vor dem Einschlafen

der Geist ist unruhig
rastlos wandert er umher
reißt ungefragt Täler und Berge mit sich
will mir etwas beweisen
ordnet mich in eine bestimmte Kategorie
fleißig arbeitet er an den Tabellen weiter
die mich tagsüber plagten
obwohl alles nur eine Seifenblase ist

ich wünsche ihm eine gute Nacht
doch er schaut mich nur an und sagt
„Ach bitte, jetzt mach mir hier keine Szene.
Hast du heute ihren Blick gesehen?
Ob sie was von dir will?
Übrigens, die Ampel war schon dunkelorange,
ich hoffe du hast es erkannt.
Und was hast du dir heute eigentlich
in der Kantine erlaubt?“

Ich lächle in mich hinein.
„Jetzt halt die Schn..
und zähle weiter.“

„Drittes Schäfchen,
viertes Schäfchen…“
er räuspert sich theatralisch
als wolle er mir beweisen
dass selbst Zählen
eine Wissenschaft sei

„Fünftes Schäfchen“,
nuschelt er,
„die Bemerkung deines Chefs
war bestimmt kritisch gemeint.“

ich schüttle nur den Kopf
starre in die Dunkelheit
bis sie sich fast wie Wasser anfühlt
Stille ist eine seltene Blume
die in der Nacht ihre Blätter entfaltet
und ohne Eile ihre zarte Blüte
den wachsamen Augen des Vollmonds schenkt
lautloses Atmen zwischen den Sternen
trägt ihren Duft bis in den ersten Hauch
des Morgens

„Sechstes Schäfchen“,
fahre ich nun fort
denn irgendwer
muss hier ja
die Führung übernehmen

er wird leiser
grummelt noch ein bisschen
über verpasste Chancen
über Takte, die ich angeblich
nicht getroffen habe

„Siebtes Schäfchen“,
sage ich, bewusst ruhig,
und zum ersten Mal
seit vielen Nächten
scheint er kurz…

Hallo Önder,

warum hat das Lyrich denn aufgehört zu zählen bzw. abgebrochen? (Bitte noch ein Leerzeichen vor den Auslassungszeichen, denn Du brichst hier kein Wort ab)
Ja, dieser unruhige Geist, der machtvoll niemals Ruhe geben will, wer kennt den nicht? Ich denke, dieser Text hätte noch über Seiten fortgeführt werden können (wie in den vorherigen Nächten) und es wäre immer noch sehr glaubwürdig. Ich wende da eine andere Taktik an, aber das würde zu weit führen hier. Bis sieben ist kurz gezählt, vielleicht war der Geist auch müde?
Ich mag das Gedicht. obwohl es einen relativ ernsten Hintergrund hat, kommt es doch humorvoll daher.
Ich hoffe, jeder hat gut ausgeschlafen heute Morgen. ;-)

LG Aniella

Hallo Arcos, guten Morgen

Arcos schrieb:

starre in die Dunkelheit
bis sie sich fast wie Wasser anfühlt
Stille ist eine seltene Blume
die in der Nacht ihre Blätter entfaltet
und ohne Eile ihre zarte Blüte
den wachsamen Augen des Vollmonds schenkt
lautloses Atmen zwischen den Sternen
trägt ihren Duft bis in den ersten Hauch
des Morgens

Zum Vergrößern anklicken....

…fast zu schön diese Schilderung – doch es passt zum Schäfchen zählen – sehr amüsant dieses Gedicht – sende LG und wünsche einen freudvollen, schönen Tag - wirena

Besten Dank @Aniella und @wirena für die positive Resonanz. Freue mich sehr.
Ja, das Lyrich scheint hier Glück zu haben, da der Widerstand recht müde ist.

Grüße
Önder