Willi der Koch Chapter 12

Zwei Tage später werden Wasserbomben geworfen, alle sind aufs äußerste gespannt. Geworfen ist eigentlich falsch ausgedrückt, die Dinger haben zwei Ringe an Kopf und Fuß und rollen über eine spezielle, dafür vorgesehene Schiene übers Heck ins Wasser. Der Zerstörer beschleunigt nach dem „Abwurf.“ Die Tiefe ist auf 200 Meter eingestellt

Ich stehe mit den anderen auf der Schanz, dem hinteren Bereich des Schiffes und wir zählen die Sekunden. „Verdammt lange, bis so eine Bombe auf 200 Meter abgesunken ist, findest du nicht?“ Tommy, seiner Majestät erster Rostklopfer steht neben mir. „Ja, wundert mich auch“, ist meine Antwort.

Dann endlich kracht es, wir haben den Eindruck, das Schiff wird um einen Meter angehoben, zu sehen ist aber nichts. Wir federn die Erschütterung mit den Beinen ab, mein Gott, geht es mir durch den Sinn, fühlt sich an, als wären wir getroffen worden, und dann, es kommt mir vor wie eine Ewigkeit, da erhebt sich aus dem Wasser eine Säule majestätisch in den Himmel und sie wächst und will nicht damit aufhören.

Was mich fasziniert ist dieses kreisrunde Gebilde, sie wirkt wie eine Säule aus Stein gemeißelt und das Tollste ist, sie ist oben ganz flach. Könnte man die Zeit anhalten, ich wette, man könnte in 50 Metern Höhe den kreisrunden Durchmesser locker durchschwimmen. Widerwillig beginnt sie sich jetzt zu besinnen, woher sie eigentlich stammt und bricht, wie in Verzögerung, auseinander. Was für ein Anblick?

Ich bin überrascht, als das Schiff anfängt sich zur Seite zu neigen und dabei eine Kurve von 180° dreht. Wir fahren in den Kreis der zurück gestürzten Wassersäule. Die Maaten stehen an der Bordwand mit Keschern bereit. Wie geschickt sie sind beim Aufsammeln der toten Fische. Ich kenne mich mit Fischen nicht aus, aber da werden weiß bauchige Tiere, mit grauen Rückenflossen an Deck gehievt, die einen Meter oder mehr messen.

Ihnen scheint nichts zu fehlen, sehen aus als schliefen sie nur. Aber der Schmadding erklärt uns, ihnen wären die Lungen geplatzt und sie sind für die Offiziersmesse vorgesehen. Eine Stunde später wird in der Kombüse der Fisch zubereitet.

Immer wenn es ums Filetieren von Tieren geht, sei es, wie in diesem Fall der Fisch oder wie fast jeden zweiten Tag, wenn ein halbes Schwein oder Rind aus den Kühlkammern des Schiffes in die Küche wandert, dann ruft man nach Willi Koch, unserem Freund und ebenfalls Rostklopfer. Er ist seines Zeichens Metzger von Beruf, er muss dann Meißel und Hammer aus der Hand legen, sich waschen und in weißer Schürze, völlig verändert, vor den Augen der Offiziere, den „Mann mit den flinken Messern“ spielen.

Er genießt seinen Auftritt und er steigert die Wirkung noch dadurch, dass er in seiner bescheidenen Art erscheint und alle in der Runde offen anlächelt, was mich überrascht, weil es so professionell wirkt und eigentlich gar nicht zu seinem Typ passen will.

Wie geschickt er ist, er legt sich den Fisch zurecht, zögert, schaut in die Runde, er lächelt dabei wie ein Magier, legt sanft seine linke Hand auf das Tier, er weiß genau was zu tun ist, er weiß wie man einen Fisch richtig filetieren muss.

Er beginnt, und gekonnt, mit schnellen, sicheren Bewegungen, zerteilt er das Tier. Kein Schnitt geht daneben, das geht mit einem Takt, als würde Karajan dirigieren.

Das Schlimmste aber, der eigentliche Smutje, also der Koch des Schiffes, der vielleicht ein gelernter Schreiner oder Installateur ist, steht dabei und versucht etwas von den schnellen Schnitten zu erhaschen und für sich nutzbar zu machen, aber es wird ihm nicht gelingen. Man wird kein guter Degenfechter, kein brillanter Tennisspieler und auch kein vollkommener Jongleur nur vom Zusehen.

Willi zelebriert in souveräner Art sein schnelles und gekonntes Selektieren ohne ein Wort. Alles wirkt perfekt und ab und zu schaut er kurz nach oben, zögert einen Moment, bevor er einen gekonnten, speziellen Schnitt tut.

Ich weiß es nicht, aber ich habe Willi möglicherweise falsch eingeschätzt, er ist so ganz anders als ich ihn kenne, aber er macht das wirklich gut. Er macht es wie ein Alleinunterhalter. Der ganze Saal ist begeistert und er bekommt seinen Applaus und er strahlt über das ganze Gesicht, beim Hinausgehen. Zehn Minuten später hört man ihn, als sei nichts gewesen, mit Hammer und Meißel Rost klopfen.
 



 
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