Vom Glauben, dass alles so ist wie es scheint... (Teil 3)

chinaski

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Vom Glauben, dass alles so ist wie es scheint... (Teil 3)

Das Schleifen der Drahtseile verstummte mit einem Mal. Die zwei schweren Eisentüren des Aufzugs schoben sich langsam auseinander. Ich blickte direkt in den hell erleuchteten Zwinger. Ein junger Mann sah mir für einen Augenblick in die Augen, blickte alsdann durch mich hindurch und schritt mit einem Kopfnicken an mir vorbei. Mir war so als wenn er ein leises „Guten Abend“ murmelte. Ich nickte kurz zurück bevor er hinter mir verschwand. In diesem Moment gedachte ich der Tatsache, dass man immer nur das Leben vor einem lebte. Doch hinter den Rücken der Menschen befand sich doch ein ebenso reichhaltiges und großes Reich.
Das Geräusch, was von den Türen des Aufzugs stammte, die sich bereits wieder zusammen schoben, unterbrach diese sehr banalen, aber gleichzeitig kaum vorstellbaren Gedanken. Ich konnte gerade noch meinen italienischen Schuh zwischen sie stellen. Ohne Mühe hätten die schweren Metallplatten meinen Fuß zerquetschen können, doch wenigstens auf die Lichtschranke am Fahrstuhl konnte ich mich verlassen. Mit mehreren ruckartigen Bewegungen öffnete sich der Stahlkasten und ich ging hinein. Im Inneren befand sich links von mir die Tafel mit den Etagenknöpfen. Ich besann mich der Worte von Schwester Delfie und drückte die 2. Mit einem eisernen Rollen schlossen sich die zwei Türplatten und ich fühlte mich wie ein zu unrecht Verurteilter auf dem Weg zur Hölle. Ich muss zugeben, dass ich beruhigt war, als sich der Aufzug nach Oben bewegte.
„Jetzt reiß dich zusammen!“, sprach ich laut vor mich hin. Ich schaute mich um, da ich mich noch einmal versichern musste, dass nicht doch noch jemand mit im Aufzug stand. Aber ich war allein und beobachtete das Zahlenspiel über der Tür. Die 2 leuchtete wieder mit einem lauten Bimmeln auf. Der Aufzug blieb stehen und die Fahrgeräusche setzten aus. Stattdessen rollten die zwei monströsen Platten abermals auseinander. Ich pustete durch und ging hinaus auf den Flur. Ich schaute nach links und sah zwei schwere Glastüren.
„G!“, las ich auf dem Milchglas der Türen.
Ich drehte meinen Kopf, ohne mich sonst wie zu bewegen und schaute auf die andere Seite.
„Aha! Gang H. Da ist er ja! - Alles im Lot. Genau wie die Schwester mir es beschrieben hatte. Warum auch nicht?!“, dachte ich mir mit einer gewissen Beunruhigung.
Ich lief auf die beiden Türen mit dem H zu und wunderte mich zum ersten Mal darüber, warum in größeren Gebäuden alles immer so verdammt gleich aussah.
Ich streckte meinen Arm aus und packte mit der Hand an das dunkle Holz, das als Griff an den Türen angebracht war.
Just in dem Augenblick kam die Tür auf mich zu und schob mich zurück, so dass ich mit dem Rücken an der kalten Wand stand.
„Oh, entschuldigen Sie! Haben Sie sich was getan?! Ich hab Sie nicht gesehen.“, fuhr es dem Mann vor mir mit besorgtem Gesicht hektisch aus dem Mund.
„Nein, nein! Schon gut! Alles in Ordnung.“, versicherte ich, ohne zu wissen, ob nicht doch etwas an mir zu Schaden gekommen war. Es dauerte nur ein paar Sekunden bis ich mich wieder gefangen hatte.
„Nein wirklich. Sie konnten ja nicht ahnen, dass ich von der anderen Seite der Tür... Ich meine, ich habe Sie ja auch nicht bemerkt. Vielleicht sollten die hier doch lieber durchsichtiges Glas verwenden.“
„Ja, vielleicht.“
„Nun gut...“, begann ich und blickte auf das weiße Schild, das sich an dem Kittel des Mannes befand. „... Prof. Dr. Mendez...?! – Prof. Dr. Mendez! Ich... ich bin gerade auf dem Weg ... zu Ihnen. Ich meine, ich wollte mir Ihren Vortrag anhören.“
„Wirklich?! – Dann würde ich vorschlagen Sie setzen sich schon einmal. Raum 28H223 auf der linken Seite den Gang hinunter. Die Tür steht offen. Sie entschuldigen mich kurz.“.
Er hatte dabei seinen Arm in den Gang gestreckt. Sein Oberkörper war ein wenig nach Vorne gebeugt als Geste der höflichen Aufforderung, an ihm vorbeizugehen. Ich blickte ihn an und fragte irritiert „Und Sie?“
„Was ging mich das an, was der Professor vorher zu tun hatte?!“, schoss es mir ins Bewusstsein. Doch bevor ich mich für meine Frage entschuldigen konnte antwortete er „Ich gehe kurz auf die Toilette, wenn Sie erlauben.“
 



 
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