Weihnachten 2012

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Walther

Mitglied
Weihnachten 2012


Ich möchte gerne Ruhe bei Dir finden,
Zu laut ist diese Welt und diese Zeit,
Sich festzuhalten keine Kleinigkeit:
Wer will sich heute noch auf Dauer binden?

Das Scheiden, Trennen, schlichtet keinen Streit:
Man sollte in sich seinen Teil ergründen,
Anstatt das Ende hastig zu verkünden!
Die Lösung liegt in Empathie bereit,

Im Fühlen, wie sich jetzt der Andre fühlt:
Entscheiden, wenn die Seele aufgewühlt
Ist, hindert nur am Klug-die-Wogen-Glätten!

Die Liebe ist doch auf das Wir gezielt,
Dass keiner seines Liebsten Leben stiehlt:
Wo wären wir, wenn wir’s vergessen hätten?
 

Bernd

Foren-Redakteur
Teammitglied
Es ist ein Gedicht, bei dem der Streit schon da ist, sondt würde man nicht darüber nachdenken. Es zeigt einen Ausweg, oder es versucht einen zu finden, in der Geruhsamkeit von Weihnachten.
Es ist zugleich eine Zeit, die einen vorhandenen Streit eskalieren lässt, weil jeder erwartet, dass der andere nicht streitet, zugleich aber alles, was gesagt wird, negativ auf sich bezieht - in der gegebenen Situation.
Alle sitzen am Tisch.
"Bernd, sag mal bitte der Mutti das und das."
Mutti hört natürlich zu.
Der Streit eskaliert.
"Ich habe keinen Hunger mehr, Ihr könnt Euer Zeug allein essen, ich gehe jetzt."
Schweigen.
Schweigen.
Schweigen.

Wochenlang.
Bernd, frag mal die Mutti ...
Monatelang.

Am Ende doch wieder zusammen.

Und der Streit entzündete sich an den Kindern, wegen sehr unterschiedlicher Auffassung zur Erziehung.

---
Warum eskalierte Streit oft zu Weihnachten? In vielen Familien?

Das Gedicht kommentiert treffend:

"Die Liebe ist doch auf das Wir gezielt,
Dass keiner seines Liebsten Leben stiehlt:
Wo wären wir, wenn wir’s vergessen hätten?"

Wenn noch ein Funken da ist, gibt es Hoffnung.
 

Bernd

Foren-Redakteur
Teammitglied
Ich wollte noch die Koch'sche Schneeflocke beschreiben, bin aber steckengeblieben.
Das dauert noch etwas.

Es sind lauter fraktale Gebilde mit sehr kuriosen Eigenschaften.
 

Walther

Mitglied
lb. bernd,

in der tat ist das fest der liebe häufig das des streits. wenn die, die sich nah sind, sich zu nahe kommen, erzeugt das oft reibung. zudem ist das fest so aufgeladen mit erwartungen, daß man allenfalls enttäuschung erwarten kann.

auch darum dreht sich das gedicht.

in der tiefe fordert es auf, den eigenen teil zu sehen, bevor man "rechtet". das gilt für alle menschlichen beziehungen, die wir gerne kampflos aufgeben, indem wir vergessen, daß liebe nie mühelos ist. und nie für immer leicht.

danke für deine gedanken.

lg w.
 

HerbertH

Mitglied
Lieber Walther,

der Zeilenumbruch mit dem "Ist," in

Im Fühlen, wie sich jetzt der Andre fühlt:
Entscheiden, wenn die Seele aufgewühlt
Ist, hindert nur am Klug-die-Wogen-Glätten!
bringt nach meinem Gefühl den Lesefluss durcheinander. Wie wäre es mit dem folgenden Vorschlag, der sicherlich noch verbessert werden kann:

Im Fühlen, wie sich jetzt der Andre fühlt:
Entscheiden - ist die Seele aufgewühlt -
verhindert nur ein Klug-die-Wogen-Glätten!
Liebe Grüße

Herbert
 

Walther

Mitglied
hi herbert,

danke für den hinweis. die idee, diese enjambement zu lassen, kam daher, daß ich damit diesen teil des texts hervorheben wollte. ich hatte da eine andere variante stehen und werde die mal raussuchen, kann noch ein bißchen dauern. ich melde mich dann.

für dich nochmals alles gute, hoffe, du bist mit deinen liebsten gut rübergekommen!

lg w.
 

Walther

Mitglied
hi marie-luise,

danke für deinen eintrag. es freut mich, dich erfreuen zu können.

zu (1) komma
in der tat kommt in diesen vers kein komma, da folgender zusammenhang besteht:
Zu laut [blue]ist[/blue] diese Welt und diese Zeit,
Sich festzuhalten [blue][strike]ist[/strike][/blue] keine Kleinigkeit:
das "ist" trägt der vers davor.

zu (2) schreibweise
ein traditionelles sonett schreibt man traditionell. :)

alles beste für das noch junge jahr 2013 an dich und alle lupianer/innen!

lg w.
 
F

Fettauge

Gast
Hallo Walther,

besinnliche Ehewünsche. Die zweite Fassung gefällt mir besser, das Enjambement mit dem einzigen "ist", war mir auch nicht ganz so das Richtige. Vielleicht hast du es übersehen:
In S1V2 sollte es vielleicht doch "sind" statt "ist" heißen.
Ich weiß, in der Lyrik kann da eine Ausnahme gemacht werden, aber wenn es geht, sollte man doch korrekt formulieren. Und silbenmäßig nimmt sich da nichts.

Lieben Gruß
Fettauge
 

Walther

Mitglied
hi fettauge,

gute idee, das mit dem "sind", ich hatte mir das nach marie-luises einwurf auch überlegt. könnte man machen, muß man aber nicht. die lyrik ist, wegen der elision, hier dehnbarer als die prosa. in diesem falle müßte man das wie von dir vorgeschlagen machen.

danke und lg w.

hi marie-luise,

das "sich festzuhalten" ist das wer-oder-was zum satz "keine kleinigkeit ist wer oder was?", also definitiv kein komma. auch sonst wäre das komma nicht zu setzen, da der "(um-)zu-satz" kein objekt oder adverb hat.

lg w.
 

Walther

Mitglied
Weihnachten 2012


Ich möchte gerne Ruhe bei Dir finden,
Zu laut sind diese Welt und diese Zeit,
Sich festzuhalten keine Kleinigkeit:
Wer will sich heute noch auf Dauer binden?

Das Scheiden, Trennen, schlichtet keinen Streit:
Man sollte in sich seinen Teil ergründen,
Anstatt das Ende hastig zu verkünden!
Die Lösung liegt in Empathie bereit,

Im Fühlen, wie sich jetzt der Andre fühlt:
Entscheiden, wenn die Seele aufgewühlt
Ist, hindert nur am Klug-die-Wogen-Glätten!

Die Liebe ist doch auf das Wir gezielt,
Dass keiner seines Liebsten Leben stiehlt:
Wo wären wir, wenn wir’s vergessen hätten?
 
F

Fettauge

Gast
Marie-Luise, Walther hat recht, es ist richtig interpunktiert. Nur Walthers Begründung stimmt so nicht.
Der Satz lautet: "Zu laut sind diese Welt und diese Zeit,
sich festzuhalten (ist) keine Kleinigkeit."
"Sich festzuhalten" ist hier Subjekt (Frage: Wer oder was ist keine Kleinigkeit? Antwort: Sich festzuhalten). In der Infinitivkonstruktion mit zu lautet die Regel: Ist die IK selbst das Subjekt, wird es nicht mit Komma getrennt.
Hätte Walther aber geschrieben: "um sich festzuhalten", dann wäre dies nicht Teil eines Hauptsatzes, sondern Nebensatz, und der wird mit Komma vom Hauptsatz getrennt. Wenn man damit nicht so vertraut ist, ist das alles zwar reichlich verwirrend, aber als Schreibender braucht man das, so ungeliebt es auch ist. Du siehst, manchmal ist es nur ein Wörtchen wie um, und schon haut das alles einmal Gelernte vom Sockel. Guten Rutsch nachträglich.

Lieben Gruß
Fettauge
 
Danke, Fettauge, für deine Mühe, doch kann ich nicht mit dir conform gehen.
Es ist ein Infinitiv mit zu, und da würde ich immer ein Komma setzen.
Ich finde aber, man soll nicht päpstlicher als der Papst sein.:D

Viele Grüße
Marie-Luise
 



 
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