Thèfian, Kapitel 5

pol shebbel

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Ursprünglich sollte die Geschichte mit dem vorherigen Kapitel zu Ende gehen - das dies aber nicht zu funktionieren scheint, geht sie jetzt noch etwas weiter...


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Niederlage! Niederlage! Niederlage!

In jedem Winkel von Avokórons Innern widerhallte dieses Wort. Und der scharfe Schmerz, der ihn beim Aufschlagen auf den Boden empfing, stimmte nahtlos in diesen Chor ein. Seit mehr als zwei Jahren reihte sich in seinem Leben Niederlage an Niederlage – und jetzt kam noch eine Niederlage dazu, die besonders bitter war: eine Niederlage auf seinem ureigenen Gebiet, auf einem Gebiet, wo er geglaubt hatte, besonders gut zu sein. Avokóron war ein Loch, gefüllt mit Schmerz, der jeden Gedanken verbrannte.

Das Ende!

Irgendwann plötzlich kam Avokóron doch ein Gedanke – allerdings einer, der noch mehr Bitterkeit brachte: er lebte noch. Wenn man schon einen Zweikampf verlor, dann sollte man wenigstens in Ehren sterben. Ein Krieger, der besiegt wurde und trotzdem weiterlebte – der war wirklich nichts mehr wert... Aber ohne Zweifel würde er nicht mehr lange leben. Er brauchte nur auf die Erlösung zu warten - oder gegebenenfalls die Qual aktiv etwas abkürzen... Mit seinem Schwert könnte er das bewerkstelligen. Das war doch in die Schlucht gefallen, es musste also hier irgendwo herumliegen...

Dann kam aber noch ein weiterer Gedanke hinzu: auch die Thèfian hatte ihr Schwert doch verloren. Sie würde bestimmt herunterkommen, um es zu suchen. Er musste in Deckung gehen...

Worauf Avokóron die Augen aufriss – und ins Berufsleben zurückgekehrt war.

Das Aufsuchen von Deckung musste er robbend bewerkstelligen, denn aufzustehen war ihm nicht möglich. Durch den linken Fuss schossen Schmerzwellen, wenn er ihm nur nahekam, und sein ganzer Körper war völlig entkräftet, denn es war ein harter Kampf gewesen. Als es ihm schliesslich gelungen war, hinter einen Steinhaufen zu kriechen, blieb er schwer atmend liegen, für einige Zeit bewegungsunfähig – mit Ausnahme seiner Augen, die sich ohne Pause bewegten und die Lage erkundeten.

In der näheren Umgebung dominierten die Farben Weiss, Grau und Schwarz. Schwarzgrau war das Lavagestein, weiss die Rauchschwaden, die noch immer dick durch die Luft waberten, und tiefschwarz die verkohlten Reste der Vegetation auf dem Grund der Schlucht. Das trockene Buschwerk hatte wie Zunder gebrannt, heftig und kurz. Mittlerweile züngelten nur noch da und dort kleine Flämmchen. Menschen konnte Avokóron in der Nähe keine erkennen. Von etwas weiter weg schluchtaufwärts war allerdings Lärm zu hören, Gebrüll und das Klirren aufeinander treffender Schwerter. Demnach war die Schlacht jetzt also doch entbrannt. „Macht sie fertig, Leute - ráaf difoon pèl Anfrèru!“ brummte er und lugte mit bedauernder Miene um den Steinhaufen herum. Dort, nur sechs Schritte entfernt, lag sein Schwert, einträchtig neben der schwarzen Thèfian-Klinge. Leider war Avokóron derzeit nicht in der Lage, es zu schwingen. Aber holen würde er es gleich, sobald seine Kraft nur ein bisschen zurückgekehrt war. Nicht dass am Ende diese Thèfian es sich noch unter den Nagel riss...

Wie hatte sie geheissen? Yiwoataa, Tochter des Lexmol. Tja, dieser Name würde fortan ein Teil von Avokórons Titel sein – Avokóron, Sohn des Anthup, bezwungen von Yiwoataa, Tochter des Lexmol. Das war übrigens alles andere als eine Schande. Einen Kampf mit einem Thèfian nur schon zu überleben, war vielmehr bereits eine Auszeichnung. Dass Avokóron sich noch vor wenigen Minuten beinahe weinerlichem Flennen hingegeben hätte, konnte man viel eher als Schande bezeichnen! Was war gerade mit ihm los gewesen?! Er wusste es natürlich. Dieser neunmal verfluchte verlorene Ehering – das war sein Schwachpunkt, sein grosser Schwachpunkt. Und diese Yiwoataa – wie hatte sie das angestellt, ausgerechnet diesen Schwachpunkt so schnell herauszukriegen? Er hatte sie nie zuvor gesehen, und dennoch hatte sie nicht all zu lang dazu gebraucht – und es sofort konsequent ausgenutzt. Sie waren schon höllisch, diese Thèfian. Falls er das hier überleben sollte, würde er etwas gelernt haben...

Einmal mehr spähte Avokóron um die Ecke zu seinem Schwert hinüber. Ob er es inzwischen schaffen konnte, schnell dort hinüberzugelangen? Er durfte keine Zeit verlieren, denn es war sicher, dass diese Yiwoataa versuchen würde, ihr Schwert zurückzuholen. Eine persönliche Waffe war ein Gegenstand mit starker Magie, und wie bei Haarlocken war es für Thèfian undenkbar, dass ein solcher in fremde Hände geriet. Diese Yiwoataa war also garantiert schon auf dem Weg hierher. Sie musste sich beeilen, denn der Schlachtenlärm war näher gekommen, er erklang jetzt schräg über ihm. Wo war sie? Hatte sie gesehen, wo Avokóron sich versteckt hatte? Lag sie schon hier in der Nähe in Deckung und wartete, dass Avokóron hervorkam, so dass sie ihn mit einem Pfeil erledigen konnte?

Avokóron holte tief Luft und begann, sich vorsichtig herumzuwälzen. Sich mit dem rechten Arm abstützend, stemmte er sich zur Seite und winkelte langsam das rechte Bein an, bis er den Fuss wieder auf den Boden setzen konnte. Ja, seine Kraft war dabei, zurückzukehren. Nur der linke Fuss – um den würde er sich später kümmern müssen. Das linke Bein ausgestreckt hinter sich, gestützt auf das rechte Bein und beide Hände, kauerte Avokóron am Boden und begann, vorsichtig den Kopf vorzuschieben, um das Terrain zu erkunden.

Und dann warf er sich mit einer heftigen Bewegung wieder zurück.

Ein Getöse erhob sich plötzlich über ihm, Sand und Steine prasselten herab. So schnell wie möglich rollte er sich rückwärts, auf den Schutz der überhängenden Felswand zu. Das Prasseln wurde noch lauter, dann ertönte ein dumpfer Krach, als etwas Grösseres als ein Stein in der Nähe aufschlug.

Und dann plötzlich wieder Stille.

Als Avokóron vorsichtig den Kopf hob, sah er, dass eine weitere Steinlawine den Berg herabgekommen war. Zehn Mannslängen breit und eine Mannslänge hoch zog sich eine wüste Spur voll Steinbrocken, Kiesel und zerfetzter Pflanzen die Bergflanke hinab. Und in geringer Entfernung von ihm war am Rande dieser Spur, halb bedeckt von Geröll, ein menschlicher Körper zu sehen. Eine Gestalt in Rüstung, mit verdrehten Gliedmassen.

Yiwoataa, die Thèfian aus Geania, war ebenfalls herabgestürzt.
 

FrankK

Mitglied
Hallo
Wie 'angedroht' habe ich mir auch noch die letzten beiden Kapitel angetan. ;)

Die Einleitung ließe sich eventuell etwas straffen, einzelne Sätze mit einzelnen "Niederlagen" etwas zusammenfassen.

Dann kam aber noch ein [blue]weiterer Gedanke[/blue] hinzu: auch die Thèfian hatte ihr Schwert [blue][strike]doch[/strike][/blue] verloren. Sie würde bestimmt herunterkommen, um es zu suchen. [blue]Er musste in Deckung gehen...[/blue]
Den "Gedanken" anders fassen, einen Abschnitt zuvor lautete der einleitende Satz fast genau so.
Warum will er in Deckung gehen? Gerade dachte er noch daran, sein Ende zu beschleunigen.

Dass Avokóron sich noch vor wenigen Minuten beinahe weinerlichem Flennen hingegeben hätte, konnte man viel eher als Schande bezeichnen!
Als "weinerliches Flennen" war mir seine Ablenkung nicht aufgefallen.

Immer noch gerne gelesen.


Viele Grüße
Frank
 



 
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