Via Sanguis - Friedrich und Stine - 4 - Der Kopf in der Sülze
© Tessy
„Dor is een Kopp!
Een, Kopp!
Inne Sülze!“
„Los, Fiete, denn man to“, sagt Karl
und beide gehen schnellen Schrittes
zum Ort des schlimmen Geschehens.
„Ein Kopf in der Sülze?
Im Sülzfleisch erkennt man
doch keinen Kopf im Aspik“,
fragt Friedrich irritiert?
Karl lacht laut:
„Die Sülze is een Fleth
beim Zoll Canal,
am Theerhof,
unten beim Brookthor-Quai“.
„Dor is he,
dor inne Schiet!
Een Kopp van een Frau!“
ruft aufgeregt der Fleetenkieker,
der bei Ebbe den Schlick
nach Brauchbarem durchsucht.
Da liegt der Kopf im Schlick.
Hinter einem dicken Tau,
verfangen an einem Holzphal,
einem Dalben.
Die Haut ganz weiß
und aufgeweicht.
Mit dunklen langen Haaren.
Der Kopf eines jungen Mädchens.
Fast noch ein Kind.
Nicht mehr als 16 Jahre.
Mit weit aufgerissenen Augen,
in Angst und Schrecken?
Was hat sie zuletzt gesehen?
Mit offenem Mund,
als verstummter Schrei des Todes?
Wer hat den Schrei gehört?
Der Schlick stinkt erbärmlich,
das Wasser stinkt faulig,
nach Exkrementen,
nach Abfall,
nach Tod.
Fiete wird schon ganz übel davon.
Oder ist es der grauenvolle Anblick
des leblosen Kopfes
der den stummen Moment
seines schrecklichen Todes
in seinem Gesicht trägt?
Wo ist ihr Leib?
Wie hat man ihren Kopf abgetrennt?
Wo hat sie gelebt?
Wie hat sie gelebt?
Wo hat man sie getötet?
Wie hat man sie getötet?
Kam sie von hier?
Kam sie von außerhalb?
Kam sie von einem Schiff?
Kam sie, um auszuwandern?
Wer ist ihr Mörder?
Wer sind ihre Eltern?
Wer kennt sie?
Wer kann sagen, wer sie war?
Wie kam sie hierher?
So viele Fragen gehen durch Fietes Gedanken.
So wenig Antworten gibt es.
So wenig weiß man über das ‚warum‘.
„Se sieht ärmlich ut,
as wie von de Hinterhöfe“,
sagt Karl.
„Ein trauriges Leben,
ein grausamer Tod,
ein elendes Grab.“
Das auflaufende Wasser mahnt zur Eile.
Der Fleetenkieker greift den Kopf mit einem Haken
und wirft ihn auf eine Treppe.
Gierig haben junge Aale
ihren Hunger nach Aas
im offenen Hals gestillt
und gleiten nun
sich windend zurück ins faulige Wasser.
Aus dem Mund gleitet ein schleimiger Wurm
Und aus dem Ohr eine glitschige Schnecke.
„De is schon twee Dag hier in’t Woter“,
meint der Fleetenkieker,
„un güstern wer ick in Wandrahms-Fleth.“
Karl überlegt:
„Dat sün 500 Meter
vom Gängeviertel bis hierher.
Dat is bannig wat to schleppen
mit so’ne tote Deern.
Warum hebt se er nicht in Keller verscharrt?
Und warum is de Kopp hier?
Warum is de Mörder hier weest?
Wo wüllt he hin?“
Fiete denkt weiter:
„Op’n Schip!
Er wollte auf ein Schiff!
Und sie sollte mit!
Se kümmt von Gängeviertel.
De Deern will nicht.
Dat kommt zum Streit.
He mokt er dood
und hackt er den Kopp af
und dann ab ins Fleth.“
„Im Brookthor-Hafen,
am Broothor-Quai.
Da muss das Schiff sein.
Sonst ween se hier nich langskommen.“
Sie packen den Kopf in einen alten Sack
und nehmen ihn mit.
Karl überlegt.
„Laat ons mol den Weg terüg nach’n Gängeviertel gehen.“
Aber warum hat man ihr den Kopf abgeschlagen?
Wollte man nicht, dass man sie erkennt?
Was hat der Mörder gefürchtet?
Hätte man dann gewusst,
wer er ist, mit dem sie gegangen ist?
Hat er sie geschändet?
Hat sie gedroht,
ihren Beschützer zu rufen?
War es das, was er fürchtete?
„De Mörder is nich von her, Fiete.
He kennt sich nich ut mit Ebbe un Flut.“
Karl erklärt es Fiete.
Vor zwei Tagen war Hochwasser,
nachts um 2 Uhr morgens.
Wenn er gegen Mitternacht davor
den Kopf von der Brücke am Theerhof warfen,
dann trieb er in die Sülze,
verhedderte sich an dem alten Tau
und so wurde er heute Vormittag bei Ebbe gefunden.
Aber wo ist der Körper?
Wo wurde sie ermordet?
Langsam gehen sie in Richtung Gängeviertel.
Immer mit offenen Augen.
Suchend, forschend.
Findet man den Ort der Schande?
Über den Meßberg,
weiter über Klingberg und Depenau.
Dort, am toten Ende eines Fleets.
Wo im fauligen Wasser
alte verrottende Kähne liegen,
neben Fässen, Kisten und Unrat.
Es hat nicht geregnet,
die letzten zwei Nächte.
Vielleicht finden sie Spuren?
Vielleicht dort, bei den Fässern?
Oder dazwischen?
Ist das Blut?
Stammt es von dem Mädchen?
War hier der Ort
des grausigen Geschehens?
Ist dort das blutige Beil,
mit dem man ihr den Kopf vom Rumpf getrennt?
Hat sie da noch gelebt?
Karl schüttelt den Kopf:
„Se wer all dood. Dan weer hier mehr Blut.“
Sie folgen der Blutspur.
Über die Straße.
Bis zum Gröniger-Graben,
einem toten Fleetarm.
Hat man ihren Leib hier ins Wasser geworfen?
Wo ist er geblieben?
Karl denkt nach.
Der Rumpf fällt ins Fleet
und sinkt zu Boden.
Es war auflaufendes Wasser.
Er ist nicht hinausgespült.
Schleift am Boden entlang.
Kann nicht heraus aus dem Fleet.
Nach einem Tag bläht der Körper auf,
schwimmt an die Oberfläche.
Da vorne,
bei der kurzen Brücke,
da steht ein Kahn quer,
liegt im Schlick,
versperrt den Ausgang des Fleets.
Langsam hebt er sich
mit der Flut aus dem
stinkenden Schlick.
Vielleicht haben wir Glück
und der Rumpf des Mädchens
liegt unter dem Kahn.
Neugierig starren sie von der Brücke
hinab in das trübe faulige Naß.
Dort – ja wirklich – es schimmert im Trüben!
Ist das ein helles Kleid?
Ist das der gesuchte Körper
des toten Mädchens?
Karl holt Hilfe.
Zwei kräftige Burschen steigen die Treppe neben der Brücke herab
und ziehen den kopflosen Torso eines jungen Mädchens
aus den brackig, fauligen, schmutzigen Wasser.
Karl untersucht den Körper.
Acht Einstiche mit einem Messer.
Einen direkt ins Herz.
Und am Körper sah man,
dass es mehrere Hiebe mit dem Beil brauchte,
um den Kopf vom Rumpf zu schlagen.
Vielleicht ist der Mörder schwächlich,
klein oder verkrüppelt?
Karl telefoniert in einem Geschäft.
Der Leichenwagen kommt
und nimmt Kopf und Körper
des toten Mädchens mit.
Karl sagt,
dass Dr. Tiede
vom Krankenhaus
die Leichenschau machen soll.
„Laat ons mol ’n Beer drinken“,
zieht Karl den Fiete 6 Stufen hinab
in eine kleine Kneipe,
die man in Hamburg ‚Pieselei‘ nennt.
Kuddl Dreyer heißt der Wirt
und Karl fragt ihn aus,
über die fragliche Nacht,
in der das Mädchen sein Leben verlor.
Nichts hat er gehört.
Als Karl ihn fragt,
ob er immer noch
selbst seinen ‚Köm‘ brennt,
sprudeln seine Worte.
Es war gegen ein Uhr morgens.
Eine Frau rief um Hilfe.
So eine, aus dem Gängeviertel.
Da weiß man ja, was das für eine ist.
Die gehört vielleicht zu Tietjen und seinen Leute.
Da kümmert man sich besser ‚garnich um‘.
Sie schrie: „Ick wüll nich wech!
Ich wüll nich mit op’n Ship!“
Dann wurde sie wohl geschändet.
Da, neben den Kisten,
auf dem alten Persenning
über den aufgerollten Seilen.
Dabei schrie sie um Hilfe.
Aber so einer helfen?
Nee, bloß das nich.
Hast nur Ärger von.
Dann wurde es ganz still.
Karl geht zu dem Persenning,
findet viel Blut auf ihm.
Hier wurde dem jungen Ding also ihr Leben entrissen,
während sie mit aufgerissenen Augen ihrem Tod ins Gesicht sah.
Fiete prostestiert:„Ein Schwarzbrenner!
Den müssen wir festnehmen!“
„Wer nachts Schnaps brennt,
hat Augen und Ohren offen“,
entgegnet Karl, „und das ist mehr Wert für uns
als ein geschnappter Schwarzbrenner.“
„Fiete, wir gehen in den Brookthor-Hafen
und sehen uns dort um!“
Alle Schiffe notieren sie sich.
Und halten sie Augen offen,
nach einem schwächlichen Mann.
Zwei Schiffe waren gestern Nacht am Kai.
Beide sind schon ausgelaufen,
gestern und heute Morgen.
Die Tiel aus Holland
und die Panderma
aus dem Osmanischen Reich.
Auf der Tiel, da war ein Mann,
mit einer mit einer ‚schiefen‘ Hand,
erinnert sich ein Tallymann
und der Fiez der Gang sagt,
er hätte was an der rechten Hand.
Sollte das der gesuchte Mann sein?
„De kümmt schon wedder“,
sagt Karl,
„und denn schnappt wie em!
De geiht ons nich durch die Lappen.
Dat sünd wi de Deern schuldig.“
Liebste Stine
Heute habe ich eine tote Frau gesehen.
Ich wage nicht, Dir zu beschreiben,
wie man sie zurichtete
und was man ihr antat,
damit ich Dich nicht ängstige.
So sehe ich auch die dunklen Seiten,
die mir mein Dienst beschert.
Nicht immer sind es nur die kleinen Verbrechen,
Schwarzbrennen, Diebstahl und Einbruch.
Nun sehe ich auch, welch Grausamkeiten
Auch Euch Frauen begegnen.
Karl sagt, wir werden ihn kriegen.
Er hat es der Frau geschworen.
Es ist so schwierig mit Karl.
Er nimmt es nicht so genau mit dem Gesetz.
Aber er hat ein gutes Talent,
das Verbrechen zu verstehen
und den Hergang zu erkennen.
Er drückt ein Auge zu bei einem Schwarzbrenner,
damit er von ihm hört, was er gesehen hat.
Er macht Geschäfte mit den Verbrechern
und wird dadurch selbst jemand,
der neben dem Gesetze steht.
Aber Karl ist ehrlich zu mir
und ich werde ihn nicht verraten,
auch wenn sein Gebaren
konträr meiner Sinne ist.
Ich freue mich auf Sonnabend.
Wollen wir dann zusammen
zu Tanz und Musik
zu Johnny Godknecht
ins Bahnhofs-Hotel?
P.S. Ich bringe Dir einen schönen Hut aus Hamburg mit.
In liebevollster Verehrung
Dein Fredrich
© Tessy
„Dor is een Kopp!
Een, Kopp!
Inne Sülze!“
„Los, Fiete, denn man to“, sagt Karl
und beide gehen schnellen Schrittes
zum Ort des schlimmen Geschehens.
„Ein Kopf in der Sülze?
Im Sülzfleisch erkennt man
doch keinen Kopf im Aspik“,
fragt Friedrich irritiert?
Karl lacht laut:
„Die Sülze is een Fleth
beim Zoll Canal,
am Theerhof,
unten beim Brookthor-Quai“.
„Dor is he,
dor inne Schiet!
Een Kopp van een Frau!“
ruft aufgeregt der Fleetenkieker,
der bei Ebbe den Schlick
nach Brauchbarem durchsucht.
Da liegt der Kopf im Schlick.
Hinter einem dicken Tau,
verfangen an einem Holzphal,
einem Dalben.
Die Haut ganz weiß
und aufgeweicht.
Mit dunklen langen Haaren.
Der Kopf eines jungen Mädchens.
Fast noch ein Kind.
Nicht mehr als 16 Jahre.
Mit weit aufgerissenen Augen,
in Angst und Schrecken?
Was hat sie zuletzt gesehen?
Mit offenem Mund,
als verstummter Schrei des Todes?
Wer hat den Schrei gehört?
Der Schlick stinkt erbärmlich,
das Wasser stinkt faulig,
nach Exkrementen,
nach Abfall,
nach Tod.
Fiete wird schon ganz übel davon.
Oder ist es der grauenvolle Anblick
des leblosen Kopfes
der den stummen Moment
seines schrecklichen Todes
in seinem Gesicht trägt?
Wo ist ihr Leib?
Wie hat man ihren Kopf abgetrennt?
Wo hat sie gelebt?
Wie hat sie gelebt?
Wo hat man sie getötet?
Wie hat man sie getötet?
Kam sie von hier?
Kam sie von außerhalb?
Kam sie von einem Schiff?
Kam sie, um auszuwandern?
Wer ist ihr Mörder?
Wer sind ihre Eltern?
Wer kennt sie?
Wer kann sagen, wer sie war?
Wie kam sie hierher?
So viele Fragen gehen durch Fietes Gedanken.
So wenig Antworten gibt es.
So wenig weiß man über das ‚warum‘.
„Se sieht ärmlich ut,
as wie von de Hinterhöfe“,
sagt Karl.
„Ein trauriges Leben,
ein grausamer Tod,
ein elendes Grab.“
Das auflaufende Wasser mahnt zur Eile.
Der Fleetenkieker greift den Kopf mit einem Haken
und wirft ihn auf eine Treppe.
Gierig haben junge Aale
ihren Hunger nach Aas
im offenen Hals gestillt
und gleiten nun
sich windend zurück ins faulige Wasser.
Aus dem Mund gleitet ein schleimiger Wurm
Und aus dem Ohr eine glitschige Schnecke.
„De is schon twee Dag hier in’t Woter“,
meint der Fleetenkieker,
„un güstern wer ick in Wandrahms-Fleth.“
Karl überlegt:
„Dat sün 500 Meter
vom Gängeviertel bis hierher.
Dat is bannig wat to schleppen
mit so’ne tote Deern.
Warum hebt se er nicht in Keller verscharrt?
Und warum is de Kopp hier?
Warum is de Mörder hier weest?
Wo wüllt he hin?“
Fiete denkt weiter:
„Op’n Schip!
Er wollte auf ein Schiff!
Und sie sollte mit!
Se kümmt von Gängeviertel.
De Deern will nicht.
Dat kommt zum Streit.
He mokt er dood
und hackt er den Kopp af
und dann ab ins Fleth.“
„Im Brookthor-Hafen,
am Broothor-Quai.
Da muss das Schiff sein.
Sonst ween se hier nich langskommen.“
Sie packen den Kopf in einen alten Sack
und nehmen ihn mit.
Karl überlegt.
„Laat ons mol den Weg terüg nach’n Gängeviertel gehen.“
Aber warum hat man ihr den Kopf abgeschlagen?
Wollte man nicht, dass man sie erkennt?
Was hat der Mörder gefürchtet?
Hätte man dann gewusst,
wer er ist, mit dem sie gegangen ist?
Hat er sie geschändet?
Hat sie gedroht,
ihren Beschützer zu rufen?
War es das, was er fürchtete?
„De Mörder is nich von her, Fiete.
He kennt sich nich ut mit Ebbe un Flut.“
Karl erklärt es Fiete.
Vor zwei Tagen war Hochwasser,
nachts um 2 Uhr morgens.
Wenn er gegen Mitternacht davor
den Kopf von der Brücke am Theerhof warfen,
dann trieb er in die Sülze,
verhedderte sich an dem alten Tau
und so wurde er heute Vormittag bei Ebbe gefunden.
Aber wo ist der Körper?
Wo wurde sie ermordet?
Langsam gehen sie in Richtung Gängeviertel.
Immer mit offenen Augen.
Suchend, forschend.
Findet man den Ort der Schande?
Über den Meßberg,
weiter über Klingberg und Depenau.
Dort, am toten Ende eines Fleets.
Wo im fauligen Wasser
alte verrottende Kähne liegen,
neben Fässen, Kisten und Unrat.
Es hat nicht geregnet,
die letzten zwei Nächte.
Vielleicht finden sie Spuren?
Vielleicht dort, bei den Fässern?
Oder dazwischen?
Ist das Blut?
Stammt es von dem Mädchen?
War hier der Ort
des grausigen Geschehens?
Ist dort das blutige Beil,
mit dem man ihr den Kopf vom Rumpf getrennt?
Hat sie da noch gelebt?
Karl schüttelt den Kopf:
„Se wer all dood. Dan weer hier mehr Blut.“
Sie folgen der Blutspur.
Über die Straße.
Bis zum Gröniger-Graben,
einem toten Fleetarm.
Hat man ihren Leib hier ins Wasser geworfen?
Wo ist er geblieben?
Karl denkt nach.
Der Rumpf fällt ins Fleet
und sinkt zu Boden.
Es war auflaufendes Wasser.
Er ist nicht hinausgespült.
Schleift am Boden entlang.
Kann nicht heraus aus dem Fleet.
Nach einem Tag bläht der Körper auf,
schwimmt an die Oberfläche.
Da vorne,
bei der kurzen Brücke,
da steht ein Kahn quer,
liegt im Schlick,
versperrt den Ausgang des Fleets.
Langsam hebt er sich
mit der Flut aus dem
stinkenden Schlick.
Vielleicht haben wir Glück
und der Rumpf des Mädchens
liegt unter dem Kahn.
Neugierig starren sie von der Brücke
hinab in das trübe faulige Naß.
Dort – ja wirklich – es schimmert im Trüben!
Ist das ein helles Kleid?
Ist das der gesuchte Körper
des toten Mädchens?
Karl holt Hilfe.
Zwei kräftige Burschen steigen die Treppe neben der Brücke herab
und ziehen den kopflosen Torso eines jungen Mädchens
aus den brackig, fauligen, schmutzigen Wasser.
Karl untersucht den Körper.
Acht Einstiche mit einem Messer.
Einen direkt ins Herz.
Und am Körper sah man,
dass es mehrere Hiebe mit dem Beil brauchte,
um den Kopf vom Rumpf zu schlagen.
Vielleicht ist der Mörder schwächlich,
klein oder verkrüppelt?
Karl telefoniert in einem Geschäft.
Der Leichenwagen kommt
und nimmt Kopf und Körper
des toten Mädchens mit.
Karl sagt,
dass Dr. Tiede
vom Krankenhaus
die Leichenschau machen soll.
„Laat ons mol ’n Beer drinken“,
zieht Karl den Fiete 6 Stufen hinab
in eine kleine Kneipe,
die man in Hamburg ‚Pieselei‘ nennt.
Kuddl Dreyer heißt der Wirt
und Karl fragt ihn aus,
über die fragliche Nacht,
in der das Mädchen sein Leben verlor.
Nichts hat er gehört.
Als Karl ihn fragt,
ob er immer noch
selbst seinen ‚Köm‘ brennt,
sprudeln seine Worte.
Es war gegen ein Uhr morgens.
Eine Frau rief um Hilfe.
So eine, aus dem Gängeviertel.
Da weiß man ja, was das für eine ist.
Die gehört vielleicht zu Tietjen und seinen Leute.
Da kümmert man sich besser ‚garnich um‘.
Sie schrie: „Ick wüll nich wech!
Ich wüll nich mit op’n Ship!“
Dann wurde sie wohl geschändet.
Da, neben den Kisten,
auf dem alten Persenning
über den aufgerollten Seilen.
Dabei schrie sie um Hilfe.
Aber so einer helfen?
Nee, bloß das nich.
Hast nur Ärger von.
Dann wurde es ganz still.
Karl geht zu dem Persenning,
findet viel Blut auf ihm.
Hier wurde dem jungen Ding also ihr Leben entrissen,
während sie mit aufgerissenen Augen ihrem Tod ins Gesicht sah.
Fiete prostestiert:„Ein Schwarzbrenner!
Den müssen wir festnehmen!“
„Wer nachts Schnaps brennt,
hat Augen und Ohren offen“,
entgegnet Karl, „und das ist mehr Wert für uns
als ein geschnappter Schwarzbrenner.“
„Fiete, wir gehen in den Brookthor-Hafen
und sehen uns dort um!“
Alle Schiffe notieren sie sich.
Und halten sie Augen offen,
nach einem schwächlichen Mann.
Zwei Schiffe waren gestern Nacht am Kai.
Beide sind schon ausgelaufen,
gestern und heute Morgen.
Die Tiel aus Holland
und die Panderma
aus dem Osmanischen Reich.
Auf der Tiel, da war ein Mann,
mit einer mit einer ‚schiefen‘ Hand,
erinnert sich ein Tallymann
und der Fiez der Gang sagt,
er hätte was an der rechten Hand.
Sollte das der gesuchte Mann sein?
„De kümmt schon wedder“,
sagt Karl,
„und denn schnappt wie em!
De geiht ons nich durch die Lappen.
Dat sünd wi de Deern schuldig.“
Liebste Stine
Heute habe ich eine tote Frau gesehen.
Ich wage nicht, Dir zu beschreiben,
wie man sie zurichtete
und was man ihr antat,
damit ich Dich nicht ängstige.
So sehe ich auch die dunklen Seiten,
die mir mein Dienst beschert.
Nicht immer sind es nur die kleinen Verbrechen,
Schwarzbrennen, Diebstahl und Einbruch.
Nun sehe ich auch, welch Grausamkeiten
Auch Euch Frauen begegnen.
Karl sagt, wir werden ihn kriegen.
Er hat es der Frau geschworen.
Es ist so schwierig mit Karl.
Er nimmt es nicht so genau mit dem Gesetz.
Aber er hat ein gutes Talent,
das Verbrechen zu verstehen
und den Hergang zu erkennen.
Er drückt ein Auge zu bei einem Schwarzbrenner,
damit er von ihm hört, was er gesehen hat.
Er macht Geschäfte mit den Verbrechern
und wird dadurch selbst jemand,
der neben dem Gesetze steht.
Aber Karl ist ehrlich zu mir
und ich werde ihn nicht verraten,
auch wenn sein Gebaren
konträr meiner Sinne ist.
Ich freue mich auf Sonnabend.
Wollen wir dann zusammen
zu Tanz und Musik
zu Johnny Godknecht
ins Bahnhofs-Hotel?
P.S. Ich bringe Dir einen schönen Hut aus Hamburg mit.
In liebevollster Verehrung
Dein Fredrich