Weihnachtstour2050

brndmtzk

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"Happy Birthday to you...".
Ich hasste es. Schon immer. Vor allem aber an diesem besonderen Tag. Ich wusste, meine Familie meinte es nicht böse. Aber trotzdem, dieser Geburtstag machte mich besonders depressiv. Ältere Kollegen hatten mich gewarnt. Der vierzigste ist ein Wendepunkt. Danach ist nichts mehr wie es früher mal war. Ich spürte, sie hatten recht.
Pflichtschuldig versuchte ich meiner Rolle als Geburtstagskind gerecht zu werden und zauberte einen glücklichen Ausdruck in mein zerknautschtes Gesicht.
Meine Tochter drückte mir einen dicken Kuss auf die Wange und überreichte mir ein kleines Päckchen. Meine Frau strahlte erwartungsvoll und mein Sohn blickte so gierig auf den hellen Karton in meinen Händen als wäre das Geschenk für ihn gedacht.
"Aufmachen" riefen alle zusammen.
Theatralisch zog ich an den beiden Enden der Scheife und legte das Band bedächtig zusammen. Meine Familie war gespannter als ich. Ich hatte absolut keine Ahnung was mich erwartete. Mit dem Zinken einer Gabel riss ich den Klebstreifen über der Lasche auf. Ein A4-großes Standard-Pad glit heraus. Das Display war mit einer Glückwunschkarte überklebt. "Alles Gute zur Midlife-Crisis" stand vorn drauf. Ich schaute hoch, direkt in das grinsende Gesicht meiner Frau. "Diesmal gibt es mal was anderes. Wir dachten, wir müssen dich heute etwas aufmuntern."
Ich lächlte unsicher zurück und entfernte die Karte vom Display. Eine kurze Handbewegung schaltete das Pad ein.
Der Lautsprecher in er oberen Kante gab ein dumpfes Grollen von sich. Die taktilen Flächen unter meinen Fingerspitzen vibrierten. Das Display wurde heller, die Konturen eines Autos zeichneten sich aus den dahinschwindenden Nebelwolken ab. Den Typ konnte ich nicht erkennen, aber offensichtlich war es ein Oldtimer.
Der Wagen drehte sich bis die Vorderseite zu mir zeigte, das Bild zoomt heran. Eine tief herunter gezogene Motorhaube, dafür hoch liegende Scheinwerfer. Ein schmaler Kühlergrill, kaum als solcher auszumachen. Jetzt konnte ich auch das Logo auf der Motorhaube erkennen. Ein Porsche!
Ein Schriftzug wuchs aus der Mitte des Bildes heraus und überstrahlt das sich wieder verdunkelnde Auto: "Panamera Sport Tourismo".
Erstaunt blickte ich meine Frau an. Bevor ich jedoch meine Frage in die freie Wildbahn entlassen konnte antwortet sie mir auch schon. "Drück einfach nochmal drauf."
Ich tippte auf den Schriftzug. Er verschwand und gab Raum frei für etwas mehr Text:
"Herzlichen Glückwunsch zu Ihrer Buchung bei Real Car"
und darunter:
"Dieser Porsche gehört für 5 Tage Ihnen."
Mein Gesichtsausdruck war in diesem Moment wohl nicht der intelligenteste. Einen echten Verbrenner-Sportwagen fahren? Im Jahre 2050? Zugegeben, in meiner weit zurückliegenden Jugend hatte ich noch Verbrenner kennnen gelernt. Und hätte damals gern einen ausprobiert. Aber privat wollte sich schon damals niemand mehr so ein Teil leisten. Und so war ich einige Jahre zu jung um jemals mit so einem Teil gefahren zu sein. Aber immerhin hatte ich damals meine Selbstfahrerlizenz gemacht als das noch relativ problemlos möglich war.
"Wie seid ihr denn auf diese Idee gekommen?" fragte ich.
Tina, meine Jüngste, setzt zur Erklärung an. "Wir haben in Gesellschaftskunde über die Große Energetische Umwälzung gesprochen. Und da hat unser Lehrer erzählt das Männer früher ganz stolz auf ihre Autos waren. Die mussten gross sein, viel PS haben und schnell sein. Und das war ein großes Hindernis auf dem Weg zu einer verantwortungsvollen Verkehrspolitik."
Ich erinnerte mich. Sie hatte mir für ihren Aufsatz einige Fragen gestellt die ich ihr nicht beantworten konnte und sie an ihren Opa verwiesen. Danach hatte ich nichts mehr davon gehört. Offensichtlich hatte dieser kleine Schlingel hinter meinem Rücken eine Intrige eingefädelt.
Sie schien meine Gedanken erraten zu haben: "Weißt Du, Opa hat dann aber gesagt ein Mann muss in seinem Leben mindestens einmal einen 8-Zylinder gefahren haben. Und der vierzigste Geburtstag wäre ein Anlass mal nicht so genau auf die Ökologie zu achten. Und da dachten wir uns, wir schenken Dir so ein Erlebnis. Etwas mit Retro. Bist Du ja jetzt auch."
Meine Frau grinste wieder. "Du hast ja noch deine Selbstfahrerlizenz. Die reicht aus. Und bevor sie verfällt dachten wir an eine außergewöhnliche Fahrt über Weihnachten zu meinen Eltern. Da hast du deinen Spaß und wir fahren bequemer als mit unserem Auto."
Geschickt eingefädelt, dachte ich. Ich fuhr nicht so gern zu meinen Schwiegereltern. Nicht wegen der beiden, nein, die waren in Ordnung. Aber es war halt eine beschwerliche Fahrt mit unserer Familien-Konservenbüchse. Fast 600 km waren kein reines Vergnügen mehr. Vor allem im Winter. Und seit dem Nahverkehr und Bahn praktisch kostenlos waren wollte man die auch nicht mehr benutzen. Vor allem nicht in Familie und vor den Feiertagen. Im Winter und im Sommer natürlich auch nicht. Und montags und freitags ganzjährig nicht. Wir waren also eher selten bei meinen Schwiegereltern. Aber so eine 8-Zylinder-Protzkarre ließ so einen Besuch ganz anders aussehen.
Ich war gespannt auf den Ausflug in die Vergangenheit.
"Hier, das gehört auch noch dazu." Mein Sohn meldete sich ganz zum Schluss. Er hatte ein großes Paket aus dem Flur geholt. "Darf ich es auspacken?" Ich erlaubte es und sah zu wie er ein Simu-Set zu Tage förderte. Pedale, Lenkrad, einen Schaltknüppel. "Du musst alles mit dem Pad verbinden und die VR-Einweisung absolvieren. Ohne darfst Du nicht fahren."
Die Überraschung war ihnen wirklich gelungen. Ein echter Verbrenner. Und dazu mit dem selben Baujahr wie ich! Bis zu diesem Moment hatte ich gar nicht gewusst wie ich mich nach einem solchen Erlebnis gesehnt hatte. Wenn ältere Kollegen über ihre Erlebnisse mit ihren Verbrenner-Autos berichteten und mit den jetzigen verglichen hatte ich das immer recht gelassen hingenommen. Aber nun, wo ich selbst ein solches Auto fahren würde war ich nicht mehr zu halten.

Sechs Wochen später war es dann so weit. Früh um sieben rollte der schwarze Porsche in unsere Hofeinfahrt. Die Bedienung hatte ich mir per VR angeeignet aber der Fahrer der Verleihfirma bestand trotzdem auf einer kurzen Einweisung. Milo, mein Sohn, sah uns vom Rücksitz aus zu.
Es war gar nicht so anders als unser Stromer. Die Schaltung war eine Automatik. Gut so, vor einer echten Handschaltung hätte ich etwas Bammel gehabt. Die Umstellung vom Joystik auf Lenkrad und Fußpedale hatte ich am Computer geübt. Etwas ungewohnt, aber machbar.
Interessant war nur das Navi. Reichlich Retro, wenn auch gegenüber der Originalversion mehrfach modernisiert.
"Sie müssen etwa alle 800 km tanken. Leider gibt es nicht mehr so viele Tankstellen, aber das Navi wird sie erinnern. Ihre Route habe ich schon eingegeben. Eines wird aber wichtig. Es gibt absolut keine Assistenten. Wir mussten alle deaktivieren da wir sie nicht an die neuen Bestimmungen anpassen konnten. Sie müssen alles selbst tun! Die Selbstfahrer-Auffrischung haben sie doch absolviert?"
Natürlich hatte ich, das vergaß ich auch ohne das Geschenk nicht. Einmal die Nachprüfung versäumt und sie war weg für immer.
"Na dann, gute Fahrt." verabschiedete sich der Real-Car-Mitarbeiter. Seine Firmen-Drivebox war inzwischen angekommen. Nochmals winkend stieg er ein und ließ sich ins Büro zurückfahren.
Es war recht winterlich geworden. Meine beiden Frauen hatten deshalb im Haus gewartet bis wir über das Auto verfügen konnten. Jetzt näherten Sie sich mit dem Gepäck.
Milo versuchte den vermeitlichen Kofferraum zu öffnen. Ich gönnte mir den Spaß, entriegelte die Motorhaube und ergötze mich an Milos verwundertem Gesicht.
"Das ist der Motor" ließ sich Tina vernehemen. Sie schien sich für das Auto sehr zu interessieren und mehr darüber zu wissen als Milo.
"So groß?" fragte Milo.
Tina klärte ihn auf. "Ja, zu einem Verbrennungsmotor gehören recht viele Teile. Wenn man nur den Hubraum der Zylinder nimmt dann ist das gar nicht so viel. Nur drei Milchkartons. Aber das ist nun mal nicht alles. Man benötigt Ventile, Turbolader, Kurbelwelle, Getriebe und eine Kupplung. Und noch einiges mehr."
Milo schüttelte verwundert den Kopf. "Und wo kommt das Gepäck hin?"
Meine Frau hatte inwischen die Heckklappe geöffnet und einen Teil des Gepäcks verstaut. "Wenn dich das interessiert dann hol mal den Rest aus dem Haus und hilf mir beim einladen."
Milo trottete los und blickte dann genau so erstaunt in den Kofferraum. "Wow, da ist ja echt viel Platz."
Ja, meine Frau hatte nicht ohne Grund die Tourismo-Ausführung gewählt. Da mussten wir uns mit dem Gepäck nicht einschränken.
Bald darauf ging es los. Die ersten Kilometer waren noch etwas ungewohnt, aber die Straßen waren frei und der Wagen reagierte deutlich souveräner als unser Familiengefährt. Meiner Frau war anfangs eine gewisse Nervosität anzumerken. Im Normalfall durfte ich nur in den Selbstfahrermodus schalten wenn wir ohne Kinder fuhren. Aber jetzt ging es nun mal nicht anders. Doch nach der ersten halben Stunde entspannte sie sich.
Die Autobahn erreichten wir ohne Stau. Zügig fuhr ich auf. Dann trat ich das erste mal so richtig aufs Gaspedal. Der Motor röhrte auf, nicht allzu laut aber trotzdem deutlich zu vernehmen. Doch der Anzug enttäuschte. Unter 250 kW hätte ich mir mehr vorgestellt. Aber das hier war ja nicht mehr als unser weniger als halb so starker Stromer. Ich erinnerte mich dunkel dass in der VR-Einweisung die Rede davon war dass Verbrenner kein so hohes Drehmoment entwickeln wie ein Elektromotor.
Die Tachonadel (ja, das gab es hier noch) bewegte sich trotzdem zügig in Richtung 150. Spätestens da war bei unserem Auto Schluss. Aber beim Porsche ging es weiter. 170, 190. Ohne dass er in der Beschleunigung wesentlich nachließ. Bei 200 räusperte sich meine bessere Hälfte vernehmlich. Na gut, ich war ja nicht allein. Ich nahm etwas Gas weg und wir glitten mit 160 sanft dahin. Der große Radstand und das ausgefeilte Fahrwerk verschluckten sämtliche Fahrbahnprobleme.
Nach einer weiteren Stunde Fahrt hatten wir ein Drittel der Strecke hinter uns. Die Kinder wurden lagsam unruhig, Tina musste aufs Klo. Wir nahmen also die übliche Rasttätte. Anders als sonst fuhr ich an der Schlange der wartenden Stromer vorbei. Ja, Weihnachten. Da wartet man etwas länger auf einen Platz an der Ladesäule.
Ich warf einen schnellen Blick auf die Preistafel. 21,99 für 30 Minuten am 22kW-Lader, 44,99 für den Schnellader. Das waren 2 Euro mehr als im Sommer. Ladestationen, nicht nur an der Autobahn, hatten sich als Goldgrube erwiesen.
Ich ärgerte mich heute noch über meine jugendliche Naivität im Jahre 2028. Damals schossen die Bürger-Energiegesellschaften aus dem Boden. Ich hätte mich, gerade volljährig, beteiligen können. Aber damals hieß es, Strom ist spottbillig, damit kann man nichts verdienen. Die Politik jubelte als die 3ct-Schwelle für die Erzeugung fiel und die Einspeisevergütung entsprechend zusammen gestrichen wurde. Sogar die EE-Umlage wurde abgeschafft. Nur Vollidioten steckten damals ihr Geld noch in PV oder Windräder. Glaubte ich jedenfalls. Aber bald drehte sich die Entwicklung. In den meisten dieser Gesellschaften hatten die Stadtwerke oder die großen Versorger einen Anteil. Und die rissen sich, mit der Rückendeckung der Bürgerbeteiligung, alle lukrativen Einnahmequellen unter den Nagel. Und das waren damals die öffentlichen Ladesäulen. Bald erreichte die Rendite zweistellige Prozentwerte. Die Gesellschaften nahmen keine neuen Mitgleider mehr auf. Und die die drin waren verdienten sich dumm und dämlich.
Langsam fuhren wir am Restaurant vorbei zu den Kurzzeit-Parkplätzen als plötzlich ein Mann aus der Restaurant-Tür stürzte und mir vors Auto lief. Ich konnte gerade noch bremsen. Wäre er vorsichtiger gewesen wenn er geahnt hätte dass mein Auto keinen Bremsassistenten hatte? Sicher nicht. Ohne sich um uns zu kümmern lief er weiter in Richtung Schnellader. Es war kalt, einige Schneeflocken trieben durch die Luft aber er hatte keinen Mantel an. Aha, denke ich, Ladeende vergessen. Kann teuer werden.
Die Kurzzeitparkplätze waren kaum belegt. Kein Wunder, hier gab es keinen Stromanschluss. Die Kinder verschwanden ich Richtung Klo. Ich selbst verspürte bei dem miesen Wetter keinen Drang zum Aussteigen. Die Sitze im Porsche waren super. Ich war frisch und ausgeruht wie zu Beginn der Fahrt.
Die Kinder kahmen zurück. "Müssen wir nicht tanken" wollte Milo wissen.
"Nein" antworte ich ihm "Noch nicht."
Langsam rollen wir los. Unser Aufenthalt hat keine 10 Minuten gedauert.
Milo war neugierig "Sonst laden wir doch immer wenn wir mal müssen. Und machen eine längere Pause. Warum nicht jetzt?"
Ich erklärte ihm, dass Benzin wegen der hohen Energiedichte weniger Platz weg nimmt als ein Akku und ein Verbrenner daher eine größere Reichweite hat.
"Aber man könnte doch auch größere Akkus in die richtigen Autos einbauen?"
Ich muss schmunzeln. 'In die richtigen Autos..:'. Als ich so alt war wie er war das worin wir gerade saßen ein richtiges Auto. Und E-Autos wurden noch belächelt. Aber seine Frage stimmte mich auch nachdenklich. Ob ihn meine Antwort wirklich zufreieden stellen würde? "Früher hat man das auch getan. Als ich etwas älter war als du konnte man mit einem ganz normalen E-Auto auch 400 km weit fahren. Mit den etwas besseren und teureren sogar 600. Aber damals wollten alle so ein Auto haben weil es Prämien gab und die Verbrenner immer stärker besteuert wurden. Und da wurden die Akkus knapp. Unser damaliger Energiesparminister hat dann argumentiert dass der Normalbürger ja höchstens 100 km am Tag fährt und dass es unwirtschaftlich ist schwere Akkus durch die Gegend zu fahren die man nur sehr selten braucht. Und deshalb hat man 2032 eine Akkusteuer engeführt. Und seitdem kauft kaum jemand Akkus für mehr als 200 km." Das sich auch kaum jemand mehr leisten kann verschwieg ich lieber.
Tina hatte die ganze Zeit still zugehört. Jetzt meldete sie sich. "Genau so hat das unser Gesellschaftskunde-Lehrer auch erklärt. Und wegen der kleineren Akkus konnte man auch die Autos kleiner und leichter machen und hat noch mal einen ökologischen Vorteil erzielt."
Nur mühsam konnte ich mir eine Antwort verkneifen. Mit dem Schlagwort der ökologischen Revolution hatte man uns in den letzten zehn Jahren einiges zugemutet. Abgesehen davon dass ein Durschnittsauto inzwischen wieder so klein war wie in den 70gern des vorigen Jahrhunderts brachten die variablen Strompreise und die teuer zu bezahlende Vesorgungssicherheit einige Probleme mit sich. Bei uns reichte es noch, aber unsere Nachbarn konnten sich nur 1 kW mit 100% Verfügbarkeit leisten. Von 6 bis 22 Uhr. Das reichte gerade so für den täglichen Bedarf, aber manchmal blieb das Auto über Nacht ungeladen. Oder es gab am Wochenende erst nach 14 Uhr Mittagessen. Sollte ich das meiner Tochter erklären? Lieber nicht. Sie hatte ein offenes Wesen und war noch zu jung um zu begreifen, worüber man sich in der Öffentlichkeit aufregen durfte und wo nicht. Ich wollte nicht dass die Ökologisten sie wegen einer unbedachten Bemerkung als "Umweltsau" beschimpfen würden. Hoffentlich erzählte sie in er Schule nichts von unserem Auto-Erlebnis. Ich würde über Weihnachten mit ihr reden müssen.
Die beiden gaben Ruhe. Meine Frau schwieg schon die ganze Zeit. Statt dessen beobachtete sie den Verkehr und mich, wohl um mich auf Probleme hinweisen zu können. Ihr zuliebe glitt ich mit 140 inmitten der anderen Autos gemächlich dahin.
Ich spielte am Display und überschlug den Benzinverbrauch. Wir hatten fast die Hälfte der Strecke hinter uns und gerade mal 25 Liter verbraucht. Falls die Preise die ich nachgeschlagen hatte wirklich korrekt waren dann fuhren wir günstiger als mit unserem Stromer. Zumindest wenn man die Autobahnpreise für das Laden ansetzte.
Warnleuchten an den Dachkanten des Stromers vor mir signalisierten dass der Pulk-Modus aktiviert wurde. Da konnte unser Oldtimer nicht mithalten. Ich zog nach links um den Fahrzeugen vor und hinter mir die virtuelle Verknüpfung zu einer endlosen Schlange zu ermöglichen. Neben und vor mir leuchteten die Dachkanten der Autos blau. Sie waren im Pulk verknüpft, keines würde unerwartet ausscheren. Gefahrlos konnte ich wieder Gas geben. Der Porsche beschleunigte mit einem leisen, aber doch wahrnehmbaren Grollen. Ich glaubte ein ganz leichtes Vibrieren in den Lenden zu spüren. Ist es das, was einen Verbrenner ausmacht?
Mit knapp 200 zischte ich am Pulk vorbei das sich energiesparend mit 120 auf der rechten Spur bewegte. Etwas mitleidig gedachte ich der Menschen in den kleinen Autos. Ich war froh darüber dass uns das an diesem Tag erspart blieb.
Ein Blick auf die Uhr im Tacho bestätigte das bohrende Gefühl in meinem Bauch. Mittag. Unsere beiden Kinder auf dem Rücksitz riefen im selben Moment "Hunger". Kein Wunder, wir waren seit reichlich 4 Stunden unterwegs. Auf meinen Wunsch hin entlockte Maria dem Navi die Position der nächsten Tankstelle. Glück gehabt, keine 20 km. Laut der Auskunft des Real-Car-Mitarbeiters sollte es ja gar nicht mehr so viele geben. Ich glaubte aber auch mich erinnern zu können dass er mir empfahl, kurz vor dem Kreuz Biebelried zu tanken. Und dort waren wir jetzt. Bisher hatten wir hier nie Halt gemacht, es passte einfach nicht in unseren Laderythmus. Das Schild an der Ausfahrt lieferte mir noch einen anderen Grund. Es gab hier nur die Minimalaustattung mit Ladesäulen.
Langsam rollte ich an die Tanksäule. Mit einem unguten Gefühl denn ich erinnerte mich daran dass ich den Abschnitt zum Tanken im Einweisungsvideo nur sehr unaufmerksam angesehen hatte. Aber ich hatte nochmal Glück. Es gibt hier einen Tankwart der einem den Umgang mit dem doch recht kräftig richenden Schlauch abnahm.
Meine Drei gingen die paar Schritte zu Fuß ins Restaurant. Ich parkte und folgte ihnen.
Die Raststätte war sehr klein. Etwas in die Jahre gekommen, aber eher gemütlich. Kein Verzehrzwang wie in den großen Ladestationen, keine überdimensionalen Uhren, keine grelle Werbung für Akku-Regeneratorern oder Strompakete. Hier konnte man einfach sitzen und relaxen.
Verwundert, beinahe erschrocken entdeckte ich mich dabei dass ich das Mobile rausholte um die Ladezeit zu checken. Blödsinn, dachte ich, heute mal nicht. Heute gibt es das Mittagessen nicht im Ladetakt.
Nach einer entspannten Stunde an Stelle der üblichen 30 Schnellade-Minuten fuhren wir weiter. 120 km noch. Ich checkte nochmal die Strecke und den Tank. Auf der Rückfahrt würden wir wieder hier halten und tanken. Das würde dann locker für die Heimfahrt reichen und wir müssten auch nicht wie sonst die Wallbox meiner Schwiegereltern blockieren. So ein zusätzlicher Vollader außer der Reihe macht in einem Mietshaus immer mal wieder Probleme. Und über Weihnachten würde es nicht bei einem bleiben.
Als wir in die Tiefgarage rollten konnte ich es mir nicht verkneifen noch mal kräftig Gas zu geben und dem Wagen wieder das tiefe kräftige Grollen zu entlocken.
Beinahe glücklich parkte ich ein.
Was für ein Auto, was für eine Fahrt. Natürlich unvernüftig, aber schön. Nachdenklich strichen meine Hände über das lederummantelte Lenkrad. Unser eigenens Auto hatte kaum Luxus. Es war eben ein Gebrauchsgegenstand. Und die brauchen eben keinen Ressourcen verschwendenden Luxus, sagt das Ökoministerium. Ich durfte gar nicht daran denken dass dieser Gebrauchsgegenstand genau so teuer war wie der Porsche zu seiner Zeit. Zugegeben das war 40 Jahre her, aber trotzdem. Unsere Vorfahren haben da auf Kosten unserer Generation gelebt, sagt das Ökoministerium. Energie und Mobilität waren halt kostbare Dinge.
Etwas wehmütig stieg ich aus und träumte von der guten alten Zeit.
 

Tula

Mitglied
Moin

In einigen deiner Vorhersagen magst du recht haben, sehr wahrscheinlich sogar. Dass du im Fahrpreis im Jahr 2050 mit dem dann fast nicht mehr verkauften Benzin billiger fährst, halte ich allerdings für eine widersprüchliche Träumerei.

Insgesamt fehlt es mir entweder an Spannung oder an satirischem Humor, z.B. um den Verlust an Fahrqualität auszuarbeiten. 2050 bestimmt vielleicht das Auto wohin es überhaupt gehen soll, es könnte einen Stau geben, aber nur du bist rein entscheidungs— technisch in der Lage, frech auf dem Standstreifen zu überholen usw. Einfach ein paar irrwitzige Situationen ausdenken, in welchen sich der technologische Fortschritt als Nachteil oder gar Falle erweist.

LG
Tula
 



 
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