Zauberlehrling (Sonett?)

Aniella

Mitglied
Ich werde immer so gern eingefangen
von guten wahren Worten schöner Poesie
doch kann ich selten, meistens nie
zum Grund des fest Gewollten hingelangen

Was soll’s, so denk ich mir drum frohgemut
mein Herz gehört doch eigentlich nur mir
und deines selbstverständlich auch nur dir
wie gut mir der Gedanke einfach tut.

Und die Experten hier im ganzen Saal
verdreh’n die Augen, rümpfen Nasen?
Damit beginnt dann meine große Qual

Vergessen sie in ihren Dichterphasen:
Ein Jeder startet mal in tiefem Tal!
Auch ihr, die sogenannten alten Hasen.
 

mondnein

Mitglied
doch kann ich selten, meistens nie
zum Grund des fest Gewollten hingelangen
zum Grund pseudoethischer Verkrampfungen? "fest gewollt" ist doch so etwas wie "das Böse" in der Kunst. Wie man so sagt "Kunst kommt von Können, nicht von Wollen, sonst hieße sie Wunst". Und nun auch noch "fest".

Aber es ist wahrscheinlich selbstironisch gesagt, oder in kritischer Distanz zu dem gelesenen "Gewollten", auf dessen sprödes Pflaster eine bewegliches Leserin nicht "gelangen" kann, eben weil ihr Lesergemüt frei durch die Verse und ihre Metaphern schwingen möchte.

grusz, hansz
 

Aniella

Mitglied
Hallo @mondnein,

ich hätte mich doch gewundert (trotz deiner Ansage, ich wäre keinerlei Erwähnung wert), wenn Du Dich hier nicht gemeldet hättest, nachdem Du mit Deinr Abrechnung mit @wiesner fertig warst. Solch eine Gelegenheit lässt man sich ja nicht entgehen, nicht wahr?

Wenn Du nun glaubst, Du kannst mir hier irgendwelche Begriffe vor die Füße werfen, die ich mühsam schlucke, damit ich mich verschlucke, dann bin ich mal so frei und will es genau wissen. Denn schließlich habe ich gegenüber @sufnus ja bereits gesagt, dass ich nach dem Versuch eines Limericks auch noch ein Sonett "probieren" wollte. Auch wenn Du es so absurd und lästig findest, dass ich hier agiere und einfach etwas ausprobiere, damit mir Experten helfen, etwas Neues (für mich) zu verstehen. Du könntest ja, wie so viele Andere, einfach nicht mitlesen, Dich nicht nerven lassen und mich in Ruhe lassen, wenn Du keinen Bock hast, mir zu helfen, denn um nichts anderes habe ich gebeten. Um Hilfe.

Was sollte mir dieser Kommentar jetzt bei meinem Sonett-Versuch helfen?
Was meinst Du, was ich mit "pseudoethischer Verkrampfung" anfangen kann, die ich wohl kaum gemeint haben dürfte? Wie kommt man auf solche Interpretation, wenn ich schlicht und ergreifend die Intention de jeweiligen Autors meine und was er mit seinen Zeilen ausdrücken möchte? Also nein, ich habe nichts mit pseudoethischen Verkrampfungen am Hut. Ich lese und fühle einfach, was bei mir ankommt. Punkt.

Wo steht bitte, dass "in der Kunst" der Begriff "fest gewollt" übersetzt "das Böse" ist? Bitte– WO steht das?

Kunst kommt von "Können"? Okay. Du bist ein Künstler und gleich als solcher zur Welt gekommen, oder wie soll ich Deinen Widerspruch (zu meinem Text!) verstehen? Hatte ich irgendwo etwas anderes behauptet? Warum willst du mir dann beweisen, dass Kunst Können ist? Oder war das jetzt durch die Blume nur DEIN Beweis, dass ich davon keine Ahnung habe und gefälligst deswegen meine Finger davon lassen soll?
Vielleicht hast Du recht. Aber soll ich Dir mal was sagen? DU bestimmst nicht, was ich in meinem Leben noch versuchen möchte und was nicht. Du kennst mich überhaupt nicht, machst Dich hier lustig über meine zugegebenermaßen dilettantischen Versuche, aber ich gestehe es Dir nicht einfach so zu. Meinst Du ernsthaft, ich lasse einen wildfremden Menschen über mich bestimmen? So weit sind wir noch nicht, egal wie schlimm es gerade in der Welt aussieht.
Genausowenig, wie man darüber urteilen sollte, welche Lektüre man im Moment lesen darf. Ernsthaft mahnend, oder locker hoffnungsgebend. Das darf tatsächlich hier noch jeder Mensch ganz für sich allein bestimmen.

Aber es ist wahrscheinlich selbstironisch gesagt, oder in kritischer Distanz zu dem gelesenen "Gewollten", auf dessen sprödes Pflaster eine bewegliches Leserin nicht "gelangen" kann, eben weil ihr Lesergemüt frei durch die Verse und ihre Metaphern schwingen möchte.
Du wirst lachen, ja, ich nehme mir die Freiheit (!), genau das zu lesen, was der Autor schafft, zu mir zu transportieren.
Ich habe auch hier genügend Autoren aus der Lyrik, bei denen das ausgezeichnet funktioniert. Angefangen von Patrick, Rufus, Charlotte, Arcos, Perry und noch enige andere.
Mir reicht das.
Ich bin selbstkritisch genug, um meine Defizite zu erkennen, da brauche ich tatsächlich niemanden, der mit dem Holzhammer daherkommt und mal eben um sich schlägt, damit er sich anschließend selbst besser fühlt.
Da ich mir, auch wenn du das nicht glauben magst, sehr viel Mühe gegeben habe, hätte ich lieber erfahren, ob es bei dem Text offensichtliche formale Fehler gibt. Ich spreche mich mal von der Wahl des Themas frei, denn dass ich das gewählt habe, lag nicht zuletzt an Dir und Deinem Kommentar, dass es ja gar nicht erwähnenswert wäre, was für Dich als Künstler ja so offensichtlich klar war. Von daher hatte mich das Thema eben gerade beschäftigt.

Grüße von Aniella
 

Aniella

Mitglied
Hallo Hansz,

wenn ich mich bei Deinen Kommentaren so getäuscht haben sollte in meinen Schlussfolgerungen, dann tut es mir leid und ich entschuldige mich dafür. Im Faden von Erdlings „Realitätsverlust“ und im Faden von Bernds „Waschbär“ habe ich das so herausgelesen.

Vermutlich darf man bei Lyrik nicht dieselben Kriterien ansetzen wie bei der Prosa, denn sie ist eindeutig sehr viel mehr mit Metaphern geschmückt und unterliegt auch sonst noch vielschichtigeren Regeln.
Wenn ich in der Zwischenzeit auch denke, dass es sich hier mehr um ein Missverständnis handelte, so habe ich bis hierher trotzdem Schwierigkeiten gehabt, Deinen Ausführungen zu folgen und daraus für mich neue Schlüsse zu ziehen, jedenfalls was diesen Text angeht.
Dazu kratze ich zu sehr an der Oberfläche, das habe ich ja auch immer zugegeben.
Meine Fragen zu Form und Fehlern habe ich nach wie vor, aber ich akzeptiere Dein eindeutiges
„ist nicht meins. tut mir leid, ich werde Dir nicht weiter helfen.“

LG Aniella
 

Bernd

Foren-Redakteur
Teammitglied
Hallo, Aniella
Danke für Dein Sonett.
Nimm den Dialogverlauf als Anregung. In gewisser Weise spiegelt er Dein Sonett inhaltlich sehr gut. Die Parallelen falls sehr auf, der Dialog wird fast sonettartig. Mit These und Antithese.

Ich selbst sehe es positiver als Hansz.

Aber ich möchte lieber selbst etwas zum Sonett sagen, denn den Dialog habt Ihr ja gut gemeistert, bildlich gesprochen.

Das Sonett folgt einem in Deutschland sehr üblichen Schema abba cddc efe fef.
Das erzeugt einen spezifischen etwas wehmütigen Klang, der durch die Rhythmik unterstützt wird.
Auch Assonanzen und Binnenreim sorgen für die Atmosphere.

Inhaltlich spricht das Gedicht ein uraltes Problem der Gruppendynamik an. Neue kommen dazu, machen Neues --- aber die alten Hasen mögen das nicht. Und es ist meist auch eine Wiederholung derer eigenen Erfahrung. Eine Art fraktaler selbstähnlicher Zyklus.

Du verzichtest stark auf poetische Bilder und Metaphern, die erste Strophe ist eher abstrakt gehalten.
Ich möchte bei der inhaltlichen Besprechung aber darauf hinweisen, dass Du gewisse Ironie zeigst, also ein Stilmittel.

Ich werde immer so gern eingefangen
von guten wahren Worten schöner Poesie
Das ist so stark überzogen, dass es komisch wirkt, auch wenn es nicht ganz die unfreiwillige Komik der "schlesischen Nachtigall", Friederike Kempner, erreicht. Ich finde es gut (das schreibe ich, um Zweideutigkeit hier zu vermeiden, obwohl ich Mehrdeutigkeit und Andeutungen mag.)

doch kann ich selten, meistens nie
zum Grund des fest Gewollten hingelangen
Hier gebe ich Hansz recht: das Vorurteil sagt: Kunst kommt von Können. sonst hieße es Wunst. - nur vergisst er, dass es hier der Wunsch nach Können ist. Und das Autor und Ich-Erzähler nie identisch sind.
Das Gewollte ist vom Ich-Erzähler gewünscht, und es ist Können, was manche tatsächlich dem Bösen zuschreiben. (Wie Hansz es beschrieb, wenn ich ihn richtig verstanden habe.)


Was soll’s, so denk ich mir drum frohgemut
mein Herz gehört doch eigentlich nur mir
und deines selbstverständlich auch nur dir
wie gut mir der Gedanke einfach tut.
Nach dem Exkurs in die Rolle des beobachteten kommt die eigene emotionale Betrachtung, mit Autosuggestion und /oder Selbstbewusstsein, jedenfalls fröhlicherer Stimmung.


Und die Experten hier im ganzen Saal
verdreh’n die Augen, rümpfen Nasen?
Damit beginnt dann meine große Qual

Vergessen sie in ihren Dichterphasen:
Ein Jeder startet mal in tiefem Tal!
Auch ihr, die sogenannten alten Hasen.
Es folgt nun das Resümee.
Der Ich-Erzähler wehrt sich. Und ist unsicher. Und findet nach Grübeln zu einer Lösung: Es ist periodisch.
 

Bernd

Foren-Redakteur
Teammitglied
PS: Was die Betonung angeht, hat sich die Sonettform in Deutsch recht aufgesplittert. Wenn Du einen festen Rhythmus haben möchtest, musst Du es nochmal leicht bearbeiten. Frag in diesem Fall nochmal. Inhaltlich passt der verwendete, da er das Sonett selbstbezüglich macht.
 

Aniella

Mitglied
Hallo Bernd,

WOW, da hast du jetzt für mich Zeit und Mühe geopfert – vielen Dank dafür schon Vorab!

Ich bin froh, dass es von der Form her passt.
Inhaltlich kenne ich das Problem aus meinem Berufsleben, wo ich mit jedem neuen Azubi immer wieder von vorn anfangen musste und sich Defizite aus der Schule leider nie besserten. Ist manchmal ermüdend, aber andererseits auch immer wieder schön, wenn es am Ende Früchte trägt.
An Metaphern in der Lyrik habe ich mich jetzt noch nicht herangetraut. Mag sich noch ändern. ;-)
Okay, das Zitat von Hansz ist altbekannt und muss ich wohl so hinnehmen. Die Verbindung zum Bösen habe ich allerdings nicht erkannt, aber auch das lasse ich jetzt ruhen.
Was meintest Du mit dem festen Rhythmus, den man noch anpassen könnte? (Nur wenn Du da noch einen Satz nachschieben möchtest, sofern es Deine Zeit und Lust zulässt)
Egal wie, ich danke Dir recht herzlich für die Aufdröselung.
Die Beschäftigung mit der Lyrik hat mir immerhin sehr viele neue Erkenntnisse beschert. So kann man nicht nur mehr herauslesen, sondern erkennt auch die Arbeit, die hinter dem Ganzen steckt.
Lieben Dank nochmal für die Hilfe und

LG Aniella
 

Bernd

Foren-Redakteur
Teammitglied
Zunächst: Dein Gedicht funktioniert nach meinem persönlichen Gefühl, wie es ist. Es hat wechselnde Rhythmik, die aber zum Teil die Spannung erhöht. Und es passt gut zum Thema der Unsicherheit und Sprengung von Grenzen.

Klassisch war es lange so, dass italienische Sonette gleichmäßige Verslängen hatten im Sinne von Versfüßen, Jamben, meist aus 11 Versen. Aber Deutsch ist nicht italienisch, es hat eine andere Sprachstruktur, die mit Betonung(betonte und unbetonte Silben) arbeitet und eher taktgesteuert ist.

Taktzahl:

Ich werde immer so gern eingefangen - 5 Takte, Jambus, weiblich
von guten wahren Worten schöner Poesie - 6 Takte, Jambus, männlich
doch kann ich selten, meistens nie - 4 Takte, Jambus, männlich
zum Grund des fest Gewollten hingelangen - 5 Takte, Jambus, weiblich

Was soll’s, so denk ich mir drum frohgemut - 5 Takte, Jambus, weiblich
mein Herz gehört doch eigentlich nur mir - 5 Takte, Jambus, männlich
und deines selbstverständlich auch nur dir - 5 Takte, Jambus, männlich
wie gut mir der Gedanke einfach tut. 5 Takte, Jambus, männlich

Und die Experten hier im ganzen Saal - 5 Takte, Jambus, männlich
verdreh’n die Augen, rümpfen Nasen? - 4 Takte, Jambus, weiblich
Damit beginnt dann meine große Qual 5 Takte, Jambus, männlich

Vergessen sie in ihren Dichterphasen: - 5 Takte, Jambus, weiblich
Ein Jeder startet mal in tiefem Tal! 5 Takte, Jambus, männlich
Auch ihr, die sogenannten alten Hasen. - 5 Takte, Jambus, weiblich

Weiblich: der Vers endet betont+unbetont
Männlich: der Vers endet betont

Normalerweise (ohne Selbstreferenz) sind die Zahl der Hebungen (Betonungen) pro Vers gleich.
 

Aniella

Mitglied
Ich danke Dir sehr für die Erklärungen!
Die Sache mit den männlichen und weiblichen Endungen hatte ich schon in Verdacht, dass es fehlerhaft ist, weil es eben in der zweiten Strophe nicht abwechselnd war. Manche Dinge haben sich ja aus dem italienischen sehr verändert, wenn man sich die ursächliche Form betrachtet.
Leider habe ich nicht sehr viel über die deutsche Entwicklung gefunden, aber wenn es so stehen bleiben kann, dann lasse ich es jetzt auch so.
Lieben Dank, das hat mich sehr gefreut, hier mal einen Einblick zu bekommen!

LG Aniella
 

Bernd

Foren-Redakteur
Teammitglied
Abwechselnd muss es nicht sein, aber gewisse Symmetrien sind erforderlich. So sind Reime immer männlich oder weiblich, aber nie gemischt.

Vater, Pater (weiblich)
Reim, Leim (männlich)

In der deutschen Grammatik bezeichnen männlich, weiblich und sächlich dabei grammatische Geschlechter, in der Lyrik lyrische Strukturen --- kein biologisches oder gesellschaftliches Geschlecht.

Im Sonett wurde klassisch eine Gleichförmigkeit der Hebungen in Deutsch beachtet.
Also alle Verse fünfhebig oder alle sechshebig.

In Deinem Gedicht zeigst Du als handelnde Person einen Anfänger oder eine Anfängerin. Somit ist das Gedicht besser, wenn es nicht perfekt ist.
 

Bernd

Foren-Redakteur
Teammitglied
Ich habe nur die am meisten verbreiteten Formen benannt. Es gibt aber viele andere, zum Beispiel mit drei oder vier Hebungen oder unregelmäßig. Selbst ungereimte gibt es.
Oder Alexandriner, die eine andere Rhythmik haben. Alexandriner – Wikipedia
Oft waren es Übersetzungen, die neue Formen brachten. Oder andere Sprachen. Siehe Shakespeare. Shakespeares Sonette – Wikipedia
 

Aniella

Mitglied
Ja, das habe ich auch festgestellt, darum fand ich es auch ziemlich schwierig, möglichst nichts zu vermischen, was als "gültig" durchgeht. Ich habe mir etliche Seiten gespeichert und angesehen. ;-)
 

James Blond

Mitglied
Leider habe ich nicht sehr viel über die deutsche Entwicklung gefunden, aber wenn es so stehen bleiben kann, dann lasse ich es jetzt auch so.
Liebe Aniella,
wenn dieses Sonett eine Übungsaufgabe zum Einstieg in die Form darstellen soll, dann würde ich es metrisch überarbeiten. Bernd hat ja dazu bereits die Vorarbeit geleistet und die notwendigen Informationen gegeben.

Und wenn du etwas mehr über die Adaptionen des Sonetts an die Deutsche Sprache erfahren möchtest, würde ich dir den Barockdichter Martin Opitz empfehlen, der sich sehr um eine deutsche Regelpoetik bemüht hat.

Grüße
JB
 

Aniella

Mitglied
Hallo JB,

Martin Opitz ist ein guter Tipp, danke dafür!
Habe gleich mal nachgeschaut.
Ja, Bernd hat mir hier schon viel gezeigt und erklärt, damit kann ich schon viel anfangen. Es ist schon eine Weile her, dass ich mich mit Lyrik befasst habe, viele Bücher sind verlorengegangen.

LG Aniella
 



 
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