Zahngold brechen (Großstadtedition)

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Es war kein Lächeln, das verklang
nur ein Impuls, ein Nervenzucken
Ein kurzes Blecken in den Drang
sich nicht am Speichel zu verschlucken

Und er ist wach
Das Schnarchen konvulsives Zucken
Die Augen bang
Der Blick liegt brach

Die tiefgeschockten Hände greifen in die Nacht
nach einem Ausweg, einem Halt vielleicht
Jemand hat seinen Mund
zu einem Kriegsschauplatz gemacht
Blut schaukelt drin so sanft und weich,
dass es den Eindruck hat, er lacht
geschminkt

Die Lippen rot, die Haut so bleich;
ein Clown in einem Großstadtzirkus
aufgewacht

Um die Manege anfeuernde Mengen
Die wollen seine faulen Stümpfe sehen
Die wollen ihn zu einer letzten Nummer drängen
Er soll sich seine letzten Zähne ziehen
Wenn einer ploppt, wenn einer bricht
bedecken sie keusch ihr Gesicht
Die Ah´s und Oh´s, die sind so echt
wie ihre Spendenquittungen

Ein Städter ist ihm in den Mund gekrochen
und zwischen Fäulnis und Gestank
hat er das letzte Zahngold ausgebrochen
Es war kein Lächeln, das verklang
Nur ein Impuls, ein Nervenzucken
Ein kurzes Blecken in den Drang
sich nicht am Speichel zu
verschlucken

 
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sufnus

Mitglied
Der unisonöse Sterneregen ist ebenso nachvollziehbar wie wohlverdient. Auch die kommentatorische Lücke weiß nicht zu überraschen, Du hast hier ordentlich aufgefahren und man weiß nicht so recht, wo anfangen. Jedenfalls eine Höllenfahrt im Gefolge des expressionistische Dr. Benn (der ja das Zahngoldausreißen auch morbide-morgue-ös besungen hat) verquirlt mit einem irgendwie süchtigen Symbolismuston, dabei eher französisch als teutonisch anmutend. Irgendwas Fleur-du-mal- und Maldoror-artiges atmend.
Also alles ziemlich beeindruckend. Nur für mein Liking etwas zu lang. Es hat schon was, dass Du auf die Ökonomie der Mittel großzügig pfeifst, aber ich find doch, dass ein mü-chen weniger vielleicht (noch!) mehr wär. :)
Naja... ich bin jetzt kleinlich....
LG!
S.
 
ich grabe mich durch dein so freundliches lob lieber @sufnus, deine wunderbaren referenzen (Die gesänge des Maldoror - großartig!) und nehme die kritik demütig an - einmal wird mich meine großstädterische geschwätzigkeit sicher noch in das ersehnte schweigen stürzen ;-)

ich finde deine stimmungsmäßige einordnung außerordentlich gelungen - gerne auch noch etwas von Hoddis, das könnte „teutonisch“ abrunden ?!

mes compliments

dio
 
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