Wohin mit der Leiche? (Romanauszug)

Hagen

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Wohin mit der Leiche? (Romanauszug)

„Hallo Arno!“ Die Kreolen-Charlotte setzte sich zu Arno ins Taxi, als sie am nächsten Tag wartend auf Fahrgäste am Bahnhof standen wie Frau Lot nach der Sache mit Sodom und Gomorra, „hast du es dir überlegt?“
„Was überlegt?“
„Ob ich zu dir kommen darf oder nicht. Die Gelegenheit ist gerade günstig. Es ist nicht viel los heute und ich fahre den Kombi. Mein bisheriger Lebensgefährte ist in der Tränke und Ottmar wird sich bald zur Ruhe begeben. In einer halben Stunde habe ich meine Sachen zusammengepackt und bin bei dir! Das war’s dann und dann kann mich alle Welt mal kreuzweise. Soll der Kerl doch sehen, wie er klarkommt! Manchmal habe ich das Gefühl, ohne Kerl besser klarzukommen, als mit; - du natürlich ausgeschlossen! Ich werde für dich kochen und dir den Haushalt führen. Wir machen natürlich einen richtigen Mietvertrag mit allem Drum und Dran. Das ist eine Win–Win-Situation!“
„Soweit habe ich noch gar nicht gedacht. Das hört sich aber gut an. – Klar, das machen wir, meine Tochter wird ja auch nicht immer bei mir sein. Ich rufe sie mal eben an, hoffentlich schläft sie nicht schon.“
Arno war froh, als sich seine Tochter etwas verschlafen meldete.
„Hör mal zu“, sagte er, „da kommt gleich die Kreolen-Charlotte, eine Kollegin von mir. Sie wird mal für eine Weile bei uns wohnen, weil ihr momentaner Lebensgefährte sie dauernd verprügelt. Du erkennst sie an ihren gewaltigen Kreolen. Gib ihr bitte auch einen Haustürschlüssel.“
„Was soll ich? Ihr einen Haustürschlüssel geben? Die soll bei uns wohnen? Kann sie denn nicht ins Frauenhaus gehen?“
„Jetzt fang nicht an wie Ulla! Du hast mich ja auch nicht gefragt, ob ich Taxifahren will oder nicht. Jetzt habe ich entschieden, dass Charlotte eine Weile bei uns wohnt.“
„Das geht aber nicht. Wo soll sie denn schlafen?“
„Bei mir im Schlafzimmer.“
„Etwa im Ehebett, wo du mit meiner Mutter drin geschlafen hast? Das finde ich aber pietätlos.“
„Ach Quatsch. Wenn du das meinst, Ulla hat da auch mit anderen Männern drin rumgemacht. Hast du mir selbst erzählt. Außerdem wird Charlotte uns den Haushalt führen und für uns kochen. Das ist doch was.“
„Gib mal her das Handy“, sagte die Kreolen-Charlotte und nahm Arno das Handy weg, „hallo Frau Oppermann, ich bin Charlotte Henriette Kalkhake. Wie ich Herrn Oppermann schon gesagt habe, ist Kochen mein Hobby. Was darf ich Ihnen denn zum Einstand zubereiten?“
„Ein schönes Chili Conn Carne möchte ich mal wieder …“
„Ich bitte Sie! Chili con carne mit Rind und Schwein, Chili con Carne zartbitter mit Zartbitterschokolade und Balsamico Essig, Chili con carne "peruviana", Chili con Carne ala Rosa, Chilie Con Carne de Grande oder Chili con Carne Mediterran? Chili gibt es in unendlich vielen Varianten, ich persönlich bevorzuge Chili con Carne zartbitter, aber das ist keine Kunst. Ich würde Ihnen lieber Gänsebrust mit Maronen, Spekulatius und Marzipanfüllung kredenzen, dazu Rosenkohl und Klöße.“
„Was?“
„War unsere Spezialität in der Hotelküche, in der ich gearbeitet habe, wurde besonders gerne zu Weihnachten gegessen. Ich würde es aber gerne mal wieder zubereiten.“
„Was? Gänsebrust mit Marzipanfüllung? Habe ich ja noch nie gehört.“
„Dann darf es vielleicht Wildschweinrücken in Sous-Vide-Technik gegart mit Thymianknödel und grünem Pfefferschaum sein?“
„Und sowas können Sie alles?“
„Sogar noch mehr! Ich habe Ihrem Herrn Vater vorgeschlagen, dass ich erst mal zur Probe bei Ihnen kochen werde. Er kann sich dann immer noch entscheiden. Ich werde mir dann in Ruhe eine eigene Wohnung suchen, wenn es mit uns nicht harmoniert.“
„Sie wissen aber, dass mein Vater sehr kompliziert ist?“
„Natürlich! Ich kenne ihn schon sehr lange und weiß, dass er im Grunde ein sehr guter Mensch ist. Ich werde es mit ihm aushalten.“
„Naja, versuchen können wir’s ja mal. Sie suchen sich bestimmt eine eigene Wohnung, wenn es nicht klappt?“
„Natürlich! Ich muss aber erst mal von dem Kerl weg!“
„Na, gut. Geben Sie mir bitte nochmal meinen Vater.“
Die Kreolen-Charlotte gab Arno das Hady wieder und atmete erleichtert aus.
„Töchterchen“, sagte Arno, „das ist nett, dass wir die Charlotte auf nehmen werden, um sie vor ihrem gewalttätigen Mann zu schützen! – Man muss im Vorfeld Gutes tun, damit mal auch mal was Schlechtes tun kann, um im karmischen Sinne gut darzustehen, hast du selbst gesagt!“
„Willst du etwas Böses tun? Hör bloß auf damit!“
Arno wollte was sagen, aber Ottmar meldete sich über Funk: „Hallo Arno! Meldest du dich eigentlich gar nicht mehr frei, oder was ist los?“
„Ach so ja, entschuldige. Hab gerade noch einen Einsteiger mitgenommen und bin nun gerade wieder am Bahnhof eingetrudelt. Alles erledigt. Wo soll ich denn jetzt hinfahren?“
„Wo ist die Kreolen-Charlotte eigentlich? Die meldet sich neuerdings auch nicht mehr.“
„Charlotte steht auf dem Dritten, sie sitzt bei mir, wir unterhalten uns ein bisschen. Ich stehe auf dem Sechsten, ist nix los, heute.“
„Okay, dann fahre mal zur Pumpe. Da ist wieder mal ein Besoffener abzuholen. Ich mache dann Schluss und leite auf Charlotte um, weil Wolfgang noch etwas außerhalb ist. Er hat eine Fahrt nach Emden erwischt, ihr macht das schon! Bis Morgen, und haltet die Ohren steif.“
„Geht klar. Angenehme Nachtruhe, Boss.“
Wie üblich schaltete Ottmar ohne ein weiteres Wort ab.
„Na, bitte“, sagte die Kreolen-Charlotte, „läuft doch! Ich warte noch den letzten Zug ab, dann packe ich meine Sachen und komme zu dir. Ich freue mich. Gib mir bitte deine Adresse und Handynummer!“
‚Ich glaube‘, dachte Arno, ‚das ist im karmischen Sinne ‘Gutes‘ genug, die Kreolen-Charlotte bei mir aufnehmen!‘
Er startete den Besoffenen aus der Pumpe abzuholen.
Der Besoffene war der Mann, welcher einer Frau am Tag zuvor erzählt hatte, dass sie in der Hölle schmoren würde, wenn sie einen Orgasmus vortäuscht. Diesmal ging die Fahrt glatt durch.
Wieder am Bahnhof funkte ihn die Kreolen-Charlotte an: „Hallo mein Schatz, ich bin gerade damit beschäftigt, meine Sachen zu holen. – Fahr du doch bitte nochmal zur ‚Pumpe‘. Dort wartet ein sechzehnjähriges Mädel, total besoffen. Der Wirt hat angerufen. Fahr die doch mal eben nach Hause, auf den Angeln 16, ich habe die schon öfter gefahren. Machen wir bei der immer per Frauennachttaxi und rede mal ein paar Takte mit der Mutter. Ich glaube, das kannst du.“
„Na, ich will es mal versuchen. Pumpe und dann auf den Angeln 16. Ich bin schon unterwegs. Alles klar bei dir?“
„Alles bestens! Mein Kerl ist nicht zuhause. Mach bitte schnell, wir treffen uns dann zur gesetzlichen Pause im Oberon. Tschüs mein Schatz!“
Arno raste los.
An der ’Pumpe‘ wurde er von dem betrunkenen Mädchen und ihrer Freundin empfangen, „na kommen Sie auch nochmal? Wir warten ja schon Ewigkeiten!“
„Tut mir leid, ging nicht schneller.“ Arno hielt dem Mädel die Tür auf, „geht’s so oder soll ich helfen?“
„Damit Sie meine Freundin begrabbeln können?“
Das Mädel hievte ihre betrunkene Freundin ins Taxi und stieg dazu. Arno schloss die Türen und stieg auch ein.
„Auf den Angeln 16 ist richtig?“, fragte er.
„Natürlich, und nun mach schon. Du siehst doch, dass meine Freundin total hinüber ist!“
Arno fuhr los und zu ‚den Angeln 16‘. Dort füllte er schnell den Vordruck für das Frauennachttaxi aus und reichte ihn nach hinten, „so, würden Sie bitte unterschreiben. Fünf Euro bekomme ich dann.“
„Was? Soviel? Wir haben kein Geld mehr.“
„Dann komme ich mal eben mit rein. Kriegen Sie Ihre Freundin alleine aus dem Wagen?“
„Natürlich. Das schaffe ich schon. Sie können dann abhauen!“
„So einfach geht das nicht!“ Arno hielt die Tür auf, „die fünf Euro möchte mein Chef auch gerne haben.“
Das Mädel astete ihre Freundin aus dem Taxi, sagte nichts und schleppte ihre Kameradin zum Eingang des Hauses. Dort klingelte sie und es wurde ihr auch aufgetan.
„Ich bringe Ihnen Ihre Nicole wieder“, sagte das Mädel zu einer etwas verhärmt aussehenden Frau, „wir haben noch einen getrunken und dann kam Sven dazu und hat Nicole abgefüllt.“
„Du weißt doch, dass Nicole immer trinkt bis zum Umfallen. Hättest du nicht aufpassen können?“
„Entschuldigen Sie bitte, ich will mich nicht einmischen“, sagte Arno, „aber würden Sie mir bitte das Frauennachttaxi unterschreiben? Fünf Euro bekomme ich dann noch von Ihnen und dann sind Sie mich auch schon wieder los.“
„Was? Auch noch Taxi seid ihr gefahren?“
„Entschuldigung, aber Sie haben Ihre Aufsichtspflicht verletzt“, sagte Arno, „Personen unter 18 Jahren sind Minderjährige. Minderjährige stehen unter elterlicher Aufsichtspflicht. Eine Haftung der Eltern kommt in Betracht, wenn sie ihre Aufsichtspflicht verletzt haben, und das haben Sie. Da war ihre Tochter mit dem Taxi nach Hause bringen das Vernünftigste. Der Wirt hat mich gerufen, ich tue nur meinen Job. Und jetzt möchte ich gerne fünf Euro und eine Unterschrift für das Frauennachttaxi.“
„Wie, Aufsichtspflicht verletzt? Karl, komm doch mal her.“
Ein Mann in Schlappen erschien und nahm seine Tochter in den Arm, „mein Engel! Was ist denn nun schon wieder passiert?“
Arno betete sein Sprüchlein mit der Verletzung der Aufsichtspflicht noch mal herunter.
„Was wollen Sie überhaupt?“, brüllte der Mann plötzlich, „Klugscheißen oder was? Von wegen Aufsichtspflicht verletzt! Hauen Sie ab, oder ich rufe die Polizei! Holen Sie sich Ihre fünf Euro doch vom Wirt, der hat Sie schließlich gerufen! Meinen armen Engel derart abzufüllen!“
Er knallte die Tür zu.
„Prolet!“, murmelte Arno, zuckte die Achseln und schickte sich an zu gehen.
„Sie müssen mich jetzt aber noch mit zurück nehmen!“, sagte das andere Mädchen.
„Ja, mach ich“, sagte Arno, „Frauennachttaxi, fünf Euro.“
„Wieso? Sie fahren doch sowieso zum Bahnhof. Da können Sie mich doch mal eben mitnehmen und an der ‚Pumpe‘ wieder absetzen. Ich habe kein Geld.“
„Moment mal. Wollen Sie etwa wieder zur ‚Pumpe‘ und da weitersaufen?“
„Ja, wieso? Ich finde schon jemanden, der mir das bezahlt. Meine Eltern sind schließlich auch jeden Abend hackedicht.“
„So geht das aber nicht! Ich will Sie wohl ausnahmsweise nach Hause bringen und nirgendwo anders, sonst mache ich mich auch strafbar. Wo wohnen Sie?“
„Sag‘ ich nicht!“
„Dann fahren wir jetzt zur Polizei! Einsteigen, junge Dame!“
„Na, gut. Goethestraße zwölf. Aber fassen Sie mich nicht an!“
„Keine Bange.“
Arno brachte das junge Mädchen nach Hause und lieferte sie auch bei ihren Eltern ab. Die Mutter zog das Mädel ins Haus, knallte ihr eine und schlug die Tür zu ohne sich zu bedanken.
Arno schüttelte den Kopf, ‚Leute gibt das!‘ Er meldete sich über Funk bei der Kreolen-Charlotte und erstattete kurz Bericht.
„War ja klar“, meinte die Kreolen-Charlotte, „die Nummer zieht die einmal die Woche durch. Ich bin ja gespannt, was aus der Frau mal wird. – So, im Moment liegt bei mir auch nichts an, ich bin auch soweit. Wir treffen uns gleich am Bahnhof. Kussi!“
Als Arno am Bahnhof ankam, parkte die Kreolen-Charlotte auch gerade ein. Arno stieg aus, verschloss sein Taxi und setzte sich zu der Kreolen-Charlotte in den Wagen.
„Na, alles gelaufen?“, fragte er.
„Bestens!“ Die Kreolen-Charlotte zündete sich eine Zigarette an, „willst du auch eine?“
„Nein.“
„Du hast ja ein schönes Haus! Habe ich noch nie drin gewohnt, in einem Haus mit Garten. Machst du den selbst? In Zukunft werde ich das machen! Kann ich da auch Kräuterbeete anlegen? So Bärlauch, Bohnenkraut, Süssdolde und Fenchel zum Beispiel?“
„Nein, lass man. Das macht ein Gärtner, schließlich musst du noch Taxi fahren.“
„Ja, stimmt auch wieder, aber mal sehen! – Deine Tochter ist übrigens sehr nett. Sie hat sich morgen zum Einstand Coq au vin de Bourgogne gewünscht, das schmeckt genial. Allerdings werde ich die ausgekochten Speckwürfel absieben und dafür knusprig gebratene Speckstreifen als Beilage dazu reichen. Statt einer kleinen Zwiebel machen es ein paar Schalotten noch feiner. Die Champignons, ich werde ausgesucht kleine nehmen, werde ich mit dem Speck und den Zwiebeln mit dünsten – passt auch gut. Oder was meinst du?“
„Du machst das schon richtig! Hauptsache du bist gut von zuhause weggekommen.“
„Ja, das war erstaunlicherweise ganz einfach. Mein Kerl war in der Tränke und ich hab‘ ihm einen Zettel hingelegt: ‚Das war einmal zu viel! Ich bin dann mal weg! Grüße, Charlotte.‘ Ein Nachbar hat mir noch geholfen, meine Truhen, in die ich vorsorglich meine Klamotten gepackt hatte, runtertragen. Er muss wohl von den ständigen Ausschreitungen was gehört haben, jedenfalls hat er gesagt, dass er schon lange mitgekriegt hat, das der Kerl mich dauernd schlägt, und warum ich erst jetzt abhaue.“
„Das wurde aber auch höchste Zeit. – Was meinst du, fahren wir zu Andrea und machen unsere gesetzliche Pause?“
„Gerne. Ich muss mich sowieso von den Deppen und Idioten heute erholen …“
Aus der gesetzlichen Pause wurde nichts, denn die Kreolen-Charlotte bekam eine Fahrt. Arno ging ins Speakeasy, wenigstens Kaffee trinken.
Es passierte seltsamerweise nichts. Nach dem Kaffee und einer Zigarette setzte Arno sich wieder in sein Taxi, legte eine CD von Johnny Hodges und Wild Bill Davis ein, stellte den Sitz zurück, schloss die Augen und genoss die Musik. Er hätte gerne aussteigen und nachdenklich Spazierengehen mögen, mit einem Walkman oder IPod im Ohr, um diese Musik nicht zu vermissen, in einem Schritt, der einem Rentner angemessen ist, schlendernd, wie Heinz Rühmann in seinen Filmen, als alle Welt um ihn stramm marschierte, doch von tiefem Nachdenken erfüllt. Von Nachdenken, dass er sich mit der Aufnahme der Kreolen-Charlotte in eine Situation manövriert hatte, aus der er jetzt nicht mehr so ohne Weiteres herauskam, obwohl er eigentlich für den Rest seines Lebens Ruhe haben wollte.
In seinem Vereinsheim konnte er stundenlang sitzen und an seinen Modellschiffen liebevoll Details erarbeiten, es machte ihm nichts, er konnte sogar einen Kaffee oder ein Bier dazu trinken, das sollte auch so bleiben. Aber jetzt hatte er die quirlige Kreolen-Charlotte bei sich zuhause. Wie es sich bis jetzt anfühlte, würde sie eines Tages auch Sex wollen. Ob er das noch schaffte in seinem Alter?
„Nach Hüpptingsen!“ Ein grobschlächtiger Kerl stieg ein, „Hey, was ist das denn für eine Barackenmusik? Los, mach mal Andreas Gabalier oder den Wendler, du Penner! Das ist wenigstens Musik, aber doch nicht sowas!“
„Da geht’s raus!“, sagte Arno und wies auf die Beifahrertür, „es stehen sicher genug Taxen zur Verfügung, die Ihnen Derartiges vorspielen werden! Und nun raus!“
„Sowas ist mir ja noch nie passiert!“, murmelte der Kerl und stieg tatsächlich aus.
‚Dieses verdammte Proletenpack!‘, dachte Arno.
Die Zeit tropfte dahin, zäh wie ein ausgelutschter Kaugummi. Arno döste vor sich hin, die Musik schien ihm unaufdringlich und ließ dabei Platz zum Nachdenken.
Er kam nicht zum präzisieren seiner Gedanken, denn ein etwas geistesabwesend wirkender Mann stieg ein und wollte zu einem Ort etwas außerhalb.
Arno nickte und startete Uhr und Taxi.
„Würden Sie diese Musik bitte etwas lauter machen, auf Originallautstärke und die Bässe bitte einen kleinen Tick leiser?“
Arno stutzte, als der Mann das sagte, drehte aber an den Reglern, „Recht so?“
„Ja, genau.“ Der Mann schloss die Augen und lauschte, mehrere Stücke lang.
„Merkwürdig“, sagte er plötzlich, „bei manchen Stücken sind die Mikrofone in der Position eines schwebenden Engels angebracht, aber bei diesem Einen am Ort des ruhenden Teufels …“
„Das hören Sie heraus?“ Arno war erstaunt, auch über die Ausdrucksweise.
„Ja, das bringt mein Beruf mit sich. Ich bin Intonator, Orgelbauer und Klavierstimmer. – Kann ich das letzte Stück bitte nochmal hören? Ist vom Mixing her zwar lausig, aber die Musik ist genial! – Was ist denn das?“
„Johnny Hodges und Wild Bill Davis, ‘Blues for Madeleine’”, sagte Arno, “es müsste eigentlich Blues für Charlotte heißen, so wie es sich anhört.“
Der Mann zog die Augenbrauen in die Höhe, „Ihr Schatz, ja?“
„Och“, sagte Arno, „sagen wir mal ‘Herzensdame‘ … ach, was erzähle ich Ihnen eigentlich? Wir sind angekommen!“
Der Mann zahlte, lächelte und stieg aus.
‚Erwischt‘, dachte Arno und fuhr wieder zurück zum Bahnhof. Er wollte der Kreolen-Charlotte erzählen, dass er wieder da sei, aber die ging nicht an die Funke. Sein Kollege Wolfgang meldete sich statt dessen: „So, ich bin wieder da. – Warum geht denn die Kreolen-Charlotte nicht an ihren Scheißapparat? An ihr Handy geht sie auch nicht.“
„Ich habe keine Ahnung. Es wird ihr doch nichts passiert sein?“
„Der doch nicht! Ist sicher nur mal auf’s Klo. – Aber eine tolle Frau, meinst du nicht auch?“
„Ja, in der Tat“, sagte Arno, „eine wirklich tolle Frau.“
„Ich würde die gerne mal flachlegen. Ist aber nix zu machen, die lässt keinen an sich ran, kalt wie ein Eisberg.“
„Na, ich weiß nicht“, sagte Arno, „ich glaube, ich kriege eine Fahrt.“
Ein Pärchen war eingestiegen, sie wollten zu einer Straße in der Nähe von Arnos Vereinsheim. Sie sahen so aus, als ob sie sich aufs Bett freuen würden. Arno freute sich mit ihnen, brachte sie hin und wünschte angenehme Nachtruhe.
Nachdem Arno das Pärchen nach Hause gebracht hatte, drückte ihn die Blase, der viele Kaffee im Speakeasy.
‚Gut, dass die Leute dicht beim Vereinsheim wohnen‘, dachte Arno, ‚da kann ich gleich mal auf’s Klo gehen und ein Wenig nach dem Rechten schauen, ‘war ja lange nicht da. – Nanu, was macht die Kreolen-Charlotte denn hier?‘
Auf dem Gelände des Vereinsheims am See, welches still und verlassen in der Nacht ruhte, stand tatsächlich das Taxi der Kreolen-Charlotte. Sie war gerade dabei, einen männlichen Körper auszuladen. Arno fuhr hinter Kreolen-Charlottes Taxi, löschte das Taxischild auf dem Dach und ging zu ihr.
„Oh Gott, Arno! Hast du mich erschreckt. – Ist jetzt alles aus? Wirst du mich verraten?“
„Ach was. Zunächst mach‘ dein Taxenschild aus, wir wollen ja nicht unnötig Aufsehen erregen, und dann muss ich erst mal aufs Klo.“
Arno rannte, weil ihn die Blase mörderisch drückte. Als er wieder kam, hatte die Kreolen-Charlotte das Taxischild gelöscht, den offensichtlich toten Mann endgültig aus dem Taxi gezogen und telefonierte mit Wolfgang: „Arno ist auch gerade besetzt. Fahr du da bitte hin … Okay, dank dir. Tschaui.“
Sie steckte ihr Handy weg und schickte sich an, die Leiche in den See zu werfen.
„Würde ich nicht tun“, meinte Arno, „der kommt nach ungefähr einer Woche wieder hoch, weil sich Gase bilden!“
„Was? – Oh Gott, was mache ich denn jetzt?“
„‘müssen wir einen schweren Stein dran binden. – Was ist denn eigentlich passiert? Ich kann mir nicht vorstellen, dass du einfach so mordest.“
„Das ist mein Kerl“, sagte die Kreolen-Charlotte, „er hat mir aufgelauert und wollte dass ich zu ihm zurückkomme. Das war vielleicht ein Scheiß, ich kann dir sagen! In den Bauch getreten und an den Haaren gezogen hat er mich, und wollte, dass ich sofort wieder zu ihm nach Hause komme. Zurückkommen sollte ich auf alle Fälle zu ihm, er wollte mich totschlagen, wenn ich das nicht tue. Möglicherweise hätte er es auch getan, wenn er mal wieder besoffen ist. Puh, meine Kette hat er mir auch zerrissen, ein Erinnerungsstück an Mardi Gras! Und dann hab ich ihm leichtsinniger Weise meinen Elektroschocker auf den Hals gesetzt und ihm ein paar Stromstöße verpasst. – ‘hätte nicht gedacht, dass er dann gleich stirbt …“
„Ja, ja, so kann’s kommen! Aber es ist nun mal passiert und nicht mehr zu ändern! – Wenn du jetzt noch zur Polizei gehst, halten die uns da wer weiß wie lange fest und ich muss auf dein Coq au vin de Bourgogne verzichten. Das will ich nicht!“
Die Kreolen-Charlotte sah Arno entgeistert an.
Arno kam sich cool vor, cool wie ein Berufskiller.
„Schau mal, unser Freund Otto hat hier angefangen Gehwegblatten zu verlegen. Das hat er doch sehr schön gemacht, oder?“
„Ja, und?“
„Eine davon wird wohl über sein. Die binden wir an den Leichnam und versenken ihn im See, ganz einfach. Dann fahren wir unsere Schicht zu Ende, anschließend nach Hause, als wenn nichts gewesen wäre. Ein besseres Alibi gibt es nicht. Ich habe eine Menge Fahrten auf meinem Fahrtenbogen, das kriege ich im Falle eines Falles hin. Wir müssen nur cool sein!“
„Ja, aber …“ Kreolen-Charlottes Handy jingelte, sie nahm ab und meldete sich: „Funktaxen Bock! Was können wir für Sie tun?“
„Willnecker. Ich brach mal ein Taxi zur Theodor Fontanestraße 17. Wie lange wird es dauern?“
„Zehn Minuten“, sagte die Kreolen-Charlotte, „danke für den Auftrag.“
„Passt gut“, sagte Arno, „fahr hin, ich mach das hier. – Aber ich habe einen gut bei dir! Wir müssen jetzt cool bleiben, absolut cool! Sind wir das?“
„Mehr als das! Wir können jetzt nicht mehr auseinander! Und ich werde dir ein Coq au vin de Bourgogne zubereiten, wie du es noch nie gegessen hast! – Und ich werde für dich strippen …“
„Am besten, du haust jetzt ab, diesen Willnecker fahren, wohin er will. Ich mach das hier! Du musst jetzt auch mal auf das Timing achten!“
„Ach Arno, nun haben wir ein Geheimnis …“
Nachdem die Kreolen-Charlotte gefahren war, nahm Arno eine der Gehwegplatten, die Otto in den Schuppen bis zu deren Verlegung gestellt hatte, und band sie fest an die Leiche. Dann holte er den Angelkahn aus dem Schuppen, lud die Leiche ein und ruderte bis zur Mitte des Sees. Vorsichtig ließ er den toten Mann dort ins Wasser gleiten und ruderte zurück. Er stellte den Kahn wieder in den Schuppen, beseitigte sorgfältig die Druckspuren der von ihm entfernten Platte, ging nochmal zur Toilette, verschloss das Vereinsheim wieder, setzte sich in sein Taxi und funkte die Kreolen-Charlotte an: „Hallo, mein Schatz, ich bin wieder frei, alles erledigt. Wo soll ich jetzt hinfahren? Oder wollen wir endlich unsere Pause machen?“
„Pause machen geht nicht, ich bin noch besetzt. Ich melde mich dann bei dir!“
„Gut. Okay. – Mögen die Straßen vor dir stets frei und eben sein!“
„Ja, vor dir auch! – Küsschen.“
Die Kreolen-Charlotte ließ ihr Funkgerät eingeschaltet.
„War das eben Ihr Mann?“, hörte Arno den Fahrgast sagen, „das klang so vertraut.“
„Nein, leider noch nicht! Aber mein Lieblingskollege…“, das Funkgerät wurde abgeschaltet.
‚Na prima‘, dachte Arno, ‚zumindest, was das potentielle Alibi betrifft, läuft alles!‘
Er startete die Uhr und funkte die Kreolen-Charlotte nochmal an: „Hallo, mein Schatz. Ich habe eben einen Einsteiger aufgegabelt. Geht etwas nach Außerhalb. Ich melde mich dann bei dir.“
„Gut, mein Liebling! Wir können unsere Pause ja auch später machen. Viel los heute. – Mögen die Straßen auch vor dir frei und eben sein!“
‚Die ist ja noch besetzt. Klappt ja prima!‘, dachte Arno und startete eine CD von Gerry Mulligan und Taxi, ‚die ist gar nicht so blöd, wie ich dachte!‘
Mit der berauschenden Musik Gerry Mulligans und gemäßigtem Tempo fuhr Arno auf die Landstraße um etwas Kilometer zu machen. Die Fahrt würde er später als ‚Stadtfahrt‘ in seinem Fahrtenbogen eintragen, um ein Alibi zu haben, wenn man aus irgendeinem Grund die Leiche finden sollte, was Arno aber für unwahrscheinlich hielt.
‚Sicher ist sicher!‘, dachte Arno, ‚so liebe ich das Taxifahren. Ohne störende Fahrgäste und mit erbaulicher Musik!‘
Arno fuhr und fuhr, bis ihn ein junger Mann anhielt. ‚Naja, ein bisschen muss ich ja auch verdienen‘, dachte er.
Er nullte die Uhr und nahm den jungen Mann auf, „Wo soll es den hingehen?“
Ein südländischer Typ, Arno schätzte ihn auf Mitte Zwanzig. In leicht gebrochenem Deutsch gab der junge Mann ihm eine Adresse, etwas, was wie ‚Bronx‘ klang, Arno konnte sogar eine Straße und Hausnummer heraushören.
Arno fragte nochmal zurück, der junge Mann nickte dünn, Arno startete die Uhr und fuhr los. Der Mann neben ihm pennte, obwohl es eigentlich noch zu früh war für einen ordentlichen Nachtschwärmer. Das fing eigentlich erst so zwischen fünf und sechs Uhr an, wenn die roten Lichter im Rotlichtbezirk langsam ausgingen. Soweit waren sie aber noch nicht. Der junge Mann pennte bis zu der angegebenen Adresse.
Die ‚Bronx‘, eine Gegend, in der selten Taxis halten, wo dunkelhäutige Typen an den Ecken rumlungern und der Gemüsehändler erst jetzt seine Ware reinholte.
„Hey, wir sind da. Achtzehnfünfzig bekomme ich von Ihnen!“
Der Mann fand ganz langsam wieder zu sich, „Moment, ich muss mal eben Geld holen. Warten Sie bitte.“
Das war‘s, den Besoffenen geben und auf einmal weg wie Schmidts Katze. Arno hatte die Uhr angemacht und nach der wurde abgerechnet. Die achtzehnfünfzig hätte er sich ans Bein binden müssen, und das sah er nicht ein, zumal die ‘Kilometerfresserei‘ schon zu seinen Lasten ging.
„Moment“, sagte Arno, „ich komm mal mit hoch, dann brauchen Sie nicht zweimal zu gehen.“
Arno steckte sein Portemonnaie in die Gesäßtasche seiner Hose, stieg aus, verschloss das Taxi und war zur gleichen Zeit an der Beifahrertür, wie der junge Mann, der sich mühsam aus dem Taxi quälte.
„Wird’s denn gehen?“
Er nickte und ging zum Haus. Es war ein Hochhaus, auf dem Klingelpanel waren nur ausländische Namen.
‚Na, das kann ja heiter werden‘, dachte Arno, während sich der Daumen des jungen Mannes auf einen der Knöpfe senkte. Es ward tatsächlich aufgetan und er war ruck zuck im Haus verschwunden, Arno kriegte gerade noch den Fuß in die Tür.
Warum, zur Hölle, nahm der junge Mann nicht den Lift?
Nein, er wetzte die Treppen hoch, Arno jachterte hinterher. So beim dritten Stock war eine Tür offen, eine wunderschöne Frau stand darin.
„Entschuldigen Sie, ich bin Taxifahrer“, japste Arno, „auf der Uhr sind Achtzehnfünfzig. Der junge Mann hat gesagt, dass ich die hier bekomme …“
Die schöne Frau begann den jungen Mann zusammenzuscheißen, in einer Sprache, die Arno noch nie gehört hatte, weder türkisch, noch russisch, es mochte albanisch gewesen sein, oder sowas ähnliches, die deutsch-synchronisierte Fassung war möglicherweise: „Bist du wieder im Puff gewesen, hast Haschisch gekauft und rum gevögelt und gesoffen …“
Mein Gott, war die Frau schön, der Physiognomie und dem Alter nach mochte sie die Mutter sein, aber schön war sie, wie aus einem der Haremsfilme, den Arno vor langer Zeit geguckt hatte. Kastanienfarbene Locken umspielten ihr Gesicht, welches ungeschminkt auch noch schön war, mit weichen Zügen, die so gar nicht zu der Schimpftirade passte, die auf den jungen Mann einprasselte, und dann holte sie aus und knallte ihm eine. Der junge Mann flog in den Flur und krabbelte in ein Zimmer. Die schöne Frau ging mit wiegendem Gang weg.
‚Wäre ich bloß Beamter geblieben, oder hätte als Florist gejobbt‘, dachte Arno, ‚dann wäre mir diese Scheiße jetzt erspart geblieben. – Aber Florist ist kein Beruf für einen Mann, Taxifahrer schon eher, aber was hätte eine Frau jetzt gemacht, noch dazu ein so zartes Wesen wie die Kreolen-Charlotte?
Reingehen durfte Arno nicht, weggehen wollte er nicht.
Zu allem Überfluss kam auch noch ein Kerl den Flur entlang, über alle Toppen tätowiert und einem Gesicht, als könnte er nicht bis drei zählen, dafür hatte er aber reichlich Muskeln unter seinem Muscleshirt. Diese ließ er auch noch spielen, als er langsam und mit angewinkelten Armen auf Arno zu kam, als wenn er sagen wollte: „Wo steht das Klavier? Ich bring‘s mal eben nach oben.“
Spätestens jetzt hätte Arno abhauen, die Scheißachtzehnfünfzig ans Bein binden und das Weite suchen können. Er blieb aber stehen, schließlich war er weder ein Sahnetörchenesser noch ein Früchteteetrinker, sondern absolut cool wie die kontinentalen Eisschilde im känozoischen Eiszeitalter.
Der Kerl würde es nicht wagen, ihm die Schnauze zu polieren!
Stattdessen packte er Arno am Kragen, drehte zu, fast bis zum Anschlag und brüllte: „Was willst du?“
„Achtzehnfünfzig“, würgte Arno mühsam hervor, „ich bin Taxifahrer.“
„Du siehst aber nicht aus wie ein Taxifahrer!“
„Wie sehe ich denn aus?“
„Wie ein Bulle! Und ich hasse Bullen!“
„Die kommen immer zu zweit“, röchelte Arno.
Langsam wurde die Luft knapp, und das Herz rutschte ihm doch in die Hose. Der Griff lockerte sich ein wenig, anscheinend schien der Muskelbepackte hart darüber nachzudenken, dass die Polizisten tatsächlich zu zweit kommen, jedenfalls ist das in guten Krimis immer so.
Endlos lange grübelte er, jedenfalls schien es so, und dann kam die schöne Frau wieder und wedelte mit einem Zwanzigeuroschein.
Sie erschien Arno jetzt noch schöner, so schön, dass es ihm den ohnehin knappen Atem förmlich in den Rachen zurückschlug, drückte Arno den Schein in die Hand, gab dem Kerl einen Klaps auf die Hand – der ließ augenblicklich los – machte eine abwehrende Bewegung mit der Hand als Arno wechseln wollte, lächelte kurz und klappte die Tür zu.
Peng.
Arno müsste lügen, wenn er behaupten würde, dass diese Aktion spurlos an ihm vorüber gegangen wäre, aber nun galt es erst mal keine Schwäche zu zeigen. Ganz cool fuhr er mit dem Lift nach unten, dampfte sich im Taxi eine Zigarette an, eine filterlose, würzige, schrieb die Fahrt auf, mit leicht zittrigen Händen und fuhr los.
Verdammt, war die Frau schön gewesen!
Irgendwie erinnerte sie Arno an die Kreolen-Charlotte.
Wie kam solch eine schöne Frau bloß an einen derartigen Dumpfmeister?
Rückfahrt mit einer Beruhigungszigarette und Gerry Mulligan, eine erbauliche Musik, aber als Arno von einem Polizeiwagen überholt wurde, kam aus diesem die Kelle raus. Rechts ran, das übliche mit Papieren zeigen, der übliche Vortrag lief ab, und dann kam der brave Streifenpolizist auf den Punkt: „Sie wissen, dass in Taxis Rauchverbot herrscht?“
„Mein Gott, ich hab‘ keinen Fahrgast im Wagen und das Fenster offen.“
„Trotzdem. – Ich muss Sie verwarnen.“
Arno musste wohl einen ebenso interessierten wie geknickten Eindruck erweckt haben, als er zuhörte. Gute Taxifahrer können das, in Wahrheit dachte er an die schöne Frau und dass er sie wohl nie wieder sehen würde, und das ihn ihr Lebensgefährte für einen Bullen gehalten hatte. Angesichts des braven Streifenpolizisten war das gar nicht so abwegig und überhaupt war er nun wieder kaffeereif.
Als der Polizist ihm die Papiere wieder gab und „weiterhin gute Fahrt“ murmelte, wünschte Arno ihm einen „ruhigen Dienst“ und fuhr zum Speakeasy, Kaffee trinken.
Im Speakeasy war nichts los, eine Atmosphäre wie bei einer Sorgerechtsverhandlung, sogar die Musik schwieg.
Kaffee!
Arno hatte Kaffee selten so genossen, in seinem Becher war erst ein Espresso und dann der Kaffee.
Selbst Linda, die qualmgebadete Zapferin, lächelte.
Fantastisch, die Ruhe.
Arno dachte an die schöne Frau.
Irgendwann kam auch die Kreolen-Charlotte rein, küsste Arno auf den Mund und bestellte sich auch einen Kaffee.
„Hey, läuft da bei euch was?“, fragte die Zapferin.
„Noch nicht, aber ich hoffe, bald!“
Die Kreolen-Charlotte nahm Linda, die Zapferin, in den Arm, wie eine alte Freundin.
„Meinen Kerl bin ich nun auch endgültig los!“, lächelte die Kreolen-Charlotte. „Vorhin hat er mir nochmal aufgelauert, aber ich habe ihm gesagt, dass ich nun bei Arno wohne und er sich zum Teufel scheren kann. Daraufhin ist er abgehauen und wollte sich das Leben nehmen. – Soll er meinetwegen! Prost Kaffee!“
Sie stieß mit Arno an. Beide tranken. Arno dachte an die schöne Frau.
„Na, freu‘ dich man nicht zu früh!“, meinte die Zapferin, „wer sowas sagt, der tut es meistens nicht! Aber egal. – Du, ich hab‘ da was für dich. Als letztens der Automatenaufsteller hier war, habe ich für dich Ellington's ‘Creole Love Call‘ rausgesucht, ein ganz altes Ding, aber geil! Den magst du bestimmt, weil du immer so schöne Kreolen trägst. Weil du jetzt offensichtlich neu verliebt bist, passt auch der ‘Creole Love Call‘. Ich drück‘ dir den mal eben, ist ja sonst nix los.“
Die Zapferin rannte zu der Wurlitzer-Box in der Ecke des Speakeasy und drückte ‘Ellington's Creole Love Call‘.
Als Adelaïde Halls Gesang den Raum erfüllte, ging eine seltsame Wandlung mit der Kreolen-Charlotte vor, sie ähnelte auf einmal der schönen Frau, der Arno soeben begegnet war.
„Ich bin auf einmal so glücklich“, sagte Kreolen-Charlotte leise zu Arno, „jetzt, wo wir nicht mehr auseinander können, weil wir ein gemeinsames Geheimnis haben und ich meinen Kerl endgültig los bin …“
Die Nacht machte weiter, unerbittlich aber schonend mit Arno. Die wenigen Fahrten, die noch kamen, wurden von der Kreolen-Charlotte und Wolfgang routiniert absolviert. Arno blieb in seinem Taxi sitzen, hörte seinen geliebten Gerry Mulligan und Johnny Hodges und verfiel in einen seltsamen Halbschlaf.
Er war es nicht mehr gewohnt, mehr als zwölf Stunden nahezu ohne Pause konzentriert zu sein, wollte sich aber keine Blöße geben, obwohl die Müdigkeit wie mit nasskaltem Tentakel nach ihm griff. Irgendwie musste er doch eingeschlafen sein, denn die Kreolen-Charlotte kam ihn wecken: „Komm Arno! Der Döner ist gegessen, Rücksturz zur Zentrale, Schichtwechsel!“
„Ja, natürlich. Moment, ich bin ein wenig eingepennt. Nur noch eben wach werden.“
„Auf alle Fälle haben wir was zu feiern, ich bin auf einmal gar nicht mehr müde!“ Sie küsste Arno mit intensivem Zungeneinsatz auf den Mund.
„Ich auch nicht. Komm, lass‘ uns feiern! – Du wolltest strippen …“
 

ahorn

Mitglied
Hallo Hagen,

ich freue mich darüber, vom Altmeister des gepflegten Krimis und Cocktails etwas zu lesen. Klassisch und ohne Schnörkel - erinnert mich irgendwie an "Taxi nach Rügen".
Ein paar Absätze hättest du spendieren können sowie ein wenig viel Dialog - der jedoch in seiner Art süffisant.
Da ich mich in Dialoge nicht einmische, außer Rechtschreibung, Grammatik - soweit ich diese selbst beherrsche :rolleyes: , wenn man Rainer Zufall nicht hätte - und derlei, zücke ich - wenn die Zeit es mir erlaubt und du nichts dagegen einzuwenden - meine Leselupe für den Erzähltext.

Liebe Grüße
Ahorn
 

Hagen

Mitglied
Hallo Ahorn,
endlich komme ich dazu Dir zu antworten und mich für den'Altmeister' und die zahlreichen Sternchen zu bedanken; - ich hatte ein gerüttelt Maß Stress in der letzte Zeit.
Aber, wenn es Deine knappe Zeit erlaubt, schaue doch mal bei Humor & Co, rein, da findest Du weitere ScheinBAR-Geschichten mit mehr oder weniger delikaten Cocktails.

Nun denn, in diesem Sinne, wir sehen uns in der ScheinBAR!
Zudem lesen wir uns weiterhin!
... und bleib' weiterhin schön fröhlich, gesund und munter, weiterhin positiv motiviert und stets heiteren Gemütes sowie moralisch einwandfrei!
Herzlichst
Yours Hagen

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Darin aber liegt die höchste Weisheit, dass ihr weise werdet durch die Cocktails an der ScheinBAR!
Alles Wissen aber ist ohne die Cocktails an der ScheinBAR nichts nütze!
Darum bekümmert euch zunächst nicht so sehr um ein vieles Wissen um das Karma,
sondern genießt viele Cocktails!
So werden euch die Cocktails das geben, was euch ohne diese nichts und niemand je geben kann!

Meister Tofu (Meister der absoluten Ignoranz)
 



 
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