Hochverehrter Lord-Barde,
Ihr tatet recht darin, den letzten Vers meines Sanges zu tadeln. Handelt es sich doch um den missglückten Versuch, die Silbenabfolge der ersten Strophe 11-10-11-10 bis zum Ende des Liedes fortzusetzen. Doch im Grunde meines Herzens stimme ich Euch zu: Wo der Vortrag leidet, muss die Arithmetik weichen (Pfeif' drauf; so wird man in späteren Zeiten sagen). Und so schleudere ich nun, da ich Eures Beistandes gewiss bin, all denen, die hier Zehnsilbigkeit erwarten, ein mutiges "Neun!" entgegen.
Darüber hinaus dachte ich die erlauchte Minnesänger-Gesellschaft durch den Doppelreim hoffen-wagen / offen-ragen beeindrucken zu können. Doch nun erkenne ich in Demut an, dass Kunstgriffe um ihrer selbst willen unserem Werke selten dienlich sind.
Vor allem danke ich Euch für Euren Vorschlag die letzte Zeile des Liedes betreffend. Mit Eurer gütigen Erlaubnis werde ich sie fürderhin verwenden, beschreibt sie den von mir beabsichtigten Gedanken überaus trefflich.
Eure Vergebung erbitte ich in den zwei Fällen, in denen ich von Eurem Rat abweiche. Erlaubt mir, bei der Formulierung "letztes, tröstlich' Bild" zu bleiben. Die Silbenzählerei, wenn auch zuweilen überaus lästig, hat doch auch ihre Berechtigung und vielleicht stimmt ihr mir darin zu, dass es dem Fluss nicht schadet, auf diese Weise den Reim "gegangen / fangen" anzugleichen. Des weiteren gesteht mir bitte zu, den Held unseres Liedes "den meisten Weg" zurückgehen zu lassen. Zwar wurde dies neben Euch auch schon von meinem Eheweib bemängelt, doch liegt mir viel daran, solcherart anzudeuten, dass eigentlich schon ein gehörig Teil des Weglaufens im Grunde bereits ein Zurückwollen war.
Mit Eurer gütigen Hilfe lautet die zweite Strophe des Liedes vom heutigen Tage an:
Den meisten Weg bin ich zurück gegangen
Auf Heimkehr wagt' ich nicht zur hoffen
Mir nur ein letztes, tröstlich Bild wollt' fangen
und sah die Tür: Sie stand noch offen
Euer ergebender Diener
Günter