Thèfian, Kapitel 7

pol shebbel

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Plötzlich erstarrte Avokóron mitten in der Bewegung. Ein Ruf erscholl hinter ihm, ein lauter, befehlender Ruf. Er verstand die Worte nicht, doch sämtliche Muskelfasern gefroren ihm im selben Augenblick zu Eis.

Ein Zauber war dies, natürlich – und natürlich wusste Avokóron, was für eine Art Zauber es war. Es war genau jener Zauber, der den Thèfian so besonders zuwider war.

Nach ein paar Sekunden fühlte Avokóron, dass er sich wieder bewegen konnte – allerdings nur in eine Richtung: von Yiwoataa weg. Als er hinter sich blickte, sah er einen Reiter die Schlucht entlang näherkommen, und noch bevor er ihn erkannte, wusste er, dass es Héguitur war.

„Avokóron! Was tut Ihr da?“ rief der Komandant mit lauter Stimme. „Waffe weg!“

Avokóron liess, wie befohlen, das Schwert sinken, doch sein Blick war hart und kriegerisch. „Was soll das?“ rief er ungehalten. “Ich muss ihr den Gnadenstoss geben! Sie hat mich drum gebeten!“

„Wer ist das? Eine aus der Bande der Geanier?“ Héguitur war ganz herangekommen, blieb jedoch auf seinem Pferd sitzen. „Sie lebt noch? Das ist gut, das ist grandios! Von den anderen haben wir leider keinen lebend erwischt.“

„Von den anderen?“ wiederholte Avokóron. „Soll das heissen, wir...“

Die Frage, bevor Avokóron sie fertig formuliert hatte, wurde sofort beantwortet, und zwar durch den Wind. Dieser riss in diesem Moment die grauen Rauchwolken auseinander, so dass der gegenüberliegende Felsengrat sichtbar wurde. Und auf diesem Grat wehte jetzt das schwarzblaue Banner Iovif Uèrs. Und als Avokóron den Kopf zur Seite wandte, sah er eine ganze Abteilung königlicher Soldaten, die die Schlucht herabmarschiert kam, in Formation und mit wehenden Fahnen.

„Jawohl“, bestätigte Héguitur. „Wir haben gesiegt! Allerdings - es wollte sich keiner von denen gefangennehmen lassen. Sie haben sich alle selbst getötet, sobald sie keine Chance mehr sahen. Ich habe aber Order, Gefangene zu machen. Wir müssen dringend mehr über die Lage in Geania erfahren! Und ich bin sehr zufrieden, dass wir nun dank Euch offensichtlich eine Gefangene haben.“

„Avokóron starrte seinen Kommandanten ungläubig an. „Aber... aber sie ist eine Thèfian!“ rief er. „Lebendig gefangengenommen zu werden, ist für sie die grässlichste Folter, schlimmer als der Tod! Einen Thèfian, den man besiegt hat, muss man töten, das gebietet die Ehre und die Menschlichkeit...“ Er hob Yiwoataas Schwert wieder und machte Anstalten, sich umzudrehen.

„HALT!“ donnerte Héguitur, und einmal mehr erstarrte Avokóron mitten im Schritt zu Eis. Erbittert knirschte er mit den Zähnen – doch es war stärker als er. Langsam drehte er sich wieder um, das Gesicht verzerrt vor Wut und Hass. „Das... das ist nicht richtig!“ fauchte er heiser. „Das ist gegen alle Regeln!“

Héguitur nickte, und sein Gesicht hatte plötzlich einen bedauernden Ausdruck. „Ich weiss, Avokóron. Doch so lauten die Befehle aus dem Königspalast. Befehle, denen ich so wenig entgehen kann wie Ihr den meinen.“

Königspalast...“ Avokóron spuckte das Wort geradezu heraus, mit Abscheu in der Stimme. Irgend so ein Funktionär im Königspalast also, in einem warmen, gepolsterten Prunkgemach, hatte Befehle erteilt. Einer von denen, die in bombastischen Gewändern und hochmütigen Posen herumstolzierten, sich aber hauptsächlich damit beschäftigten, Speichel zu lecken und in Ärsche zu kriechen... Konnten sie ja machen, war ihm egal – bloss sollten sie im Königspalast bleiben und nicht hier in der Welt die Arbeit anständiger Leute behelligen! Thèfian zu Gefangenen zu machen – welcher ehrenwerte Mensch konnte so eine perverse Idee haben? Das war echt zum Aus-der-Haut-Fahren... Doch Avokóron war leider klar, dass er absolut keine Handlungsmöglichkeit hatte - Héguiturs Hand lag deutlich sichtbar auf seiner Satteltasche, in der, wie Avokóron wusste, Haarlocken aller ihm unterstellten Soldaten ruhten.

Mit zusammengebissenen Zähnen neigte Avokóron schliesslich den Kopf. „Wie Ihr befehlt, Kommandant...“

„Danke, Avokóron!“ Héguiturs Gesicht zeigte jetzt ein warmes Lächeln. „Ich wusste, dass ich auf Euch zählen kann. Ihr habt ganze Arbeit geleistet, das möchte ich Euch sagen. Euer Ruhm wird beträchtlich sein!“

Avokóron zischte verächtlich durch die Zähne. Was heisst da danke – bedank dich bei der Haarlocke in deiner Satteltasche... Langsam beugte er seinen Kopf noch etwas tiefer. Plötzlich fühlte er sich vollkommen ausgepumpt. Die Welt um ihn schien sich zu drehen, er schwankte auf dem einen gesunden Fuss, und dann kippte er um. Rund um ihn erhob sich ein geschäftiges Treiben, als die Soldaten, die er vorhin die Schlucht herabkommen gesehen hatte, eintrafen und sich mit Hochrufen um ihn drängten. Er verstand nicht, was diese Hochrufe sollten. Was hatte er denn geleistet? Es war, wenn schon, der Berg gewesen, der die Thèfian besiegt hatte, nicht er... Avokórons Gesicht war finster. Ohne ein Wort liess er sich zusammensinken, beachtete weder die Lobpreisungen noch den Sanitäter, der begann, sich an seinem linken Fuss zu schaffen zu machen. Auf Yiwoataa hatte sich vermutlich gleich ein ganzes Rudel Sanitäter gestürzt... Bei dem Gedanken wurde ihm fast schlecht. Bei allen Göttern, er hoffte wirklich mit ganzem Herzen, dass sie starb. Sich vorzustellen, dass ihr, der Jüngerin der Freiheit, die Haare abgeschnitten und an alle möglichen Stellen verteilt wurden, an die Typen im Königspalast gar, die sie dann nach Belieben in ihrer Gewalt haben würden... Der Schmerz aus seinem verletzten Fuss durchflutete ihn, und ebenso der Schmerz und die Wut über die erneute Niederlage. Denn das war es, nichts anderes. Alles, was er anpackte, ging schief. So war sein Leben seit zwei Jahren gewesen, und so war es offensichtlich noch immer. Der Neubeginn hatte nicht funktioniert.

Avokóron lag auf dem Rücken, die Welt um hin drehte sich weiter. Er spürte nur noch am Rande, wie ihm ein Trank eingeflösst wurde. Bevor ihm die Sinne schwanden, erklang einmal mehr jenes Wort in seinem Innern.

Niederlage.



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Hier ist mein zweiter Versuch, im Rahmen einer eigenständigen Kurzerzählung zu einem Ende zu kommen. Es befriedigt wieder nicht richtig, ich weiss...
 

FrankK

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Hallo pol shebbel
„Avokóron! Was tut Ihr da?“ rief der Komandant mit lauter Stimme. „[blue]Waffe weg[/blue]!“

Avokóron liess, wie befohlen, das Schwert sinken, doch sein ...
"Waffe weg" bedeutet soviel wie "Waffe fallenlassen" also besser "Nehmt eure Waffe runter!", dann kann Avokóron befehlsgemäß handeln.

“Ich muss [blue]ihr[/blue] den Gnadenstoss geben! [blue]Sie[/blue] hat mich drum gebeten!“

„Wer ist das? [blue]Eine[/blue] aus der Bande der Geanier?“
Héguitur wirkt wenig überrascht, dass es sich um eine Frau handelt.

„Avokóron starrte seinen Kommandanten ungläubig an.
Die Anführungszeichen am Anfang des Satzes sind zu viel.

[blue]Einen[/blue] Thèfian, [blue]den[/blue] man besiegt hat, muss man töten, ...
Ich glaube, im Fluss seiner Erwiderung dürfte er bei der weiblichen Form bleiben.

Irgend so ein [blue]Funktionär[/blue] im Königspalast also ...
"Funktionär" entspricht nicht meiner Sprachvorstellung für eine solche Geschichte, wirkt zu modern. Schon hier könnte man den "Speichellecker" anbringen.
Den Rest etwas reduzieren.

Plötzlich fühlte er sich vollkommen [blue]ausgepumpt[/blue].
Wirkt auch etwas zu sehr dem modernen Sprachgebrauch angelehnt.

Hier ist mein zweiter Versuch, im Rahmen einer eigenständigen Kurzerzählung zu einem Ende zu kommen. Es befriedigt wieder nicht richtig, ich weiss...
Korrekt - dieses Ende schreit förmlich nach einer Fortsetzung.
Ich fürchte, wenn Du so weiter machst, hast Du bald Deinen ganzen Roman hier ausgestellt. ;)

Vorschlag für ein trefflicheres Ende (nur mal so, als spontane Idee):
- Avokóron tötet Yiwoataa
- Héguitur kommt zu spät, kann nicht mehr eingreifen.
- Ein Disput entbrennt
- Avokóron wird in Haft genommen
- Ende

Der Handlungsfaden Deines Romans wird sicherlich anders verlaufen, eine Abweichung musst Du aber in Kauf nehmen, um im Zuge einer eigenständigen Kurzform einen Schluss zu finden.


Ich grüße Euch
Frank
 



 
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