Wohin ?

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anbas

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Wohin?

Seit dem Fall der Mauer verliere ich zunehmend meine Orientierung. Es quält mich immer mehr die Frage, wohin ich gehen soll. Früher hatte man es mir sofort und bereitwillig gesagt.

"Dann geh doch nach drüben, wenn es dir hier nicht passt!", sagten sie, sobald ich Kritik an bestimmten Verhältnissen in unserem Land äußerte. Diese Option fehlt mir nun schon seit Jahren. Bekanntermaßen hätten sich viele meiner Landsleute jenseits der Mauer gefreut, wenn man ihnen ein solches Angebot gemacht hätte. Doch ihnen drohte die Inhaftierung oder gar Erschießung, wenn sie von sich aus auf die Idee gekommen wären, nach drüben zu gehen, weil es ihnen dort wo sie waren nicht mehr gefiel.

Wohin soll ich jetzt also gehen? Nach Australien? In die USA? Nach Kanada? Ich glaube, im Gegensatz zur damaligen DDR wird man mich dort nicht unbedingt mit offenen Armen empfangen. Außerdem haftet einem Auswanderer in diese Länder doch mehr das Image eines Wirtschaftsflüchtlings oder eines wagemutigen Aussteigers an, als das eines politisch-kritisch denkenden Menschen.

Was bleibt mir also jetzt noch übrig? Kuba! Kuba ist sicherlich ein sehr schönes Land. Doch es ist auch eine total andere Welt, die sehr weit ab vom Schuss liegt. Daher gibt es für mich bis auf weiteres keine wirkliche Alternative zu dem Leben in dieser Republik. Und ich bin ehrlich gesagt froh darüber, dass bisher noch keiner meiner Mitbürger auf die Idee gekommen ist, mich nach Kuba zu schicken, wenn ich meinem Unmut über bestimmte Verhältnisse in diesem Land freien Lauf lasse.
 

anbas

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Wohin?

Sagt mir, wohin soll ich gehen? Wohin wollt ihr mich nun schicken? Seit Jahren warte ich darauf, dass ihr mir sagt, wohin ich gehen soll.

"Dann geh doch nach drüben, wenn es dir hier nicht passt!", habt ihr immer gesagt, sobald ich Kritik an bestimmten Verhältnissen in unserem Land äußerte. Mit "drüben" meintet ihr die damalige DDR. Dorthin sollten alle gehen, die hier im Westen zu viel herumnörgelten. Jetzt, nach dem Wegfall des Eisernen Vorhangs, seid ihr so still geworden. Das verunsichert mich. Ich bin regelrecht hilflos!

Wohin soll ich nun also gehen? Nach Australien? In die USA? Nach Kanada? Ich glaube kaum, dass man mich dort mit offenen Armen empfangen wird. Außerdem haftet einem Auswanderer in diese Länder doch eher das Image eines Wirtschaftsflüchtlings oder eines wagemutigen Aussteigers an. Doch das bin ich nun wirklich nicht.

Was bleibt mir also jetzt noch übrig? Kuba! Kuba ist sicherlich ein sehr schönes Land. Doch es ist auch eine total andere Welt, die sehr weit ab vom Schuss liegt. Ehrlich gesagt bin ich recht froh darüber, dass ihr bisher noch nicht auf die Idee gekommen seid, mich dorthin zu schicken.

Doch so quält mich weiterhin die Frage, wohin ich nun gehen soll. Ihr seid doch sonst immer so schlau gewesen; habt euch nicht mit Argumenten auseinandergesetzt, sondern einfach eine Marschrichtung vorgegeben. Das kanntet ihr ja noch von früher. Also sagt mir nun endlich, wohin ich gehen soll! - Zum Teufel? Ja, das könnte passen.
 

anbas

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Wohin?

Sagt mir, wohin soll ich gehen? Wohin wollt ihr mich nun schicken? Seit Jahren warte ich darauf, dass ihr mir ein neues Ziel nennt.

"Dann geh doch nach drüben, wenn es dir hier nicht passt!", habt ihr immer gesagt, sobald ich Eure Meinung über das gute Leben in Westdeutschland nicht teilte. Mit "drüben" meintet ihr die damalige DDR. Dorthin sollten alle gehen, die hier im Westen zu viel herumnörgelten. Jetzt, nach dem Mauerfall, seid ihr so still geworden. Das verunsichert mich. Ich bin regelrecht hilflos!

Wohin soll ich nun also gehen? Nach Australien? In die USA? Nach Kanada? Ich glaube kaum, dass man mich dort mit offenen Armen empfangen wird. Außerdem haftet einem Auswanderer in diese Länder doch eher das Image eines Wirtschaftsflüchtlings oder eines wagemutigen Aussteigers an. Doch das bin ich nun bei weitem nicht.

So quält mich weiterhin die Frage, wohin ich nun gehen soll. Ihr seid doch sonst immer so schlau gewesen; habt euch nicht mit Argumenten auseinandergesetzt, sondern einfach eine Marschrichtung vorgegeben. Das kanntet ihr ja noch von früher. Also sagt mir nun endlich, wohin ich gehen soll! - Zum Teufel? Ja, das könnte passen.
 

jon

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Teammitglied
Und als Gegenstück dazu (unausgereifte schnell-Replik):

Wohin?

Sagt mir, wohin soll ich gehen? Wohin soll ich fliehen? Seit Jahren warte ich darauf, dass sich ein neues Ziel auftut.

"Ich mach rüber", hieß es, wenn es einem hier nicht passte. Manchmal wurde man – mit Zwischenstopp hinter Gittern – auch dahin geschickt, sobald man die offizielle Meinung über das gute Leben in Ostdeutschland nicht teilte. "Rübermachen" war das Synonym für den Weg in die BRD. Dorthin gingen die, die hier im Osten zu viel herumzunörgeln fanden. Oder die wirklich litten. An was auch immer. Als persönlicher, seelischer Befreiungsschlag. Sagte man. Manchmal war's nur ein materieller.

Jetzt, nach dem Mauerfall, machen sie immer noch rüber. Noch immer als Befreiungsschlag, aber fast nur noch als materieller. Und hilft's? Nicht öfter als damals. Eher seltener werdend, denn dort sind die Probleme nicht anders als hier, nur noch nicht ganz so schlimm. Aber das wird noch, bestimmt.

Wohin soll ich nun also gehen? Nach Australien? In die USA? Nach Kanada? Sind die Probleme da anders? Nicht wirklich. Die gleichen Argumente, die gleichen Systeme, der gleiche Kampf ums Futter. Also sagt mir nun endlich, wohin ich gehen soll! - Zum Teufel? Ja, das könnte passen.
 

anbas

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Hallo jon,

vielen Dank für Deinen Kommentar und die Punkte. Wenn Du Dir die allererste Fassung anschaust, dann siehst Du, dass ich den Aspekt - die andere Perspektive - ursprünglich mit im Kopf hatte. Allerdings mehr mit der Sichtweise, dass "drüben" einige sehr erfreut gewesen wären, wenn man ihnen denn das Angebot gemacht hätte, nach drüben zu gehen, wenn sie es denn wollen bzw. es ihnen in der DDR nicht passt.

Dieser Teil ist dann allerdings meinem Bemühen zum Opfer gefallen, den Text zielgerichteter zu schreiben. Außerdem hätte es eventuell ein Problem mit der 250-Wörter-Vorgabe geben können.

Lieben Gruß

Andreas
 



 
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