Volle Aufmerksamkeit aufs Wesentliche

Papiertiger

Mitglied
„Haben Sie noch weitere Exemplare der Rolex?“
Der Geschäftsführer strahlt. „Selbstverständlich. Trinken Sie doch gerne noch ein Glas Champagner während mein Team danach schaut“. Eine sehr attraktive Frau in einem äußerst eng anliegenden Kleid beugt sich lächelnd über den Tisch und schenkt ein weiteres Glas ein.
Es geht jetzt bereits seit zwei Stunden so, ein Kaufrausch wie ihn die Mitarbeiter des edlen Etablissement noch nie zuvor erlebt haben. Und sie haben sehr viele, sehr wohlhabende Kunden in diesem Zürcher Luxuskaufhaus. Russische Oligarchen, südamerikanische Machos, Menschen, die ihr Geld ganz sicher nicht so ganz legal gemacht haben. Und bedauerliche Geschöpfe, die tief ins Dispo gehen, um mithalten zu wollen, lieber eine Luis Vuitton-Handtasche für 4.000 Euro besitzen und dafür Monate lang heimlich und schlecht gelaunt Spaghetti mit Ketchup herunterwürgen.
Der Geschäftsführer ist nun fast ebenso berauscht von den immensen Umsätzen wie es der Scheich aus Saudi Arabien vom ungewohnten Alkohol ist. In seinem Büro schlagen ihm seine Abteilungsleiter immer weitere Dinge und Ablenkungen vor, mit denen der Mann aus dem Orient gelockt werden kann.
Es geht noch viele Stunden so weiter. Immer mehr Mitarbeiter strömen herbei, wollen mit eigenen Augen erleben, wie dieser Irre Millionen ausgibt.
Endlich bricht der Abend an. „Wie möchten sie bezahlen?“, fragt der Geschäftsführer.
„Oh. Ich denke das geht aufs Haus“, sagt der leicht beschwipste Scheich mit einem verschmitzten Lächeln.
Der Chef lacht.
„Verzeihen Sie, ich muss nur kurz zurück in mein Hotel. Es dauert nicht lange“.
„Selbstverständlich“. Er bringt seinen Kunden zu dessen Luxuslimousine.
Der Scheich steigt beschwingt in sein Fahrzeug, erstaunlich nüchtern. „Mögen Sie die Geschichte von Robin Hood“, fragt er den emsigen Verkäufer?
Der Mann schaut leicht irritiert. „Ja. Ist doch eine starke Story“.
„Dann wird es sie erfreuen, guter Mann, dass meine Leute, während sie sich so rührend darum bemüht haben all meine Aufmerksamkeit darauf gelenkt haben, mir möglichst viel Plunder anzudrehen, ihr gesamtes Personal so sehr abgelenkt war, das wir ganz in Ruhe ihren Tresor ausräumen konnten.
Dem Geschäftsführer entgleisen die Gesichtszüge. Ihm dämmert allmählich, dass dies doch keine Scherze sind.
„So macht ihr es doch sonst mit uns: ihr lenkt unsere volle Aufmerksamkeit darauf uns zu verschulden, um uns Plunder zu kaufen und Euch reich zu machen.“. Mit quietschenden Reifen fährt der Maybach davon.
 

petrasmiles

Mitglied
Lieber Papiertiger,

ein altes Thema und immer aktuell, die liebe Gier gepaart mit verzweifelter Geltungssucht.
Ich fürchte nur, ein paar Sätz sind Dir zu lang geraten - das hemmt den Lesefluss.

Liebe Grüße
Petra
 



 
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