Werners Kneipe

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,,Wo sind diese verdammten Schuhe nur geblieben?“- schimpfte Werner. ,,Die stehen doch immer, blank geputzt, im Schrank!"
Werner legt großen Wert auf seine Schuhe, er geht nie mit schmutzigen Tretern aus dem Haus und schon gar nicht in die Kneipe.

Genau, Werner will in die Kneipe zu seinen Freunden und nun fehlen die Schuhe.
,,Unter der Nase weggeklaut"- tobt Werner- ,,In diesem Saftladen muss man höllisch aufpassen , dass einem die Zahnbürste beim Zähneputzen nicht gestohlen wird."

Einmal hatte Werner den Langfinger erwischt, der alte Mann saß stolz, umringt von weißhaarigen Weibern im Wohnzimmer und hatte Werners Mütze auf dem Kopf. Werner hatte ihn zu Rede gestellt, aber der Dieb war felsenfest davon überzeugt gewesen, dass es seine Mütze sei. Als Werner sein Eigentum zurück haben wollte, hatte der Alte zu brüllen angefangen, so dass eine Menge junger Leute plötzlich auftauchte ( woher die alle kamen war Werner ein Rätsel, denn sonst traf man tagelang nur auf alte Greise) und alle durcheinander redeten. Werner wurde es zu blöd und er ging auf sein Zimmer. Ein paar Tage später hatte der Schuft die Mütze unter Werners Matratze gelegt. Nun war die Kopfbedeckung platt wie eine Flunder und könnte nicht mehr getragen werden.

Werner fasst in seine Hosentasche und stellt fest, dass er keine müde Mark besitzt. Ohne Geld kann er, genau so wie ohne Schuhe doch nicht in die Kneipe gehen.

,,Wieso habe ich denn kein Geld? Jeder Mensch hat doch Einkünfte; Lohn, Rente, Sozialhilfe oder sonst was"- überlegt Werner.
Hatte er vielleicht vergessen einen Antrag zu stellen?

Wernes beschließt die nette Dame zu fragen, die ihn jeden Morgen weckt, nach seinem Wohlergehen fragt und ihm Hilfe beim Anziehen anbietet. Und das nur, weil er einmal die Unterhose über den Kopf ziehen wollte, das kann doch jedem mal passieren.

Die nette Frau sagt, dass Werners Rente (also Rente!) für die Miete und Verpflegung drauf geht und dass er sein Erspartes in der Kneipe verjubelt hatte. Werner ist entsetzt, er hat noch nie Geld verjubelt, noch nie anschreiben lassen, noch nie was ausgegeben. Die Kumpels in der Kneipe kamen ihm immer zuvor, luden ihn ein, brachten ihm sein Bier an den Tisch, prosteten ihm zu. Wie es Freunde halt machen.

In der Kneipe war er wer, man kannte ihn und er konnte mitreden, vor allem wenn es um seine Kindheit ging. Werner sollte in dem Jahr eingeschult werden, als der Krieg begann und ab da kämpfte jeder bloß noch ums Überleben. Sein Vater musste an die Front und seine Mutter verkaufte nach und nach alles was Geld einbringen konnte um Lebensmittel zu kaufen. Werner träumte oft noch von den zerbombten Straßen, dem ständigen Hunger, von bettelnden Kindern.

Er war sicherlich auch mal verheiratet gewesen, denn warum sollte sich sein Herzschlag erhöhen und sich ein Glücksgefühl einstellen, wenn er an ihre rehbraunen Augen dachte. An ihre Augenfarbe kann Werner sich noch genau erinnern, aber an ihre Nase, ihr Haar nicht mehr. Werner war so, als würde er durch einen Schleier schauen, der sich hin und wieder mal lichtete, aber nie das ganze Gesicht preis gab. Wahrscheinlich hatte er auch Kinder, denn er spürte manchmal kleine Hände in seinen und hörte glückliches Kinderlachen. Ab und zu besuchten ihn Leute, die ihn Opa oder Uropa nannten. Und sowas sagt man doch nicht zu wildfremden Menschen. Aber wie viele Kinder er hat, ob Mädchen oder Jungs, weiß Werner nicht. Bei seinen Freunden in der Kneipe zu fragen, traut Werner sich nicht, womöglich meinen sie dann, dass er nicht mehr richtig im Kopf sei und wollen nichts mehr mit ihn zu tun haben. Seine Mutter hatte mal gesagt, dass ab einem gewissen Alter die Vergesslichkeit normal sei. Sie bezog sich auf Werners Oma, die kurz nach seiner Geburt starb. Hatte er jetzt auch das gewisse Alter erreicht? Werner weiß nicht genau wie alt er ist, er nennt, wenn jemand nach seinem Alter fragt, sein Geburtsdatum (das kennt er) und dann sollen die doch selbst rechnen.

,,Wo sind bloß meine Schuhe hin?“- Werner will unbedingt in die Kneipe, zu seinen Freunden, dahin wo man ihn kennt, wo er mitreden kann, wo er eine wichtige Person ist.

Dass es diese Kneipe seit fünf Jahre nicht mehr gibt, weiß Werner nicht, das hat er vergessen
 
Zuletzt bearbeitet:
Hallo, danke für Ihre wunderbare Bewertung. Das freut mich wirklich sehr.
Ja, leider ist die Demenz eine weit verbreitete Krankheit, dagegen es keine wirkungsvolle Behandlung gibt. Zuwendung, Betreuung und Begleitung- das ist alles was wir für diese Menschen tun können.
Gruß
 

Bo-ehd

Mitglied
Hallo Anna,
es bedarf einiger Anmerkungen und Korrekturen. Ich korrigiere dir hier mal den gesamten Text. Alle Korrekturen sind ausgeführt und in Fettdruck.


,,Wo sind diese verdammten Schuhe nur geblieben?", schimpfte Werner. ,,Die stehen doch immer, blank geputzt, beide Kommas entfallen im Schrank!"
Werner legt großen Wert auf seine Schuhe, er geht nie mit schmutzigen Tretern aus dem Haus und schon gar nicht in die Kneipe.

Genau, Werner will in die Kneipe zu seinen Freunden und nun fehlen seine Schuhe.
,,Unter der Nase weggeklaut", tobt er. ,,In diesem Saftladen muss man höllisch aufpassen , dass einem die Zahnbürste beim Zähneputzen nicht gestohlen wird."

Einmal hatte Werner einen Langfinger erwischt. Der alte Mann saß stolz, umringt von weißhaarigen Weibern, im Wohnzimmer und hatte Werners Mütze auf dem Kopf. Werner hatte ihn zu Rede gestellt, aber der Dieb war felsenfest davon überzeugt gewesen(entfällt), dass es seine Mütze sei. Als Werner sein Eigentum zurück haben wollte, fing der Alte zu brüllen an, so dass eine Menge junger Leute plötzlich auftauchte ( woher die alle kamen, war Werner ein Rätsel, denn sonst traf man tagelang nur auf (entfällt) alte (entfällt) Greise, die alle durcheinander redeten. Werner wurde es zu blöd und er ging auf sein Zimmer. Ein paar Tage später hatte der Schuft die Mütze unter Werners Matratze gelegt. Nun war die Kopfbedeckung platt wie eine Flunder und konnte nicht mehr getragen werden.

Werner fasst in seine Hosentasche und stellt fest, dass er keine müde Mark besitzt. Ohne Geld kann er, genau so wie ohne Schuhe, doch nicht in die Kneipe gehen.

,,Wieso habe ich denn kein Geld? Jeder Mensch hat doch Einkünfte; Lohn, Rente, Sozialhilfe oder sonst was", überlegt Werner.
Hatte er vielleicht vergessen einen Antrag zu stellen?

Werner beschließt die nette Dame zu fragen, die ihn jeden Morgen weckt, nach seinem Wohlergehen fragt und ihm Hilfe beim Anziehen anbietet. Und das nur, weil er einmal die Unterhose über den Kopf ziehen wollte, was doch jedem mal passieren kann.

Die nette Frau sagt, dass Werners Rente (also Rente!) für die Miete und Verpflegung drauf geht und dass er sein Erspartes in der Kneipe verjubelt habe. Werner ist entsetzt, er hat noch nie Geld verjubelt, noch nie anschreiben lassen, noch nie was ausgegeben. Die Kumpels in der Kneipe kamen ihm immer zuvor, luden ihn ein, brachten ihm sein Bier an den Tisch, prosteten ihm zu. Wie es Freunde halt machen.

In der Kneipe war er wer, man kannte ihn und er konnte mitreden, vor allem, wenn es um seine Kindheit ging. Werner sollte in dem Jahr eingeschult werden, als der Krieg begann, und ab da kämpfte jeder bloß noch ums Überleben. Sein Vater musste an die Front, und seine Mutter verkaufte nach und nach alles, was Geld einbringen konnte, um Lebensmittel zu kaufen. Werner träumte oft noch von den zerbombten Straßen, dem ständigen Hunger, von bettelnden Kindern.

Er war sicherlich auch mal verheiratet gewesen, denn warum sollte sich sein Herzschlag erhöhen und sich ein Glücksgefühl einstellen, wenn er an ihre rehbraunen Augen dachte. An ihre Augenfarbe kann Werner sich noch genau erinnern, aber an ihre Nase und ihr Haar nicht mehr. Werner war so, als würde er durch einen Schleier schauen, der sich hin und wieder mal lichtete, aber nie das ganze Gesicht preisgab. Wahrscheinlich hatte er auch Kinder, denn er spürte manchmal kleine Hände in seinen und hörte glückliches Kinderlachen. Ab und zu besuchten ihn Leute, die ihn Opa oder Uropa nannten. Und sowas sagt man doch nicht zu wildfremden Menschen. Aber wie viele Kinder er hat, ob Mädchen oder Jungs, weiß Werner nicht. Bei seinen Freunden in der Kneipe zu fragen, traut er sich nicht, womöglich meinen sie dann, dass er nicht mehr richtig im Kopf sei und nichts mehr mit ihn zu tun haben wollen. Seine Mutter hat einmal gesagt, dass ab einem gewissen Alter die Vergesslichkeit normal sei. Sie bezog sich auf Werners Oma, die kurz nach seiner Geburt starb. Hatte er jetzt auch ein solches Alter erreicht? Werner weiß nicht genau, wie alt er ist, er nennt, wenn jemand nach seinem Alter fragt, sein Geburtsdatum. Das kennt er und dann sollen die doch selbst rechnen.

,,Wo sind bloß meine Schuhe hin?“, Werner will unbedingt in die Kneipe, zu seinen Freunden, dahin, wo man ihn kennt, wo er mitreden kann, wo er eine wichtige Person ist.

Dass es diese Kneipe seit fünf Jahre nicht mehr gibt, weiß Werner nicht, das hat er vergessen.

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Es handelt sich in erster Linie um die Kommasetzung, vor allem nach wörtl. Rede. Kurze Hauptsätze hintereinander bleiben kommafrei, lange der besseren Lesbarkeit wegen sollten besser durch ein Komma getrennt werden.

Warum ich bei deinem Text gestoppt habe? Es handelt sich nicht um eine Erzählung (fehlende Handlungsstränge, fehlende Story/Konflikt, fehlender Umfang). Mit diesem Text bist du bei der Kurzprosa besser aufgehoben.

Gruß Bo-ehd
 

Matula

Mitglied
Hallo Anna Wilms 1811 !
Mir gefällt, dass Du dem Thema komische Seiten abgewinnen kannst. Die enthüllen sich zwar nur dem Betrachter, aber man tröstet sich damit, dass der Betroffene in seiner Welt nichts davon bemerkt.

Schöne Grüße aus Wien,
Matula
 



 
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