The Day of the Living …

Es war wie ein Lauffeuer, das sich verbreitete - und eigentlich war es ein Wunder, dass es noch niemand vorher entdeckt hatte. Es war einem kleinen, fetten, zwölfjährigen Jungen aus Wales zu verdanken, dessen Mutter neben ihm in Stücke gerissen worden war.

Sie hatten keine Chance gehabt. Während sie die Straße entlang geschlichen waren, hatten sie zu spät bemerkt, dass sie eingekreist wurden. Erst sah man sie aus der Ferne, sah sie langsam ihre verwesenden Körper durch die Gegend schleifen, doch von einem Moment auf den anderen, stand man mittendrin. Nick konnte noch einen Schritt nach vorne ausweichen, als die Hände von hinten fest und bestimmt zugriffen und in den Haaren seiner Mutter Hautklumpen und Blut verteilten. Dann wurde sie nach hinten gerissen. Ein Entsetzen auf ihren weit aufgerissenen Augen, das sich für den Rest seines Lebens in seine Netzhaut brennen würde. In diesem Moment hatte er nach ihrer Hand gegriffen. Er wollte sie nicht gehen lassen. Aber als sich die fauligen Zähne keine 50 Zentimeter neben ihm in ihr Gesicht gruben und die Schreie durch eine Schockstarre unterbrochen wurden, gefolgt von einem Knacken und blubbernden, gurgelnden Lauten, ließ er sie los. Bei Gott hätte er sie nicht im Stich gelassen, genauso wenig wie sie ihn, aber jetzt ging es um das nackte Überleben. Als er sich vom Boden hochstrampelte, dachte er, selbst gebissen worden zu sein, aber er sah keine Wunde an seinem Bein klaffen; stattdessen streng riechenden, dunkelgelben Urin, der an seinem Bein herunterlief. Normalerweise hätte er sich geekelt, aber das hier war keine normale Situation, wahrscheinlich war es so oder so seine letzte Situation.

Vor ihm waren zwei weitere Schlürfer aufgetaucht. Er sah, dass einem der halbe Kopf fehlte und das sichtbare Gehirn bei jeder Bewegung glitzernd und schleimig vor sich hin wabte. „Da hat einer ganze Arbeit geleistet“, schoss durch seinen Kopf, so wie es vorher durch den des… Na, Sie wissen schon, geschossen war. Er schaute zurück. Hinter ihm hatte er eine Entfernung von gut eineinhalb Meter zu dem Ding aufgebaut, dass seiner Mutter das Gesicht fraß, und vor ihm waren keine vier Meter mehr zwischen den Monstern. Als sein Vater noch bei ihnen lebte, hatte er immer davon geträumt, einmal mit ihm auf die Jagd zu gehen - hatte Dokumentationen geschaut, wie man sich im Wald verhält; nur stand sein Vater mehr auf die Waschbären anderer Frauen, als sich für den Wald, geschweige denn seinen Junior zu interessieren, aber etwas stieg jetzt geistesgegenwärtig in ihm auf. Das Verhalten in Notsituationen - er hatte das alles mindestens hundertmal gehört und in seinem Träumen durchgespielt, aber er wusste, dass das hier weder ein Traum, noch eine seiner Dokumentationen, sondern seine letzte Chance überhaupt war.

Er blieb stehen, atmete tief ein und zog seinen Rucksack von den Schultern. Der würde ihn jetzt nur behindern, während sich die gierigen, unersättlichen Zähne in seine Richtung gruben. Mittlerweile waren sie so nahegekommen, dass er den weißen Nebel sehen konnte, der sich über ihre Augen gelegt hatte, umrandet von dem rotweißen Eiterblutmatsch, der sich in den Rändern ablagerte; dann hob er seine Arme.

Er streckte seine Arme abgewinkelt in die Höhe, die Finger einzeln gespreizt, wie der gestellte Kamm eines wütenden Hahnes, und begann seine Hände zu schütteln.

„WukediWukediWukedi“

Dann lief er los. Er schleuderte seine Arme von einer Seite auf die andere und brüllte so schrill und glucksend, wie er konnte, während er, bereit, in die feindlichen Linien zu laufen, zu einem breitbeinigen flotten Gang ansetzte.

„WukediWukedi“, tönte es schallend durch die enge Straße, aus der es nur ein vorne und ein hinten raus gab, während die Zombies ihre müden, milchigen Augen auf die Quelle des Geräusches richteten, das schlagartig auf sie zukam.

Eigentlich dachte Nick trotz allem, dass dies seinen Tod darstellen würde - aber er würde als Mann sterben.

Man konnte das Entsetzen in den Augen der Toten sehen. Eine unbeschreibliche Angst, die ihre niedersten animalischen Instinkte ansprach und sie davor warnte, selbst gefressen zu werden. Der Größere, mit dem offen liegenden Gehirn, probierte sich so schlagartig umzudrehen, dass seine Beine nicht hinterherkamen. Er fiel, und das Geräusch von reißendem Fleisch, das sich von den brechenden, maroden Knochen löste, die es umgeben hatte, schnitt die Luft. Dann klatschte sein Schädel auf und schleuderte das eben noch am richtigen Platz sitzende Gehirn flutschend auf die Straße. Nummer zwei hatte sich gerade zitternd abgewandt und schlürfte um sein Leben, während heißer Angstschiss ihm seine eitrigen Beine herablief und sich mit dem fauligen Geruch mischte.

Nick, noch immer die Arme gehoben und die Hände schüttelnd, einen Gang, als wäre er vier Monate am Stück geritten, und immer noch „WukediWukedi“ johlend, ging weiter bis zum Ende der Sackgasse, aus der es vor zwei Minuten noch kein Entrinnen gab. Erst jetzt, als er das Licht, das zwischen den hohen Häusern auf die Kreuzung gefallen war, selbst auf seiner Haut spüren konnte, begriff er, was da gerade passiert war.

Er schaute zurück in den Gang. Der Zombie, der hinter ihm stand, hatte ihn nicht verfolgt, und der, an dem er einfach vorbeigelaufen war, hatte absolut keine Anstalten gemacht, außer sich selbst in Deckung zu bringen. Nick sah, dass er probiert hatte, sich hinter ein paar Pappkartons zu verstecken, die in der Straße herumlagen. Vom Jäger zum Gejagten.

Als er dastand, seine Hände betrachtete und darüber nachdachte, wie unwahrscheinlich und doch naheliegend das Ganze war, hörte er, wie die Geräusche um ihn wieder lauter wurden. Von einer Sekunde zur anderen war er wieder zu der Beute geworden, deren Platz er vorher bereits innegehabt hatte, und das gefiel ihm gar nicht. Diesmal handelte er schnell und ohne viel zu überlegen.

An diesem Tag fühlte er sich sehr einsam. Er ging einfach weiter, soweit ihn seine Füße tragen konnten. Kam vorbei an ausgebrannten Tankstellen, die als Sicherheitszonen eingerichtet waren, vorbei an wahren Befestigungsanlagen, welche die Armee errichtet hatte und deren einziger Bewohner nur noch der Tod persönlich war.

Nach drei Tagen hatte er die Stadt durchquert, nur war er jetzt nicht mehr allein. Manche hatten das Glück, ihm zu begegnen. Überlebende, die sich in ihren Wohnungen, auf Dachböden, unter Autowracks, und sogar in vereinzelt stehenden Bäumen versteckt hatten, hatten ihn gehört, und andere ihn gesehen: Ein kleiner, fetter Junge, der seine Arme und Beine beim Laufen lustig schlackerte, anscheinend Tiergeräusche von sich gab und die Untoten in panischer Furcht aus seinem Umfeld vertrieb.

Als sie die Staatsgrenze erreichten, waren sie bereits zehntausende Menschen. All die, die es irgendwie geschafft hatten, diesem Alptraum zu entkommen und die, die zudem das Glück hatten, sich auf seinem Weg zu befinden.

Zehntausende, die ihre Arme bescheuert angehoben hatten, die Finger gespreizt in der Luft schüttelten und marschierten.

„Wukedi“.
 



 
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