Wie du's wolltest - Sonett

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Walther

Mitglied
Wie du‘s wolltest

Der Böse gibt den letzten Philosophen
Und sieht sich in den Hallen des Olymps.
Sag mir was Dummes, und ich pimp’s:
Bescheidenheit ist nur was für die Doofen.

Du weißt, wie’s geht: Der Dreck wird von der Hand
Gewaschen, Lügen kriegen feinstes Golddekor.
Der Abschaum steigt aus tiefstem Dreck empor
Und redet dich um Sinn und auch Verstand.

Was soll ich sagen: Du hast selbst gewählt.
Betrug hast du bekommen, wie du’s wolltest:
Die Stimmen sind geworfen und gezählt.

Das Gute ist’s gewesen, das du trolltest.
Doch hast du dich, die Deinen schon gestählt,
Bevor du von der Gruft den Deckel rolltest?
 

mondnein

Mitglied
Der Böse gibt den letzten Philosophen
Es ist meine Langsamkeit, lieber Walther,

daß ich bei so einer ersten Zeile haltmachen muß, weil mir so vieles einfällt, aber ich gehe erst einmal weiter bis zum Schluß, mit Lächeln über die Formulierung
Die Stimmen sind geworfen
wie Lose, oder wie Würfel.
Und kehre zum Anfang zurück, - warum soll man nicht erstmal ganz oben hängen bleiben, man kann sich ja jeden Tag oder jede Woche einen weiteren Vers vornehmen.

"Der Böse" kann jeder sein, das ist weit offen.
Aber als "letzten Philosophen" sind so ungefähr alle seit Immanuel Kant gesehen oder sogar benannt worden, wobei einige in der Tat so etwas wie Schlußlichter gewesen sind, in ihrer Dimension unüberbietbar.
Für Kantianer z.B. kommt nichts mehr nach Kant;
rückblickend (mit Whitehead, dem Mitschöpfer der "principia mathematica") kann man Platon und Aristoteles als die endgültigen ansehen, nach denen nur noch Fußnoten, Interpretationen, Ergänzungen usw. sich an deren Staunen gehängt haben.
Aber so richtige Sackgassen bzw. "letzte Philosophen" am Ziel sind
Hegel,
und sein Gegenspieler Schopenhauer,
und der Mann, der den Hegel vom Kopf auf die Füße stellen wollte (womit hat der eigentlich denken wollen?), Marx himself.
Heidegger sah sich gelegentlich als den letzten, obwohl er seine ultimative Erkenntnis von der "ontologischen Differenz" bei Boethius (De hebdomadibus) geklaut hat und seine Frage "Warum gibt es überhaupt etwas, nicht nichts?" von Schelling (Philosophie der Offenbarung) übernahm, der sie von Leibniz hatte, der wiederum mit genau dieser Frage den Thomas-Zeitgenossen Siger von Brabant beerbt hat.
Nun ja, die Anfänge zeigen sich als letzte Enden, und die letzten Enden als Anfänge.

Alles hat drei Enden,
nur die Zeit hat zwei:
Eines
und Keines.

So, jetzt (bald, irgendwann ...) mal weiter zu den nächsten Versen.

grusz, hansz
 
Zuletzt bearbeitet:

Walther

Mitglied
lb hansz,
danke fürs lesen und besprechen. du weißt einfach zu viel. ich bin überwältigt, was in diesem kleinen sonett steckt.
in meinem dichten, lb hansz, ist viel fließen, wenig steuern. in diesem hier gab es eine idee und einige fixpunkte. der rest war stream of thinking.
lg W.

der dichter dankt @Tula und @mondnein fürs leseempfehlen.
 



 
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