Verschmelzung/überarbeitet

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Phil Trepal

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Die melierte Zeitung hat dieselbe Abtönung wie die Balken unter meinen Augen. Eisenfarben.

Ich starre hinein, überfliege Anzeigen. Unter den Balken hängen schon kleine Aussackungen, die ich immer wieder glattziehe. Ich will sie nicht akzeptieren. Ich kann niemanden bei mir haben. Kein Wort, das ich hören will. Der Schnee pappt am Fenster und rutscht langsam herunter. Die Hitze in mir wärmt den Raum.

So fühle ich.

Das Hamsterrad in meinen Gedanken beginnt zu glühen. Ein Zerstäuber - der Schnee vaporisiert. Er hat keine Chance.
Ich kann nicht loslassen von dem Ausdruck, der in deinem Bild hängt.
Das Vertraute und Einzigartige an dir. Die dezenten Züge deiner Gestik, zufällig und feingliedrig. Dein sportlicher Kampfgeist. Das Frische und selbst die partielle Unstetigkeit in dir. Das spontane Aufbrausen deiner Charakterzüge. Deine Gabe mich zu überraschen.

Dein Wesen an sich.

Die Welt ist in Watte eingepackt und still. Kein Glanz hängt irgendwo. Nur auf meinen Lippen. Ich fette sie nun schon 3 Wochen alle paar Minuten und sie reißen immer wieder auf.
Der Abdruck des Kissens bildet eine kleine Mulde in meinen Schopf. Haare zerzaust wie von Elektrizität strähnig in alle Richtungen gezogen.
Der Labello ist fast weggeschmiert. Es ist schon der siebte.
Mit der Zunge lecke ich das Fett von der Unterlippe in meinen Mund. Aber es blockiert nicht den Geschmack des Weins, den du aus Frankreich mitgebracht hast. Es hält ihn nicht auf. Es bildet keine Barriere.

Das Glas steht vor mir, zur Hälfte gefüllt. Nur einmal genippt. Ein Artikel über Yoga ist interessant und lenkt mich für 2 Minuten ab. Dann einer über Psychotherapie. Hier in der Stadt.

Einmal kurz fliegen. Nur einmal. Einmal nur den Felsen wegdiskutieren mit jemanden, der zuhört.
Ihn abtragen. Stück für Stück. Durch ein Gegenüber, das versteht.
Die Späne aus dem Fenster schütten mit jemanden, der sich meiner kurz annimmt.
Ich fokussiere jede Ebene deines Gesichtes. Wandere auf und ab, verweile hier und da. Hänge an deiner Nasenspitze. Will nicht gehen.

Unvollkommenheit ist mein Feind. Das, was nicht alleine funktioniert. Jeden Tag trete ich den Ring. Euphorie, die mich so lange beflügelt hat wird zur Agonie. So, dass Ich sie schmecken kann. So greifbar, dass ich Teile davon regelrecht aus der Luft hebeln kann.

Und dann ist da etwas in meinem Auge. Schon wieder.
Vielleicht etwas vom Kaffeesatz, das jetzt reizt. Denn ich reibe ständig in ihnen herum. Und ich trinke Kaffee in Litern.
Aber es beträufelt meinen Kragen. Mein Kopf in meinen Händen.

Das Hamsterrad. Die Rotation. Sie nimmt an Tempo zu. Im Zeitraster nicht mehr zu verfolgen. Es verwischt meinen Verstand.
Ich lasse das Milchpulver langsam in den Kaffee rieseln während sich mein Kinn auf meine Hand stützt.

Ich schaue ganz genau hin, wie sich das Pulver im Kaffee auflöst. Es vermischen sich Substanzen und etwas Neues kommt dabei heraus. Etwas, das sich gegenseitig ergänzt. Es verschmilzt in sich. So Selbstverständlich wie das Leben. Wie atmen.

Etwas, das nur in Vereinigung zur Entfaltung kommt.

In Gedanken fordere ich dich heraus.
Wenn du sowas wieder trennen kannst, wenn du dich extrahieren kannst und es dich nicht angreift.
Wenn du dich herauslöst aus einer Fusion und doch ganz du bist.
Wenn du Verschmolzenes auseinanderziehen kannst. Ohne, dass es dich aufzerrt.
Dann lass mich dein Lehrling sein.

Sei mein Lehrer!

Jetzt rattert, glüht das Hamsterrad. Beult aus, verliert die Form, springt aus der Angel, knallt irgendwo hin.

Die Bettdecke ist in der Mitte geknickt, mein Bein ragt raus, es ist kalt. Eine Hälfte fehlt.
 

Phil Trepal

Mitglied
Hey danke. Mit diesem kleinen Beitrag melde ich mich zurück nach langer Zeit. ist das erste Mal, dass ich mich mit dem Thema Liebe/Trauer beschäftigt habe. Deshalb freut es mich, dass es dir gefällt.
 



 
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