Was macht der Weihnachtsmann im Oktober

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Mariaan

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Es war gegen Ende Oktober und der Weihnachtsmann schritt nachdenklich in seinem Arbeitszimmer auf und ab. Er trug den bequemen roten Pullover, seine schwarze Jogginghose und die kuscheligen Stoppersocken mit dem rot-weißen Norwegermuster. Der Holzboden knarrte während er hin und zurück, von der einen Seite des Zimmers zur anderen ging. Hinter seinem Schreibtisch in der Ecke knisterte der Kamin und verbreitete angenehme Wärme. Das Kinn hielt er in die linke Hand gestützt, der Zeigefinger strich über die linke Wange.

Hmh, hmh, hmh, hörte man ihn ab und an murmeln. Der Weihnachtsmann dachte nach.

Die kommende Saison würde anstrengend werden. Wie gut, dass er im Juli noch in der Südsee gewesen war, am Meer und mit viel Sonne Kraft und Energie getankt hatte.

In Kürze würden die ersten Wunschzettel eingehen. Wie sollte er damit umgehen? Wie lange hielten sich diese Viren auf Oberflächen? Waren es 72 Stunden oder 27? Vielleicht sollte er alle Wunschzettel erst einmal vorsichtig mit Handschuhen in Kisten legen und dort 72 Stunden liegen lassen? Oh, 72 Stunden, das waren 3 Tage. Und jeden Tag würde er eine neue Kiste brauchen wenn der Postbote kam, zumindest bis die ersten 3 Tage rum wären. Alle Wunschzettel auf einen Berg wie sonst, das würde wohl dieses Jahr nichts.

Was machten die Viren wohl auf den Briefen? Irgendwann vertrocknen? Oder miteinander plaudern und wenn es ihnen zu langweilig würde, woandershin weiterziehen? Nun gut, dass war jetzt eher unwichtig. Die 3 Tage Quarantäne der Briefe würden auf jeden Fall seine bisherigen Abläufe durcheinanderbringen.

Ob er vielleicht qua seines Amtes sowieso immun wäre? In den USA, da schien es ja jemanden zu geben, der ein hohes Amt inne hatte und immun war, Donald Duck oder so. Ach nein, Donald Trump. Aber stimmt gar nicht, der war auch ein paar Tage krank gewesen. Gut, ein paar Tage. Ein paar Tage wären im Moment okay, allerdings kurz vor dem 24. Dezember eine Katastrophe.

Zählte er zur Risikogruppe? Nun, übergewichtig war er schon, andererseits er rauchte nicht, trank nicht, hatte kein Diabetes, kein Asthma. Vielleicht sollte er das auch alles nicht so ernst nehmen?

Was war eigentlich mit seinen Rentieren? Nerze und Hunde konnten dieses Covid-19 bekommen. Das hatte er gehört. Doch Rentiere? Ob ihm diese Fragen Prof. Drosten, Dr. Fauci oder Dr. Tegnell beantworten könnten? Nun ja, auf Rentiere und Weihnachtsmänner waren die wahrscheinlich nicht unbedingt spezialisiert. Konnten er und die Rentiere sich auch gegenseitig anstecken?

Rudolph mit der roten Nase könnte vielleicht zur Risikogruppe gehören. Was die Rentiere anging, könnte er ja mit zwei Teams arbeiten. Von dieser Vorgehensweise hatte er schon anderswo gehört. Das hieße, dass er neben Dasher, Dancer, Prancer, Vixen, Comet, Cupid, Donner, Blitzen und Rudolph weitere 9 Rentiere brauchen würde. Und zwar schnell, denn die müssten erst angelernt werden. Es war schließlich alles andere als einfach den schwer bepackten Schlitten zu ziehen, im richtigen Tempo in die Kurven zu gehen und angemessen zu bremsen. Das müssten die erfahrenen Tiere eigentlich den Neuen beibringen, aber mit 2m Abstand? Wie sollte das gehen? Ach, und er würde ein zweites großes Gehege brauchen, damit er die zwei Gruppen Rentiere getrennt halten könnte. Die doppelte Menge Futter wäre also auch nötig. Die ganzen Rentiergeschirre würde er ständig desinfizieren müssen. Ach, du grüne Neune, er würde die Geschirre ja gar nicht einfach so benutzen können wegen des 2m Abstands der Rentiere untereinander. Die Geschirre musste er erst einmal alle verlängern. Und das hieße, mit allen Rentieren das Ziehen und Lenken des Schlittens neu zu üben, da sich die ganze Konstruktion und die Kraftverhältnisse verändern würden. Eijeijei.

Dann hatte er etwas von einer Indexzahl gehört. Oder Indizienzahl? Nein, Inzidenzzahl. Was hieß das für ihn? Er war ja hier ganz alleine? Und je nach Inzidenzzahl brauchte man wohl Maßnahmenpläne, gestaffelt in Stufen 1,2,3 und 4. Nur was könnte er für Maßnahmen ergreifen? Mund- und Nasenschutze, die würde er brauchen. Rot, ja, weihnachtsrot sollten sie sein und ein paar tannengrüne. Mit einem würde er nicht hinkommen. Je nachdem wie lange er mit dem Schlitten unterwegs war, wären bestimmt bis zu 5 oder 6 von diesen Dingern pro Nacht nötig. Und ob er Zeit haben würde die in seinen kurzen Pausen bei 60 Grad zu waschen? Also mindestens 20 weihnachtsrote und tannengrüne Mundschutze nähen. Puh, nähen war nicht gerade seine Stärke. Oh, die Rentiere würden auch noch eine ganze Menge von den Dingern brauchen. Vielleicht weihnachtsbaumkugelgoldene?

Ob er wohl noch auf seinem Schlitten würde singen dürfen? Wahrscheinlich nicht in der Nähe von Häusern. Ach, das tat er ja eh nie, weil er sonst die Kinder weckte, für die er die Geschenke brachte. Er war schon ganz verwirrt.

Und sollte er für Stufe 4 seines Maßnahmenplans Homeoffice vorsehen? Nur, wie sollten dann die Geschenke zu den Kindern kommen? Die Kinder hatten dieses Jahr mit dem ganzen Homeschooling und den Isolierungen schon genug gelitten. Die sollten nicht noch ohne Geschenke auskommen müssen. Also Homeoffice kam bei ihm nicht in Frage.

Desinfektionsmittel würde er brauchen, und zwar einige Flaschen. Schließlich musste er sich an jedem Haus neu die Hände desinfizieren, im schlechtesten Falle noch die Füße seiner Rentiere. Dafür müsste er am Schlitten eine Tasche anbringen.

Außerdem hatte er von englischen und amerikanischen Bibliotheken gehört, die alle ihre eingehenden Pakete erst einmal unberührt 3 Tage in Quarantäne liegen ließen. Sollte so etwas auch mit seinen Paketen für die Kinder passieren, so müsste er 3 Tage früher mit der Paketauslieferung beginnen, weil das letzte Paket am 21. Dezember zugestellt sein müsste.

Eventuell würde er auch einen ASA-Beauftragten benötigen. ASA hieß Arbeitsschutzausschuss. Da hatte er sich schon schlau gemacht. Nun, das ließe sich wahrscheinlich ganz einfach lösen. Den ASA-Beauftragten würde er im Himmel anfordern und der Beauftrage würde dann schon wissen, was sein Job ist.

Er blieb stehen und sagte laut zu sich selbst: „Stopp“. So kam er nicht weiter. Fragen über Fragen. Er beschloss sich einen Kakao zu kochen. Mit dem heißen Kakao setzte er sich an seinen Schreibtisch und begann zu schreiben, einen Zettel mit der Überschrift „To Do Liste“, den zweiten mit der Überschrift „Neuer Workflow“.

Er lehnte sich zurück, atmete tief durch und gab zunächst einmal – ganz ausnahmsweise - einen Schuss Rum in seinen Kakao. Dann legte er los.
 
Zuletzt bearbeitet:

hein

Mitglied
Hallo Mariaan,

ja, so hat heutzutage jeder seinen Probleme mit der Pandemie. Es fehlt noch die Frage, wie der Weihnachtsmann als Solo-Selbstständiger seine zusätzlichen Kosten erstattet bekommt.

Oh, 72 Stunden, das waren 6 Tage.
Nach meinem Taschenrechner sind 72 Stunden nur 3 Tage.

Ansonsten gerne gelesen.

LG
hein
 

Mariaan

Mitglied
Hallo Hein,

wenn ich den Tag nur mit 12 Std. ansetze, kann mein Taschenrechner kein richtiges Ergebnis bringen. :)
Vielen Dank für den Hinweis. Ich habe es korrigiert.

Viele Grüße
Mariaan
 
G

Gelöschtes Mitglied 14278

Gast
Hallo Mariaan,

wir wollen hoffen, dass der Lumumba ihm hilft, denn diese schwierige Aufgabe wird der Weihnachtsmann nach den neuesten Bestimmungen erst recht nicht so leicht lösen können …

Mir gefällt diese Geschichte gut. Einziger Kritikpunkt sind die vielen Wortwiederholungen. Bei „würde“ wird es schwierig sein, aber (!) die vielen „aber“ konnte man durchaus umschreiben, z. B. mit „doch“ o. ä.

Wundere Dich übrigens nicht, dass hier zu diesem Thema so wenig kommentiert wird – Corona und Humor geht in der LeLu momentan ganz schlecht zusammen. :rolleyes:

Gruß, Ciconia
 

Mariaan

Mitglied
Hallo Ciconia,

danke für die Rückmeldung. Ich habe mich der vielen "aber" angenommen.

Die Geschichte ist diese Woche entstanden, als ich gar nicht so viel Humor hatte, weil ich morgens überlegte, ob es überhaupt Sinn macht an eine Familienweihnachtsfeier und Weihnachtsgeschenke zu denken und nachmittags unsicher war, welche meiner Termine in der Woche ich mich wegen der steigenden Corona Zahlen noch wahrzunehmen traue. :confused:

Grüße
Mariaan
 

DocSchneider

Foren-Redakteur
Teammitglied
Hallo Mariaan,

den Weihnachtsmann gibt es nicht, er ist eine Erfindung von Coca-Cola. Also - ich würde den Weihnachtsmann einfach so viel Coca-Cola trinken lassen, bis er und/oder seine Sorgen verschwinden.

Außerdem - er ist der Weihnachtsmann! Er kann durch Kamine fliegen. Wieso sollte ihm Corona etwas anhaben?

Und - er hat soooo viele Stellvertreter. Es gibt doch richtige Weihnachtsmannseminare. Also auf Erden. Keine Panik, wenn dem echten Mann etwas passiert. Es gibt genug andere.

Wenn Du meinen Kommentar nicht ernst nimmst, liegst Du richtig.
:)

Gruß DS
 



 
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