Ylvas Tale

Haakon

Mitglied
Schon wieder dieses beschissene Weckerklingeln. 5:00Uhr zeigte mir der Wecker. Kein Bock aufzustehen. Ohne zu zögern, drückte ich den Snooze-Button, mit dem Wissen, dass der Wecker wieder nach fünf Minuten klingeln würde.
Innerhalb dieser Zeit döste ich noch einmal komplett weg. Ein riesengroßer Fehler. Mit einem aggressiven und schrillen Ton, riss mich dieser Bastard von Wecker erneut aus dem Schlaf. Umso aggressiver Sprang ich auf, schrie vor Wut und warf den Wecker so stark gegen meine Zimmertür, dass er in tausend Teile zerschellte.
„Verdammte Scheiße! Warum nur? Warum nur, Ylva?!“, brüllte ich aggressiv zu mir selbst. Doch niemand gab mir eine Antwort auf meine Fragen.

Ihr fragt euch warum ich diesen Wecker zerstört habe? Warum ich heute aufstehen und zur Schule gehen sollte? Ich weiß es selbst nicht. Warum lebe ich? Warum bin ich eigentlich noch hier? Hatte ich überhaupt das Recht in dieser Welt zu existieren? Diese Fragen kann ich mir selbst nicht einmal beantworten. Dennoch schossen sie mir ständig durch den Kopf wie ein Tornado, der damit drohte, alle Küstenstädte in Schutt und Asche zu legen.

Mein Blick richtete sich auf mein angerichtetes Chaos. Dieser Wecker war das letzte Relikt meiner Mutter. Ich sollte eigentlich nicht von Mutter sprechen. In Wahrheit hatte für mich diese Person aufgehört zu existieren. Keinen Menschen hasste ich mehr als sie!

Wütend an meine Mutter denkend, sammelte ich die Einzelteile meines Weckers ein und steckte sie in meinen schwarzen Rucksack. Irgendwie musste ich versuchen dieses Ding wieder zum laufen zu bekommen, sonst hatte ich für morgen keinen Wecker mehr.

Danach schleifte ich körperliches Wrack mich ins Bad. Zuerst betrachtete ich die Heterochromie meiner Augen, die ich an mir besonders hässlich fand. Obwohl schwarz eigentlich meine Lieblingsfarbe war, gefiel mir mein rechtes Auge mit der blauen Iris am besten. Das Schwarze hingegen fand ich abscheulich.Wenn ich könnte, hätte ich es gern geändert.

Dass meine Augen hässlich waren, bekam ich auch fast täglich von meiner Klasse zu spüren. Obwohl ich diese Leute auch abgrundtief hasste, gab ich ihnen trotzdem recht. Nichts konnte ein Gesicht mehr ruinieren, als zwei Augenfarben. Ich hasste diese Gesellschaft, dieses Leben, die Menschen, einfach alles. Das Einzige, was ich an mir schön fand, war meine Frisur, welche ich aufwendig selbst schnitt und rasierte. Meinen Sidecut rasierte ich regelmäßig auf der rechten Seite auf zwei Millimeter herunter. Meine schwarzen, mittellangen Haare ließ ich dann immer nach links herunter fallen.

Die Farbe Schwarz beschrieb mein gesamtes Leben: Geprägt von Trauer, Schmerz und Trübseligkeit. Außerdem identifiziere ich mich als Goth. Ich fühlte mich einer Randgruppe von Außenseitern zugehörig, wie für mich geschaffen. Düsteres und okkultes Zeug war genau mein Ding.
Weil wir gerade von Schwarz reden: Ich warf mir meine schwarzen Klamotten drüber. Zu guter Letzt, hing ich meine Münzkette um den Hals, welches ein eingestanztes Vegvisir zeigte. Umschlossen war dies mit einem Ring, in dem das ältere Futhark mit seinen vierundzwanzig Symbolen zu erkennen war.

Vegvisir sah so ähnlich aus wie ein Kompass, nur dass er nicht als solcher funktionierte. Vegvisir soll dem Träger auf seiner Reise von sämtlichen Unheil beschützen und ihm dabei helfen, die richtigen Entscheidungen zu treffen. Dieses Symbol war perfekt für jemanden wie mich, die ständig allein und ohne fremde Hilfe durchs Leben geht. Solange wie ich diese Halskette bei mir trug, würde ich den richtigen Weg finden.

Ihr fragt euch sicher woher ich diese Kette hatte. Mein bester Freund Blackwing oder kurz: „Blacky“ schenkte sie mir zu meinem 14. Geburtstag letztes Jahr, am 11. November. Diesen besonderen Tag werde ich niemals vergessen.

Doch Blacky war kein Mensch, sondern ein Rabe, dessen Stimme ich in meinem Kopf hörte. Ihr mögt mich für verrückt erklären, doch ich konnte tatsächlich mit ihm sprechen und die Welt durch seine Augen sehen.
Damals, als Blacky und ich uns das erste Mal berührten, hatten unsere Seelen sich miteinander verbunden. Mein rechter Unterarm begann in diesem Moment geheimnisvoll zu
leuchten und ließ ein seltsames Muster entstehen. Dieses interessante Muster symbolisierte einen Raben und war nun fest in meiner Haut eingebrannt.

Neben meiner Kette faszinierte mich auch dieses Symbol. Durin erzählte mir, dass dieses Symbol eng mit Odins Raben in Verbindung stand. Dabei handle es sich laut ihm um ein sehr mächtiges Symbol, welches mir wie Vegvisir Kraft auf meinem Weg spenden sollte.

Jetzt fragt ihr euch sicher, wer Durin war. Nun, er war der Geschichtslehrer meiner Schule, aber eigentlich ist er ein Zwerg. Er bat mich allerdings darum, seine genaue Identität geheim zu halten. Deshalb sollte ich ihn an der Schule Herr Hudson nennen.
Durin … Ähm, Herr Hudson kümmerte sich gut um mich. Jede Woche brachte er mir frisches Essen vorbei und sorgte sich ständig um meine Ernährung. Nach jedem Einkauf brachte er mir bergeweise Obst und Gemüse vorbei. Und wenn es sein Zeitfenster eben mal nicht zuließ, schickte er einen seiner Zwergenfreunde vorbei, um meine Vorräte aufzustocken.

Als Gegenleistung hielt ich die Hütte sauber und verstaute die Vorräte in den Regalen und dem Kühlschrank. Tat ich das einmal nicht, dann … betet zu den Göttern, dass ihr nicht diesen Herrn Hudson kennenlernt.

Kurz darauf schaltete sich Blacky ein und erinnerte mich daran, pünktlich zur Schule zu kommen.

„Musst du mich immer so hetzen, Blacky? Mich kann sowieso niemand leiden. Was will ich dann überhaupt dort?“
„Du hast es Durin versprochen“, krächzte er in meinem Kopf, „denn ohne ihn, hättest du nicht mal ein Dach über dem Kopf. Nicht auszudenken, was mit uns passieren würde, krah!“
„Schlimmer als in Helheim kann es ja wohl nicht werden, da spreche ich aus Erfahrung.“
„Oh krah! Erzähl mir diese Geschichte bloß nicht noch einmal Ylva! Das ein Kind wie du solche Schmerzen ertragen musste … einfach undenkbar.“
„Wie nett, dass du mich noch daran erinnern musst.“
„Krah! Entschuldige Kleines. Wenn ich irgendwas...“
„Schon in Ordnung“ ,unterbrach ich meinen Raben und lächelte meinen Schmerz weg, „Offenbare mir deine Sicht.“

Meine Augen und mein Tattoo begannen zu leuchten. Auf der Stelle wurde Blackys Sicht klarer. Obwohl ich noch im Bad stand, konnte ich neben seiner Sicht seine Gefühle und Emotionen in mir wahrnehmen. So spürte ich die kalte Meeresluft Spitzbergens in meinem Gesicht. Doch diese Luft war nicht kalt, da mich Blackys pechschwarzes Federkleid vor der Kälteempfindung schützte.
Die Fähigkeit mit Blacky auf diese Weise zu kommunizieren war unglaublich praktisch. Unsere Bindung zueinander war dadurch intensiver, als es unter Geschwistern je sein könnte. Wir konnten uns rund um die Uhr aufeinander verlassen.
Außerdem genoss ich jeden Moment, in dem Blacky mit mir seine Sicht teilte. Er konnte mir die Welt viel bunter und fröhlicher zeigen, als ich es jemals mit meiner Trübseligkeit könnte. Dafür war ich ihm unendlich dankbar.
Zudem war mein Sichtfeld dadurch auf 270 Grad erhöht. Erstaunlich, wozu Raben in der Lage waren oder? Bin ich die einzige, die das so faszinierend fand?
Auch wenn ich durch seine Augen die Welt viel bunter erlebte, so lebte ich immer noch auf den Inseln Spitzbergens. Klar haben die Moose verschiedene Grüntöne und die Felsen markantere Merkmale. Trotzdem handelte es sich bei Spitzbergen nur um ein karges Land ohne Bäume. Überall erkannte man nur Fjorde mit Eis und Schnee bedeckt.

Am schlimmsten war für mich immer die Winterzeit. Die immerwährende Dunkelheit machte mir jedes Jahr schwer zu schaffen. Schon allein wegen meiner Vergangenheit, über die ich nur ungern sprach. Ich fragte mich jedes Mal, wie zur Hel auf diesen Inseln Menschen leben konnten, ohne daran zu zerbrechen. Eines stand für mich fest: Ich wollte so schnell es geht hier weg. Doch ohne Schulabschluss würde mich Durin nirgendwo hinlassen. Somit war ich darauf angewiesen hierzubleiben.

Zurück zu dem Flug über Spitzbergen. Neben der kühlen Morgenluft, gab es noch die Bäreninsel mit unserem gleichnamigen Dorf darauf zu sehen. Ein eher kleineres und abgeschottetes Dorf, fernab der Hauptinseln von Spitzbergen. Viel gab es auf unserer Insel wirklich nicht, außer kleine Hütten, Moos und umherfliegende Möwen.

Durin hatte mir bereits einmal Spitzbergen gezeigt, doch ich konnte mich mit dem Anblick der Landschaft einfach nicht anfreunden. Zu sehr erinnerte mich dieses karge Ödland an Helheim. Zu oft erinnerte mich dieses Stück Land an meine Vergangenheit. Es war wie ein Fluch für mich.

Nun fiel unser Blick auf einen rennenden Schüler, welcher völlig außer Atem auf die Schule zustürmte. Es war eindeutig ein Schüler aus der zehnten Klasse. Den Namen dieses Schülers habe ich mal irgendwo auf dem Gang gehört. Vermutlich war es Dustin. Doch das brachte mich zurück zu der Tatsache, dass ich zu spät zur Schule kommen könnte.

„Fuck, ich muss los, Blacky! Warum sagst du mir denn nichts?“
„Krahaha“, lachte Blackwing, „Da haben wir wohl beide die Zeit ein wenig verpasst!“
„Verflucht, Frau Petterson wird mir den Hals umdrehen, wenn ich schon wieder zu spät komme!“
Überhastet packte ich mir meine gestern Abend vorbereiteten Pausenbrote ein und warf meine schwarz-roten Kopfhörer mit MP3-Player in die vorderste Tasche meines Rucksacks. Umso schneller zog ich meine Stiefel an, als ich das letzte Mal auf die Uhr schaute. 7:25 zeigte sie, was meinen Puls so stark in die Höhe schießen lies, als würde mich ein Rudel Höllenköter verfolgen.

Kaum hatte ich die Tür geöffnet, hatte ich sie bereits verschlossen. Aus Angst, von meiner Klassenlehrerin noch mehr Ärger einzuhandeln, rannte ich noch viel schneller als vorher. Ich wusste noch nicht einmal, dass ich überhaupt so schnell laufen konnte. Anscheinend hatte mich mein Run durch die Hölle widerstandsfähiger gemacht, als erwartet. Ylva, warum musstest du dich immer wieder daran erinnern?

Dennoch kam ich völlig außer Atem an der Schule an. Inständig hoffte ich, dass ich noch nicht zu spät war. Doch Fehlanzeige. Bevor ich die Tür zur Schule öffnete, ertönte das Klingeln zum Beginn der Stunde.
„Fuck off! Scheiß Schule!“, schlug ich frustriert mit meiner Faust gegen die Tür. Doch die Wut an der Tür auszulassen, brachte mir keinen nutzen. Lediglich eine Schürfwunde auf dem rechten Handrücken, welche ordentlich zu bluten begann. „Scheiße!“,schrie ich nach draußen, „Warum immer ich?!“ Doch es war niemand da, der mir antwortete.

Gereizt rannte ich mit meiner blutenden Faust zu meinem Klassenzimmer, um Hilfe zu suchen. Ich klopfte an der Tür und betrat das Klassenzimmer. In dem Moment, als mich alle wie einen Außerirdischen betrachteten, schämte ich mich für mein Zuspätkommen und schaute bedrückt auf den Boden. Meine Lippen brachten keinen Wort heraus.

„Um Himmels Willen, Ylva! Was ist denn mit dir passiert?“ Frau Petterson schaute besorgt auf meine Verletzung. Doch auch in diesem Moment blieb ich ängstlich und still. „Nicht so wichtig, öffnet das Lehrbuch auf Seite 245 und erledigt die dortigen Aufgaben. In der Zwischenzeit kümmere ich mich um Ylvas Verletzung. Verstanden? Nicht trödeln, Klasse acht!“

Die Klasse tuschelte während wir das Klassenzimmer verließen. Während Frau Petterson ihre Hand schützend um meine Schulter legte, hielt ich meine Hand vor Schmerzen fest. Im Eiltempo gingen wir ins Lehrerzimmer.
„Setz dich ruhig.“ Sie bot mir einen Platz auf einem braunen Ledersessel an. Während ich es mir auf dem Sessel bequem machte, holte Frau Petterson den Notfallkoffer. In Windeseile holte sie das Verbandszeug heraus.

„Du meine Güte, was hast du denn mit deiner Hand gemacht, Ylva?“, fragte sie mich, während sie sich sorgfältig um meine Hand kümmerte.
Ihr die Wahrheit zu sagen, schien mir nicht richtig. Ich schämte mich für meinen Ausraster.
„Bin hingefallen“, log ich und traute mich ihr dabei nicht ins Gesicht zu schauen.

Sie reagierte auf meine Lüge mit einem: „Ich verstehe. Wenn die Schmerzen schlimmer werden, sag mir bitte Bescheid, ja?“
Ich antwortete mit einem Nicken. Viel zu unangenehm empfand ich die Situation, meine Klassenlehrerin anzulügen. Hatte sie das überhaupt verdient, obwohl sie sich so gut um mich kümmerte? Die Gewissensbisse schmerzten in meiner Brust. Ich schämte mich dafür so sehr, dass ich nicht einmal den Mut hatte, die Wahrheit zu sagen.

„So, fertig!“, sagte Frau Petterson, „Geh schon mal wieder zurück in den Klassenraum. Ich komme gleich nach.“
Ich nickte. Auf dem Weg zum Klassenraum beschäftigte sich mein Kopf wieder nur mit Grübeln und Sorgen. In mir machte sich das Gefühl breit, dass Frau Petterson meine Lüge durchschaute. Warum hatte sie das so kalt gelassen? Sonst waren doch immer alle Lehrer neugierig und wollten alles wissen.

Dann überwältige mich die Angst vor meiner Klasse. Wie sie wohl reagieren würden? Vermutlich so penetrant wie immer. Aber was, wenn noch viel schlimmer? Was würde sein, wenn sie mich einfach auslachen? Menschen können richtige Arschlöcher sein. Damit kannte ich mich nur zu gut aus.

„Traust du dich etwa nicht hinein, Ylva?“, fragte Frau Petterson.
Vor Schreck zuckte ich zusammen. Wie lange ich wohl diese Tür bereits anstarrte und zögerte hinein zu gehen? Wie peinlich dabei erwischt zu werden!
Doch auch diesmal blieb Frau Petterson sanftmütig und schenkte mir ihr Lächeln. Währenddessen traute ich mich kaum, ihr in die Augen zu sehen. Mein Blick senkte sich lediglich wieder beschämt zurück auf den Boden.

Sie öffnete mir die Tür und wir gingen gemeinsam in den Klassenraum. Dort angekommen, starrten mich alle so seltsam an, dass ich am liebsten im Boden versunken wäre. Dann tuschelten auch schon einige Jungen und Mädchen untereinander und beobachteten mich während jedem meiner Schritte. Am liebsten wäre ich nach Hause gerannt und hätte mich unter meiner Bettdecke verkrochen.

Glücklicherweise quälte ich mich schnell zu meinem Sitzplatz hinten links in der Ecke. Dort fühlte ich mich am wohlsten.
„Ylva? Du hast deinen Rucksack einfach vor der Tafel abgestellt. Den wirst du jetzt brauchen“, erinnerte mich meine Lehrerin.

Noch peinlicher ging es nicht! Wie lost bin ich eigentlich, meinen Rucksack einfach grundlos dort abzustellen?! Während die ganze Klasse sich über meine verpeilte Art amüsierte, brachte mir Frau Petterson den Rucksack an meinen Platz.

„Bitteschön!“, sprach sie mit einem angenehmen Lächeln.
„D-Danke!“, stotterte ich zurück.
War meine Klassenlehrerin schon immer so nett? Ich hatte keine Ahnung. Allgemein achtete ich nicht sehr auf andere, da meine Angst mit anderen Menschen zu kommunizieren viel zu groß war.
Unabhängig davon, packte ich meine Sachen aus und versuchte dem Unterricht irgendwie zu folgen. Doch keine Chance, ich verstand absolut nichts. Außerdem merkte ich, wie mein Kopf immer schwerer wurde, sich gegen die Wand lehnte und ich dann gänzlich einschlief.

Einzuschlafen stellte sich als ein großer Fehler heraus. Nicht nur, weil ich den Unterricht verpasste, sondern weil der Traum meine gesamte Vergangenheit wieder aufrollte.
Die Vision zeigte meine Mutter, die sich mit einem bärtigen Mann mit einer Augenklappe unterhielt. Unschuldig und still beobachtete mein 7-jähriges Ich die Situation, während ich selbst als stiller Beobachter von oben auf die Situation herabschaute.

„Beende es lieber jetzt, bevor es zu spät ist. Vertrau mir, ihr Ende wird kurz und schmerzlos sein“, sprach der ältere Mann zu meiner Mutter.

Danach öffnete sich neben ihm ein Portal und meine Mutter drehte sich zu mir um. Ohne zu zögern packte sich mich gewaltsam am Arm und brüllte mich an: „D-Du … du hättest eigentlich niemals existieren dürfen!“
„Mom, du machst mir Angst, was redest du?“, sagte mein früheres Ich mit panischer Stimme.
Doch sie reagierte nicht auf meine Worte.
„Du bist der Grund für all die Probleme! Nur du allein bist Schuld! Du allein!“, brüllte mich damals meine Mutter rücksichtslos an. Danach warf sie mich durch dieses schwarze Portal, während ich wie am Spieß vor Angst schrie.

Während ich fiel, schloss sich das dunkle Portal. Zum ersten Mal spürte mein altes Ich die Kälte und Wärme Hels. In der Ferne hörte ich die Schreie der Toten und einsamen Seelen, welche vom Drachen Niddhöggr qualvoll in tausend Stücke zerfetzt wurden. Dieser Traum weckte in mir die schlimmsten Erinnerungen an diesem Ort.

Dunkelbraune Wurzeln hingen von der Decke wie Lianen herunter. Von unten war nicht einmal der Ursprung dieser zu erkennen. Aber ich wusste, dass sie vom mächtigsten Baum im Universum entsprangen: Dem Weltenbaum Yggdrasil. Auch wenn die Wurzeln weit herunterhingen, so war es für einen Menschen unmöglich heraufzuklettern.

Nachdem ich auf dem harten Boden aufkam, wusste mein 7-jähriges Ich nicht, ob es vor Schmerz oder vor Trauer weinen sollte. Aus meinen Augen flossen Flutwellen von Tränen. Es musste unzählige Stunden gedauert haben, bis ich aufhörte zu weinen. Hier unten gab es keinen Morgen und keinen Sonnenuntergang. Nur immerwährende Dunkelheit, als ob die Zeit stehen geblieben wäre. Existierte im Totenreich überhaupt so etwas wie Zeit?

Wenn ihr in der Hölle seid, dann werdet ihr weder Durst noch Hunger empfinden. Ihr fühlt euch schwach und trotzdem habt ihr die Kraft, um rastlos wie die anderen Seelen durch die Pampa zu spazieren. Aber mehr als rötliche Lichter, Nebel, Tod, Hitze und Kälte werdet ihr hier nicht finden. Jede Seele der ihr begegnet, lief wie ferngesteuert durch die Gegend.

Doch es gab eine Szene in Hel, die ich nie mehr vergessen würde. Genau diese Szene spielte sich noch einmal in meinem Traum ab. Eine junge Frau kam auf mich zugerannt. Sie schrie ihre Angst aus dem Leib, während ein lautes Brüllen zu hören war. Sofort versteckte ich mich hinter einem Felsen und beobachtete zitternd die Situation aus der Ferne. Auch ich wollte in diesem Moment nicht draufgehen. Die Frau schrie und weinte dabei bitterlich. Sie brüllte ihre letzten Worte heraus und bettelte um ihr Leben: „Nein, ich will nicht sterben. Bitte!“
Doch der Drache zeigte kein Erbarmen. Aus der Dunkelheit des Nebels kam ein gigantischer, pechschwarzer Drache hervor. Gnadenlos zerfleischte er die Frau mit nur einem Bissen und das Blut quoll aus seinem Maul. Bis heute brannte sich diese Szene in meinem Kopf ein, und wurde sie nie wieder los.

Wieder begann mein altes Ich zu weinen. Aber ich versuchte in diesem Moment so wenig Lärm wie möglich zu machen, da ich eine unvorstellbare Todesangst in meiner Brust spürte. Dieses Gefühl ließ sich nur schwer beschreiben. Es war irgendwie beklemmend und raubte mir den Atem.
Doch bei der einen Toten war es nicht geblieben. Diese Szene wiederholte sich unzählige Male. Mit 7 Jahren sah ich wahrscheinlich mehr Menschen sterben, als jedes andere Mädchen in diesem Universum. Seien wir ehrlich, kein Kind sollte eine einzige Leiche zu Gesicht bekommen. Doch irgendwann nach gefühlt hunderten von Toten ließ mich diese Situation kalt. So gehörte jede Leiche zu meinem Alltag dazu, während ich rastlos wie die anderen umherwanderte und versuchte nicht zu sterben. Kontakte mit anderen knüpfte ich dabei nie. Es hätte sowieso jeden Tag vorbei sein können. Wozu dann also Freundschaften schließen? Aus der Hölle gab es sowieso kein Entkommen.

Vor den Toten besaß ich nach all der langen Zeit keine Angst mehr. Was ich am meisten fürchtete, war der Drache Nidhöggr. Die furchtbar scharfen Zähne zerfleischten jeden Körper innerhalb von Sekunden. Die einzige Angst, die ich noch verspürte, war die Angst vor genau diesem Drachen und dem Moment, indem er meinen Körper qualvoll zerfetzte. So zählte für mich jede Minute, nein, jeder einzelne Atemzug als Beweis dafür, dass ich noch lebte. Ich wollte einfach nicht sterben, nicht so wie diese junge Frau.

Mit diesen Gedanken an meine dunkle Vergangenheit, beobachtete ich die kindliche Ylva, wie sie weinend am Boden lag und vor Angst zitterte. Zum ersten Mal sah ich, wie verloren ich wirklich in diesem Moment wirkte. Niemand konnte mich schützen. Weder meine verräterische Mutter, noch mein Cousin, mit dem ich viel Zeit verbracht hatte. Doch die Hölle hatte mir nicht nur die Angst vor dem Tod genommen. Sie hatte mir selbst die Erinnerung an meinen Cousin geraubt. Nicht einmal sein Aussehen oder sein Name war mir in Erinnerung geblieben. Ich wusste nur noch, dass er mir viel aus seinen Fantasybüchern vorgelesen hatte und mich seine Geschichten über die nordische Mythologie in ihren Bann gezogen hatten. Eines konnte ich euch dadurch mit Sicherheit sagen: Hel war kein Ort, den man sich selbst für seinen schlimmsten Feind als Bestrafung wünschen würde. Die Hölle schenkte nicht, sie raubte. Sie saugte jeden Tropfen positiver Energie aus deinem Körper, bist du schlussendlich dem Nidhöggr zum Opfer fielst. Eine schlimmere Art zu sterben gab es wahrscheinlich nicht.

Nun wurde ich aus meinem Gedankenkarussell herausgerissen, indem mein richtiges Ich durch ein extrem lautes Brüllen aus dem Konzept gebracht wurde. Erschrocken drehte ich mich um. Riesige gelblich leuchtende Augen starrten mich an. Es war Nidhöggr! Noch einmal stieß er seinen furchtbaren Schrei aus, welcher mich in Panik versetzte, doch in meinem Traum konnte ich weder vor Angst schreien, noch mich in irgendeiner Art bewegen. So oft ich selbst mit den Armen und Beinen fuchtelte, ich bewegte mich nicht von meiner Stelle. Ich war wie ein Monitor fest an einer Wand verbaut. Seine messerscharfen Zähne näherten sich mir, bis mich der Drache schlussendlich in einem Haps verschlang.
„Aaahhhh!“, schrie ich. Doch, ich war nicht mehr in Hel, sondern wieder im Klassenraum. Völlig schockiert über meinen Schrei schauten mich alle aus meiner Klasse an. Einige fingen an zu kichern und zu tuscheln.
„Wie unangenehm!“, sagte ich gedanklich.
Ich hasste es, im Zentrum der Aufmerksamkeit zu stehen. Warum starrten die mich alle so an. Ich wollte das nicht. Wieder mal wäre ich am liebsten nach Hause gerannt. Scheiß egal was Frau Petterson von mir denken würde. Wiederum hatte ich durch dieses schockierende Traumende keine Kraft mehr aufzustehen. Diesen Schock musste mein Herz erst einmal verdauen.
Besorgt kam meine Klassenlehrerin zu mir
„Alles okay, Ylva?“, erkundigte sie sich.
Ich nickte und sagte wie immer nichts.
Sie legte ihre Hand auf meine Schulter und sprach leise und zu mir: „Lass uns heute Nachmittag noch einmal im Lehrerzimmer treffen, ja? Du brauchst keine Angst haben. Herr Hudson wird auch da sein.“
Wieder nickte ich zustimmend, ohne dass ein Wort meine Lippen verließ. Worüber die beiden wohl mit mir sprechen wollten?
„Gut meine Schüler“, richtete sie ihre Worte an alle, „Ihr könnt Frühstücken. Danach kommt Herr Hudson zur Geschichtsstunde. Ein schönen Tag euch allen!“
Ein paar Schüler bedankten sich und wünschten ihr ebenfalls einen schönen Tag. Danach verließ sie den Raum.
Kurz darauf fingen meine Ohren reges Getuschel ein.

„Alter, sag mal hat die wirklich im Unterricht gepennt? Is ja mal voll daneben!“, sprach ein Junge empört.
„Echt so,“, antwortete ein anderer, „die hat sie doch nicht mehr alle!“
„Logisch, so cringe wie die hier immer aufkreuzt. Ich mein schau sie dir doch mal an! Das sieht man doch schon!“, sprach der dritte in der Runde.

Dann fing ich noch ein anderes Gespräch zwischen einer Mädchengruppe auf.

„Goths sind ja wohl das letzte! Diese Frisur ist absolut hässlich, Gott, wie kann sie nur so behindert draußen umherwandern? Keinen Geschmack, wirklich! Und dann noch diese hässlichen zwei Augenfarben. Wenn ich sie wäre, würde ich mich einfach vergraben!“
Danach kicherten alle um sie herum.
Nach all diesen Worten wurde mir die Situation zu viel. Ich holte meine Kopfhörer heraus und schaltete die Außenwelt auf Offline. Und zack! Schon versank ich in meiner eigenen Welt. Aber jetzt mal ernsthaft, es gab zwei Dinge auf der Welt, die ich am meisten hasste: Menschen und Drachen. Menschen machten mich innerlich wütend und Drachen versetzten mich in Panik. Gut, dass ich Blackwing immer dabei hatte, egal ob neben mir oder in meinen Gedanken. Blacky war der Einzige, der wirklich immer für mich da war.
„Erinnerst du dich noch daran, als wir uns kennengelernt haben?“,sprach ich in meinen Gedanken zu ihm.
„Kraha, das fragst du mich in letzter Zeit sehr oft.“
„Oh wirklich?“, lachte ich, „tut mir leid. Doch dieser Tag war besonders für mich. Ich erinnere mich gern an diese Zeit zurück. Meine Rückkehr nach Midgard … schöne Erinnerung.“
„Ach kein Problem, ich höre dir gerne zu, kleine Ylva. Aber ja, das war ein besonderer Tag. An deinem 12. Geburtstag, als du von diesem seltsamen Mann gerettet wurdest, welcher auf mysteriöse Weise verschwand. Sein Aussehen ist selbst meinen scharfsinnigen Augen entgangen.“
„Das stimmt! Wer wohl dieser Mann war? Doch an seine Worte kann ich mich bis heute erinnern. Ich würde diesen Mann zu gern wiedersehen. Bevor er verschwand, sprach er folgende Worte zu mir:
Willkommen in Midgard, Kleines.“
Dann fragte ich ihn: „Wer bist du?
Und als er mir antwortete, sprach er mit tiefer Stimme folgende Worte aus: „Ich?“, lachte er, „Ich bin weder Vater, weder Feind noch Freund, weder Mensch noch Tier. Und trotzdem wirst du dich bei unserer erneuten Begegnung an mich erinnern.“
„Danach verschwand er im Nebel und du bist aufgetaucht, als der Nebel sich auflöste. Irgend einem Gott haben wir unsere Freundschaft zu verdanken. Da bin ich mir ganz sicher!“, behauptete ich entschlossen.
„Gut möglich, nur leider kann ich mich an nichts mehr erinnern, was vorher gewesen ist. Es ist zum Krächzen! Ob mein Gedächtnisverlust etwas mit diesem Gott zu tun hatte?“, fragte mich Blackwing.
„Dein Gedächtnisverlust macht mir nichts aus, Blacky. Ich wüsste nicht, was ich ohne dich machen sollte.“,sagte ich zu ihm mit einem Lächeln auf dem Gesicht.

Wie aus dem Nichts, wurde unser Gespräch durch einen Blitzeinschlag in das Schuldach beendet. Dieses Leuchten hielt noch einige Sekunden an, bis es gänzlich verschwand. Vermutlich war der Blitz im Nebenzimmer eingeschlagen.

„Woah! Blacky, hast du das gesehen?“, sprach ich erschocken.
„Krah! Das sieht gar nicht gut aus, Ylva. Wir müssen von hier weg! Und zwar schnell! Es ist etwas schreckliches passiert. Die Barriere sie ist … sie...“, geriet Blacky in Panik.
Ich schüttelte den Kopf und fragte erstaunt: „Moment mal! Barriere? Was für eine Barriere?“
„Ein Magischer Schild, welcher vor Ungeheuern schützen sollte.“
„Ich wusste nicht mal, dass es hier irgendeine Barriere gibt.“
„Krah, ich bis jetzt auch nicht. Aber es kommt noch schlimmer. An der Küste sammeln sich hunderte von Ungeheuern!“
„Ich habe in Helheim genug Untote gesehen. Mich kann nichts mehr erschrecken.“
„Bei Odins Bart, Ylva, selbst du hast keine Chance gegen diese blutrünstigen Bestien. Flieh von hier. Du musst sofort verschwinden! Ich navigiere dich heraus! Krah!“
„Schon gut, ich mach mich auf den Weg“, erwiderte ich gelassen.

Währenddessen war auf dem Gang eine Massenpanik ausgebrochen. Wiederum ging ich im Verhältnis zu den anderen in entspanntem Tempo zur Tür. Erst als ich vor der Schule stand und ich die gewaltige Armee von der Küste aus zum Dorf laufen sah, bekam ich doch ein wenig Angst. Es waren hunderte von wandelnden Toten zu sehen, die sich geradewegs in meine Richtung bewegten. Viele von ihnen hielten Fackeln in der Hand. Bereit, dieses Dorf in Schutt und Asche zu legen. Ich musste mich also beeilen.

„Krah! Es ist unmöglich von dieser Insel zu kommen. Ein Kampf wird unausweichlich sein!“
„Aber ich habe keine Waffe, Blacky!“, erinnerte ich meinen Raben.
„Oh verkrächzt nochmal! Nein, ich kann dich nicht sterben lassen!“, sprach er besorgt, „Nein, du wirst nicht sterben. Dass lasse ich nicht zu. Niemals! Du musst leben, Ylva! Versprich es mir bei meinen Flugfedern!“
„Keine Sorge, dass werde ich nicht tun. Aber trotzdem gibt es anscheinend zwei Todesmutige.“ Ich zeigte auf zwei Kämpfer, die gegen die einfallende Armee kämpften.
„Das sind Dustin aus der zehnten Klasse und seine Schwester Annika!“, erklärte mir Blacky.

Ich zuckte zusammen, als ich das erste Röcheln und Zischen eines Draugr hörte. Aus der Ferne waren viele Schreie zu hören und die ersten Häuser brannten nieder. Das war mein Stichwort, die Beine in die Hand zu nehmen. Doch wohin? Von dieser Insel gab es keinen Ausweg. Als ich Richtung Bootsanleger rannte, waren bereits alle Boote entweder am Brennen oder sanken in die Tiefe der kalten Nordmeere.

Nun war meine Hoffnung, mich irgendwo im Dorf zu verstecken. Blacky gab mir ständig Anweisungen und navigierte mich durch das Chaos des Kampfes ohne kämpfen zu müssen. Währenddessen lief ich bereits an mehreren Toten vorbei. Unter anderem auch einige Schüler aus meiner Klasse. Obwohl sie niemals ein freundliches Wort über mich verloren hatten, verdienten sie diesen qualvollen Tod einfach nicht. Niemand sollte auf diese Weise sterben.

Mit jeder Minute die verging, erinnerte mich das Dorf an meinen jahrelangen Aufenthalt in Helheim. Überall brachten die Untoten die Bewohner der Dorfes kaltblütig um und brannten jedes Haus nieder. Egal, ob die Häuser bereits leer waren oder ob noch Bewohner sich darin versteckten. Die Schreie der eingeschlossenen Bewohner zu hören war mindestens genauso schrecklich, wie das Geräusch, wenn Nidhöggr seine Opfer zermalmt.

„Ylva, k-komm zu mir rüber“, hörte ich plötzlich die Stimme von Frau Petterson.
Der Anblick schockierte mich zutiefst, als ich meine Lehrerin mit einer stark blutenden Wunde in Bauchbereich sah. Besorgt rannte ich zu ihr. Sie zitterte und ihre Haut war kreidebleich.

„Ylva, du hättest mich nicht anlügen müssen. Du hast immer noch mit deiner Vergangenheit zu kämpfen, nicht war?“, fragte sie mich.
Während ich nickte, verlor ich eine Träne. Es schmerzte zu sehr, meine Lehrerin blutend am Boden liegend zu sehen.
Sie legte ihre Hand auf meine Schulter.
„Nicht weinen, Liebes. Du bist stark. Ich kann es spüren.“
„F-finden sie?“, stotterte ich zurück.
Frau Petterson nickte und sprach: „Kein Normalsterblicher würde einfach so in Helheim überleben, …denn du trägst wie ich das Blut eines Gottes in dir. Du … du wirst mächtiger sein … als ich es je sein könnte … ich bin nur … eine unbedeutende Halbgöttin … mit Freyas Blut in mir.“
„Moment mal? Ich … eine Halbgöttin?“, antwortete ich schockiert.
„Hast du dich … noch nie gefragt, warum ausgerechnet du … mit Raben sprechen kannst? Du bist Teil von … etwas größerem... Teil einer großen Weissagung.“
„Aber … Ich … Was soll ich jetzt tun? Ich habe nicht mal eine Waffe.“
„Hör mir zu Kleines … Deine Kampfkraft wird nicht durch ein Schwert entschieden … Alles was du brauchst, trägst … du in dir.“ Das waren ihre letzten Worte, bevor sie ihre Augen endgültig schloss.
„Frau Petterson! Bleib bei mir. Frau Petterson!“, schrie ich weinend ihren regungslosen Körper an, aber es half nichts. Ihr Tod ging mir mindestens genauso nah wie die junge Frau aus Helheim. Dieser Schmerz saß mindestens genau so tief. Zeit zum Trauern hatte ich jedoch nicht. Die Draugr nahmen meine Fährte auf. So musste ich sie schweren Herzens zurücklassen und fliehen.
Irgendwann konnte ich einfach nicht mehr und war völlig außer Atem. Doch die Todesknochen zeigten kein Erbarmen. Sie entdeckten mich. Etwa zehn Stück nahmen die Verfolgung auf. Trotz meiner schwindenden Kräfte, nutzte ich meine letzten Energiereserven, um zu fliehen. Nur um noch eine Minute länger leben zu können. Machte das in diesem Moment überhaupt noch einen Unterschied?
„Verflucht, sie haben dich eingekesselt“, meldete sich Blacky. Du rennst genau auf eine Klippe zu!“
„Scheiße, das war´s. Aus und vorbei.“, antwortete ich enttäuscht.

Im Halbkreis versperrten mir die Todesknochen jede Möglichkeit zu entkommen. Mit klappernden Gerippen und klirrenden Schwertern kamen sie Zentimeter um Zentimeter näher. Nun hatte ich wirklich mit meinem Leben aufgegeben. War es wirklich hier und jetzt vorbei? Ich überlegte mir todesmutig auf einen der Gegner zu rennen, um vielleicht eine Waffe zu erwischen. Doch meine Erfolgschance war gering. In dem Moment als ich sprinten wollte, bildete sich neben mir ein Nebel, welcher sich zu einem Menschen aufbaute. Es war ein Mann mit schwarzen Haaren und einem ziemlich coolen Gothic-Outfit. Wirklich beeindruckend.

Als die Todesknochen diesen Mann erblickten, blieben diese mit der Brust herausgestreckt stehen, als würden sie auf seinen Befehl hören. Mit einem Fingerschnippen ließ er alle von ihnen zu Staub zerfallen.
Völlig beeindruckt von diesem Mann bedankte ich mich bei ihm für seine Hilfe und fragte: „Wer bist du?“
„Ich bin weder Freund noch Feind.“, sprach er mit einer mir bekannten Stimme. Es war dieser Mann, der mich damals aus Helheim gerettet hatte.
„D-Du bist... Du hast ...“, stotterte ich aufgeregt.
„Dich vor zwei Jahren gerettet, ich weiß“, ergänzte der Mann meinen Satz. „Dann erinnerst du dich also an mich. Wie schön“, erzählte er mir, während die Einzelteile meiner Uhr angeflogen kamen und sich wieder zusammenfügten. Diese überreichte mir dieser Mann.
Vor lauter Aufregung wusste ich nicht, was ich sagen sollte und blieb stumm.
„Ich kann dir helfen, Kleines. Wenn du möchtest, bringe ich dich an einen sicheren Ort. Ich kann dir alles beschaffen was du möchtest. Selbst deine Heterochromie kann ich in Ordnung bringen“, bot er mir an.
„Das alles kannst du wirklich tun?“, fragte ich erstaunt.
„Ja und noch viel mehr. Ich weiß sogar von deinem Cousin. Ich kenne sogar seinen Namen und kann dich zu ihm führen. Ihr gingt sogar auf dieselbe Schule.“

Gebannt hing ich an seinen Lippen. Mein Cousin auf derselben Schule? Warum hatte er mich dann nicht erkannt? Ich konnte es kaum fassen.
„Du hast bestimmt einige Fragen. Vermutlich, warum er dich nie darauf angesprochen hat. Nun ... er glaubt, dass du mit sieben Jahren gestorben seist“, erzählte mir dieser Mann.
„Wie lautet sein Name?“
„Er heißt Adrian Mattson.“
Plötzlich verbanden sich in mir wieder alle Synapsen. Ich erinnerte mich wieder an alles. Die Zeit, die ich mit ihm in meiner Kindheit verbracht hatte war einfach wundervoll. In dem Moment, als ich mich wieder an alles erinnerte, verlor ich einige Tränen.

Der Mann legte seine Hand schützend auf meine Schulter.
„Es wird alles gut, meine Kleine. Ich werde dir helfen, aber dafür musst du mir einen Gefallen tun.
Sorge mit mir in Yggdrasil für Gerechtigkeit. Ich weiß nicht nur, wo sich Adrian befindet, sondern auch, wer deine Mutter dazu zwang, dich in Helheim auszusetzen!“
„Wer war es? Es war dein eigener Vater. Der Allvater Odin persönlich. Er ist für alles verantwortlich.“
„Gut, ich werde dir helfen. Ich werde mit dir für die Gerechtigkeit in Yggdrasil kämpfen!“
„Ich freue mich, dass du mir dabei helfen willst, Ylva. Aber wo bleiben denn meine Manieren. Mein Name ist Loki, der Gott des Feuers und des Schabernacks.“

„Psst, Ylva“, Blacky kam angeflogen und flüsterte mir zu, „Wir sollten Lokis Worte nicht für bare Münze nehmen. Loki ist unter allen Göttern die hinterhältigste Schlange von allen neun Welten!“
Danach setzte sich Blacky auf meinen Unterarm. Ich streichelte sein Gefieder am Hals.
„Ach Blacky, mach dir um mich keine Sorgen. Ich weiß schon, was ich mache.“
 
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Basti50

Foren-Redakteur
Teammitglied
Haakon schrieb:
Hallo zusammen! Ich schreibe seit knapp 4 Jahren hobbymäßig an einer Buchidee und der Input dafür sind mir bisher noch nicht ausgegangen. Mein Ziel ist es mich selbst und mein Geschriebenes stetig zu verbessern. Vielleicht werde ich nicht der einzige sein, der diesen Traum verfolgt, doch ich möchte irgendwann einmal mein eigenes Buch in Händen halten. Doch dazu muss ich mich verbessern und an meiner mir gestellten Herausforderung wachsen. Deswegen bin ich auf der Suche nach Feedback, um mich weiterzuentwickeln.

Nun zu meiner Kurzgeschichte. Die Protagonistin Ylva ist einer meiner Hauptcharas in meiner großen Buchidee. Aber um die Charaktere für mich selbst besser kennenzulernen schreibe ich zu jedem Chara eine Kurzgeschichte. Somit erzählt diese Kurzgeschichte über das bisherige Leben von Ylva und ihrem schrecklichen Trauma.

Mich würde gern interessieren wie die Geschichte auf euch wirkt und ob sie interessant genug wirkt. Auf Feedback von euch würde ich mich freuen ^^.

Einen großen Dank an alle, die sich die Zeit nehmen diese Geschichte zu lesen und noch einmal ein großes Dankeschön an Basti50, der mir bei der Korrektur eine große Hilfe war.
Hi Haakon

und nun auch ein offizielles Willkommen hier!
Wie schon erwähnt, Kommentare wie oben bitte als separaten Beitrag der Geschichte anhängen. Außerdem sind noch einige der alten Grammatikfehler drin. Schau dir da am besten noch einmal die damalige Auflistung an, da ich für das Rauspicken heute Abend doch ein bisl zu fertig bin.
Was beim zweiten Lesen mir am negativsten in der Hinsicht aufgefallen ist, ist dass du die von dir gewählte Zeitform nicht immer konsequent durchziehst. Z.B. wechselst du im folgenden Abschnitt ins Präsens und dann wieder übergangslos zurück ins übliche Präterium:

Ihr fragt euch[KOMMA] warum ich diesen Wecker zerstört habe? Warum ich heute aufstehen und zur Schule gehen sollte? Ich weiß es selbst nicht. Warum lebe ich? Warum bin ich eigentlich noch hier? Hatte ich überhaupt das Recht in dieser Welt zu existieren? Diese Fragen kann ich mir selbst nicht einmal beantworten. Dennoch schossen sie mir ständig durch den Kopf wie ein Tornado, der damit drohte, alle Küstenstädte in Schutt und Asche zu legen.
Was den eigentlichen Inhalt angeht, bleib ich dabei, dass der Text für mich eher ein Charakterporträt ist, als wirklich eine Erzählung und selbst in der Hinsicht und in seiner aktuellen Form auch nur eine grobe Skizze. In jeden Fall fehlt es mir noch zu sehr an Fleisch. Sprich ein konkretes Ziel oder eine Charakterentwicklung, worauf sich das Ganze hinarbeiten will. Alles, was aktuell drin ist, sind vage Andeutungen auf Dinge, die evtl. später noch einen Plot bilden könnten und halt Ylvas Darstellung als cooles Goth Girl mit einer finsteren Vergangenheit. Kann bestimmt auch funktionieren, aber selbst dafür bleiben deine Charaktere mir noch zu blass, um wirklich Interesse zu wecken.

Zum Stil versuche ich später noch was loszuwerden, wenn ich wieder vernünftig aus den Augen sehen kann o_O
 

Haakon

Mitglied
Hi Haakon

und nun auch ein offizielles Willkommen hier!
Wie schon erwähnt, Kommentare wie oben bitte als separaten Beitrag der Geschichte anhängen. Außerdem sind noch einige der alten Grammatikfehler drin. Schau dir da am besten noch einmal die damalige Auflistung an, da ich für das Rauspicken heute Abend doch ein bisl zu fertig bin.
Was beim zweiten Lesen mir am negativsten in der Hinsicht aufgefallen ist, ist dass du die von dir gewählte Zeitform nicht immer konsequent durchziehst. Z.B. wechselst du im folgenden Abschnitt ins Präsens und dann wieder übergangslos zurück ins übliche Präterium:



Was den eigentlichen Inhalt angeht, bleib ich dabei, dass der Text für mich eher ein Charakterporträt ist, als wirklich eine Erzählung und selbst in der Hinsicht und in seiner aktuellen Form auch nur eine grobe Skizze. In jeden Fall fehlt es mir noch zu sehr an Fleisch. Sprich ein konkretes Ziel oder eine Charakterentwicklung, worauf sich das Ganze hinarbeiten will. Alles, was aktuell drin ist, sind vage Andeutungen auf Dinge, die evtl. später noch einen Plot bilden könnten und halt Ylvas Darstellung als cooles Goth Girl mit einer finsteren Vergangenheit. Kann bestimmt auch funktionieren, aber selbst dafür bleiben deine Charaktere mir noch zu blass, um wirklich Interesse zu wecken.

Zum Stil versuche ich später noch was loszuwerden, wenn ich wieder vernünftig aus den Augen sehen kann o_O
Oh, ja das switchen in der Zeitform passiert mir auch immer noch zu oft, aber eher unbeabsichtigt XD. An diesem Punkt muss ich auch noch arbeiten.

Und ja man könnte die Geschichte wirklich als Charakterportrait sehen, anstatt als Kurzgeschichte. Mein Fokus lag für mich selbst auf dem Punkt, Ylvas Welt besser zu verstehen, ihr eine Stimme zu verleihen und um den Kampf zu verstehen, den sie innerlich mit sich selbst führt. Zugegeben gab es hier in der Story keinen Spielraum für eine Charakterentwicklung. Die wirkliche Entwicklung von Ylva soll in meiner Hauptgeschichte liegen.

Oder vielleicht könne ich es auch eher als eine Art Tagebucheintrag von Ylva umschreiben.

Und weil du sagtest, dass Ylva noch sehr uninteressant wirkt: An welchem Punkt könnte ich an ihr arbeiten, um sie doch für den Leser interessant zu machen? Oder ist das eher Geschmackssache des Lesers? Mein Gedanke war, dass sie selbst noch nicht so richtig weiß, wo sie sich in dieser Welt einordnen soll. Dass sie selbst wie als wandelnder Zombie durch die Welt läuft, sich selbst als wertlos betrachtet und andere über sie lästern weil sie eben laut der Klasse nicht ins Bild passt.
 



 
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