Mooloolaba
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Ich höre nur „Krieg“, obwohl der Rest des Satzes noch weiterging. Eine Frau sagt zu ihrem tobenden Kind „Krieg dich endlich mal wieder ein!“
Für einen Moment stehe ich nicht mehr an der Kasse im Supermarkt, sondern bin mit den Gedanken bei dem was von meinem zu Hause noch übrig ist. Häuser ohne Fenster und Türen, aufgerissene Straßen, viele Trümmer.
Ich tauche wieder auf, denke an Schmetterlinge und kreuze unauffällig die Arme, um mich abzuklopfen. Der Therapeut in der ersten Einrichtung sagte, das würde helfen, wenn ich mit den Gedanken dort bei all dem Schlimmen und Unaussprechlichen bin.
Es wird besser, ich kann wieder atmen.
Ich sage mir, dass ich nun bin sicher bin.
So sicher wie man in einem Land ohne Luftschutzbunker und Alarmsysteme eben sein kann. Ich frage mich, was sie damit gemacht haben? Dachten sie wirklich, der Krieg käme nie wieder zu ihnen? Was ist aus all den Kellern, Gewölben, Sirenen und dicken Stahltüren geworden?
Ich darf endlich hier arbeiten. Nach zwei Jahren.
Eine andere Frau aus meinem Land ist auch in dem Laden beschäftigt. Der Chef hat uns verboten, uns in unserer Sprache zu verständigen. Die Kunden sollen schließlich nicht denken, das wäre eine Ausländerbude. Als wären wir dann weniger seriös. Wenn ich meiner Kollegin dann Mais statt Reis aus dem Lager hole, findet er das allerdings auch nicht besonders komisch.
Mittlerweile mache ich das manchmal mit Absicht. Die neue Sprache ist schwer, aber ich habe viel gelernt in letzter Zeit und verstehe doch ziemlich genau was von mir erwartet wird.
Leider kann ich jetzt auch „Dreckspack“ übersetzen.
Ich denke mir, das können sie nur sagen, weil sie noch nie ungewollt ihr zu Hause verloren haben.
Ein zu Hause ist doch nicht nur ein Haus oder eine Wohnung. Ich vermisse die anderen Geräusche, Gerüche, die Temperaturen, meine Nachbarin Maryam und den kleinen Schwatz, den wir hielten, wenn wir uns am Briefkasten trafen. Ich hatte vertraute Läden, kannte gute Ärzte und mein Sohn hatte Freunde, spielte Schach.
Hier ist alles anders.
Ich weigere mich es zu Hause zu nennen. Ich will wieder zurück, zu dem was ich so vermisse. Manches lässt sich nicht mehr reparieren, Maryams Tod zum Beispiel. Aber dennoch denke ich so oft an das was wir zurücklassen mussten.
Unverständlich warum die Menschen hier immer denken, es wäre so wunderbar bei ihnen. Nichts ist hier wie es sein soll und ich kann nur müde lächeln, wenn sie mir ein ganz besonderes Gebäude zeigen oder eine Landschaft, die ihnen so einzigartig vorkommt. Ich denke dann nur trotzig, bei mir ist es doch auch schön.
Vielleicht würde ich anders urteilen, wenn ich eine Urlauberin wäre.
Aber das ist nun mein Leben.
Meinem Sohn fällt es weniger schwer, vielleicht weil er noch nicht ganz verstanden hat, was er da eigentlich hinter sich ließ. Kürzlich war er sogar mit anderen Jugendlichen aus seiner Klasse zum Lasertag.
Ich wusste nicht, was das ist, sonst hätte ich es verboten.
Völlig absurd, dass mein Junge zum Zeitvertreib auf andere Menschen zielt und für jeden Treffer auch noch lautes Gekröhle erntet.
Erinnert er sich denn nicht mehr an die Stille, die der Krieg mit sich brachte? Die Menschen fallen nicht selten lautlos zusammen und stehen nicht mehr auf. Da kommt niemand und jubelt über diesen präzisen Tod. Wir versuchten stets lautlos zu sein, damit wir nicht zum Ziel werden.
Mein Sohne konnte es sich nie erlauben im Supermarkt zu toben.
Für einen Moment stehe ich nicht mehr an der Kasse im Supermarkt, sondern bin mit den Gedanken bei dem was von meinem zu Hause noch übrig ist. Häuser ohne Fenster und Türen, aufgerissene Straßen, viele Trümmer.
Ich tauche wieder auf, denke an Schmetterlinge und kreuze unauffällig die Arme, um mich abzuklopfen. Der Therapeut in der ersten Einrichtung sagte, das würde helfen, wenn ich mit den Gedanken dort bei all dem Schlimmen und Unaussprechlichen bin.
Es wird besser, ich kann wieder atmen.
Ich sage mir, dass ich nun bin sicher bin.
So sicher wie man in einem Land ohne Luftschutzbunker und Alarmsysteme eben sein kann. Ich frage mich, was sie damit gemacht haben? Dachten sie wirklich, der Krieg käme nie wieder zu ihnen? Was ist aus all den Kellern, Gewölben, Sirenen und dicken Stahltüren geworden?
Ich darf endlich hier arbeiten. Nach zwei Jahren.
Eine andere Frau aus meinem Land ist auch in dem Laden beschäftigt. Der Chef hat uns verboten, uns in unserer Sprache zu verständigen. Die Kunden sollen schließlich nicht denken, das wäre eine Ausländerbude. Als wären wir dann weniger seriös. Wenn ich meiner Kollegin dann Mais statt Reis aus dem Lager hole, findet er das allerdings auch nicht besonders komisch.
Mittlerweile mache ich das manchmal mit Absicht. Die neue Sprache ist schwer, aber ich habe viel gelernt in letzter Zeit und verstehe doch ziemlich genau was von mir erwartet wird.
Leider kann ich jetzt auch „Dreckspack“ übersetzen.
Ich denke mir, das können sie nur sagen, weil sie noch nie ungewollt ihr zu Hause verloren haben.
Ein zu Hause ist doch nicht nur ein Haus oder eine Wohnung. Ich vermisse die anderen Geräusche, Gerüche, die Temperaturen, meine Nachbarin Maryam und den kleinen Schwatz, den wir hielten, wenn wir uns am Briefkasten trafen. Ich hatte vertraute Läden, kannte gute Ärzte und mein Sohn hatte Freunde, spielte Schach.
Hier ist alles anders.
Ich weigere mich es zu Hause zu nennen. Ich will wieder zurück, zu dem was ich so vermisse. Manches lässt sich nicht mehr reparieren, Maryams Tod zum Beispiel. Aber dennoch denke ich so oft an das was wir zurücklassen mussten.
Unverständlich warum die Menschen hier immer denken, es wäre so wunderbar bei ihnen. Nichts ist hier wie es sein soll und ich kann nur müde lächeln, wenn sie mir ein ganz besonderes Gebäude zeigen oder eine Landschaft, die ihnen so einzigartig vorkommt. Ich denke dann nur trotzig, bei mir ist es doch auch schön.
Vielleicht würde ich anders urteilen, wenn ich eine Urlauberin wäre.
Aber das ist nun mein Leben.
Meinem Sohn fällt es weniger schwer, vielleicht weil er noch nicht ganz verstanden hat, was er da eigentlich hinter sich ließ. Kürzlich war er sogar mit anderen Jugendlichen aus seiner Klasse zum Lasertag.
Ich wusste nicht, was das ist, sonst hätte ich es verboten.
Völlig absurd, dass mein Junge zum Zeitvertreib auf andere Menschen zielt und für jeden Treffer auch noch lautes Gekröhle erntet.
Erinnert er sich denn nicht mehr an die Stille, die der Krieg mit sich brachte? Die Menschen fallen nicht selten lautlos zusammen und stehen nicht mehr auf. Da kommt niemand und jubelt über diesen präzisen Tod. Wir versuchten stets lautlos zu sein, damit wir nicht zum Ziel werden.
Mein Sohne konnte es sich nie erlauben im Supermarkt zu toben.