joergheeb
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Sie ist der einer der wenigen Menschen, denen er ab und an Dinge erzählt, die er gewöhnlich für sich behält, und in neun von zehn Fällen kommentiert sie seine Schilderungen mit: „Du hast definitiv einen Sprung in der Schüssel.“ Eigentlich müsste ihm das zu denken geben, denn dieses Fazit lässt sich, weil es das Fazit einer Psychiaterin ist, durchaus auch als (ebenso rudimentäre wie kategorische) Diagnose verstehen.
Jetzt stellt sie die Tasse zurück auf den Tisch, schluckt den Cappuccino runter und prustet los. Er weiß, das kann dauern, also zündet er sich, um die Wartezeit sinnvoll zu nutzen, erst mal eine Zigarette an.
„Du fliegst 1500 Kilometer weit, um …“ Sie fächelt sich mit der rechten Hand Luft zu, vermutlich in der Hoffnung, auf diese Weise rascher wieder zu Atem zu kommen. „… um eine Brücke zu überqueren, auf der …“ Das Prusten vermindert sich zu einem Glucksen, was ihr ermöglicht, den Satz zu beenden: „… auf der du einer Unbekannten zu begegnen hoffst, die dir ein einziges Mal auf dieser Brücke begegnet ist – in einem Traum?!“
„Zweimal! Zweimal ist sie mir begegnet – in zwei Träumen!“
Sie wischt sich die Tränen von den Wangen, nimmt ihm die Zigarette aus der Hand, zieht einmal daran, schürzt die Lippen, lässt den Rauch in vier makellos runden Kringeln aufwärts steigen und fährt fort: „Das, mein Herz, ist sogar für deine Verhältnisse ziemlich verrückt. Damit würdest du es locker in die Top 3 meiner Patienten schaffen, was die Ausgeprägtheit der Verrücktheit anbelangt. Allerdings ist das Ganze schon auch ziemlich originell – und ziemlich romantisch!“
„So bin ich: komplett übergeschnappt, ziemlich originell und ziemlich romantisch.“
„Wie oft hast du denn während der vier Tage die Brücke überquert?“
„Weiß ich nicht, zwanzig- fünfundzwanzigmal vielleicht.“
„Habt ihr euch unterhalten in den beiden Träumen, du und die Unbekannte?
„Nein, jedenfalls erinnere ich mich nicht daran.“
„Aber wenn du so hingerissen von ihr bist, dass du Himmel und Hölle in Bewegung setzt, um ihr zu begegnen, dann musst du zumindest wissen, wie sie aussieht.“
Sie knabbert mit den Schneidezähnen an ihrer Unterlippe herum, wie sie das immer tut, wenn sie scharf nachdenkt, sich ganz und gar der Ergründung eines Problems oder einer Frage widmet. „Dann musst du ihr schon mal irgendwo begegnet sein. Dein Hirn kann dir nämlich nur von Objekten und Subjekten Bilder liefern, die du …“
„Ich hab nie behauptet, sie sei eine Unbekannte, das warst du. Von wegen Hirn: Wie läuft's denn so mit dem Vollidioten?“
„Gar nicht mehr. Aber jetzt lenk nicht ab! Kenne ich sie?“
Er setzt einen Blick auf, von dem er hofft, dass er so verschmitzt und treuherzig daherkommt, wie ihm vorschwebt.
„Aaaaaaaah“, entfährt es ihr jetzt, und ihm ist, als höre er das Knipsen des Schalters, mit dem das Licht hinter ihren blassgrünen Augen aufgleißt. „Aber eigentlich wäre es doch einfacher, billiger und irgendwie … logischer gewesen, du hättest mir von deinen Träumen erzählt, BEVOR du nach Stockholm geflogen bist, oder?“
„Na ja, ich wollte es halt erst auf die verrücktest mögliche Art versuchen. Abgesehen davon sprechen wir ja hier auch nicht über irgendeine Brücke, sondern über die Vasabron. Warst Du schon mal dort?“
Sie schüttelt den Kopf.
„Ich kenne einen einzigen Ort, bei dem ich es zumindest für vorstellbar halte, dass sich an ihm ein Traum in die Wirklichkeit locken ließe: die Vasabron.“ Er klaubt das Bild, das er immer bei sich trägt, aus seinem Portemonnaie und reicht es ihr.
„Oh!“
„Nicht wahr?
Sie schaut ihn an – diese Augen! „Polarlichter“ nennt er sie manchmal, nicht ihr gegenüber, nur für sich selbst – und sagt mit einer Stimme, in der er umgehend eine leise Zärtlichkeit zu erkennen beschließt: „Du hast einfach definitiv einen ganz argen Sprung in der Schüssel!“ Sie betrachtet nochmals das Bild, legt es dann vor ihm auf den Tisch, stupst mit dem Zeigefinger gegen seine Nasenspitze und fügt hinzu: „Aber weißt Du was? Ab dem 26. Dezember hätte ich drei Tage Zeit, um nach Stockholm zu fliegen und dir auf der Vasabron zufällig zu begegnen.“
Jetzt stellt sie die Tasse zurück auf den Tisch, schluckt den Cappuccino runter und prustet los. Er weiß, das kann dauern, also zündet er sich, um die Wartezeit sinnvoll zu nutzen, erst mal eine Zigarette an.
„Du fliegst 1500 Kilometer weit, um …“ Sie fächelt sich mit der rechten Hand Luft zu, vermutlich in der Hoffnung, auf diese Weise rascher wieder zu Atem zu kommen. „… um eine Brücke zu überqueren, auf der …“ Das Prusten vermindert sich zu einem Glucksen, was ihr ermöglicht, den Satz zu beenden: „… auf der du einer Unbekannten zu begegnen hoffst, die dir ein einziges Mal auf dieser Brücke begegnet ist – in einem Traum?!“
„Zweimal! Zweimal ist sie mir begegnet – in zwei Träumen!“
Sie wischt sich die Tränen von den Wangen, nimmt ihm die Zigarette aus der Hand, zieht einmal daran, schürzt die Lippen, lässt den Rauch in vier makellos runden Kringeln aufwärts steigen und fährt fort: „Das, mein Herz, ist sogar für deine Verhältnisse ziemlich verrückt. Damit würdest du es locker in die Top 3 meiner Patienten schaffen, was die Ausgeprägtheit der Verrücktheit anbelangt. Allerdings ist das Ganze schon auch ziemlich originell – und ziemlich romantisch!“
„So bin ich: komplett übergeschnappt, ziemlich originell und ziemlich romantisch.“
„Wie oft hast du denn während der vier Tage die Brücke überquert?“
„Weiß ich nicht, zwanzig- fünfundzwanzigmal vielleicht.“
„Habt ihr euch unterhalten in den beiden Träumen, du und die Unbekannte?
„Nein, jedenfalls erinnere ich mich nicht daran.“
„Aber wenn du so hingerissen von ihr bist, dass du Himmel und Hölle in Bewegung setzt, um ihr zu begegnen, dann musst du zumindest wissen, wie sie aussieht.“
Sie knabbert mit den Schneidezähnen an ihrer Unterlippe herum, wie sie das immer tut, wenn sie scharf nachdenkt, sich ganz und gar der Ergründung eines Problems oder einer Frage widmet. „Dann musst du ihr schon mal irgendwo begegnet sein. Dein Hirn kann dir nämlich nur von Objekten und Subjekten Bilder liefern, die du …“
„Ich hab nie behauptet, sie sei eine Unbekannte, das warst du. Von wegen Hirn: Wie läuft's denn so mit dem Vollidioten?“
„Gar nicht mehr. Aber jetzt lenk nicht ab! Kenne ich sie?“
Er setzt einen Blick auf, von dem er hofft, dass er so verschmitzt und treuherzig daherkommt, wie ihm vorschwebt.
„Aaaaaaaah“, entfährt es ihr jetzt, und ihm ist, als höre er das Knipsen des Schalters, mit dem das Licht hinter ihren blassgrünen Augen aufgleißt. „Aber eigentlich wäre es doch einfacher, billiger und irgendwie … logischer gewesen, du hättest mir von deinen Träumen erzählt, BEVOR du nach Stockholm geflogen bist, oder?“
„Na ja, ich wollte es halt erst auf die verrücktest mögliche Art versuchen. Abgesehen davon sprechen wir ja hier auch nicht über irgendeine Brücke, sondern über die Vasabron. Warst Du schon mal dort?“
Sie schüttelt den Kopf.
„Ich kenne einen einzigen Ort, bei dem ich es zumindest für vorstellbar halte, dass sich an ihm ein Traum in die Wirklichkeit locken ließe: die Vasabron.“ Er klaubt das Bild, das er immer bei sich trägt, aus seinem Portemonnaie und reicht es ihr.
„Oh!“
„Nicht wahr?
Sie schaut ihn an – diese Augen! „Polarlichter“ nennt er sie manchmal, nicht ihr gegenüber, nur für sich selbst – und sagt mit einer Stimme, in der er umgehend eine leise Zärtlichkeit zu erkennen beschließt: „Du hast einfach definitiv einen ganz argen Sprung in der Schüssel!“ Sie betrachtet nochmals das Bild, legt es dann vor ihm auf den Tisch, stupst mit dem Zeigefinger gegen seine Nasenspitze und fügt hinzu: „Aber weißt Du was? Ab dem 26. Dezember hätte ich drei Tage Zeit, um nach Stockholm zu fliegen und dir auf der Vasabron zufällig zu begegnen.“