Horst M. Radmacher
Mitglied
Akito Nakamura war das jüngste von drei Kindern des Diplomaten Kiyoshi Nakamura, langjähriger Kulturattaché an der japanischen Botschaft in Bonn. Beruflich ging er einen anderen Weg als seine Brüder, die alle klassische deutsche Musik studierten. Akito liebte diese auch, wie alle in der Familie, in der sämtliche Mitglieder eine starke Affinität zur deutschen Sprache und der deutschen Kultur haben. Akito ging einen anderen Weg und studierte 'Gesundheitserziehung und Familienhygiene' an der Universität Kyoto. Dort promovierte er zum Thema “Waldmedizin und deren Auswirkungen auf den menschlichen Organismus sowie Aktivitäten des natürlichen Killerenzyms”. Er wurde bald zum anerkannten Experten für Shinrin Yoku, Waldbaden.
Es folgten mehrere Semester Studium der deutschen Sprache am Goethe Institut seiner Heimatstadt. Akito wurde Japans Experte No. 1 fürs Deutschtum, einer der wenigen Japaner, die deutsche Wörter wie 'Regierungsvertreter' oder 'Kriegserklärung' unfallfrei mit deutschem 'R' statt ostasiatischem 'L' aussprechen konnten. Bei einer seiner Studien stieß er auf einen Artikel, in dem die Süddeutsche Zeitung 1980 eine schreckliche Vision der Zukunft des deutschen Waldes beschrieb. Nach der Prognose für den Schwarzwald wäre der deutsche Wald spätestens im Jahr 2010 gestorben; statt grüner Berge und Wiesen, nur verdorrtes Land. Vor drei Jahren also? Das kann nicht wahr sein, davon hätte er erfahren. Er beschloss, nach Deutschland zu reisen, um sich vor Ort ein Bild zu machen. Die Deutschen ohne ihren mystisch verbrämten Wald? Das wollte und konnte er sich nicht vorstellen. Der Ausblick vor der Landung in Frankfurt ließ seine Stimmung steigen: schon hier, viel Grün um den Airport herum, unterwartet waldreich das Gelände. Auf dem Weg in den Schwarzwald wählte er nicht die Strecke über die Autobahn. Er fuhr östlich davon in Richtung Süden, durch den Odenwald. Und auch hier, alles voller üppig wachsender Bäume, bis dicht an den Rand der Bundesstraße reichte der Wald.
Dr. Nakamura überlässt selten etwas dem Zufall. Bei Mannheim überquerte er den Rhein, um auf dieser Seite weiter südwärts zu fahren. Er fuhr am Rande des Pfälzer Waldes, der hier eine fast undurchdringbare, grüne Wand bildet. In der Nähe von Karlsruhe wieder auf die andere Rheinseite, hier beginnt der Schwarzwald. Akito Nakamura war überwältigt von soviel Wald. Von Freiburg aus unternahm er eine erste Exkursion auf den Gipfel des Schauinsland. Welch ein Anblick! Statt vorhergesagter brauner Hänge und kahler Höhen, blickte er auf eine schier unfassbare Menge an Grün. Die Berge waren bis an die Gipfel voller dunkelgrüner Bäume. Die Täler schimmerten grün wie die Oberfläche eines Billardtisches. Was war hier geschehen? Auf einer seiner Wanderungen stieß er auf ein Zeltlager dreier junger Leute, Gesa, Urte und Lasse aus Heide in Holstein, wie sie sich vorstellten. Diese rollten gerade ihre Yogamatten auf. Dr. Nakamura konnte sein Glück kaum fassen. Die drei waren Waldbade-Therapeuten. Sie erklärten ihm, dass sie hier im Hoch-Schwarzwald ein Therapie-Zentrum errichten wollten. In ihrer Heimatregion gäbe es nämlich keine Wälder, sagten sie, nur plattes, weites Land, so weit das Auge reicht. Auch wäre es klimatisch sehr ungemütlich dort, hoch im Norden: regnerisch, kühl und oftmals dunkel. Viele Menschen dort trinken zu viel Alkohol und neigen zu Depressionen. Für dieses und anderes Klientel wollten Sie hier ein Therapie-Zentrum errichten.
Akito war schwer begeistert. Ein ähnlicher Gedankenansatz hatte in seiner Heimat zur Popularität des Shinrin Yoku beigetragen. Er beschloss spontan, mit diesen drei Visionären zusammenzuarbeiten. Seine Frage nach dem nicht erkennbaren Tod des deutschen Waldes konnten sie ihm ebenfalls beantworten. Man hatte hier schlauerweise den alten Waldbestand gerodet und durch neue, schnellwachsende Nadelholzsorten ersetzt. Forst statt Wald, so einfach war das und sah im Ergebnis ähnlich grün aus. Als Grundlage in Form von Flyern für das Therapieangebot, für die Dokumentation sowie wissenschaftliche Hintergrundinformation über die Heilformen im Wald sorgte der japanische Experte. Für die Akquisition der Patienten würden seine deutschen Partner zuständig sein. Der Erfolg gab ihnen recht. Innerhalb weniger Jahre gelang es den Visionären, ein Volk von Waldspaziergängern zu Waldbadern zu machen. Dabei kam ihnen die neu geschaffene Form des Forsts sehr entgegen; denn gerade, schlanke Tannen sind leichter zu umarmen als dicke, knorrige Eichen. Es dauerte nicht lange, und es wurde die erste Hochschule für Waldbade-Therapie gegründet, die GUL-Holzmichel-Hochschule im Thüringer Wald, dem größten geschlossenen Waldgebiet Deutschlands. Dr. Akito Nakamura reiste als Ehrengast zur Grundsteinlegung nach Thüringen.
Viele Jahre später musste er seinen Enkeln immer wieder die Gute-Nacht-Geschichte vom Tod des Waldes und dem klugen Volk, das den Wald mit seiner Hilfe retteten konnte, erzählen. Hierbei lächelte er verträumt und seine Finger spielten dabei mit einem Handschmeichler. Er trug es immer bei sich, das Abschiedsgeschenk von Lasse, ein handgeschnitzter Waldschrat aus deutscher Tanne.
Es folgten mehrere Semester Studium der deutschen Sprache am Goethe Institut seiner Heimatstadt. Akito wurde Japans Experte No. 1 fürs Deutschtum, einer der wenigen Japaner, die deutsche Wörter wie 'Regierungsvertreter' oder 'Kriegserklärung' unfallfrei mit deutschem 'R' statt ostasiatischem 'L' aussprechen konnten. Bei einer seiner Studien stieß er auf einen Artikel, in dem die Süddeutsche Zeitung 1980 eine schreckliche Vision der Zukunft des deutschen Waldes beschrieb. Nach der Prognose für den Schwarzwald wäre der deutsche Wald spätestens im Jahr 2010 gestorben; statt grüner Berge und Wiesen, nur verdorrtes Land. Vor drei Jahren also? Das kann nicht wahr sein, davon hätte er erfahren. Er beschloss, nach Deutschland zu reisen, um sich vor Ort ein Bild zu machen. Die Deutschen ohne ihren mystisch verbrämten Wald? Das wollte und konnte er sich nicht vorstellen. Der Ausblick vor der Landung in Frankfurt ließ seine Stimmung steigen: schon hier, viel Grün um den Airport herum, unterwartet waldreich das Gelände. Auf dem Weg in den Schwarzwald wählte er nicht die Strecke über die Autobahn. Er fuhr östlich davon in Richtung Süden, durch den Odenwald. Und auch hier, alles voller üppig wachsender Bäume, bis dicht an den Rand der Bundesstraße reichte der Wald.
Dr. Nakamura überlässt selten etwas dem Zufall. Bei Mannheim überquerte er den Rhein, um auf dieser Seite weiter südwärts zu fahren. Er fuhr am Rande des Pfälzer Waldes, der hier eine fast undurchdringbare, grüne Wand bildet. In der Nähe von Karlsruhe wieder auf die andere Rheinseite, hier beginnt der Schwarzwald. Akito Nakamura war überwältigt von soviel Wald. Von Freiburg aus unternahm er eine erste Exkursion auf den Gipfel des Schauinsland. Welch ein Anblick! Statt vorhergesagter brauner Hänge und kahler Höhen, blickte er auf eine schier unfassbare Menge an Grün. Die Berge waren bis an die Gipfel voller dunkelgrüner Bäume. Die Täler schimmerten grün wie die Oberfläche eines Billardtisches. Was war hier geschehen? Auf einer seiner Wanderungen stieß er auf ein Zeltlager dreier junger Leute, Gesa, Urte und Lasse aus Heide in Holstein, wie sie sich vorstellten. Diese rollten gerade ihre Yogamatten auf. Dr. Nakamura konnte sein Glück kaum fassen. Die drei waren Waldbade-Therapeuten. Sie erklärten ihm, dass sie hier im Hoch-Schwarzwald ein Therapie-Zentrum errichten wollten. In ihrer Heimatregion gäbe es nämlich keine Wälder, sagten sie, nur plattes, weites Land, so weit das Auge reicht. Auch wäre es klimatisch sehr ungemütlich dort, hoch im Norden: regnerisch, kühl und oftmals dunkel. Viele Menschen dort trinken zu viel Alkohol und neigen zu Depressionen. Für dieses und anderes Klientel wollten Sie hier ein Therapie-Zentrum errichten.
Akito war schwer begeistert. Ein ähnlicher Gedankenansatz hatte in seiner Heimat zur Popularität des Shinrin Yoku beigetragen. Er beschloss spontan, mit diesen drei Visionären zusammenzuarbeiten. Seine Frage nach dem nicht erkennbaren Tod des deutschen Waldes konnten sie ihm ebenfalls beantworten. Man hatte hier schlauerweise den alten Waldbestand gerodet und durch neue, schnellwachsende Nadelholzsorten ersetzt. Forst statt Wald, so einfach war das und sah im Ergebnis ähnlich grün aus. Als Grundlage in Form von Flyern für das Therapieangebot, für die Dokumentation sowie wissenschaftliche Hintergrundinformation über die Heilformen im Wald sorgte der japanische Experte. Für die Akquisition der Patienten würden seine deutschen Partner zuständig sein. Der Erfolg gab ihnen recht. Innerhalb weniger Jahre gelang es den Visionären, ein Volk von Waldspaziergängern zu Waldbadern zu machen. Dabei kam ihnen die neu geschaffene Form des Forsts sehr entgegen; denn gerade, schlanke Tannen sind leichter zu umarmen als dicke, knorrige Eichen. Es dauerte nicht lange, und es wurde die erste Hochschule für Waldbade-Therapie gegründet, die GUL-Holzmichel-Hochschule im Thüringer Wald, dem größten geschlossenen Waldgebiet Deutschlands. Dr. Akito Nakamura reiste als Ehrengast zur Grundsteinlegung nach Thüringen.
Viele Jahre später musste er seinen Enkeln immer wieder die Gute-Nacht-Geschichte vom Tod des Waldes und dem klugen Volk, das den Wald mit seiner Hilfe retteten konnte, erzählen. Hierbei lächelte er verträumt und seine Finger spielten dabei mit einem Handschmeichler. Er trug es immer bei sich, das Abschiedsgeschenk von Lasse, ein handgeschnitzter Waldschrat aus deutscher Tanne.