Jeff stieg erschöpft von seinem Pferd. Er war jetzt seit fast zehn Stunden auf den Beinen, hatte weder etwas gegessen noch getrunken. Er war hundemüde. Und er war sehr wütend. Der Vormann seines Vaters hatte ihn angerufen, als bemerkt wurde, dass einige seiner Rinder auf fremden Grund grasten. Als Jeff mit seinen Männer am Zaun ankam, musste er feststellen, dass die Rinder nicht ausgebrochen waren, wie er vermutet hatte, sondern dass jemand ganz bewusst ein Loch in den Zaun geschnitten hatte. Dies war nicht zum ersten Mal vorgekommen und würde auch nicht das letzte Mal sein. Jeff konnte sich denken, wer dahinter steckte, aber nachweisen konnte er nichts. So blieb ihm nichts weiter übrig, als den Zaun zu reparieren und dann nach weiteren Löchern und verirrten Rindern zu suchen. Dies alles war sehr Kräfte zehrend und er hätte seine Männer lieber für etwas anderes eingesetzt, als zur Zaunkontrolle.
Bill kümmerte sich um sein Pferd. Jeff dankte ihm und ging dann mit müden Schritten auf das Haus zu. Die Mittagszeit war schon vorbei und bis zum Abendessen waren es noch mindestens drei Stunden. Aber er würde schon etwas Essbares auftreiben. Er sah Benji, die auf der Veranda an einem kleinen Tisch saß und malte. Tinkerbell lag ihr zu Füßen und hob den Kopf, als Jeff auf sie zutrat. Er strich dem Hund kurz über den Kopf und beugte sich dann über die Zeichnung.
„Schau mal, was ich gemalt habe. Wenn du magst, schenke ich es dir!“ Benji drehte zuvorkommend das Bild herum und Jeff sah sein Haus vor sich. Auf der Koppel graste ein Pferd und am Zaun lehnte jemand, der haargenau aussah, wie Butch. Die Kleine hatte alles ungeheuer gut getroffen.
„Wow, das ist ja klasse! Wenn du mir das Bild wirklich schenken willst, bin ich unheimlich stolz. Ich werde es einrahmen lassen und im Wohnzimmer aufhängen, was meinst du?“
Benji strahlte ihn an und seine Müdigkeit verflog augenblicklich. Er ließ sich neben dem Mädchen nieder und schaute zu, wie sie ihr Bild vollendete. Mit geübten Strichen zeichnete Benji den Rest vom Hausdach.
„Fertig. Ich schenk es dir!“ sagte sie dann stolz.
Jeff konnte gar nicht anders. Er drückte die Kleine zärtlich an sich und gab ihr einen Kuss auf den blonden Scheitel. Seine eigene Tochter wäre jetzt in dem gleichen Alter wie Benji. Er schloss kurz die Augen und ließ Benji dann wieder los.
Maggie hatte in der Tür gestanden und den Mann und ihre kleine Tochter beobachtet. Sie hatte gesehen, wie langsam der müde Ausdruck aus Jeffs Miene schwand. Und seine Freude über das Bild war echt, da war nichts gekünstelt oder übertrieben. Aber sie hatte auch den Schmerz gesehen, der ganz kurz über sein Gesicht gegangen war, als er Benji im Arm hielt.
„Hallo Jeff. Sie haben bestimmt Hunger. Soll ich Ihnen schnell was machen? Bis zum Abendessen ist es noch lange hin.“
„Sie sind ein Schatz, Maggie. Ich geh schnell duschen.“ Er ging an der Frau vorbei und drückte ihr kurz die Schulter.
Maggie schaute ihm nach. Der Mann hatte Sorgen, das sah man ihm an, aber sie war bestimmt nicht diejenige, die ihm helfen konnte. Sie konnte ihn nur mit Essen und einem gemütlichen Zuhause versorgen und das würde sie auch gern tun.
Als Jeff wieder in die Küche zurückkam, stand schon ein Teller mit Broten und Becher Kaffee für ihn bereit.
„Ich hab auch noch Suppe, wenn Sie mögen?“ Maggie schaute ihn fragend an.
„Natürlich gern, wenn sie so gut schmeckt, wie sie riecht, dann muss sie einfach gut sein.“ Die Dusche hatte ihn sichtlich erfrischt und er lächelte schon wieder.
Maggie stellte die Suppenschale vor ihn, schenkte sich dann einen Becher Kaffee ein und setzte sich ihm gegenüber an den Tisch.
„Jeff, können wir reden? Haben Sie Zeit?“ fragte sie ihn dann unsicher.
„Natürlich, was haben Sie denn auf dem Herzen? Gefällt Ihnen die Arbeit nun doch nicht? Haben Sie es sich anders überlegt?“ Ein Ausdruck des Bedauerns ging über sein Gesicht.
„Nein, natürlich nicht. Mit dem Job hat es nichts zu tun, oder nur wenig. Es geht um Benji. Sie haben ja gesehen, wie sie malen kann. Und ich möchte dieses Talent gern fördern, aber ich weiß nicht, wie. Sie war in New Orleans in einem Kindergarten, der sich auf Kinder mit künstlerischen Begabungen spezialisiert hat. Gibt es hier in der Nähe auch so etwas? Wissen Sie etwas davon?“
„Nein, das tut mir leid. Das weiß ich wirklich nicht. In Tinsdale gibt es so was mit Sicherheit nicht, aber vielleicht in Houston, ich werde mich mal danach erkundigen. Aber wie wollen Sie das machen, wenn Sie hier auf der Ranch leben? Wollen Sie, dass Benji auf ein Internat geht?“ Jeff sah sie etwas ratlos an.
„Nein, an ein Internat hab ich nicht gedacht. Wenn es hier in der Nähe nichts Passendes gibt, dann werde ich über kurz oder lang den Job hier wieder aufgeben müssen. Benji kommt nächstes Jahr in die Schule. Ich könnte sie natürlich auch selbst unterrichten, aber dann hätte ich immer noch nicht das Problem mit dem Kunstunterricht gelöst.“
„Machen Sie sich keine Sorgen, Maggie. Wir werden eine Lösung finden. Ich kann durchaus verstehen, dass Sie Benji fördern möchten. Ich hab ja gesehen, wie toll sie zeichnen kann. Ich überleg mir was, versprochen.“ Jeff lächelte sie beruhigend an. Er wollte nicht riskieren, sie jetzt schon wieder zu verlieren. Er musste mal mit Trevor über diese Sache reden. Vielleicht konnte er ja helfen.
„Mal was anderes. Benji ist doch bestimmt eine Abkürzung. Für was steht das denn?“
„Sie heißt eigentlich Benita. Das war der Name meiner Mutter. Aber ich fand ihn für so ein kleines Mädchen zu gewichtig. Benji klingt einfach weicher.“
„Da haben Sie völlig Recht. Benji passt gut zu ihr. Und Maggie, wofür ist das eine Abkürzung? Für Margarethe?“
„Nein, für Madeleine. Ich weiß, das hat keine Ähnlichkeit mit Maggie, aber ich habe diesen Namen zeitlebens gehasst.“ Maggie seufzte und nahm noch einen Schluck von ihrem Kaffee.
„Madeleine.“
Sie sah überrascht auf. So, wie Jeff diesen Namen ausgesprochen hatte, hatte sie es noch nie gehört. Es klang geheimnisvoll und dunkel. Und auch ein bisschen sexy. Jeff sah sie mit seinen braunen Augen an und flüsterte noch einmal mit samtweicher Stimme „Madeleine.“
„Ich finde, das hat was. Erinnert mich an Südstaaten, an Jazz, an Frauen in langen weißen Kleidern und an Hitze. Aber ich glaub, ich bleib lieber bei Maggie.“ Er zwinkerte ihr zu.
„Ja, das sollten Sie wirklich. Sonst nenn ich sie nämlich Jefferson, und das würde Ihnen bestimmt auch nicht gefallen.“ Maggie grinste ebenfalls. Einträchtig tranken sie den restlichen Kaffee. Dann stand Jeff auf und ging wieder an seine Arbeit. Und Maggie machte sich an die Vorbereitungen für das Abendessen für acht hungrige Männer.
Maggie dachte daran, was ihr Jeff über die Eßgewohnheiten seiner Männer erzählt hatte. Sie hatte im Kühlschrank einen riesigen Braten entdeckt, der wohl noch von gestern übrig geblieben war. Den hatte sie zusammen mit Zwiebeln und einigen Möhren, die sie in der Speisekammer fand, sowie mit einem guten Schuss Rotwein in den Backofen geschoben. Jetzt machte sie sich an die Zubereitung eines Kartoffelgratins mit geriebenem Käse. Sie fand einige Dosen Mais, die sie öffnete um daraus ein schmackhaftes Püree zuzubereiten. Sie war etwas nervös, wie die Männer sich ihr gegenüber verhalten würden. Würde das Essen ihr Gefallen finden? Aber sie brauchte sich darum keine Sorgen zu machen. Pünktlich um 19.00 Uhr klopfte es und die acht Männer traten in die Küche. Plötzlich kam Maggie die große Küche furchtbar überfüllt vor. Aber Jeff rettete die Situation schnell, indem er Maggie und Benji vorstellte. Und er stellte auch unmissverständlich klar, dass Maggie mit Respekt zu behandeln war.
Die Männer nahmen Platz und Maggie servierte das Essen. Bill, der Jüngste in der Runde verzog das Gesicht, als er den Gratin sah, aber ein Blick von Jeff genügte und er nahm sich eine großzügige Portion. Er probierte und lächelte seelig.
„Mann, Jeff, jetzt weiß ich erst, was du uns in der letzten Zeit angetan hast. Wer so kochen kann wie Sie Maggie, der muss ein Engel sein. Wollen Sie mit heiraten?“ Jeff versetzte ihm eine Kopfnuss und sah dann verlegen zu Maggie. Sie lachte auf und nahm sich ebenfalls von dem Essen.
Die anderen hatten das Zwischenspiel amüsiert beobachtet. Als sie merkten, wie Maggie mit Humor auf die nicht ernst gemeinte Frage reagierte, entspannte sich die Situation sichtlich und die Männer sprachen lebhaft über ihre Arbeit. Jeff versuchte noch, Maggie und Benji so oft es ging, in die Gespräche mit einzubeziehen, aber gab es bald auf. Er konnte aber sehen, dass sie interessiert lauschte und alles aufnahm, was sie hörte. Er würde sich später mit ihr unterhalten. Dann könnte sie ja Fragen stellen, wenn sie das wollte.
Als Maggie zum Nachtisch noch einen warmen Apfelkuchen hervorzauberte, hatte sie die Herzen der Männer im Sturm erobert. Sie bekam allgemein Komplimente und wurde für ihre Kochkunst immer wieder gelobt. Der arme Jeff hingegen, bekam sein Fett weg. Jeder hatte eine Story zu erzählen, was für ein miserabler Koch er war. Als es Maggie zu bunt wurde, unterbrach sie die Männer einfach.
„Wenn Jeff so schlecht gekocht hat, wir ihr sagt, warum seht ihr dann alle so gut genährt aus? Er hat sich bestimmt Mühe gegeben. Und warum hat keiner von euch daran gedacht, selbst zu kochen? Meckern ist einfach, macht ihr es erst einmal besser!“
Die Männer schauten sich bei dieser Strafpredigt betreten an. So hatten sie das ja gar nicht gemeint. Jeff war das Ganze sehr unangenehm. Er kannte seine Männer und wusste, dass sie ihn nur aufziehen wollten. Aber Maggie ließ da wohl nicht mit sich spaßen. Und dass sie ihn verteidigte gefiel ihm ganz gut. Zum Glück wurden sie von Benji abgelenkt, die unbedingt Tinkerbell ein Stück von ihrem Kuchen geben wollte. Jeff erklärte ihr in aller Ruhe, dass Kuchen nichts für Hunde sei und dass Tinkerbell spezielles Futter bekommen würde. Er versprach Benji auch, sie Morgen mit in den Stall und auf die Weiden zu nehmen, damit sie sich die Rinder und die Kälber ansehen konnte. Die Kleine kletterte auf Jeffs Schoß und ließ sich von ihm genau erklären, was Rinder fraßen, damit sie bloß keinen Fehler machte.
Während Maggie die Küche aufräumte und dem Gespräch ihres Bosses mit ihrer Tochter lauschte, verabschiedeten sich die Männer von ihr und bedanken sich nochmals für das Essen.
„Sind die immer so pflegeleicht?“ wollte sie von Jeff wissen, als sie allein waren.
„Nö, absolut nicht. Aber für ein gutes Essen tun die fast alles.“ Dann wurde er ernst.
„Aber, Maggie, wenn Ihnen oder Benji einer von denen dumm kommt oder so, dann sagen Sie mir das bitte sofort. Versprochen? Sie sind meine Angestellte und ich lasse nicht zu, dass sie von den irgendjemand belästigt werden, ist das klar?“
So hatte sie Jeff noch nie erlebt. Sein sonst immer gegenwärtiges Lächeln war verschwunden und Maggie wusste, dass er es wirklich ernst meinte und sie versuchte, ihn zu beruhigen.
„Machen Sie sich keine Sorgen um mich. Ich bin durchaus in der Lage, mich meiner Haut zu wehren. Es ist ja nett von Ihnen, dass Sie sich Gedanken um mich machen, aber völlig unnötig. Wenn hier einer von den Männern etwas sagt oder tut, was mir nicht passt, dann werde ich das das nicht dulden. Das gilt übrigens für alle Männer hier!“
Maggie wusste selbst nicht, warum sie so heftig auf Jeff reagiert, aber sein besitzergreifender Blick gefiel ihr nicht. Sie war viel zu lange der Besitz eines Mannes gewesen und wollte diesen Fehler nie wieder machen. Und wenn sie damit ihre Stelle gefährdete, dann war ihr das in diesem Moment auch egal. Aber wieder überraschte Jeff sie.
„Schon verstanden. Keine unsittlichen Berührungen am frühen Morgen mehr und keine anzüglichen Blicke“, lachte er sie fröhlich an.
Dann stand er auf, um in sein Büro zu gehen. Er hatte noch einige Anrufe zu erledigen und musste noch Schreibkram erledigen. Er hasste diese Arbeit, aber sie musste gemacht werden. Er seufzte schwer auf, als er Maggies Hand auf seinem Arm spürte. Es war das erste Mal, dass sie ihn von sich aus berührte. Er drehte seinen Kopf und schaute sie fragend an.
„Haben Sie etwas dagegen, wenn ich mir ab und zu ein Buch von Ihnen ausleihe? Ich hab einiges gesehen, was ich noch nicht kenne.“
„Natürlich hab ich nichts dagegen. Nehmen Sie sich, was immer Sie möchten. Übrigens brauchen Sie und Benji auch nicht den ganzen Abend in Ihrem Zimmer sitzen. Ich habe im Wohnzimmer einen Fernseher und auch ein Videogerät. Beides können Sie gern benutzen. Es sei denn, Sie haben etwas dagegen, mir ab und zu Gesellschaft zu leisten?“
„Danke Jeff, wir werden Ihr Angebot gern annehmen. Und Ihre Gesellschaft natürlich auch!“ Maggie lächelte ihn strahlend an und Jeff gab ihr dieses Lächeln gern zurück. Die Welt war für sie beide wieder in Ordnung.
Während Jeff in seinem Büro arbeitete, saßen Maggie und Benji im Wohnzimmer und sahen sich eine Tiersendung an. Maggie hatte es sich auf der großen Couch gemütlich gemacht und Benji kuschelte sich an sie. Tinkerbell lag auf dem Teppich vor ihnen und zuckte ab und zu im Schlaf mit den Pfoten. Wahrscheinlich war sie auf Hasenjagd.
Als Jeff ins Wohnzimmer kam, war Benji gerade eingeschlafen. Maggie legte einen Finger auf den Mund, als sie ihn sah und er beugte sich dicht zu ihr hinunter.
„Soll ich sie ins Bett tragen?“ flüstere er Maggie ins Ohr. Sie nickte und zog vorsichtig ihren Arm von Benji weg. Jeff beugte sich noch etwa weiter hinunter und hob dann Benji vorsichtig auf seine Arme. Dabei konnte er es nicht vermeiden, dass sein Arm kurz ihren Busen streifte. Und Maggie konnte es nicht verhindern, dass ihr ein Schauer über die Haut fuhr. Allerdings war es kein unangenehmes Gefühl. Es war schon lange her, seit ein Mann sie an dieser Stelle berührt hatte.
Jeff war diese Berührung auch durch und durch gegangen. Langsam richtete er sich mit Benji in den Armen wieder auf und trug das Kind in sein Zimmer. Ein Blick zeigte ihm, dass sich Maggie und Benji hier schon gut eingelebt hatten. Auf dem kleinen Schreibtisch lagen die Malsachen und auf dem Regal über dem Bett standen einige Kinderbücher sowie eine Schneekugel. Er legte Benji auf das aufgeschlagene Bett. Sie trug schon ihren Schlafanzug und Jeff deckte sie vorsichtig zu. Dann beugte er sich noch einmal zu ihr hinunter und strich ihr ganz zart ihr Haar aus der Stirn. Er gab ihr einen kleinen Kuss. „Schlaf gut, Süße“, flüsterte er leise.
Maggie stand auf der anderen Seite des Bettes und hatte Tränen in den Augen. Es war so ein schönes Bild, wie der große Mann mit ihrer kleinen Tochter umging. Als Jeff jetzt seinen Blick auf sie richtete, zwinkerte sie ihre Tränen schnell weg. Er sollte nicht sehen, wie gerührt sie war. Maggie schaltete das kleine Nachtlicht neben Benjis Bett an und ging dann zusammen mit Jeff aus dem Zimmer. Die Tür ließ sie wie immer nur angelehnt. Jeff bedeutete ihr, mit ihm zurück ins Wohnzimmer zu gehen und sie folgte ihm willig.
„Wie wär´s mit einem Glas Rotwein?“ wollte er von ihr wissen.
„Ja, gern.“ Maggie trank selten Alkohol, aber einen schönen Wein nahm sie gern an. Automatisch fing sie an, das Wohnzimmer aufzuräumen. Sie faltete die Decke wieder zusammen und stellte die Videos zurück an ihren Platz. Sie war gerade damit fertig, als Jeff mit zwei Gläsern zu ihr trat. Eins drückte er ihr in die Hand und stieß dann mit ihr an. „Auf eine gute Zusammenarbeit. Ich freu mich sehr, dass Sie und Benji hier sind.“
Maggie erwiderte nichts darauf. Sie nickte nur und nahm einen Schluck von dem Wein. Er schmeckte süß und vollmundig und rann die Kehle hinunter wie Öl. Jeff verstand anscheinend eine ganze Menge von Wein. Er hatte sich mittlerweile das Programmheft genommen und studierte es aufmerksam.
„Gleich kommt `Rain Man´, haben Sie das schon gesehen?“ Er schaute kurz hoch und sah Maggies Kopfschütteln und ihr Lächeln. „Na, dann.“ Jeff schaltete den Fernseher ein und setzte sich auf die breite Couch. Maggie stand einen Augenblick unschlüssig da. „Nun kommen Sie schon, Maggie. Ich beiße nicht“, grinste Jeff sie an. Mit einem kurzen Lachen ließ sie sich schließlich am äußersten Ende der Couch nieder.
Bald war sie von dem Film gefesselt. Sie schlug die Beine unter sich und machte es sich etwas bequemer. Jeff schien es ähnlich zu gehen. Er war ein bisschen näher an sie herangerutscht, hatte seine Füße auf den niedrigen Tisch deponiert und seinen Arm auf die Rückenlehne gelegt. Seine Hand lag dicht an Maggies Schulter. Jetzt nahm er vorsichtig eine ihrer Locken und spielte damit. Dabei war sein Blick immer noch auf den Fernseher konzentriert. Er schien gar nicht zu wissen, was er tat. Und Maggie ließ es sich gern gefallen. Es war so gemütlich hier mit ihm zu sitzen und einfach mal alles hinter sich zu lassen. Jeffs Finger wagten sich ein wenig weiter vor und vergruben sich jetzt in ihrem Haarschopf. Sanft streichelte er ihr über den Nacken. Aber immer noch warf er keinen Blick auf Maggie. Sie wusste nicht, ob er sie überhaupt wahrnahm. Vielleicht dachte er an seine Freundin und sie war nur ein Ersatz für ihn. Aber das wollte Maggie nicht sein. Dafür war sie sich einfach zu schade. Sie hielt noch einen Augenblick still, gähnte dann aber und stand auf. „Ich geh schlafen, Jeff. Es war ein langer Tag. Sie sollten auch bald Schluss machen.“
Sie war schon fast an der Tür, als sie sein gemurmeltes „Gute Nacht“ hörte. War er sauer, dass sie gegangen war und er nicht bei ihr zum Zuge kam? Nein, so schätzte sie ihn eigentlich nicht ein. Er war wahrscheinlich nur froh über ihre Gesellschaft gewesen und sie hatte ja schon bemerkt, dass er sie und Benji gern berührte. Das gehörte einfach zu seinem Wesen und sie konnte ihm deshalb auch nicht böse sein. Seine Berührungen waren nie anzüglich oder fordernd. Es war immer alles ganz natürlich, deshalb fiel es ihr auch nicht so schwer, sie anzunehmen. Sie würde sich einfach an seine Art gewöhnen müssen.
Jeff hatte von dem Fernsehfilm nicht viel mitbekommen. Sein Blick war zwar auf den Fernseher gerichtet, aber ihm gingen so viele Gedanken im Kopf herum, dass er sich nicht konzentrieren konnte. Er musste eine Lösung finden für das Problem mit seinem Zaun. Obwohl er sich ja denken konnte, wer dafür verantwortlich war, konnte er nichts nachweisen und das machte ihn langsam aber sicher fertig. Vielleicht war es doch keine so gute Idee gewesen, die Ranch hier zu übernehmen. Er hätte sich vielleicht lieber etwas Eigenes suchen sollen, das etwas weiter weg lag. Aber er hatte dieses Stück Erde von seiner Großmutter geerbt und er hing daran. Er war hier mehr oder weniger aufgewachsen und hatte dieses Haus immer mehr als sein Zuhause angesehen, als das Haus seines Vaters. Als seine Mutter noch bei ihnen lebte, war das anders. Aber als sein Vater dann seine zweite Frau heiratete, hatte Jeff den Kontakt zu ihm fast ganz abgebrochen. Die beiden Männer trafen nur zusammen, wenn es nicht anders ging. In dem letzten Jahr war es etwas besser geworden und Jeff hatte sich bemüht, auf seinen Vater zuzugehen und auch dieser strebte ein besseres Verhältnis zu seinem Sohn an. Aber was man in 36 Jahren falsch gemacht hatte, konnte man nicht in einem Jahr wieder gerade biegen. Dazu brauchte es Zeit.
Und dann war da noch diese hübsche Frau, die neben ihm saß. Er verliebte sich immer mehr in ihre kleine Tochter und auch die Mutter war ihm nicht gleichgültig. Er schaute sie gern an und bei jeder Berührung ging eine Flamme durch seinen Körper. Das war ihm schon lange nicht mehr passiert. Vielleicht war es an der Zeit, dass er mal wieder Elaine in Tinsdale aufsuchte. Sie hatte vor einigen Monaten den kleinen Blumenladen übernommen, war geschieden und hatte eine tolle Figur. Es war kein Geheimnis, dass Jeff öfters mal seinen Abend bei Elaine verbrachte. Elaine wollte nichts von ihm und er nicht von ihr. Das war die Grundlage ihrer Beziehung und beide waren zufrieden damit. Sie war eine sehr nette Frau aber Jeff war auch davon überzeugt, dass er nicht der einzige war, der bei ihr ein und ausging. Aber sogar das machte ihm nichts aus.
Der Film war schon längst zu Ende, als Jeff endlich den Fernseher ausschaltete. Sein Glas war leer, aber Maggie hatte ihres nur zur Hälfte geleert. Mit einem Schluck trank er den Rest und brachte die Gläser in die Küche. Sie hatte Recht, es war ein langer Tag gewesen und der Morgen würde wieder ein genauso langer Tag auf ihn zukommen. Er sollte auch lieber ins Bett gehen. Jeff machte die Lichter aus und ging dann in sein Zimmer. Eigentlich wollte er sich zur Entspannung noch in seinen Whirlpool legen, aber er war einfach zu müde. So wie er war, fiel er aufs Bett und noch bevor sein Kopf das Kissen berührte, schlief er schon ein.
Bill kümmerte sich um sein Pferd. Jeff dankte ihm und ging dann mit müden Schritten auf das Haus zu. Die Mittagszeit war schon vorbei und bis zum Abendessen waren es noch mindestens drei Stunden. Aber er würde schon etwas Essbares auftreiben. Er sah Benji, die auf der Veranda an einem kleinen Tisch saß und malte. Tinkerbell lag ihr zu Füßen und hob den Kopf, als Jeff auf sie zutrat. Er strich dem Hund kurz über den Kopf und beugte sich dann über die Zeichnung.
„Schau mal, was ich gemalt habe. Wenn du magst, schenke ich es dir!“ Benji drehte zuvorkommend das Bild herum und Jeff sah sein Haus vor sich. Auf der Koppel graste ein Pferd und am Zaun lehnte jemand, der haargenau aussah, wie Butch. Die Kleine hatte alles ungeheuer gut getroffen.
„Wow, das ist ja klasse! Wenn du mir das Bild wirklich schenken willst, bin ich unheimlich stolz. Ich werde es einrahmen lassen und im Wohnzimmer aufhängen, was meinst du?“
Benji strahlte ihn an und seine Müdigkeit verflog augenblicklich. Er ließ sich neben dem Mädchen nieder und schaute zu, wie sie ihr Bild vollendete. Mit geübten Strichen zeichnete Benji den Rest vom Hausdach.
„Fertig. Ich schenk es dir!“ sagte sie dann stolz.
Jeff konnte gar nicht anders. Er drückte die Kleine zärtlich an sich und gab ihr einen Kuss auf den blonden Scheitel. Seine eigene Tochter wäre jetzt in dem gleichen Alter wie Benji. Er schloss kurz die Augen und ließ Benji dann wieder los.
Maggie hatte in der Tür gestanden und den Mann und ihre kleine Tochter beobachtet. Sie hatte gesehen, wie langsam der müde Ausdruck aus Jeffs Miene schwand. Und seine Freude über das Bild war echt, da war nichts gekünstelt oder übertrieben. Aber sie hatte auch den Schmerz gesehen, der ganz kurz über sein Gesicht gegangen war, als er Benji im Arm hielt.
„Hallo Jeff. Sie haben bestimmt Hunger. Soll ich Ihnen schnell was machen? Bis zum Abendessen ist es noch lange hin.“
„Sie sind ein Schatz, Maggie. Ich geh schnell duschen.“ Er ging an der Frau vorbei und drückte ihr kurz die Schulter.
Maggie schaute ihm nach. Der Mann hatte Sorgen, das sah man ihm an, aber sie war bestimmt nicht diejenige, die ihm helfen konnte. Sie konnte ihn nur mit Essen und einem gemütlichen Zuhause versorgen und das würde sie auch gern tun.
Als Jeff wieder in die Küche zurückkam, stand schon ein Teller mit Broten und Becher Kaffee für ihn bereit.
„Ich hab auch noch Suppe, wenn Sie mögen?“ Maggie schaute ihn fragend an.
„Natürlich gern, wenn sie so gut schmeckt, wie sie riecht, dann muss sie einfach gut sein.“ Die Dusche hatte ihn sichtlich erfrischt und er lächelte schon wieder.
Maggie stellte die Suppenschale vor ihn, schenkte sich dann einen Becher Kaffee ein und setzte sich ihm gegenüber an den Tisch.
„Jeff, können wir reden? Haben Sie Zeit?“ fragte sie ihn dann unsicher.
„Natürlich, was haben Sie denn auf dem Herzen? Gefällt Ihnen die Arbeit nun doch nicht? Haben Sie es sich anders überlegt?“ Ein Ausdruck des Bedauerns ging über sein Gesicht.
„Nein, natürlich nicht. Mit dem Job hat es nichts zu tun, oder nur wenig. Es geht um Benji. Sie haben ja gesehen, wie sie malen kann. Und ich möchte dieses Talent gern fördern, aber ich weiß nicht, wie. Sie war in New Orleans in einem Kindergarten, der sich auf Kinder mit künstlerischen Begabungen spezialisiert hat. Gibt es hier in der Nähe auch so etwas? Wissen Sie etwas davon?“
„Nein, das tut mir leid. Das weiß ich wirklich nicht. In Tinsdale gibt es so was mit Sicherheit nicht, aber vielleicht in Houston, ich werde mich mal danach erkundigen. Aber wie wollen Sie das machen, wenn Sie hier auf der Ranch leben? Wollen Sie, dass Benji auf ein Internat geht?“ Jeff sah sie etwas ratlos an.
„Nein, an ein Internat hab ich nicht gedacht. Wenn es hier in der Nähe nichts Passendes gibt, dann werde ich über kurz oder lang den Job hier wieder aufgeben müssen. Benji kommt nächstes Jahr in die Schule. Ich könnte sie natürlich auch selbst unterrichten, aber dann hätte ich immer noch nicht das Problem mit dem Kunstunterricht gelöst.“
„Machen Sie sich keine Sorgen, Maggie. Wir werden eine Lösung finden. Ich kann durchaus verstehen, dass Sie Benji fördern möchten. Ich hab ja gesehen, wie toll sie zeichnen kann. Ich überleg mir was, versprochen.“ Jeff lächelte sie beruhigend an. Er wollte nicht riskieren, sie jetzt schon wieder zu verlieren. Er musste mal mit Trevor über diese Sache reden. Vielleicht konnte er ja helfen.
„Mal was anderes. Benji ist doch bestimmt eine Abkürzung. Für was steht das denn?“
„Sie heißt eigentlich Benita. Das war der Name meiner Mutter. Aber ich fand ihn für so ein kleines Mädchen zu gewichtig. Benji klingt einfach weicher.“
„Da haben Sie völlig Recht. Benji passt gut zu ihr. Und Maggie, wofür ist das eine Abkürzung? Für Margarethe?“
„Nein, für Madeleine. Ich weiß, das hat keine Ähnlichkeit mit Maggie, aber ich habe diesen Namen zeitlebens gehasst.“ Maggie seufzte und nahm noch einen Schluck von ihrem Kaffee.
„Madeleine.“
Sie sah überrascht auf. So, wie Jeff diesen Namen ausgesprochen hatte, hatte sie es noch nie gehört. Es klang geheimnisvoll und dunkel. Und auch ein bisschen sexy. Jeff sah sie mit seinen braunen Augen an und flüsterte noch einmal mit samtweicher Stimme „Madeleine.“
„Ich finde, das hat was. Erinnert mich an Südstaaten, an Jazz, an Frauen in langen weißen Kleidern und an Hitze. Aber ich glaub, ich bleib lieber bei Maggie.“ Er zwinkerte ihr zu.
„Ja, das sollten Sie wirklich. Sonst nenn ich sie nämlich Jefferson, und das würde Ihnen bestimmt auch nicht gefallen.“ Maggie grinste ebenfalls. Einträchtig tranken sie den restlichen Kaffee. Dann stand Jeff auf und ging wieder an seine Arbeit. Und Maggie machte sich an die Vorbereitungen für das Abendessen für acht hungrige Männer.
Maggie dachte daran, was ihr Jeff über die Eßgewohnheiten seiner Männer erzählt hatte. Sie hatte im Kühlschrank einen riesigen Braten entdeckt, der wohl noch von gestern übrig geblieben war. Den hatte sie zusammen mit Zwiebeln und einigen Möhren, die sie in der Speisekammer fand, sowie mit einem guten Schuss Rotwein in den Backofen geschoben. Jetzt machte sie sich an die Zubereitung eines Kartoffelgratins mit geriebenem Käse. Sie fand einige Dosen Mais, die sie öffnete um daraus ein schmackhaftes Püree zuzubereiten. Sie war etwas nervös, wie die Männer sich ihr gegenüber verhalten würden. Würde das Essen ihr Gefallen finden? Aber sie brauchte sich darum keine Sorgen zu machen. Pünktlich um 19.00 Uhr klopfte es und die acht Männer traten in die Küche. Plötzlich kam Maggie die große Küche furchtbar überfüllt vor. Aber Jeff rettete die Situation schnell, indem er Maggie und Benji vorstellte. Und er stellte auch unmissverständlich klar, dass Maggie mit Respekt zu behandeln war.
Die Männer nahmen Platz und Maggie servierte das Essen. Bill, der Jüngste in der Runde verzog das Gesicht, als er den Gratin sah, aber ein Blick von Jeff genügte und er nahm sich eine großzügige Portion. Er probierte und lächelte seelig.
„Mann, Jeff, jetzt weiß ich erst, was du uns in der letzten Zeit angetan hast. Wer so kochen kann wie Sie Maggie, der muss ein Engel sein. Wollen Sie mit heiraten?“ Jeff versetzte ihm eine Kopfnuss und sah dann verlegen zu Maggie. Sie lachte auf und nahm sich ebenfalls von dem Essen.
Die anderen hatten das Zwischenspiel amüsiert beobachtet. Als sie merkten, wie Maggie mit Humor auf die nicht ernst gemeinte Frage reagierte, entspannte sich die Situation sichtlich und die Männer sprachen lebhaft über ihre Arbeit. Jeff versuchte noch, Maggie und Benji so oft es ging, in die Gespräche mit einzubeziehen, aber gab es bald auf. Er konnte aber sehen, dass sie interessiert lauschte und alles aufnahm, was sie hörte. Er würde sich später mit ihr unterhalten. Dann könnte sie ja Fragen stellen, wenn sie das wollte.
Als Maggie zum Nachtisch noch einen warmen Apfelkuchen hervorzauberte, hatte sie die Herzen der Männer im Sturm erobert. Sie bekam allgemein Komplimente und wurde für ihre Kochkunst immer wieder gelobt. Der arme Jeff hingegen, bekam sein Fett weg. Jeder hatte eine Story zu erzählen, was für ein miserabler Koch er war. Als es Maggie zu bunt wurde, unterbrach sie die Männer einfach.
„Wenn Jeff so schlecht gekocht hat, wir ihr sagt, warum seht ihr dann alle so gut genährt aus? Er hat sich bestimmt Mühe gegeben. Und warum hat keiner von euch daran gedacht, selbst zu kochen? Meckern ist einfach, macht ihr es erst einmal besser!“
Die Männer schauten sich bei dieser Strafpredigt betreten an. So hatten sie das ja gar nicht gemeint. Jeff war das Ganze sehr unangenehm. Er kannte seine Männer und wusste, dass sie ihn nur aufziehen wollten. Aber Maggie ließ da wohl nicht mit sich spaßen. Und dass sie ihn verteidigte gefiel ihm ganz gut. Zum Glück wurden sie von Benji abgelenkt, die unbedingt Tinkerbell ein Stück von ihrem Kuchen geben wollte. Jeff erklärte ihr in aller Ruhe, dass Kuchen nichts für Hunde sei und dass Tinkerbell spezielles Futter bekommen würde. Er versprach Benji auch, sie Morgen mit in den Stall und auf die Weiden zu nehmen, damit sie sich die Rinder und die Kälber ansehen konnte. Die Kleine kletterte auf Jeffs Schoß und ließ sich von ihm genau erklären, was Rinder fraßen, damit sie bloß keinen Fehler machte.
Während Maggie die Küche aufräumte und dem Gespräch ihres Bosses mit ihrer Tochter lauschte, verabschiedeten sich die Männer von ihr und bedanken sich nochmals für das Essen.
„Sind die immer so pflegeleicht?“ wollte sie von Jeff wissen, als sie allein waren.
„Nö, absolut nicht. Aber für ein gutes Essen tun die fast alles.“ Dann wurde er ernst.
„Aber, Maggie, wenn Ihnen oder Benji einer von denen dumm kommt oder so, dann sagen Sie mir das bitte sofort. Versprochen? Sie sind meine Angestellte und ich lasse nicht zu, dass sie von den irgendjemand belästigt werden, ist das klar?“
So hatte sie Jeff noch nie erlebt. Sein sonst immer gegenwärtiges Lächeln war verschwunden und Maggie wusste, dass er es wirklich ernst meinte und sie versuchte, ihn zu beruhigen.
„Machen Sie sich keine Sorgen um mich. Ich bin durchaus in der Lage, mich meiner Haut zu wehren. Es ist ja nett von Ihnen, dass Sie sich Gedanken um mich machen, aber völlig unnötig. Wenn hier einer von den Männern etwas sagt oder tut, was mir nicht passt, dann werde ich das das nicht dulden. Das gilt übrigens für alle Männer hier!“
Maggie wusste selbst nicht, warum sie so heftig auf Jeff reagiert, aber sein besitzergreifender Blick gefiel ihr nicht. Sie war viel zu lange der Besitz eines Mannes gewesen und wollte diesen Fehler nie wieder machen. Und wenn sie damit ihre Stelle gefährdete, dann war ihr das in diesem Moment auch egal. Aber wieder überraschte Jeff sie.
„Schon verstanden. Keine unsittlichen Berührungen am frühen Morgen mehr und keine anzüglichen Blicke“, lachte er sie fröhlich an.
Dann stand er auf, um in sein Büro zu gehen. Er hatte noch einige Anrufe zu erledigen und musste noch Schreibkram erledigen. Er hasste diese Arbeit, aber sie musste gemacht werden. Er seufzte schwer auf, als er Maggies Hand auf seinem Arm spürte. Es war das erste Mal, dass sie ihn von sich aus berührte. Er drehte seinen Kopf und schaute sie fragend an.
„Haben Sie etwas dagegen, wenn ich mir ab und zu ein Buch von Ihnen ausleihe? Ich hab einiges gesehen, was ich noch nicht kenne.“
„Natürlich hab ich nichts dagegen. Nehmen Sie sich, was immer Sie möchten. Übrigens brauchen Sie und Benji auch nicht den ganzen Abend in Ihrem Zimmer sitzen. Ich habe im Wohnzimmer einen Fernseher und auch ein Videogerät. Beides können Sie gern benutzen. Es sei denn, Sie haben etwas dagegen, mir ab und zu Gesellschaft zu leisten?“
„Danke Jeff, wir werden Ihr Angebot gern annehmen. Und Ihre Gesellschaft natürlich auch!“ Maggie lächelte ihn strahlend an und Jeff gab ihr dieses Lächeln gern zurück. Die Welt war für sie beide wieder in Ordnung.
Während Jeff in seinem Büro arbeitete, saßen Maggie und Benji im Wohnzimmer und sahen sich eine Tiersendung an. Maggie hatte es sich auf der großen Couch gemütlich gemacht und Benji kuschelte sich an sie. Tinkerbell lag auf dem Teppich vor ihnen und zuckte ab und zu im Schlaf mit den Pfoten. Wahrscheinlich war sie auf Hasenjagd.
Als Jeff ins Wohnzimmer kam, war Benji gerade eingeschlafen. Maggie legte einen Finger auf den Mund, als sie ihn sah und er beugte sich dicht zu ihr hinunter.
„Soll ich sie ins Bett tragen?“ flüstere er Maggie ins Ohr. Sie nickte und zog vorsichtig ihren Arm von Benji weg. Jeff beugte sich noch etwa weiter hinunter und hob dann Benji vorsichtig auf seine Arme. Dabei konnte er es nicht vermeiden, dass sein Arm kurz ihren Busen streifte. Und Maggie konnte es nicht verhindern, dass ihr ein Schauer über die Haut fuhr. Allerdings war es kein unangenehmes Gefühl. Es war schon lange her, seit ein Mann sie an dieser Stelle berührt hatte.
Jeff war diese Berührung auch durch und durch gegangen. Langsam richtete er sich mit Benji in den Armen wieder auf und trug das Kind in sein Zimmer. Ein Blick zeigte ihm, dass sich Maggie und Benji hier schon gut eingelebt hatten. Auf dem kleinen Schreibtisch lagen die Malsachen und auf dem Regal über dem Bett standen einige Kinderbücher sowie eine Schneekugel. Er legte Benji auf das aufgeschlagene Bett. Sie trug schon ihren Schlafanzug und Jeff deckte sie vorsichtig zu. Dann beugte er sich noch einmal zu ihr hinunter und strich ihr ganz zart ihr Haar aus der Stirn. Er gab ihr einen kleinen Kuss. „Schlaf gut, Süße“, flüsterte er leise.
Maggie stand auf der anderen Seite des Bettes und hatte Tränen in den Augen. Es war so ein schönes Bild, wie der große Mann mit ihrer kleinen Tochter umging. Als Jeff jetzt seinen Blick auf sie richtete, zwinkerte sie ihre Tränen schnell weg. Er sollte nicht sehen, wie gerührt sie war. Maggie schaltete das kleine Nachtlicht neben Benjis Bett an und ging dann zusammen mit Jeff aus dem Zimmer. Die Tür ließ sie wie immer nur angelehnt. Jeff bedeutete ihr, mit ihm zurück ins Wohnzimmer zu gehen und sie folgte ihm willig.
„Wie wär´s mit einem Glas Rotwein?“ wollte er von ihr wissen.
„Ja, gern.“ Maggie trank selten Alkohol, aber einen schönen Wein nahm sie gern an. Automatisch fing sie an, das Wohnzimmer aufzuräumen. Sie faltete die Decke wieder zusammen und stellte die Videos zurück an ihren Platz. Sie war gerade damit fertig, als Jeff mit zwei Gläsern zu ihr trat. Eins drückte er ihr in die Hand und stieß dann mit ihr an. „Auf eine gute Zusammenarbeit. Ich freu mich sehr, dass Sie und Benji hier sind.“
Maggie erwiderte nichts darauf. Sie nickte nur und nahm einen Schluck von dem Wein. Er schmeckte süß und vollmundig und rann die Kehle hinunter wie Öl. Jeff verstand anscheinend eine ganze Menge von Wein. Er hatte sich mittlerweile das Programmheft genommen und studierte es aufmerksam.
„Gleich kommt `Rain Man´, haben Sie das schon gesehen?“ Er schaute kurz hoch und sah Maggies Kopfschütteln und ihr Lächeln. „Na, dann.“ Jeff schaltete den Fernseher ein und setzte sich auf die breite Couch. Maggie stand einen Augenblick unschlüssig da. „Nun kommen Sie schon, Maggie. Ich beiße nicht“, grinste Jeff sie an. Mit einem kurzen Lachen ließ sie sich schließlich am äußersten Ende der Couch nieder.
Bald war sie von dem Film gefesselt. Sie schlug die Beine unter sich und machte es sich etwas bequemer. Jeff schien es ähnlich zu gehen. Er war ein bisschen näher an sie herangerutscht, hatte seine Füße auf den niedrigen Tisch deponiert und seinen Arm auf die Rückenlehne gelegt. Seine Hand lag dicht an Maggies Schulter. Jetzt nahm er vorsichtig eine ihrer Locken und spielte damit. Dabei war sein Blick immer noch auf den Fernseher konzentriert. Er schien gar nicht zu wissen, was er tat. Und Maggie ließ es sich gern gefallen. Es war so gemütlich hier mit ihm zu sitzen und einfach mal alles hinter sich zu lassen. Jeffs Finger wagten sich ein wenig weiter vor und vergruben sich jetzt in ihrem Haarschopf. Sanft streichelte er ihr über den Nacken. Aber immer noch warf er keinen Blick auf Maggie. Sie wusste nicht, ob er sie überhaupt wahrnahm. Vielleicht dachte er an seine Freundin und sie war nur ein Ersatz für ihn. Aber das wollte Maggie nicht sein. Dafür war sie sich einfach zu schade. Sie hielt noch einen Augenblick still, gähnte dann aber und stand auf. „Ich geh schlafen, Jeff. Es war ein langer Tag. Sie sollten auch bald Schluss machen.“
Sie war schon fast an der Tür, als sie sein gemurmeltes „Gute Nacht“ hörte. War er sauer, dass sie gegangen war und er nicht bei ihr zum Zuge kam? Nein, so schätzte sie ihn eigentlich nicht ein. Er war wahrscheinlich nur froh über ihre Gesellschaft gewesen und sie hatte ja schon bemerkt, dass er sie und Benji gern berührte. Das gehörte einfach zu seinem Wesen und sie konnte ihm deshalb auch nicht böse sein. Seine Berührungen waren nie anzüglich oder fordernd. Es war immer alles ganz natürlich, deshalb fiel es ihr auch nicht so schwer, sie anzunehmen. Sie würde sich einfach an seine Art gewöhnen müssen.
Jeff hatte von dem Fernsehfilm nicht viel mitbekommen. Sein Blick war zwar auf den Fernseher gerichtet, aber ihm gingen so viele Gedanken im Kopf herum, dass er sich nicht konzentrieren konnte. Er musste eine Lösung finden für das Problem mit seinem Zaun. Obwohl er sich ja denken konnte, wer dafür verantwortlich war, konnte er nichts nachweisen und das machte ihn langsam aber sicher fertig. Vielleicht war es doch keine so gute Idee gewesen, die Ranch hier zu übernehmen. Er hätte sich vielleicht lieber etwas Eigenes suchen sollen, das etwas weiter weg lag. Aber er hatte dieses Stück Erde von seiner Großmutter geerbt und er hing daran. Er war hier mehr oder weniger aufgewachsen und hatte dieses Haus immer mehr als sein Zuhause angesehen, als das Haus seines Vaters. Als seine Mutter noch bei ihnen lebte, war das anders. Aber als sein Vater dann seine zweite Frau heiratete, hatte Jeff den Kontakt zu ihm fast ganz abgebrochen. Die beiden Männer trafen nur zusammen, wenn es nicht anders ging. In dem letzten Jahr war es etwas besser geworden und Jeff hatte sich bemüht, auf seinen Vater zuzugehen und auch dieser strebte ein besseres Verhältnis zu seinem Sohn an. Aber was man in 36 Jahren falsch gemacht hatte, konnte man nicht in einem Jahr wieder gerade biegen. Dazu brauchte es Zeit.
Und dann war da noch diese hübsche Frau, die neben ihm saß. Er verliebte sich immer mehr in ihre kleine Tochter und auch die Mutter war ihm nicht gleichgültig. Er schaute sie gern an und bei jeder Berührung ging eine Flamme durch seinen Körper. Das war ihm schon lange nicht mehr passiert. Vielleicht war es an der Zeit, dass er mal wieder Elaine in Tinsdale aufsuchte. Sie hatte vor einigen Monaten den kleinen Blumenladen übernommen, war geschieden und hatte eine tolle Figur. Es war kein Geheimnis, dass Jeff öfters mal seinen Abend bei Elaine verbrachte. Elaine wollte nichts von ihm und er nicht von ihr. Das war die Grundlage ihrer Beziehung und beide waren zufrieden damit. Sie war eine sehr nette Frau aber Jeff war auch davon überzeugt, dass er nicht der einzige war, der bei ihr ein und ausging. Aber sogar das machte ihm nichts aus.
Der Film war schon längst zu Ende, als Jeff endlich den Fernseher ausschaltete. Sein Glas war leer, aber Maggie hatte ihres nur zur Hälfte geleert. Mit einem Schluck trank er den Rest und brachte die Gläser in die Küche. Sie hatte Recht, es war ein langer Tag gewesen und der Morgen würde wieder ein genauso langer Tag auf ihn zukommen. Er sollte auch lieber ins Bett gehen. Jeff machte die Lichter aus und ging dann in sein Zimmer. Eigentlich wollte er sich zur Entspannung noch in seinen Whirlpool legen, aber er war einfach zu müde. So wie er war, fiel er aufs Bett und noch bevor sein Kopf das Kissen berührte, schlief er schon ein.