Nun – es begann zunächst harmlos. Ich war spät dran, ein Arzttermin, Friseur oder sonst was. Bin mir nicht mehr sicher. Wollte grad über die Straße rennen, da ging mein Handy. Ich blieb stehen und schaute auf das Display – Nummer unbekannt. Natürlich drückte ich weg und lief schon halb auf die Straße, da hörte ich Hupen und quietschende Reifen. Ein roter Sportwagen überschlug sich direkt von meiner Nase auf der Straße, die anderen Passanten schrien und rannten in sämtliche Richtungen. Überall flogen Scherben, Plastik und Blechteile. Der Wagen kam letztendlich in ein paar geparkten Autos zum Stehen – ich noch immer unter Schock. Wäre ich nicht die paar Sekunden stehen geblieben, um mein Handy zu checken, hätte mich dieser Sack erfasst. Glück, dachte ich da noch. Wer auch immer mir da irgendeinen Scheiß andrehen, oder mich um ein paar hundert Euro betrügen wollte, ich schuldete ihm mindestens eine Flasche Wein. Ich war neugierig wer wohl mein Retter war, schließlich sind sowas ja die Geschichten die man auf Partys erzählt, also beschloss ich das nächste Mal bei „Nummer unbekannt“ ranzugehen. Meistens sind diese Typen ja hartnäckig. Doch der Anruf kam nicht.
Einige Wochen später war ich auf einer Hochzeit. Natürlich nicht meine, Sie müssen wissen: ich mache Event-Fotografie. Die Braut war Influencer und machte ständig irgendwelche absurden Vorgaben für Motive, Posen und so ein Zeug. Sie wollte den Kram ja auf Insta posten. Hab ihr dann irgendwann die Meinung gegeigt. Stimmung war sowieso aufgeladen, aber ich gebe zu: war an dem Tag irgendwie schrägt drauf. Jedenfalls ging kurz danach mein Telefon wieder los. Nummer unbekannt. Bin aus dem Zelt gegangen um mir einen ruhigeren Ort zum Telefonieren zu suchen und ging dann ran.
„Hallo?“ – Keine Antwort.
„Haaalllooo?“ – Wieder nichts.
Dann hörte ich schreie aus dem Zelt. Panische. Ich rannte zurück ins Zelt. Überall Blut. Die hohle Nuss hatte einen ihrer Ex-Freunde eingeladen – der sie anscheinend noch immer vergöttert. Sein Handy war voll mit ihren Bildern, die Polizei fand in seiner Wohnung sogar einen Schrein, der ihr gewidmet war. Ihm war anscheinend auch die letzte Sicherung durchgerannt und stach den Bräutigam und einige der Gäste ab. Drei tote, vier Verletzte. Kam sogar in den Lokalnachrichten. Als ich im Zelt eintraf hatten einige Gäste ihn bereits überwältigt. Da ich in der Nähe des Brautpaares war, hätte er sich sicher auch auf mich gestürzt. Schon wieder hatte mir der unbekannte Anrufer das Leben gerettet.
Doch dabei blieb es nicht. Kneipenschlägereien, ein Überfall in meiner Straße, ein losgerissener Kampfhund, sogar – und das glauben Sie mir sicher nicht – ein herunterfallendes Klavier. Das Viertel geht echt den Bach runter. Mein anonymer Schutzengel warnte mich jedenfalls scheinbar zuverlässig vor Gefahren. Hab natürlich niemanden davon erzählt, nachher hielten mich noch alle für verrückt. Wie würden man so ein Gespräch auch anfangen? Stattdessen beschloss ich mein Glück auf die Probe zu stellen.
Nicht mein hellster Moment, gebe ich zu, aber beim morgendlichen Joggen kam mir die Idee auf den Bahnschienen zu laufen. Es wäre locker ne halbe Stunde bevor der nächste RE hier durchfuhr, und ich stellte mir einen Wecker, um rechtzeitig von den Gleisen zu gehen. Ob dies als Gefahr reichen, würde war mein Gedanken, nicht, ob mir etwas zustoßen könnte. Allein das hätte wohl schon für die Anstalt genügt. Natürlich auch In-Ears drin für Musik, brauch die halt zum Laufen. Nicht mal Zehn Minuten hats gedauert, bis mein Telefon ging. Sah mich verwirrt um und da raste ein verdammter Güterzug auf mich zu. Schlau wie ich bin, hatte ich natürlich nicht daran gedacht, dass die Strecke auch für andere Dinge verwendet wird. Sprang natürlich zur Seite – unter dem wütenden Hupen des Lockführers. Aber ich war mich jetzt sicher, ich war unsterblich. Zumindest in gewisser Weise.
Und wissen Sie was? Es war verdammt befreiend. Ich konnte Blind über die Straße gehen – wartete einfach, bis der Unbekannte aufgelegt hatte und lief los. Klappte jedes Mal. Wen interessieren dann noch Ampeln? Allein nachts nach Hause laufen – kein Problem. Jede Dumme Idee ausprobieren? Klaro. Das Handy warnte mich ja, wenn es zu dumm war. Ich blockierte alle anderen Anrufe, löschte alle Apps. So musste ich nicht mehr auf das Display schauen und wusste, immer wenn es vibrierte, war es der mysteriöse Anrufer. Meine Freunde hielten mich erst für völlig irre. Hatte ihnen erzählt, dass mir der ganze Social Media und Messenger Kram auf die Nerven ginge und ne Auszeit brauchte. Wer was von mir will sollte mir ne Mail schreiben. Das Smartphone wär nur noch für Notfälle dabei – was ja auch stimmte. Doch auch im Alltag ging das Telefon ständig los. Als ob das Schicksal sich einen üblichen Scherz mit mir erlauben würde. Versuchte mich mehrmals am Tag umzubringen, oder zumindest schwer zu verletzen, doch warnte mich wenige Sekunden vorher.
Natürlich ging es kaputt. Es war mir einmal zu oft heruntergefallen, zersprang in tausend Einzelteile. Ich nahm die SIM und wollte in den nächsten Laden gehen – ich konnte nicht mehr ohne das Handy, ohne meinen Schutzengel. Online hätte zu lange gedauert, selbst hier in der Stadt. Ging also los und bäm – werde von einem Auto angefahren. Wieder ein roter Sportwagen. Die sollten verboten werden. Felsenfaktur, oder sowas, meinten die Ärzte. Hat Wochen gedauert, bis ich entlassen wurde. Auf dem linken Ohr höre ich immer noch nichts. Jedenfalls brachte mein Vater mich nach Hause – ohne ihn wäre ich sicher direkt vors nächste Auto gelaufen. Schon witzig, wie schnell man Lebensretter als selbstverständlich sieht. Handy online bestellt, SIM rein, aufgeatmet. Doch die Erleichterung hielt nur kurz an. Direkt als ich aus dem Haus ging stieß mich ein Fahrradfahrer um. Als ob ich nicht gerade erst aus dem Krankenhaus gekommen wäre ey. Auch beim Einkaufen gab es einige brenzliche Situationen, vor keiner davon wurde ich gewarnt. Ich bin nicht religiös, aber so muss es sich anfühlen, von Gott verlassen worden zu sein.
Und jetzt sitze ich hier und erzähle Ihnen alles. Sie wollen mir weis machen, dass es in Anbetracht der Situation nicht das Beste ist, sich zu Hause einzuschließen? Da draußen ist eine Welt, die mich tot sehen will und Sie wollen mir erzählen, dass alles in Ordnung wäre? Sie… – Moment, Telefon.
Einige Wochen später war ich auf einer Hochzeit. Natürlich nicht meine, Sie müssen wissen: ich mache Event-Fotografie. Die Braut war Influencer und machte ständig irgendwelche absurden Vorgaben für Motive, Posen und so ein Zeug. Sie wollte den Kram ja auf Insta posten. Hab ihr dann irgendwann die Meinung gegeigt. Stimmung war sowieso aufgeladen, aber ich gebe zu: war an dem Tag irgendwie schrägt drauf. Jedenfalls ging kurz danach mein Telefon wieder los. Nummer unbekannt. Bin aus dem Zelt gegangen um mir einen ruhigeren Ort zum Telefonieren zu suchen und ging dann ran.
„Hallo?“ – Keine Antwort.
„Haaalllooo?“ – Wieder nichts.
Dann hörte ich schreie aus dem Zelt. Panische. Ich rannte zurück ins Zelt. Überall Blut. Die hohle Nuss hatte einen ihrer Ex-Freunde eingeladen – der sie anscheinend noch immer vergöttert. Sein Handy war voll mit ihren Bildern, die Polizei fand in seiner Wohnung sogar einen Schrein, der ihr gewidmet war. Ihm war anscheinend auch die letzte Sicherung durchgerannt und stach den Bräutigam und einige der Gäste ab. Drei tote, vier Verletzte. Kam sogar in den Lokalnachrichten. Als ich im Zelt eintraf hatten einige Gäste ihn bereits überwältigt. Da ich in der Nähe des Brautpaares war, hätte er sich sicher auch auf mich gestürzt. Schon wieder hatte mir der unbekannte Anrufer das Leben gerettet.
Doch dabei blieb es nicht. Kneipenschlägereien, ein Überfall in meiner Straße, ein losgerissener Kampfhund, sogar – und das glauben Sie mir sicher nicht – ein herunterfallendes Klavier. Das Viertel geht echt den Bach runter. Mein anonymer Schutzengel warnte mich jedenfalls scheinbar zuverlässig vor Gefahren. Hab natürlich niemanden davon erzählt, nachher hielten mich noch alle für verrückt. Wie würden man so ein Gespräch auch anfangen? Stattdessen beschloss ich mein Glück auf die Probe zu stellen.
Nicht mein hellster Moment, gebe ich zu, aber beim morgendlichen Joggen kam mir die Idee auf den Bahnschienen zu laufen. Es wäre locker ne halbe Stunde bevor der nächste RE hier durchfuhr, und ich stellte mir einen Wecker, um rechtzeitig von den Gleisen zu gehen. Ob dies als Gefahr reichen, würde war mein Gedanken, nicht, ob mir etwas zustoßen könnte. Allein das hätte wohl schon für die Anstalt genügt. Natürlich auch In-Ears drin für Musik, brauch die halt zum Laufen. Nicht mal Zehn Minuten hats gedauert, bis mein Telefon ging. Sah mich verwirrt um und da raste ein verdammter Güterzug auf mich zu. Schlau wie ich bin, hatte ich natürlich nicht daran gedacht, dass die Strecke auch für andere Dinge verwendet wird. Sprang natürlich zur Seite – unter dem wütenden Hupen des Lockführers. Aber ich war mich jetzt sicher, ich war unsterblich. Zumindest in gewisser Weise.
Und wissen Sie was? Es war verdammt befreiend. Ich konnte Blind über die Straße gehen – wartete einfach, bis der Unbekannte aufgelegt hatte und lief los. Klappte jedes Mal. Wen interessieren dann noch Ampeln? Allein nachts nach Hause laufen – kein Problem. Jede Dumme Idee ausprobieren? Klaro. Das Handy warnte mich ja, wenn es zu dumm war. Ich blockierte alle anderen Anrufe, löschte alle Apps. So musste ich nicht mehr auf das Display schauen und wusste, immer wenn es vibrierte, war es der mysteriöse Anrufer. Meine Freunde hielten mich erst für völlig irre. Hatte ihnen erzählt, dass mir der ganze Social Media und Messenger Kram auf die Nerven ginge und ne Auszeit brauchte. Wer was von mir will sollte mir ne Mail schreiben. Das Smartphone wär nur noch für Notfälle dabei – was ja auch stimmte. Doch auch im Alltag ging das Telefon ständig los. Als ob das Schicksal sich einen üblichen Scherz mit mir erlauben würde. Versuchte mich mehrmals am Tag umzubringen, oder zumindest schwer zu verletzen, doch warnte mich wenige Sekunden vorher.
Natürlich ging es kaputt. Es war mir einmal zu oft heruntergefallen, zersprang in tausend Einzelteile. Ich nahm die SIM und wollte in den nächsten Laden gehen – ich konnte nicht mehr ohne das Handy, ohne meinen Schutzengel. Online hätte zu lange gedauert, selbst hier in der Stadt. Ging also los und bäm – werde von einem Auto angefahren. Wieder ein roter Sportwagen. Die sollten verboten werden. Felsenfaktur, oder sowas, meinten die Ärzte. Hat Wochen gedauert, bis ich entlassen wurde. Auf dem linken Ohr höre ich immer noch nichts. Jedenfalls brachte mein Vater mich nach Hause – ohne ihn wäre ich sicher direkt vors nächste Auto gelaufen. Schon witzig, wie schnell man Lebensretter als selbstverständlich sieht. Handy online bestellt, SIM rein, aufgeatmet. Doch die Erleichterung hielt nur kurz an. Direkt als ich aus dem Haus ging stieß mich ein Fahrradfahrer um. Als ob ich nicht gerade erst aus dem Krankenhaus gekommen wäre ey. Auch beim Einkaufen gab es einige brenzliche Situationen, vor keiner davon wurde ich gewarnt. Ich bin nicht religiös, aber so muss es sich anfühlen, von Gott verlassen worden zu sein.
Und jetzt sitze ich hier und erzähle Ihnen alles. Sie wollen mir weis machen, dass es in Anbetracht der Situation nicht das Beste ist, sich zu Hause einzuschließen? Da draußen ist eine Welt, die mich tot sehen will und Sie wollen mir erzählen, dass alles in Ordnung wäre? Sie… – Moment, Telefon.