Treibsandmanifest

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seefeldmaren

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Ein Mann steht auf einem Platz.

Er trägt den Schatten der Wälder auf der Stirn.
Die Fahnen sind aus abgerissenen Kindermäulern genäht.
Sie flattern nicht. Sie zittern.

Ein Greis zählt Münzen in einer Schale aus Knochensplittern, daneben ein Kind, das gelernt hat, den Wind in vier Farben zu benennen:
Schwarz, Ohnmacht, Staub und Gehorsam.

Wer hier schreit, wird katalogisiert.
Wer schweigt, wird geehrt.

Die Kanzeln der Städte sind leergefressen,
die Reste liegen in den Eingeweiden der Werbekönige.
Ihre Zungen aus Glas
sprechen von Wahrheit wie ein Wolf vom Licht.

Es ist 2025.
Die Abgeordneten tragen Masken aus dem Leder verlassener Mütter,
sie stimmen ab mit Fingern
und nicht mit Berührung.

In ihren Mappen?
Die Sehnsucht nach Ordnung
auf Haut gedruckt.

Ein Mädchen pflanzt eine Distel ins Pflaster,
und die Soldaten halten inne.
Für einen Moment nur.

Danach bricht das Abendrot das Gesetz.
Und wer es gesehen hat,
zählt nun zu den Gefährdern.

Ich schreibe dies nicht als Prophet.
Ich bin der Abdruck eurer Absätze.
Ich bin der Schorf auf der Landkarte.
Ich bin der Stein,
den ihr beim Wegschauen getreten habt.

Hier endet das Gedicht nicht.
Hier beginnt es,
in euren Mündern
als Metallgeschmack.
 



 
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