Anonym
Gast
1
Julia schlug den Kragen ihrer Jacke hoch und steckte die Hände tief in ihre Taschen, als sie aus der Haustür trat, um zu ihrem Wagen zu gehen, den sie eine Querstraße weiter geparkt hatte.
Sie hasste diese Art von Morgennebel, der sie nicht einmal das gegenüberliegende Gebäude erkennen ließ. Am liebsten wäre sie sofort wieder umgekehrt. Doch sie wollte sich unbedingt mit dem Mann namens Igor Malik, der sie am Vortag in der Redaktion angerufen hatte, treffen. Er versprach ihr am Telefon, dass er eine gute Story für sie hätte. Er machte nur vage Andeutungen, worum es ging.
Julias Neugier wurde vor allem dadurch geweckt, weil dieser Mann sie auch um Hilfe gebeten hatte. Noch dazu bat er um ein heimliches Treffen, da er sich nicht sicher fühle und sich verstecken müsse.
Julia Schöne war bewusst, dass es sich eben so nur um einen Spinner handeln könnte oder sie sich in Gefahr begab. Aber das Risiko musste sie eingehen. Sie wollte wissen, woran sie war und worum es ging. Ihre journalistische Neugier war geweckt.
Sie stieg in ihren roten Opel Astra, startete den Motor, drehte die Heizung der Klimaanlage hoch, bediente die Scheibenwischer und reihte sie sich in den nur schleichenden Straßenverkehr ein. Nervös blickte sie immer wieder auf ihre Uhr. Sie durfte nicht zu spät zu kommen, denn der Mann am Telefon hatte ausdrücklich darauf hingewiesen, nicht lange warten zu können.
Nach einer halbstündigen Fahrt lenkte sie den Wagen in eine Sackgasse, die zum Flussufer nahe der Brücke führte und stellte ihn am Ende der Straße ab. Von da aus hatte sie es nicht mehr weit bis zu der Stelle, wo sie diesen geheimnisvollen Igor Malik unter dem zweiten Brückenbogen treffen sollte.
Julia holte das Pfefferspray aus dem Rucksack, den sie neben sich auf den Beifahrersitz gestellt hatte, schob es vorsichtshalber in ihre rechte Jackentasche und überprüfte ihr Handy, welches sie dann in die Innentasche der Jacke steckte. Noch einmal atmete sie tief durch, zog den Rucksack zu sich heran und stieg aus dem Wagen. Lässig warf sie den kleinen Stadtrucksack über ihre Schulter und verschloss den Opel mit einem Knopfdruck auf ihrer Fernbedienung. Laut hallten ihre Schritte über den Asphalt, bis sie den unbefestigten Uferweg erreichte. Dort verwandelte sich das Geräusch unter ihren Sohlen in leiseres Knirschen.
Rasch folgte sie dem schmalen Trampelpfad nahe dem Ufer, zur historischen Sandsteinbrücke, die sich über den Fluss spannte. Viel lieber wäre sie auf dem befestigten Weg, der etwas weiter oben verlief geblieben. Doch der Mann hatte explizit darauf bestanden, dass sie diesen Weg nehmen solle, damit er sie sofort sehen könne. Aber bei dem Nebel, der sich am Fluss noch dichter hielt, glaubte sie nicht, dass dieser Mann überhaupt etwas erkennen würde, bevor sie nicht direkt vor ihm stand. Julia konnte nicht einmal die Brücke sehen, obwohl sie nur dreißig Meter von ihr entfernt war. Sie hörte jedoch deutlich die Autos, die darüber fuhren.
„Igor“, rief sie mit gedämpfter Stimme, als sie den Brückenbogen erreicht hatte. „Sind sie hier? Ich bin es, Julia Schöne. Sie wollten mit mir sprechen.“ Dabei hielt sie das Pfefferspray in ihrer Jackentasche fest umklammert, um es schnell einsetzen zu können, wenn es nötig sein sollte.
Wie aus dem Nichts tauchte eine große, dunkle Gestalt aus dem Nebel auf, zog die Frau, bevor sie reagieren konnte, an die gewölbte Mauer des Brückenpfeilers.
„Sind sie allein gekommen, so wie ich es ihnen gesagt habe?“, hörte sie eine tiefe Männerstimme mit weichem osteuropäischem Akzent flüstern.
„Aber ja doch“, antwortete Julia eben so leise, noch immer erschrocken. Sie befreite sich aus seinem festen Griff und drehte sich zu dem Mann um, der sie vom Weg gerissen und an die Mauer gedrückt hatte. „Warum wollten sie ausgerechnet mich für ihre Story?“, fragte sie schnell.
„Weil ich weiß, dass sie Freunde haben, die diesen Wahnsinn aufhalten und helfen könnten, ich aber nicht die Möglichkeit hab an sie ran zukommen“, flüsterte Igor Malik.
„Wie meinen sie das?“, wollte sie wissen und überlegte kurz. „Sie haben gar keine Story. Stimmt´s? Sie brauchen mich nur als Vermittler.“ Schlussfolgerte sie wenig davon begeistert.
„Lady, das Eine schließt das Andere nicht aus“, erklärte der Mann, sich immer wieder nach allen Seiten umschauend. „Was ich ihnen zu sagen habe, ist sehr wichtig. Ich würde lügen, würde ich behaupten, dass ich sie nicht schon allein durch dieses Treffen in Gefahr bringe. Aber ich sehe keine andere Alternative mehr. Sie sind meine letzte Chance. Also hören sie mir jetzt gut zu, unterbrechen sie mich nicht und merken sie sich so viel wie möglich davon. Ich vertraue ihnen und weiß, dass sie mich nicht enttäuschen werden.“
Igor Malik gab sich als Mitglied einer russischen Gruppe zu erkennen, die im Auftrag der internationalen Staatengemeinschaft verdeckt gegen das organisierte Verbrechen gearbeitet hatte, aber entdeckt oder vielleicht sogar verraten wurde. Er erzählte, dass sein Kontaktmann nicht zu den vereinbarten Treffen aufgetaucht war und er später herausgefunden hatte, dass er und weitere Männer seiner Gruppe bei mysteriösen Unfällen ums Leben gekommen oder einfach verschwunden waren. Damit wurde ihm die Möglichkeit genommen, seine Informationen über die Organisation, in die er eingeschleust wurde, weiterzugeben. Dann berichtete er ihr, was er herausbekommen hatte.
Noch bevor er ihr alles erzählen konnte, fiel er plötzlich zu Boden und in seinem Kopf klaffte ein großes Loch, aus dem Blut über sein Gesicht lief. Kurz darauf peitschten Projektile in den Sandstein des Brückenpfeilers und Splitter des Gesteins flogen wie Geschosse durch die Gegend.
Julia hatte sich sofort zu Boden geworfen und schützend die Hände über ihren Kopf gehalten. Mit gebrochenen, weit aufgerissenen Augen lag Igor vor ihr. Ihr war bewusst, dass sie dem Mann nicht mehr helfen konnte. Er war tot. Aber das, was sie von ihm erfahren hatte, musste stimmen, sonst würde er jetzt nicht mit einem Loch im Schädel neben ihr liegen. Er hatte ihr vertraute, dass sie das Richtige tun würde.
Sie musste schnellstens von hier verschwinden und ihren Verlobten davon berichten. Er würde wissen, was zutun ist. Eilig robbte sie durch den Schlamm zum Flussufer, wo der sich langsam verziehende Nebel noch in dicken Schwaden lag. So leise wie möglich glitt sie in das eisig kalte Wasser, um sich dann mit der Strömung ungesehen ein Stück mit treiben zu lassen. So war zumindest ihr Plan.
Doch man hatte sie entdeckt. Neben, vor und hinter ihr peitschte immer wieder das Wasser in kleinen Fontänen auf. Sie wurde aus einer Waffe mit Schalldämpfer beschossen, denn sie konnte den Knall der abgefeuerten Schüsse nicht hören, die eigentlich laut widerhallen müssten. Julia atmete noch einmal tief ein, tat dann so, als sei sie getroffen und tauchte ab. Zweihundert Metern weit von der Brücke entfernt, der Strömung folgend, steckte sie, schwer nach Luft schnappend, vorsichtig den Kopf aus dem Wasser und schaute sich um. Außer ein paar Radfahrer, die den Weg am Ufer nutzen, um zur Arbeitsstelle zu gelangen, war nichts Verdächtiges zu sehen. Trotzdem wartete sie, sich an einem Stein festhaltend, um nicht von der Strömung mitgerissen zu werden. Erst als weit und breit niemand mehr war, kroch sie durchgefroren und halb erstarrt vor Kälte an Land und rannte, zu ihrem Wagen.
Die Fernbedienung für die Entriegelung der Autotür funktionierte nicht mehr. Mit zitternder Hand steckte sie den Schlüssel ins Schloss, stieg ein und startete den Motor. Im Rückwärtsgang fuhr sie, so schnell sie konnte, die Sackgasse nach oben zur Hauptstraße, vor der sie wendete und sich laut hupend in den stärker gewordenen Berufsverkehr einfädelte.
Sie durfte keine Zeit verlieren. Sie schaute immer wieder in den Rückspiegel und beobachtete die Fahrzeuge, die hinter ihr fuhren.
2
„Ist Fregattenkapitän Meissner schon im Haus?“, fragte sie den Wachhabenden und fischte ihren Personalausweis aus der Vordertasche des durchnässten Rucksacks, aus dem das Wasser noch tropfte. Sie bekam einen Schreck, als sie sah, dass in dem Ausweis am linken oberen Rand, direkt bei ihrem Foto, ein Stück in Form eines Loches fehlte. Ihr wurde kurz übel bei dem Gedanken, woher das Loch stammte und kontrollierte sofort den Inhalt ihrer Tasche. Sie musste schlucken, als das zerlöcherte Buch und die total zerbeulte Edelstahlthermosflasche darin entdeckte. Doch schnell gewann sie ihre Fassung zurück.
„Ich muss ihn unbedingt sofort sprechen“, sagte sie und reichte dem jungen Unteroffizier den kaputten Ausweis. Nass wie sie war, zitterte sie dabei vor Kälte.
„Ja, Frau Schöne. Er ist vor einer Stunde rein“, antwortete der Wachhabende und sah die vor ihm so durchnässt und mit blutverschmiertem Gesicht dastehende Frau erstaunt an, die er seit längerem kannte. „Soll ich ihn rufen?“
„Nicht nötig, ich finde den Weg allein“, sagte Julia und lief bereits los.
„Aber Frau Schöne, das geht nicht. Eine Wache muss sie begleiten, das wissen sie doch. Außerdem blockiert ihr Wagen die Einfahrt“, rief der Unteroffizier ihr nach und griff sofort zum Telefonhörer.
„Dann schieben sie ihn einfach weg und schicken sie die Wache von mir aus hinterher. Ich habe keine Zeit zu warten“, schrie Julia zurück und rannte weiter den Weg entlang zum Verwaltungsgebäude.
Sie verzichtete auf den Fahrstuhl, lief die Treppen bis hoch in den vierten Stock, wo sich das Büro ihres Verlobten, Fregattenkapitän Falko Meissner befand. Auf dem langen Gang kam sie an einigen Offizieren vorbei, die ihr nur verwundert nachschauten. Ohne anzuklopfen, riss sie die Tür zum Vorzimmer auf und trat ein.
„Mandy, ist Falko in seinem Büro?“, fragte sie, ganz außer Atem, die Sekretärin in der Uniform eines Stabsfeldwebels.
„Nein, er hat eine Besprechung“, antwortete sie irritiert.
„Wo?“, wollte Julia wissen, die vor Kälte und Aufregung zitterte.
„Im großen Besprechungsraum in der ersten Etage, Frau Schöne. Aber da können sie jetzt nicht stören“, sagte Mandy, ganz fassungslos wegen des Aussehens der sonst immer so korrekt gekleideten Frau.
„Doch Mandy, das kann und muss ich sogar“, erwiderte Julia und lief erneut los, ohne die Tür wieder zu schließen. Sie rannte den langen Gang zurück, den sie grade erst gekommen war. Sie wollte zur Treppe, als auf halben Weg dorthin neben ihr die Fahrstuhltür aufglitt und ein Offizier auf den Flur trat. Schnell schlängelte sie sich an ihm vorbei, betrat den Fahrstuhl, drückte auf die Eins und ließ sich, noch bevor sich die Tür geschlossen hatte, an der holzgetäfelten Wand erschöpft zu Boden sinken. In der ersten Etage angekommen stand sie aber schon wieder bereit. Sie konnte es kaum abwarte, bis sich die Türen endlich öffneten. Noch während diese langsam aufglitten, drängte sich Julia durch den Spalt, der für sie breit genug erschien und lief den Gang entlang. Dabei schubste sie ein paar Männer in Uniform unsanft zur Seite. Damit löste sie bei ihnen Verwirrung aus, so dass ihr einige der Offiziere mit gezogener Waffe folgten und sie zum Stehenbleiben aufforderten. Doch noch ehe die Männer sie erreichten, riss Julia die Tür zum großen Besprechungsraum auf und drang, gefolgt von den Uniformierten, die sie festhalten wollten, in den Raum ein.
„Entschuldigen Sie bitte meine Herren“, sagte sie laut, „aber ich muss jetzt sofort mit Fregattenkapitän Meissner allein sprechen.“
Falko war im ersten Moment total irritiert, als er seine Verlobte so sah. Es dauerte ein paar Sekunden, ehe er reagierte. Doch dann gab er das Zeichen an die Offiziere mit den Waffen, diese wieder wegzustecken.
„Ich brauche hier einen Arzt und Decken“, sagte er im Befehlston und ging auf Julia zu. Dabei wandte er sich an die Offiziere im Besprechungsraum. „Meine Herren entschuldigen sie mich bitte. Wir machen später weiter. Hier scheint ein dringender Notfallall vorzuliegen.“ Erst nachdem die Männer den Raum verlassen und die Tür hinter sich geschlossen hatten, rutsche Julia an die Wand, gleich neben der Tür, gelehnt zusammen, noch bevor Falko sie halten konnte.
„Schatz was ist los? Du siehst aus, als wärst du mit irgendetwas kollidiert und durch die Elbe geschwommen. Und genau so riechst du übrigens auch“, sagte er besorgt mit leicht gerümpfter Nase und hob die zierliche Frau hoch, um sie auf einen der Sessel zu setzen.
„Ich bewundere deinen Scharfsinn“, antwortete Julia noch immer außer Atem und vor Kälte zitternd. „Du hast fast Recht. Unter der Marienbrücke liegt ein toter Russe von irgend so einer Gruppe gegen das organisierte Verbrechen. Der hat ein großes Loch im Schädel. Ich weiß nun was er wusste und weshalb er direkt vor meinen Augen umgebracht wurde. Um da wegzukommen, habe ich es vorgezogen baden zu gehen. Schau mal, ich bin sogar tot“, sagte sie, zeigte das Loch in ihrem nassen, auf das Parkett tropfenden Rucksack und holte dann das durch den Einschuss total zerfetzte dicke Buch und die zerbeulte, kaputte Thermosflasche daraus hervor und drückte alles ihrem Verlobten in die Hand.
„Man hat auf dich geschossen? Hier in der Stadt?“, fragte Falko ungläubig. Genau schaute er sich beides an. Das Projektil hatte das Buch und dann die erste Wandung der Flasche durchschlagen aber die zweite zum Glück nicht mehr ganz geschafft.
„Man hat es versucht, wie du siehst. Nur gut, dass ich die Thermosflasche und das dicke Buch einstecken hatte, das ich nun wegschmeißen kann, dabei war ich noch gar nicht damit durch. Aber die beiden Dinge, haben mir den Schutzengel ersetzt. Auch der Nebel war wohl auf meiner Seite. Doch das ist jetzt alles unwichtig. Du musst dich mit deinen Freunden in Verbindung setzen, bevor etwas Schreckliches passiert“, antwortete sie und zitterte dabei am ganzen Leib.
„Langsam Julia und immer der Reihe nach“, forderte Falko und versuchte, seine Verlobte zu beruhigen. Während sie zu erzählen begann, half er ihr die nassen, kalten Sachen auszuziehen und ihr schon die erste Decke umzulegen, die im Besprechungsraum zu finden war. Dann kümmerte er sich um die Erstversorgung der kleinen Wunden im Gesicht. Auch als die Sanitäter und der Arzt eintrafen, um sie zu untersuchen und zu versorgen, berichtete sie unbeirrt weiter, was sie von dem Russen erfahren hatte.
„Ja, so weit ist er gekommen, bevor er mitten im Satz abbrach, weil er ne Kugel in den Kopf geschossen bekam“, sagte sie und erzählte, was dann passiert war.
„Was sagtest du, wie heißt der Mann der dir die Informationen gab?“, fragte Falko nach.
„Er heißt nicht“, verbesserte Julia ihren Freund, „sondern er hieß, Igor Malik und gehörte einer russischen Gruppe an, die verdeckt gegen das organisierte Verbrechen agierte, die es aber nun wohl nicht mehr gibt, weil deren Mitglieder ebenso mausetot sind wie dieser Igor jetzt auch“, antwortete Julia, darauf schon etwas gereizt, da ihr Verlobter ihr nicht recht glauben wollte. Noch einmal atmete sie tief durch, zählte in Gedanken von fünf runter zu null, um sich wieder zu beruhigen, dann beschreib sie genau das Aussehen des Mannes. Bedrückt nickte der Fregattenkapitän.
„Ja, das war wirklich Igor“, stellte er dann leise, eher nur für sich, fest. „Ich kannte ihn.“ Er ging an den großen Schreibtisch und wählte eine Nummer. Als sich sein Gegenüber meldete, gab er den genauen Ort unter der Brücke durch, den Julia ihm beschrieben hatte. Er verlangte, dass er schnell gesichert und weiträumig abgesucht werden solle.
„Wieso hat er eigentlich ausgerechnet dich kontaktiert?“, wollte er dann von Julia wissen.
„Kannst ihn ja mal fragen. Ich weiß es doch auch nicht. Vielleicht hatte er deine Nummer nicht, aber wusste, dass wir zusammen sind und du noch Kontakt zu deiner alten Truppe hast“, äußerte Julia ihre Vermutung.
„Hat dir Igor was gesagt, seit wann er sich schon vor den Leuten versteckt hielt und wie alt seine Informationen sind?“, fragte Falko weiter.
„Ja, deshalb brennt uns ja die Zeit unter den Nägeln. Er sagte was von zehn Tagen“, antwortete Julia, während sie etwas das Gesicht verzog, als der Arzt ihr die Wunde an der Augenbraue desinfizierte und klammerte, die sie zuvor gar nicht bemerkt hatte, die jetzt aber zu schmerzen begann. „Und ich glaube, das klingt nicht gerade gut. Deshalb bin ich auch gleich zu dir gekommen.“
„Du bis ein wahrer Schatz Jule. Gut gemacht“, lobte er und legte die Hand auf ihre Schulter. „Sei nicht böse, wenn ich mich jetzt nicht um dich kümmern kann, sondern erst mal unsere Freunde informieren muss.“
„Alles andere würde ich dir auch übel nehmen“, meinte sie ernst, „schließlich bin ich nicht umsonst durch die kalte Brühe geschwommen und habe hier die Waffen auf mich richten lassen, weil ich wohl die Geschwindigkeitsbegrenzung auf euren Gängen überschritten, paar Uniformen angerempelt und dabei nass gemacht habe. Geh schon endlich. Ich komme hier ganz gut ohne dich zurecht. Bin ja umgeben von schnittigen, hübschen Männern in Weiß.“
„Doktor Sickers bringen sie mir diese Frau ja wieder auf die Beine. Wenn sie einschätzen, dass sie nicht ins Bett gehört, dann besorgen sie ihr bitte was Trockenes zum Anziehen und geleiten sie sie danach in mein Büro, wenn sie fertig sind. Diese Frau kann man nämlich keinen Moment aus den Augen lassen, ohne dass sie was anstellt“, sagte Falko mit gespieltem Ernst an den Sanitätsoffizier gewandt und lief kurz darauf aus dem Raum.
Wieder im Büro, ließ er sich von seiner Sekretärin eine Verbindung nach Berlin herstellen und berichtete dem Minister von dem gerade geschehenen. Dann bat er darum, die Sache selbst weiterverfolgen zu dürfen.
„Gut, Fregattenkapitän Meissner, ich gebe ihnen freie Hand. Nehmen sie mit, wen immer sie brauchen“, entschied der Minister. „Ich werde sehen, was ich tun kann, um es so lange wie möglich geheim zu halten. Panik ist das Letzte, was wir jetzt brauchen können. Ich setze mich gleich mit den zuständigen Stellen in Verbindung, damit sie reibungslos einreisen können.“
„Danke Herr Minister“, antwortete Falko und legte auf.
„Mandy, buchen sie mir einen Platz in der nächsten Maschine nach Ägypten, Hurghada und reservieren sie weitere vier“, rief er von seinem Büro aus laut ins Vorzimmer.
„Mandy, bitte buchen sich auch für mich diesen Flug, den der Fregattenkapitän nimmt“, verlangte Julia bestimmend, die gerade den Raum betreten hatte, mit fester Stimme. „Ich fliege mit.“
„Schatz das wird kein Urlaubsausflug“, meinte Falko, als er das hörte und bat seiner Freundin einen Platz an. „Siehst cool aus in der zu großen Trainingskluft“, meine er dann scherzhaft und gab ihr eine Tasse heißen Kaffee von der Maschine.
„Du brauchst gar nicht ablenken, Falko. Ich werde mitkommen und wenn du dich auf den Kopf stellst und mit den Beinen strampelst. Dadurch wirst du meine Entscheidung nicht ändern. Dass es keine Urlaubsreise wird, habe ich ja wohl schon als Vorgeschmack zu spüren bekommen“, sagte Julia, die Fäuste in die Seiten gestemmt, mit zusammengezogenen Augenbrauen. „Du weißt doch, ich war nicht immer Journalistin, sondern ich habe auch eine solide Kampfausbildung.“ Damit spielte sie auf ihre zehn Jahre als Zeitsoldatin bei der Marine an. „Vielleicht kann ich euch dort ja nützlich sein.“
Er wusste, dass sie nicht von ihrem Entschluss, mitzukommen, abzubringen sein würde und gab sich geschlagen.
„Okay Mandy, zwei Plätze in der nächst möglichen Maschine, plus die vier zusätzlichen in Reserve“, sagte er laut und nahm dann den Hörer zur Hand, um ein paar wichtige Telefonate mit seinen Männern zu führen, bevor er die Gruppe der Freunde in Hurghada anrufen konnte.
Gerade als er nach dem ersten Gespräch auflegte, klingelte es auch schon.
„Fregattenkapitän Meissner“, meldete er sich und horchte in den Apparat. „Schicken sie Taucher runter, der Mann muss irgendwo sein. Konnten sie schon erste Spuren sichern?“, fragte er dann ernst und lauschte erneut. „Gut, machen sie weiter und wenn sie jeden Kiesel umdrehen müssen. Informieren sie mich, sobald sie etwas haben.“ Nachdenklich legte er den Hörer zurück auf die Gabel, dann sah er seine Verlobte an. „Keine Leiche, keine Spuren, nur mit Schlamm sauber zugeschmierte, frische Gesteinsabsplitterungen und Löcher im Brückenpfeiler, aber keine Projektile mehr drin oder irgendwelche Geschosshülsen, weder auf der Brücke noch am anderen Ufer. Da waren welche verdammt gründlich und schnell.“ Stellte er fest und fragte: „Wie lange hast du von Igors Tod an bis zu mir gebraucht? Nur so grob überschlagen.“
Julia schaute auf ihre Uhr und begann zu rechnen.
„Durch den längeren Aufenthalt im Wasser ... etwa so anderthalb Stunden, plus minus 15 Minuten“, antwortete sie dann. „Eigentlich Zeit genug, um aufzuräumen. Nur als ich mich von dort verzog, löste sich gerade der Nebel auf und der Radweg wurde rege genutzt. Entweder sie waren superschnell oder supergut, wenn sie von niemanden dabei beobachtet beziehungsweise gesehen wurden.“