Samitschku
Mitglied
Bedächtig, als könne er durch diese extreme Langsamkeit einen Fixpunkt schaffen, wischt er sich mit dem Knöchel des Zeigefingers das Brennen des Rauches seiner Zigarette aus dem rechten Auge, es tränt, da hilft keine noch so bemühte Konzentration. Dabei beugt er den Kopf schräg nach vorn, mit einem ganz leichten Stöhnen, nach rechts, als könne er den Schmerz damit einfangen, umhüllen, in dieser Bewegung einfangen, ihn verschwinden lassen.
„...mit uns!“, nimmt er sie wahr, ohne sie wirklich zu hören. „So kann das nich’ mehr weitergehen, weißte? Das issauch DEIN Scheiß, verdammt noch mal. Glaubste, mir macht es Spaß, wenn – ooch, verdammich, gib mir eine von dein’ Kippen!“
Viel schärfer als ihre Stimme vernimmt er das Ticken der Uhr an der Wand, in Zeitlupe, vernimmt er das Halbdunkel im Raum, es umschmeichelt sein Whiskyglas, das, nachdem er ein paar Mal zwinkert, sich langsam wieder fokussiert, deutlicher wird, zentraler, die fleckige, dunkelbraune Tischplatte vor ihm einzunehmen beginnt.
„Ich hab auch ein Recht auf Leben, hörste?“ Sie nestelt eine Zigarette aus seiner Packung. „Will nich immer nur warten müssen, dass was geht,“ – sie zündet sie an – „...bis der feine Herr sein’ Arsch rührt, was?“
Das Brennen im Auge hat nachgelassen, die Wand des Glases steht nun mächtig zwischen ihm und dem Raum.
Da ist ein Glitzern, ein kleines Funkeln auf der Oberfläche, ein Reflex der Straßenbeleuchtung, der sich, quasi als Gast, zu ihnen ins Zimmer geschlichen hat. Der sich verfangen hat in einem zarten Riss in der plumpen Glaswand. Der seine Konzentration nun weg vom Auge auf sich zieht.
„Sag mal, hörste mir eigentlich zu?! Hörste mir eigentlich irgendwann mal zu? Ich will das doch auch nich, he du, aber wenn’s bei mir nich optimal läuft und du selber immer nur hier rum hängst – wie soll’n da was werden? Kommt irgendeiner hereingeflogen un’ sagt „Hallo, ihr, ich bin’s, die gute Feh, eins – zwei – drei, Abrakadabra, weg is’ der Scheiß!“? Isses das, was du glaubst?“
Er dringt in den Riss ein. Er zoomt sich in den Spalt, der die zerschrammte Barriere trennt. Bernstein. Silber. Bergkristall. Ein Glühen im matten, abgenutzten Rundum.
Es gibt da einen Canyon im Westen, bloß ist der mehr ins Rötliche gehend. Klar, der hat auch viele Farben. Der nennt sich „Grand“ aber er zieht dich nicht so an wie dieser – und...
...er ist auch nur ein Riss.
„Rühr endlich mal dein’ Arsch und – verdammt, REDE mit mir!“
Dem Ende zu wird ihr Satz stumpfer, irgendwie bedeutungsloser.
„Ich weiß oft nich’ mehr, ob ich mit dir rede oder mit der scheiß Wand. Die reagiert wenigstens auf mich, tut mir wenigstens weh, wenn ich dagegen hau’...“
Die Schlucht aus Glas zieht sich schrundig durch die Landschaft, fällt in steilen Klippen ab, nimmt kantige, scharfe Wendungen. Er durchwandert sie, durchfliegt sie langsamer als eine Feder in ihr schweben könnte, durchläuft sie wie ein träger, zäher Fluss aus Ahornsirup.
Da sind feine Spalten in den Abhängen, aber er füllt sie aus, gleitet in ihnen und das erfüllt ihn irgendwie mit Zufriedenheit.
Sie lehnt sich kraftlos in ihrem Stuhl zurück, ihre Beine entspannen sich, aber nicht so, dass es angenehm wäre. Sie schließt die Augen, nimmt einen Zug, der Aschewurm fällt auf ihren Schoß, sie bemerkt es nicht. Unbewusst, mit einem Seufzen, entgleitet der Rauch ihren Lippen. Die wollen sich zitternd wehren, formen wieder Worte.
„Wenn ich dageg’n hau’, ja, wenn ich bloß dagegen hauen könnte, gegen dich.“
Leiser.
„Wenn du nicht ständig ausweichen würdest, mann, un’ nichmal das tust du.“
Flüstern. Rostig.
„Bist du überhaupt da?...“
Die Lichtschlucht um ihn ist aus schierem Quarz. Sie ist nicht einfach ein Abbild im Okular eines Mikroskops. Sie ist vielmehr eine richtige, eine reine Welt, eine Welt aber, die nicht schneidet, in der Kanten weich umflossen und Schründe zu Kuhlen werden. Sie ist ein Uterus aus Schönheit, in dem Wehen keine Rolle spielen.
Sie – ist.
„...überhaupt da?“
Sie öffnet die Augen („George?“), beugt sich vor zu seinem Whiskyglas mit dem blöden Sprung.
Sie hätte es schon längst weggeworfen.
Sie sieht einen kleinen Schmutzfleck neben dem blöden Sprung.
Sie kratzt ihn weg.
„...mit uns!“, nimmt er sie wahr, ohne sie wirklich zu hören. „So kann das nich’ mehr weitergehen, weißte? Das issauch DEIN Scheiß, verdammt noch mal. Glaubste, mir macht es Spaß, wenn – ooch, verdammich, gib mir eine von dein’ Kippen!“
Viel schärfer als ihre Stimme vernimmt er das Ticken der Uhr an der Wand, in Zeitlupe, vernimmt er das Halbdunkel im Raum, es umschmeichelt sein Whiskyglas, das, nachdem er ein paar Mal zwinkert, sich langsam wieder fokussiert, deutlicher wird, zentraler, die fleckige, dunkelbraune Tischplatte vor ihm einzunehmen beginnt.
„Ich hab auch ein Recht auf Leben, hörste?“ Sie nestelt eine Zigarette aus seiner Packung. „Will nich immer nur warten müssen, dass was geht,“ – sie zündet sie an – „...bis der feine Herr sein’ Arsch rührt, was?“
Das Brennen im Auge hat nachgelassen, die Wand des Glases steht nun mächtig zwischen ihm und dem Raum.
Da ist ein Glitzern, ein kleines Funkeln auf der Oberfläche, ein Reflex der Straßenbeleuchtung, der sich, quasi als Gast, zu ihnen ins Zimmer geschlichen hat. Der sich verfangen hat in einem zarten Riss in der plumpen Glaswand. Der seine Konzentration nun weg vom Auge auf sich zieht.
„Sag mal, hörste mir eigentlich zu?! Hörste mir eigentlich irgendwann mal zu? Ich will das doch auch nich, he du, aber wenn’s bei mir nich optimal läuft und du selber immer nur hier rum hängst – wie soll’n da was werden? Kommt irgendeiner hereingeflogen un’ sagt „Hallo, ihr, ich bin’s, die gute Feh, eins – zwei – drei, Abrakadabra, weg is’ der Scheiß!“? Isses das, was du glaubst?“
Er dringt in den Riss ein. Er zoomt sich in den Spalt, der die zerschrammte Barriere trennt. Bernstein. Silber. Bergkristall. Ein Glühen im matten, abgenutzten Rundum.
Es gibt da einen Canyon im Westen, bloß ist der mehr ins Rötliche gehend. Klar, der hat auch viele Farben. Der nennt sich „Grand“ aber er zieht dich nicht so an wie dieser – und...
...er ist auch nur ein Riss.
„Rühr endlich mal dein’ Arsch und – verdammt, REDE mit mir!“
Dem Ende zu wird ihr Satz stumpfer, irgendwie bedeutungsloser.
„Ich weiß oft nich’ mehr, ob ich mit dir rede oder mit der scheiß Wand. Die reagiert wenigstens auf mich, tut mir wenigstens weh, wenn ich dagegen hau’...“
Die Schlucht aus Glas zieht sich schrundig durch die Landschaft, fällt in steilen Klippen ab, nimmt kantige, scharfe Wendungen. Er durchwandert sie, durchfliegt sie langsamer als eine Feder in ihr schweben könnte, durchläuft sie wie ein träger, zäher Fluss aus Ahornsirup.
Da sind feine Spalten in den Abhängen, aber er füllt sie aus, gleitet in ihnen und das erfüllt ihn irgendwie mit Zufriedenheit.
Sie lehnt sich kraftlos in ihrem Stuhl zurück, ihre Beine entspannen sich, aber nicht so, dass es angenehm wäre. Sie schließt die Augen, nimmt einen Zug, der Aschewurm fällt auf ihren Schoß, sie bemerkt es nicht. Unbewusst, mit einem Seufzen, entgleitet der Rauch ihren Lippen. Die wollen sich zitternd wehren, formen wieder Worte.
„Wenn ich dageg’n hau’, ja, wenn ich bloß dagegen hauen könnte, gegen dich.“
Leiser.
„Wenn du nicht ständig ausweichen würdest, mann, un’ nichmal das tust du.“
Flüstern. Rostig.
„Bist du überhaupt da?...“
Die Lichtschlucht um ihn ist aus schierem Quarz. Sie ist nicht einfach ein Abbild im Okular eines Mikroskops. Sie ist vielmehr eine richtige, eine reine Welt, eine Welt aber, die nicht schneidet, in der Kanten weich umflossen und Schründe zu Kuhlen werden. Sie ist ein Uterus aus Schönheit, in dem Wehen keine Rolle spielen.
Sie – ist.
„...überhaupt da?“
Sie öffnet die Augen („George?“), beugt sich vor zu seinem Whiskyglas mit dem blöden Sprung.
Sie hätte es schon längst weggeworfen.
Sie sieht einen kleinen Schmutzfleck neben dem blöden Sprung.
Sie kratzt ihn weg.