Sieges so sicher, es konnte nicht mehr lange dauern und sie würden sie alle vernichtet haben. Rasmus bekam sogar Unterstützung von Seiten der Menschen, ohne das diese davon wussten. Die Inquisitoren des Christentums liefen zu der Zeit zur Hochform auf. Ja, die Kirche gab ihr bestes, und es wurde immer öfters eine richtige Hexe auf dem Scheiterhaufen gerichtet. Rasmus amüsierte sich immer wieder darüber, wie Frauen angeblich der Hexerei überführt wurden. Es gab die verrücktesten Methoden mit denen man eine Hexe zu erkennen glaubte. Durch dieses unprofessionelle Vorgehen landeten natürlich auch etliche Nieten auf dem Scheiterhaufen. Und immer wenn Rasmus sich bei einer dieser Hexenverbrennungen unter die Zuschauer mischte, wusste er schon bevor sie brannte, ob sie diesmal richtig lagen.
Der nun schon so lange anhaltende Krieg zwischen seinem und dem Hexenvolk hatte ihn sehr sensibel werden lassen. Er konnte sie riechen. Er wusste genau wann er es mit einer Hexe zu tun hatte und wann nicht.
Und nun, da er das Ende dieses Krieges zu sehen schien, und er sich des Sieges so sicher war, scheiterte er kläglich.
Jahrhunderte lang hatte er gekämpft. Gekämpft für sein Volk, gekämpft für seine von Hexen zu Tode gefolterte Mutter, gekämpft für seinen von Hexen hingerichteten Vater und nun wurde er zu Fall gebracht. Alles wofür er gekämpft, wofür er geblutet hatte, bedeutete nun nichts mehr. Erbarmungslos und ohne Vorwarnung wurde er niedergestreckt, und verlor den großen Krieg.
Die Liebe brachte ihn zu Fall. Er war chancenlos und sie war eine Hexe. Exelsa.
Nach der großen Hexenmutter und ihren fünf Töchtern die ranghöchste in der Hexensippe. Die Mutter aller Hexen behandelte sie fast schon wie ihre eigenen Töchter, und stellte sie noch über ihren einzigen Sohn, den jungen Hexer Magnus. Männliche Nachkommen waren in der Regel unerwünscht und wurden sofort enthauptet. Nur einige wenige Exemplare, mit vermeintlich guten Genen, wurden verschont und dienten in erster Linie dem Zeugen von Nachkommen und somit dem erhalt des Hexenvolkes.
Exelsa und Rasmus versuchten jeweils die Gemüter der Ihren umzustimmen, und ohne Verdacht zu erwecken, den Krieg zu beenden und zwischen den beiden Völkern Frieden zu stiften. Jedoch ohne Erfolg. Der Hass saß zu tief in beiden Lagern, und so dauerte es auch nicht lange bis ihre Liebe zueinander erkannt wurde. Es war Magnus der sie durchschaute und verriet. Ab diesem Zeitpunkt führten sie ein Leben auf der Flucht, und der Krieg zwischen Hexen und Vampiren ging weiter.
Die Zeit bescherte Rasmus und Exelsa einen Sohn. Palus, der erste Vampirhexer. Er vereinte die Kräfte beider Völker und wuchs zum mächtigsten Nachtwesen, welches die Völker der Erde bis dahin gesehen hatten, heran. Rasmus und Exelsa schenkten ihm noch eine Schwester, Leika, die ebenfalls beide Kräfte in sich vereinte. Und nach einigen Jahrzehnten Innzucht war ein neuer Clan geboren. Ein Clan junger Vampirhexer und Vampirhexen mit Palus und Leika als Anführer.
Nun sinnten Rasmus und Exelsa nach Rache. Exselsa braute ein Elixier, welches nur wenige auserwählte Hexen zustande brachten. Rasmus fertigte einen unzerstörbaren Dolch aus Glas und Diamant, der hohl war, und in der Art einer Spritze funktionierte. Sie füllten den Dolch mit dem Elixier und Exelsa belegte beides mit einem Zauber.
Sie erklärten Palus was es mit dem Dolch auf sich hatte, und Rasmus stieß ihm den gläsernen Dolch ohne Vorwarnung mitten ins Herz. Dabei gab der Dolch einen kleinen Tropfen des Elixiers über seine Spitze frei, der sich durchs Herz in Palus Blut verbreitete.
Rasmus riss den Dolch wieder heraus, die Wunde heilte in nur wenigen Augenblicken und nach einer Nacht voller Qualen war Palus stärker und mächtiger als je zuvor. Er war wiedergeboren als nun beinahe unbesiegbarer Lord der Finsternis. Vampir- und Hexenkräfte um ein vielfaches gesteigert, und nur durch einen erneuten Stich mit dem gläsernen Dolch, mitten ins Herz zu besiegen. Und hundert Jahre nach dieser Nacht, auf die Stunde genau, kann der Lord den Dolch erneut benutzen. Nicht an sich selbst, sondern er kann seinen, ab dieser Nacht zählenden, Erstgeborenen zu einem neuen Lord machen, wodurch er selbst entgültig unsterblich wird. Rasmus wäre ab da nicht mehr zu töten, und nach weiteren hundert Jahren hätte sein Erstgeborener, der neue Lord der Finsternis, die Möglichkeit seinen eigenen Erstgeborenen wiederum zu einem neuen Lord zu machen und somit als Altlord unsterblich zu werden. Alle hundert Jahre, bis das Elixier im Dolch aufgebraucht ist, würde das Volk der Vampirhexen einen nicht zu tötenden und unbeschreiblich mächtigen Altlord dazubekommen und die Welt beherrschen.
Palus sollte nun als Lord der Finsternis mit seinem Clan losziehen und die Völker seiner Eltern richten, ihrer nicht gewährten Liebe wegen. Der Clan der Vampirhexen, mit Palus dem Lord der Finsternis an der Spitze, war zu mächtig. Nach wenigen Jahren waren das Vampirvolk und das Hexenvolk ausgelöscht. Palus setzte einen Sohn in die Welt, seinen als Lord Erstgeborenen. Samuel. Stolz präsentierte er das Neugeborene, seinen Nachfolger als Lord der Finsternis, seinen Eltern Exelsa und Rasmus. Dann tötete er sie.
Exelsa, die letzte reine Hexe und Rasmus den letzten reinen Vampir. Die letzten ihrer nun ausgestorbenen Völker.
8
Agent Miller und Agent Barkley starrten Plato stumm an, wie zwei kleine Kinder die darauf warteten, dass Mutti die spannende Geschichte weitererzählt.
Plato grinste und sagte leise zu den Agents: „Und heute Nacht sind Einhundert Jahre rum.
Ach wie schnell die Zeit vergeht.“
Platos Jungs fingen an zu lachen und die Agents schreckten regelrecht hoch.
„Also meine Herren, ich hoffe ihnen hat meine kleiner Geschichtsunterricht gefallen.
Fakt ist, dass heute Nacht entweder eine Menge Vampirhexer und Vampirhexen samt Lord der Finsternis ihren letzten Atemzug tun werden, oder aber ein neuer Lord der Finsternis mitsamt einem unsterblichen Altlord wird geboren.“
Plato blickte kurz in die Runde und dann wieder in die immer noch fassungslosen Gesichter der Agents.
„ Also ich persönlich bin ja schwer von Möglichkeit eins angetan. Oder was meinen sie, Agent Barkley?“
Plato versetzte Barkley eine freundschaftlichen Schlag auf die Schulter.
„ Ja... ja natürlich... Möglichkeit eins bitte.... danke...“ , stammelte es nur aus dem Agent heraus. Der Ärmste war hoffnungslos überfordert und in nicht geringem Maße verwirrt.
„Gut so“ motivierte Plato den Agent „ Eine ausgezeichnete Wahl. Wir haben allerdings ein recht kleines Zeitfenster um Möglichkeit eins zu ermöglichen. Palus trägt seit jeher den gläsernen Dolch gut behütet am Körper. Er trägt eine leichte aber sehr stabile Rüstung, einen Brustpanzer in dessen Innenseite der Dolch eingebettet liegt. Mit einem magischen Bann fest mit dem Brustpanzer vereint, als währen sie miteinander verwachsen. Und nur Palus kennt das Zauberwort um den Bann zu brechen und den Dolch freizugeben. Er wird selbstverständlich erst kurz vor der Zeremonie die Rüstung ablegen und den Dolch hervorholen. Und ab da beginnt unser Zeitfenster. Und es endet mit dem Stich ins Herz seines Sohnes. Das wird ein verdammt kleines Zeitfenster sein. Nicht wahr, Agent Miller?“
Miller sagte gar nichts, sondern nickte nur mehrmals.
„ Während ein Teil meiner Männer mit Palus gib mir deinen Dolch ich will ihn haben spielt, versucht der Rest der Truppe seinen Erstgeborenen Samuel umzulegen um Palus zumindest mal die entgültige Unsterblichkeit zu versauen. Aber es wäre ja nicht der erste Versuch seit seiner Geburt. Es gab schon etliche Versuche Samuel zu töten und somit den unsterblichen Altlord Palus zu verhindern. Auch vor unserer Zeit schon. Es gab zum Beispiel etliche Neider in den eigenen Reihen des Clans. Doch Samuel wird seit der Geburt so gut geschützt und bewacht, das es genauso schwer ist ihn zu töten, wie Palus den Dolch zu entreißen.
So, das wäre dann die Geschichte zu diesem Einsatz. Es ist Fakt, dass wir es hier mit unmenschlichen Kreaturen zu tun haben, die ebenso unmenschliche Kräfte besitzen. Sie sollten wissen, das diese Biester nur durch eine Art zu töten sind. Ihr Herz muss aufhören zu schlagen. Egal wie, durch einen gezielten Schuss, oder durch verbrennen. Sie können es auf ewig einfrieren oder in kleine Stücke hacken. Ihrer Kreativität sind dabei keine Grenzen gesetzt. Es ist ausgiebig getestet worden, ein einzelnes noch schlagendes Vampirherz ist in der Lage, den kompletten Vampir zu regenerieren. Wir brachten unserer Forschungsabteilung ein noch pumpendes Herz, sie sperrten es in ein mannshohes gläsernes Gefängnis, und nach und nach bildete sich organische Masse um es herum. Nach etwa zwei Monaten tobte ein vollständig regenerierter und stinkwütender Vampir durch den Kasten aus Panzerglas. Die Regel lautet, je geringer die Verletzung, desto schneller heilt sie. Also zielen sie gut. Das ist ein Grund weshalb die Army nicht zum Einsatz kommt. Die Möglichkeit, dass sich unter dem zerbombten Schloß noch schlagende Vampirherzen befinden würden ist einfach zu groß, und Palus lässt sich nur mit dem Dolch töten.“
Plato räusperte sich und gab den Agents kurz Zeit, Ihre Gedanken zu sortieren, und erzählte dann weiter.
„ Weiterhin ist der Präsident der Meinung, wir sollten möglichst viele der normalen Menschen dort rausholen. Meiner Meinung nach wird uns das aber wohl kaum gelingen. Bei diesen Biestern ist es üblich, dass sie sich zu ihren Partys und Zeremonien normal Sterbliche einladen. Deshalb auch die Tarnung als Metal und Rock Bar. Die Leute kommen um zu feiern, und werden den nächsten Morgen nicht mehr erleben. Die ganzen Vampirfilme und Geschichten haben nämlich einen wahren Kern. Sie brauchen trotz der genetischen Kreuzung von Vampir und Hexe immer noch menschliches Blut zum überleben. Die Sonne kann ihnen nichts mehr anhaben, doch das Blut brauchen sie immer noch.“
Plato lachte leise. „ Und Knoblauch hat noch nie funktioniert. Damit würzen sie höchstens die Innereien der Opfer, wenn sie sich über diese hermachen. Also, bevor die Zeremonie beginnt, werden sie sich an den ahnungslosen Sterblichen laben, und wir können nicht vorher eingreifen. Sie und ihre Agents können also unbesorgt auf alles schießen, was hier gleich aus dem Schloss gerannt kommt. Also wenn es dann keine weiteren Fragen mehr gibt, kann der Tanz ja gleich losgehen.“
Plato schaute beide Agents an, und amüsierte sich köstlich über diese fahlen ausdruckslosen Gesichter. Miller sah aus als würde er gleich kotzen.
Barkley schluckte kräftig. „ Also gut“, begann er leise. „ Dann muss es wohl so sein. Aber mir brennt nun doch eine Frage auf der Zunge.“
„ Ich bin ganz Ohr .“ entgegnete Plato.
Barkley holte tief Luft und ließ seinen Blick über Plato und dessen Männer schweifen.
„ Was können sie denn gegen diese Viecher ausrichten. Wenn die wirklich so gefährlich sind, muss doch mehr nötig sein als zwanzig kräftige Jungs, um den Einsatz hier zu erledigen. Sie scheinen ja noch nicht einmal bewaffnet zu sein, wenn ich dass richtig sehe.“
„ Nun Agent Barkley, das haben sie gut beobachtet. Wir sind nicht bewaffnet, und das ist auch nicht nötig. Denn bis auf Palus, haben alle diese Wesen noch eine Schwäche. Palus besitzt diese durch den Stich mit dem Dolch nicht mehr, aber alle anderen. Es gibt noch eine Möglichkeit sie zu töten.“ Plato blickte zu seinen Männern, und Boris nickte ihm grinsend zu. Er wandte sich wieder an die Agents und kam mit seinem Kopf ganz nahe an beide heran.
Und nach einigen endlos wirkenden Sekunden, sagte er leise: „ Bei dieser einen Möglichkeit, kommen meine Männer und ich ins Spiel. Und jetzt laufen sie bloß nicht schreiend davon und alarmieren das ganze Schloß. Denn bevor sie das machen, müsste ich sie auf der Stelle erschlagen um den Einsatz nicht zu gefährden.“
Barkley und Miller rissen entsetzt die Augen auf, und Barkley holte gerade Luft um etwas zu sagen. Doch Plato kam ihm zuvor.
„ Der Stillstand ihrer Herzen ist die eine Möglichkeit. Die einzige Möglichkeit für sie und ihre Agents. Die andere Möglichkeit ist...“ Plato setzte bewusst eine kurze Pause, um die Spannung und so auch den Überraschungseffekt möglichst hoch zu halten. Auf diesen Moment freute er sich schon den ganzen Abend. „ ...der Biss eines Werwolfes.“