Vanessas gefährliche Marotte - Teil 2

Kai Kernberg

Mitglied
Vanessas gefährliche Marotte oder ein Traum von einem Café - Teil 2

Der Eintritt

Ich habe es geschafft. Ich habe die Herausforderung angenommen. Ich stehe vor der offenen Pforte der "Barista Lounge HOT Coffee Place". Dieser sagenumwobene und exklusive Ort steht vor mir! Ich will jetzt unbedingt da rein. "Ich bin es wert, dabei zu sein", spreche ich mir Mut zu. Die Percussion der Hintergrundmusik im Inneren scheint extra für mich einen groovigen Tusch zu spielen. Diesen Ort zu betreten, hatte ich mir schon lange vorgenommen. Nur fehlte mir der Mumm, hielten mich meine Ängste zurück. "Was ist, wenn die eingeschworene, pekuniär erhabene Barista Lounge Community erkennt, das ich ein Underdog bin und gar nicht dazugehöre?", nagten bisher die Zweifel an mir. "Dann würde ich ertappt dastehen und würde mich vor Schreck nicht mehr rühren können. Hilflos und wie entblößt würde ich mich zum Schaustück für die Insider machen", dreht mein Kopfkino den Film weiter. "Dann kann ich mich hier nie wieder blicken lassen", drohe ich mir selbst. Meine Güte, ist es dieses Risiko wirklich wert? Freihändig Rad fahren, Vom Zehner springen, bei der Abschlussprüfung einen Spicker im Ärmel haben, mit Nichts unterm Rock Kettenkarussell fahren, so steigert sich das Abenteuer im Leben. Und jetzt eben: erhobenen Hauptes in die Barista Lounge.
Wie ich es vorher zigmal geübt habe, hole ich tief Luft, konzentriere mich auf die reale Welt vor mir und erkenne den Eingang eines Kaffeeladens. In der offenen Tür steht eine Frau im blauen Jumpsuit. Sie steht zufällig dort, ist Teil der Warteschlange, die sich auf dem Gehweg vor dem Schaufenster entlang in den Laden zur "Coffee To Go"-Theke schlängelt. Trotzdem wirkt sie auf mich wie eine ernsthafte Türsteherin. Es erscheint mir zwar skurril, wenn eine zufällig in der Tür stehende Kundin bestimmt, wer in die Barista Lounge eintreten darf und wer nicht. Trotzdem, so rücke ich es mir zurecht, hat das einen bemerkenswert basisdemokratischen Ansatz, als ich aus meinen Gedanken gerissen werde.

"Rein?", fragt sie schnell wie eine Giftschlange beim Biss. Mit der Knopfleiste meiner Bluse wedele ich mir Luft ins Dekolleté und öffne mit meiner Antwort "Ja!" unbewusst nestelnd den dritten Knopf von oben. Sie zieht anerkennend einen Mundwinkel hoch, dreht sich leicht, macht mir Platz. Ein auffällig großes Schild an der Türscheibe fesselt meine Gedanken. "Fotografieren verboten" ist dort als Piktogramm und als Text proklamiert. "Lachhaft", denke ich. Als ob diese nachgenutzte Bäckerei aus den 1950ern demaßen attraktive Bildmotive bieten würde. Als ob die Prominenten hier ein- und ausgingen oder das Personal hier den Latte Macchiato mit nacktem Oberkörper servieren würde. So überfüllt, wie der Shop jetzt gerade ist, wären ohnehin nur Köpfe auf dem .JPG zu sehen. Das Schild ist wirklich eine geschickte Werbung, das muss ich zugeben.
Im Türrahmen schlägt mir die Hitze des Ladens entgegen. Der intensive Kaffeeduft empfängt mich, umschließt mich, zieht sanft an mir. Noch immer auf der Türschwelle verharrend, erfüllt der dezente Elektro-Jazz aus dem Inneren meine Sinne. Gitarre, Bass und Percussion, ohne aufdringliche Bläser, imitieren das Surren der Kaffeemaschinen. Das Abklopfen der Siebträger, das Schütten der Bohnen und die Musik verfließen mit dem Gemurmel der Kundschaft. Die Türsteherin in Blau blickt immer noch auf meine Hand und meinen Ausschnitt. Jetzt geht es um Alles, ich darf keine Weakness zeigen. Als ich mich an ihr vorbeizwänge, nickt sie herabschauend, aber durchaus anerkennend, meinen weißen, häkelstoffüberzogenen, gut gefüllten Cups zu. Eine Frau wie sie sieht wohl hinter solchen versehentlichen Entblößungen stets eine aufreizende Absicht und würde nie akzeptieren, dass nur ein harmloser Spleen dahintersteckt.
Mit einem großen Schritt über die Türschwelle, der meinem Rocksaum auf dem Oberschenkeln noch ein Stück höher schiebt, habe ich es geschafft. Ich fühle mich grandios, ich bin in die Arena gestiegen. Meine Absätze berühren den Fliesenboden wie heiliges Land. "Aller Anfang ist schwer", heißt es so jovial. Doch nach dem Anfang geht es erst los. Am Anfang hast Du noch Garnichts erreicht. Am Anfang bist Du zwar drinnen. Erst dann aber kannst Du Dein Ding durchziehen. Die kaffeschwangere Hitze macht das Atmen schwer, binnen Sekunden legt sich ein Hauch Feuchtigkeit auf meine Haut. Der Basslauf der Musik kribbelt in meinen Beinen. Im Laden teilt sich die Kundschaft. In die eine Richtung setzt sich die streng organisierte "To Go"- Schlange fort. Auf der anderen Seite geht es zur Verkaufstheke. Dort gibt es keine Schlange, nur einen Pulk. Dort gilt "Strongest In, First Out". Hier musst Du wissen, was Du willst. Du musst Dich dazwischendrücken, wie am Bierwagen auf der Sommerkirmes abends um zehn Uhr bei dreißig Grad mit einskommanull Promille, wenn Du in Stoffschuhen durch undefnierbare Pfützen schwankst, Dich bei völlig versagendem Deo durch eine Horde Pograpscher zwängst, um fünf Erdbeerlimes zu ergattern, während Biergläser über Dich hinwegschaukeln, aus denen es über Dein weißes, T-Shirt kleckert, sodass darauf die Glitzer-Wendepailetten mit dem Motiv "Palme" total verkleben und Du Dir wünschst, doch den unbequemen, aber soliden, padded Bra und nicht das dünne, weiße Bralette, dessen Träger nun gut sichtbar unter den T-Shirtärmeln heraus auf Deinen Oberarmen hängen, darunter angezogen zu haben. "Zum Glück ist alles nass," denkst Du, "dann rutscht es nicht so schnell", als Du den Arm zur Theke hochreckst, Dein T-Shirt-Saum auf Bauchnabelhöhe emporsteigt und Du hoffst, dass nicht gerade jetzt Einer seine Patschpfote von unten...". Hier gibt keiner nach. Rücksicht gibt es nicht. Angst kannst Du Dir nicht erlauben. Mich selbst anfeuernd ruft meine eine Gehirnhälfte der anderen "Fast Forward" zu.

Ich sehe eine Lücke am Kaffeetresen, setze zum Sprung an. Ein älterer Herr hat die Gelegenheit ebenfalls entdeckt. Er ist von dem Schlag Mann, der Understatementmillionär oder gnadenloser Hochstapler sein könnte. Das weißt Du leider erst, wenn du morgens in seine Küche schlurfst, wo noch demonstrativ die Flasche "Heidsieck" auf dem Tisch steht, während Dein geübter Blick im Spülbecken den Trichter und hinter dem Mülleimer das "Faber"-Etikett erspäht. Das sind vielleicht schon gute Indizien. Sicherheit bekommst Du aber erst im Bad. Wenn Du im Mülleimer ein gut gefülltes Kondom findest, bist Du beim Millionär. Er würde es niemals riskieren, dem Hochstapler wäre es einfach egal.

Er und ich haben nur eine halbe Sekunde Blickkontakt, in der er einatmet und ich meine Hand hebe. Sein Blick fällt auf meine Bluse. Drei offene Knöpfe, weiße Spitze darunter. "Darf ich Sie vorlassen?", fragt er wortlos mit galanter Geste und ich realisiere nicht, dass ich mit meinem nickenden "Ja!" einen weiteren Blusenknopf öffne. Die Knopfleiste ist jetzt bis zum Rockbund offen. Der ältere Herr betrachtet von der Seite interessiert meinen Oberkörper. Hoch konzentriert mache ich einen gewagt großen Schritt in die Lücke. Es hätte mich nicht gewundert, direkt auf einer schmierigen Kirmespfützen auszurutschen. "Das hier ist ein kleiner Kaffeeladen in der Innenstadt am hellichten Tag", bete ich mir vor, "hier gibt es weder Pfützen noch Grapscher noch schwebende Biergläser". Mein schwungvoller Schritt wird von dem schmalen Brett gestoppt, auf dem überteuerte Gadgets und Sweets als exklusive Einzelstücke drapiert sind. Ich stelle meine Handtasche darauf ab, blicke planlos umher, muss einen Verkäufer für mich gewinnen. Die MK-Tasche müsste für die Barista Lounge geradeso standesgemäß sein, hoffe ich insgeheim. Schließlich ist es ein Modell aus der Vorjahreskollektion, mehr gab das Budget nicht her. Meine Hände nesteln weiter ununterbrochen an meiner Kleidung. Das Grässliche an solchen Fummelmacken ist, dass Du sie irgendwann gar nicht mehr selbst bemerkst. Und Eins kann ich Dir voraussagen. Wenn Du den weiteren Verlauf der Nestelei schon nicht kontrollieren kannst, ist an eine Rettung der verlorenen Knopfstrecke überhaupt nicht mehr zu denken.
Plötzlich steht ein hipsterbärtiger Coffeebean-Specialist vor mir. "Sie haben einen Wunsch?", streichelt seine Frage mein Gesicht. "Ja, ja, na-na-tür-lich", stammele ich. Mir blitzt durch den Kopf, dass ich meine Brille vergessen habe. Mit demselben Blitz haben meine Finger am Rock den Hakenknopf über dem Reißverschluss geöffnet. Diese Verschlüsse gehören verboten! Du zuckst kurz mit zwei Fingern und sie schieben sich nicht nur auf sondern springen regelrecht auseinander. Mein Daumen und mein Zeigefinger betasten wie ein aufgeschrecktes Ameisenvolk den seitlichen, kajalstiftlangen Reißverschluss meines Rockes.

Die Tiefen der Kaffeekultur

Die über den Köpfen des Verkäufers hängende Tafel mit den Kaffeesorten kann ich nicht entziffern. Welchen Favoriten hatte ich mir online ausgesucht? Guatemala Bio Deluxe? Kenia Blend Fair Trade? Farmer Family oder... Der Verkäufer senkt nur ganz leicht den Kopf, wandert mit seinem Blick von meinen Augen hinab über mein Kinn, meinen Hals, über den weißen Hakenverschluss zwischen den Körbchen auf das hell scheinende Stückchen Haut meines Bauches und weiter zum Bund meines Rockes, dessen Reißverschluss ich geistesabwesend bereits zur Hälfte aufgeschoben habe. Diese gefährliche Marotte hilft mir jetzt. Denn mit den Fingern zu spielen, beruhigt mich und ich fasse Mut. "Ich nehme", setze ich an und knete meine Faust auf der Hüfte "500 Gramm vom Nicaragua Familiy", wobei meine Finger den Zipper vollends öffnen. Mein vom Druck befreiter Bauch schiebt die Zahnreihen gnadenlos zu einem weiten "V" über meine Taille und meine Hüfte auf. Anstatt mich endlich um das Kleidungsmalheur zu kümmern, beschäftigt sich mein Inneres überfüssigerweise mit dem trotzigen Mantra "ich bin nicht dick, ein Bauch ist völlig normal."
"Kuba Familiy Blend?", hakt er nach und meine Hand, die am Reißverschluss nichts mehr ausrichten kann, schnellt auf Bauchnabelhöhe zurück an die Knopfleiste und fächelt mir geübt beiläufig Luft zu. Nach kurzem Zörgern stoße ich erleichtert "Ja, genau" hervor. Meine Finger haben dazu selbstständig den untersten Knopf der Bluse gefunden, der unter dem offenen Rock nun greifbar ist, und ihn geöffnet. Ungläubig staune ich darüber, wie eigeninitiativ sich mein Tick an meiner Wäsche vorarbeitet. Der Rock hat sich vorne eine ist eine Handbreit aufgeklappt. Durch das Fächern hängt die Bluse nur noch gerade so auf den Schultern. Gebannt auf meinen Oberkörper blickend tastet die Kaffeefachkraft neben sich nach der Bohnenschaufel. So, wie er mich ansieht, hat er gerade die auffällige Ansammlung von Pigmentflecken auf meiner Schulter entdeckt. Ich fühle mich attraktiv, beobachtet, anziehend, eingekeilt, wohlriechend, hin und her geschaukelt. Hinter mir streifen Menschen an mir vorbei. Absurderweise vertiefe ich mich tatenlos in die Vorstellung, mein Rock würde von einer unsichtbaren Kraft zentimeterweise nach unten gedreht. So wie in diesem Thriller, der auf einer Bohrinsel spielt und auf dessen Höhepunkt ein Gewindering, groß wie ein Lastwagenlenkrad, nach unten abgeschraubt werden muss, um die Katastrophe zu verhindern. Mir ist heiß, ich schmecke Salz auf meinen Lippen und, so bilde ich mir zumindest ein, auch Erdöl.
Die Bluse rutscht links auf meinen Oberarm. Ich werde von der Seite angestoßen und habe das Gefühl, jemand hätte dabei absichtlich die Bluse auch von meiner anderen Schulter geschoben. Wie unter Schock kann ich nur realisieren, dass die Bluse in meinen Ellenbogen hängt, führe ruckartig meine Hände vor meinem Bauch zusammen und hake meine Finger ineinander. Mir läuft Schweiß von der Schläfe, über den Kiefer und den Hals ins Dekolleté. Der Verkäufer verwandelt sich vor meinem geistigen Auge in einen Modefotografen, der den Spitzenstoff über meinen weiblichen Wölbungen in Szene setzt, "noch ein bisschen tiefer beugen, den Mund leicht öffnen, ...".

Auf seine, für einen Fotografen überraschende Frage "Bohne oder gemahlen?" schlucke ich, öffne ritualisiert und gleichzeitig konfus einen Manschettenknopf und entgegne "gemahlen" um gleichzeitig zu denken "Gemeinheit, so eine spontane Frage. Ich kann doch nichts dafür...".
Auf das sofort folgende "Maschine oder Frenchpress?" öffnet mein spontaner Wunsch "Maschine" den Knopf des anderen Ärmels. Ich vibriere am ganzen Körper. Mein Kopf wird von dem konträren Szenario beherrscht, ich stünde mit hochgeschlossener Kleidung in der proppenvollen Regionalbahn, müsse gleich aussteigen und wüsste nicht, wie ich mich zur Tür durchquetschen sollte und möchte ausrufen "lassen Sie mich bitte durch...".

"Filtermaschine oder Vollautomat?" setzt der Verkäufer nach. In meinem Kopf dröhnt mein Puls so stark, dass ich seine Frage nicht verstehe. Ich recke den Kopf nach vorne, stütze eine Hand auf das Ablagebrett vor mir. "Wo ist meine Tasche?", schießt es mir durch den Sinn. Die andere Hand verkrampft sich im weißen Hakenverschluss vor meiner Brust, während ich irritiert "Wie bitte?" frage. Schon seine Wiederholung der Frage "Filtermaschine oder Vollautomat?" löst meine Zwangshandlung aus, öffnet den Vorderverschluss. Vom irrationalen Stolz erfüllt, die Frage nun verstanden und eine Antwort zu haben, hebe ich meine stützende Hand, über die der glatte Ärmel abgleitet, und beweise mit dem Wort "Vollautomat" meine Zurechnungsfähigkeit. Befreit von der haltenden Kraft des Clips sinken zwei C-Glocken in ihren Schalen tiefer und schwingen mit ihnen auseinander. Ich bin entsetzt, kann aber nichts machen. Das hier ist eine Stakkatoprüfung. Nicht denken, sondern handeln. Und konzentriert bleiben! Kurz hinunterblickend sehe ich meine Bluse, die nur noch von einem Handgelenk bis auf den Boden hängt. Ich hieve sie auf die Ablage und staune "sie ist schwer wie eine Ankerkette ..."
Von der Folgefrage "Hauptfach oder Nebenfach?" bekomme ich nur noch das Fragment "...benfach" mit. Mit einem völligen Aussetzer ziehe ich auch die andere Hand aus der scheinbar bleischweren Bluse. Ungläubig sehe ich, wie das dunkelblaue Textil, welches ich eben noch anhatte, losgelöst von mir auf dem Ablagebrett liegt. Mein schweißglänzender Brustkorb verströmt meinen Parfumduft so heftig, als ob ich morgens früh im Bad gerade den feinen Sprühstoß aus dem Flakon gepumpt hätte. Unter Ausfall jeglicher Vernunft schärfe ich mir ein, konzentriert zu bleiben! "...benfach", was soll das sein? Ach klar! "Nebenfach", belle ich heraus und nicke heftig. Der Verkäufer nickt meinem Oberkörper zu, dreht sich um, greift die große Kaffeedose, wendet sich wieder meinem Brustkorb und den daran hängenden, kaum mehr verhüllten Mangos zu, um den Kaffee in die Waagschale zu füllen. Erneut werde ich von der Seite unsanft geschoben. Ich blicke dorthin, sehe aber nur eine Frau, die mit dem Rücken zu mir steht und spüre, dass mir von der anderen Seite die Bluse unter meinen Händen weggezogen wird. Hektisch drehe ich mich zurück, um meine Bluse zu retten, bilde mir ein, im Augenwinkel einen Strohhut weghuschen zu sehen, bleibe jedoch für eine Sekunde mit dem Blick beim Verkäufer hängen. Unverhohlen betrachtet er meine, jetzt schon weitgehend entblößten, Brustwarzen. "Sie können sich das leisten", kommentiert er den Anblick, ohne mir ins Gesicht zu sehen. Im Gegenteil! Seine auf und ab springenden Augen haben offenbar erkannt, dass mein Höschen zum Oberteil passt. "Ich beweise Stil", lobe ich mich realitätsfern, "und ein Mann wie Du, weiß das zu schätzen...".
"Vanessa heißt sie", schaltet sich die Frau neben mir ein. Ich drehe mich zu ihr, was meinen Rock tiefer absenkt und die Wäsche um meinen Oberkörper noch weiter öffnet, während mein nun rundum gut sichtbares, zweifelsfrei zum BH passendes Unterteil aus transparenter Spitze hinter mir zu Getuschel führt. Eine auf alterslos geliftete US-Style-Standarblondine mit schulterlangem Haar hält neben mir mein Portemonnaie in der Hand und blättert meine Karten durch. Einerseits bin ich froh, denn meine Investition in eine LV-Geldbörse zahlt sich jetzt als Statussymbol aus. Andererseits bin ich fassungslos in Anbetracht der Indiskretion. "Vanessa, schöner Name", meint der Verkäufer, "wie alt"? Ich schnappe nach meiner Geldbörse, sie hält aber schon meinen Ausweis in die Höhe und liest jubilierend ab "einundvierzig! Wobei ... fast zweiundvierzig". Meinen Arm zuckend nach dem Ausweis reckend, geben die weißen Schalen mit den Blumenornamenten endgültig ihre verdeckende Funktion auf. Der Verkäufer folgt dem anregenden schaukeln vor meinem Körper und erblödet sich zu dem Kommentar "Donnerwetter! Für zweiundvierzig! Stark!".
Auf der anderen Seite neben mir quetscht sich ein Mann dazwischen. Er wirkt wie ein James Bond für Arme, Typ Roger Moore, nur milchgesichtiger, etwas speckige Wangen, aber dunkelblonde, gut frisierte Haare. Zärtlich führt er seine Finger von meinen Handgelenken zu den Schultern, hakt auf beiden Seiten einen Finger unter, löst die Träger von den Schultern, führt sie mit heißen Händen, die auf meiner Haut zart kitzeln, an meinen Armen herunter, bis er sie mit der Sentenz "so erfüllend für Dich..." dermaßen sanft und gleichzeitig kraftvoll über meine Hände streift, dass mir Gänsehaut über den Körper läuft. Der Kälteschauer überläuft meinen verschwitzten Körper. Ich schüttelte mich kurz und erschrecke unmittelbar. Durch dieses, eine halbe Sekunde dauernde, heftige Schütteln ist mein Rock zu Boden gefallen. Oder hat da jemand nachgeholfen? Der Verkäufer stiert mich an. Seine Augen treten hervor. Mir scheint, als lösten sie sich wie kleine Wasserballons aus seinem Gesicht, träfen warm und weich auf meine Stirn, springen weiter über mein Gesicht, mein Kinn, zu meinem Schlüsselbein, auf der nackten Haut tiefer, tiefer, hinterlassen nasse Spuren, bis sie auf dem Spitzenrand meines Höschens ankommen. Sie rollen darauf herum, auslaufend wie ein Schwamm. Sie suchen eine Fuge, tränken den dünnen Stoff in warmes Öl. Sie drängen hinein. Hin zu dem dunklen Busch der sich durch die nasse Spitze deutlich abzeichnet und fein durch sie hindurchpiekt. Hingebungsvoll, selbstzerstörerisch wollen die heißen Kugeln in meinem warmen, feuchten Zentrum mit mir verschmelzen. Der Möchtegern-007 murmelt mir derweil ins Ohr "Siebzig C, großartig" und versenkt dazu glückselig sein Gesicht in der erbeuteten Unterwäsche. Mein Mund steht offen, meine Spucke läuft in feinen Fäden heraus, der Raum verändert sich vor mir, "Hipster und James Bond. Ihr beide vor meiner Wohnungstür. Ich öffne, ihr wuselt herein wie Hundewelpen, ich werde gehoben, falle aufs Bett, ihr habt mir und Euch im Flur schon das Meiste ausgezogen, ...".

Von hinten fangen mein Name und zwei Männerstimmen meine Aufmerksamkeit. "Vanessa als Kollegin, das wäre etwas." "Als Sekretärin?" Mir stockt der Atem, immerhin habe ich es zur Assistentin geschafft, wenn die beiden mich jetzt zur Sekretärin degradieren, bin ich verloren. "Nee, Abteilungsleiterin", schwebt dem Gefragten vor, "im Großraumbüro. Und ich als frischer Teamleiter." "Da wird sie Dich auf dem Kieker haben." "Oh ja! Von ganz unten werde ich mich hochschlecken müssen." "Wenn sie in diesem Outfit zu Dir ans Desk kommt, sollte das gut klappen..." In mir jubiliert es. "Ich habe es geschafft! Abteilungsleiterin! Ich bin Part of it! Ladies and Sirs of the Barista Lounge, I have just landed! Look at me!"
 



 
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