„Warum kommst du erst jetzt?“
Lisann fuhr zusammen. Ihr Vater stand am Ende des Flurs vor dem Fenster, dass zur Straße hinaus ging. Seine Silhouette zeichnete sich scharf gegen das einfallende Mondlicht ab.
„Ich war bei Doro“, rechtfertigte sie sich. Das war noch nicht mal gelogen.
„Es ist halb zehn!“
Sie sah den Ärger in seinen Augen. In so einer Stimmung war er ungenießbar. Lisann wusste, dass sie lieber nichts sagte. Sonst würde er sich noch mehr aufregen. Sie zog den Mantel und die Schuhe aus. Richard Kessins Schweigen hing drohend zwischen ihnen.
Ihre Mutter tauchte aus dem Wohnzimmer auf und knipste das Licht an. „Da bist du ja“, begrüßte sie Lisann. „Siehst du, Richard, du musst dich gar nicht aufregen. Ist nur ein bisschen später geworden. Das kann doch passieren. Außerdem ist sie ja kein kleines Kind mehr.“
Sie kam zu ihr und warf ihr heimlich einen warnenden Blick zu. „Du bist ja ganz verfroren, Kleine. Ich mache dir einen Tee.“ Sie griff ihre Hand und zog sie in die Küche.
Lisann konnte sich lebhaft vorstellen, dass ihr Vater seit einer Stunde im Wohnzimmer auf und ab gelaufen war und auf sie gewartet hatte. Er regte sich dabei immer fürchterlich auf, während Mutter auf dem Sofa saß, strickte und versuchte, ihn zu beruhigen.