VeraL
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Als er die Farbe im Eimer sah, zog sich ihm alles zusammen. Spiced Honey stand auf dem Eimer. Angeblich die Trendfarbe des Jahres. Für ihn sah sie einfach braun aus. Wer wollte denn freiwillig solche Wände haben? Eine Hand packte ihn und er spürte kalte Panik in sich aufsteigen. Nein, er wollte das nicht mehr. Er wurde in den Eimer getaucht und mit einem schmatzenden Geräusch umschloss ihn die Farbe.
Früher war er ein guter Pinsel gewesen. Wenn die starke Hand des Malers ihn umschloss, war er in seinem Element, gab sich Mühe, die Farbe gleichmäßig zu verteilen und sie zum Leuchten zu bringen. Natürlich fiel das den Menschen nicht auf. Für solche Feinheiten hatten sie keinen Blick. Aber der Maler spürte, dass er besonders gerne mit diesen Pinsel arbeitete. Und seine Kunden waren zufrieden.
Doch schon länger hatte der Pinsel keine Freude mehr an seiner Arbeit. Wozu sollte man erdfarbene Brauntöne oder ein angesagtes Grau zum Leuchten bringen? Und überhaupt für wen? Die Besitzer der Wände starrten ja doch nur auf ihre kleinen blinkenden Geräte. Natürlich gab es welche, die stolz Fotos von ihren frisch gestrichenen Zimmern mit der farblich abgestimmten Deko machten, um sie dann in den sozialen Medien zu präsentieren. Während er Spiced Honey lustlos in den Ecken verteilte, wusste er, dass keiner der Follower auf den mit Filtern bearbeiteten Bildern erkennen würde, ob er die Farbe mit jeder seiner Borsten sorgfältig aufgetragen hatte oder nicht.
Ihn überkam ein Gefühl von großer Leere. Er war einfach nur noch müde. Der Tag kam ihm unendlich lang vor. Er sehnte sich nach dem Feierabend. Endlich gereinigt werden, im Eimer trocknen und nichts tun müssen. Wenn ihm doch nur die Borsten ausfallen würden. Dann wäre seine Karriere zu Ende und er müsste nie wieder in diese schrecklichen Farben eintauchen. Leider war er ein Pinsel von hervorragender Qualität. Solch einem hochwertigen Pinsel fielen nicht einfach die Borsten aus. Und so musste er Tag für Tag sanfte Pastelltöne, romantisches Puderrosa und elegantes Hellgrau über sich ergehen lassen.
Auch die anderen Werkzeuge waren von diesen Trendfarben nicht begeistert. „Grau kommt von grauenhaft,“ ätzte die Farbrolle und das Abklebeband zuckte jedes Mal leicht zusammen, wenn einer der Pinsel es mit intensiven Terracotta oder Petrol berührte. Ein altes Albrollgitter schwelgte abends in Erinnerungen an Zeiten, in denen Menschen ihre Wände noch Sonnengelb oder sogar leuchtend orange streichen ließen. Doch so verzweifelt wie der Pinsel war keiner von ihnen. Allmählich spürte der Maler, dass mit dem Pinsel etwas nicht stimmte. Es machte ihm einfach keine Freude mehr, mit ihm zu arbeiten. Und ganz zufrieden war er mit dem Ergebnis nicht, auch wenn er nicht genau sagen konnte, woran das lag. Immer seltener griff er daher zu seinem alten Lieblingspinsel.
Die Farbrollen versuchten, den Pinsel zu motivieren: „Ey, Kollege, reiß dich zusammen. Sonst landest du noch auf dem Müll. Das wäre doch eine Schande. Ein Pinsel im besten Alter und mit deiner Erfahrung.“ Doch es half nichts. Der Pinsel wurde die bleierne Schwere, die sich über ihn gelegt hatte, nicht mehr los. Irgendwann nahm der Maler den Pinsel nicht mehr mit zur Arbeit. Er verstaubte in der hintersten Ecke eines Regals neben einer alten Drahtbürste.
Endlich hatte er Ruhe. Er tat nichts und dachte an nichts. Doch dann wurde er unsanft aus seiner Lethargie gerissen. Die Tochter des Malers packte ihn und warf ihn mit anderen ausgedienten Werkzeugen, alten Abdeckfolien und schmutzigen Lappen in einen Sack. „Das ist es also“, dachte der Pinsel, „jetzt lande ich im Müll. Es ist gar nicht so schlimm, wie alle gesagt haben.“ Doch plötzlich hörte er viele aufgeregte Schreie. Diesmal griffen kleine Hände nach ihm. Kinderhände. Er wurde durch die Luft gewirbelt und ihm wurde schwindelig. Dann sah er es. Ein strahlendes Himmelblau. Es wirkte frisch und kühl. Als der Pinsel hineingetaucht wurde, konnte er sein Glück kaum fassen. So lebendig hatte er sich seit einer Ewigkeit nicht mehr gefühlt. Wie er liebten diese Kinder leuchtende Farben. Obwohl sie ihn manchmal nicht ordentlich ausspülten und hin und wieder eine seiner Borsten ausrissen, wollte er für immer hierbleiben. Diesen Kindern würde er zeigen, was Farben mit einem machen konnten. Diese Kinder würden ihre Wände niemals in einem eleganten Hellgrau streichen.
Früher war er ein guter Pinsel gewesen. Wenn die starke Hand des Malers ihn umschloss, war er in seinem Element, gab sich Mühe, die Farbe gleichmäßig zu verteilen und sie zum Leuchten zu bringen. Natürlich fiel das den Menschen nicht auf. Für solche Feinheiten hatten sie keinen Blick. Aber der Maler spürte, dass er besonders gerne mit diesen Pinsel arbeitete. Und seine Kunden waren zufrieden.
Doch schon länger hatte der Pinsel keine Freude mehr an seiner Arbeit. Wozu sollte man erdfarbene Brauntöne oder ein angesagtes Grau zum Leuchten bringen? Und überhaupt für wen? Die Besitzer der Wände starrten ja doch nur auf ihre kleinen blinkenden Geräte. Natürlich gab es welche, die stolz Fotos von ihren frisch gestrichenen Zimmern mit der farblich abgestimmten Deko machten, um sie dann in den sozialen Medien zu präsentieren. Während er Spiced Honey lustlos in den Ecken verteilte, wusste er, dass keiner der Follower auf den mit Filtern bearbeiteten Bildern erkennen würde, ob er die Farbe mit jeder seiner Borsten sorgfältig aufgetragen hatte oder nicht.
Ihn überkam ein Gefühl von großer Leere. Er war einfach nur noch müde. Der Tag kam ihm unendlich lang vor. Er sehnte sich nach dem Feierabend. Endlich gereinigt werden, im Eimer trocknen und nichts tun müssen. Wenn ihm doch nur die Borsten ausfallen würden. Dann wäre seine Karriere zu Ende und er müsste nie wieder in diese schrecklichen Farben eintauchen. Leider war er ein Pinsel von hervorragender Qualität. Solch einem hochwertigen Pinsel fielen nicht einfach die Borsten aus. Und so musste er Tag für Tag sanfte Pastelltöne, romantisches Puderrosa und elegantes Hellgrau über sich ergehen lassen.
Auch die anderen Werkzeuge waren von diesen Trendfarben nicht begeistert. „Grau kommt von grauenhaft,“ ätzte die Farbrolle und das Abklebeband zuckte jedes Mal leicht zusammen, wenn einer der Pinsel es mit intensiven Terracotta oder Petrol berührte. Ein altes Albrollgitter schwelgte abends in Erinnerungen an Zeiten, in denen Menschen ihre Wände noch Sonnengelb oder sogar leuchtend orange streichen ließen. Doch so verzweifelt wie der Pinsel war keiner von ihnen. Allmählich spürte der Maler, dass mit dem Pinsel etwas nicht stimmte. Es machte ihm einfach keine Freude mehr, mit ihm zu arbeiten. Und ganz zufrieden war er mit dem Ergebnis nicht, auch wenn er nicht genau sagen konnte, woran das lag. Immer seltener griff er daher zu seinem alten Lieblingspinsel.
Die Farbrollen versuchten, den Pinsel zu motivieren: „Ey, Kollege, reiß dich zusammen. Sonst landest du noch auf dem Müll. Das wäre doch eine Schande. Ein Pinsel im besten Alter und mit deiner Erfahrung.“ Doch es half nichts. Der Pinsel wurde die bleierne Schwere, die sich über ihn gelegt hatte, nicht mehr los. Irgendwann nahm der Maler den Pinsel nicht mehr mit zur Arbeit. Er verstaubte in der hintersten Ecke eines Regals neben einer alten Drahtbürste.
Endlich hatte er Ruhe. Er tat nichts und dachte an nichts. Doch dann wurde er unsanft aus seiner Lethargie gerissen. Die Tochter des Malers packte ihn und warf ihn mit anderen ausgedienten Werkzeugen, alten Abdeckfolien und schmutzigen Lappen in einen Sack. „Das ist es also“, dachte der Pinsel, „jetzt lande ich im Müll. Es ist gar nicht so schlimm, wie alle gesagt haben.“ Doch plötzlich hörte er viele aufgeregte Schreie. Diesmal griffen kleine Hände nach ihm. Kinderhände. Er wurde durch die Luft gewirbelt und ihm wurde schwindelig. Dann sah er es. Ein strahlendes Himmelblau. Es wirkte frisch und kühl. Als der Pinsel hineingetaucht wurde, konnte er sein Glück kaum fassen. So lebendig hatte er sich seit einer Ewigkeit nicht mehr gefühlt. Wie er liebten diese Kinder leuchtende Farben. Obwohl sie ihn manchmal nicht ordentlich ausspülten und hin und wieder eine seiner Borsten ausrissen, wollte er für immer hierbleiben. Diesen Kindern würde er zeigen, was Farben mit einem machen konnten. Diese Kinder würden ihre Wände niemals in einem eleganten Hellgrau streichen.
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