(Un-)zweifelhaft prominent

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weisserrabe

Mitglied
(Un-)zweifelhaft prominent!?

Schon auf dem Weg zum Picknick wurden die Frauen immer wieder angestarrt. Verschämt blickten kleine Jungen und Mädchen kichernd zu dem Trio. Eine Weile dauerte es, bis dieses den Aufruhr bemerkte, den sie verursachten. Aber verstehen konnten sie ihn nicht...

Als die Decke ausgebreitet und die Leckereien aufgetafelt wurden, war Diana gerade dabei, von ihrer Buchpremiere zu erzählen und was für Termine sich deswegen häufen – Lesungen, Autogrammstunden, Buchbesprechungen... Sie hatte sich darauf gefreut, Erfolg zu haben. Mittlerweile sah sie auch die Arbeit, die nicht mit der Veröffentlichung einfach aufhören würde. Ein vorwitziger kleiner Kerl unterbrach sie: „Verzeihung, sind Sie nicht... Ich meine, Sie haben doch... Ich kenne Sie!“ Jetzt mußten die drei grinsen. „Ich bin und ich habe. Sogar alles mögliche. Aber kennen dürften wir uns nicht. Noch nicht. Ich bin Diana.“ „Ich weiß, ich weiß. Sie haben über den Umdumpler geschrieben. Ihre Reportage war Thema bei unserer Projektwoche hier im Zoo. Die kriegen bald eigene Exemplare und wir dürfen sie beobachten!!!“ Unverständnis in den Augen der Verlegerin und der Illustratorin. Die Autorin jedoch begann, sich ein Bild zu machen. „Du hast mein Bild erkannt? Das ist süß. Ja, die „Reportage“ habe ich vor einiger Zeit geschrieben. Aber...“ „Super. Kriege ich ein Autogramm?“ „Gerne, aber...“ „Danke!!!“ Und weg war der kleine Kerl.

„Würdest Du uns bitte aufklären? Du hast etwas geschrieben, worüber ganze Schulklassen Referate hören und in Projekte eingebunden werden? Was ist ein Umdumpler? Warum wissen wir nichts von dieser großen Sache?“ Diana holt achselzuckend eine Zeitschrift hervor und öffnet den Mittelteil:

Die einzige ultimative, unbestrittene und tatsächliche Wahrheit über den UMDUMPLER

Der Umdumpler gehört zur Gruppe der Singvögel. Sein Lebensraum sind die arktischen Gebiete im Norden Europas, Amerikas und Asiens. Im Gegensatz zu anderen dort ansässigen Spezies, die sich durch weißes Fell oder Federkleid perfekt an die eintönige Umgebung angepaßt haben, zeichnet er sich durch seine leuchtend gelbe Färbung aus. Die nur ca. sieben bis neun Zentimeter kleinen Geschöpfe mit allerdings auffallend langen (teilweise bis zur doppelten Körpergröße) Schnäbeln leben in schier unüberschaubaren Populationen zusammen. Weder Zählung noch Schätzung waren bisher möglich oder erfolgreich.

Trotzdem der Umdumpler an sich eher scheu ist, ergeben sich immer wieder Begegnungen mit Menschen. Zum Glück, muß man hier sagen: In der zeitweise anhaltenden Finsternis der nördlichen Breitengrade kommt es oft zu Fällen, in denen die dort nomadisch lebenden Einwohner sich verirren und nicht ohne fremde Hilfe wieder ihren Weg finden. Eine solche, wenn auch sicher unbeabsichtigte Unterstützung bieten die Umdumpler: das strahlend gelbe Gefieder, das zu allem Überfluß bei dem kleinsten Lichtschimmer, Mondschein o.ä. reflektiert und widerscheint, liefert den Orientierungslosen genau den Anhaltspunkt, der sie zurück nach Hause führt.
Diese absurde Laune der Natur hat aber eigentlich einen anderen Hintergrund. Weil der Bau eines herkömmlichen Nestes unter den schwierigen Bedingungen im Nordland nicht zu bewerkstelligen ist, lebt der Umdumpler in kleinen Eishöhlen. Diese baut er selbst, indem er seinen Schnabel wie einen Meißel benutzt und so eine gemütliche und geschützte Behausung erschafft. Durch die hohe Luftfeuchtigkeit und die sprichwörtliche arktische Kälte frieren diese an sich optimalen Höhlen von Zeit zu Zeit zu. Allein kann sich der nunmehr eingeschlossene Umdumpler nicht befreien; seine Rettung sind die Artgenossen, die dem gelben Leuchtpunkt hinter der frischen Eisschicht nachgehen und ihrerseits unter Einsatz der Schnäbel den Zugang beräumen.

Der Umdumpler lebt also als Einzelgänger, der aber in symbiotischer Art und Weise von der Größe seiner Schar profitiert. Als solcher ist er nicht monogam sondern jeweils zur Paarungszeit auf der Suche nach einer kurzzeitigen, der Fortpflanzung dienenden Begegnung. Das Balzverhalten ist unaufdringlich und besteht vor allem aus zwei Komponenten: die Deckfedern der Männchen entwickeln eine intensivere und variablere Farbgebung (von einem zarten Cremeton bis hin zu sattem Orange wurden Exemplare beobachtet). Man geht davon aus, daß mit den Farbtönen entsprechende Wesenszüge, ja – man könnte von Charaktereigenschaften sprechen, einhergehen. So scheint z.B. der eher farblose und dezent gefärbte Hahn fürsorglich und opferbereit zu sein. Der grell getönte im Gegensatz dazu jedoch unzuverlässig und unbeherrscht. Außerdem gibt es während dieser Zeit außergewöhnlich schöne Gesänge zu hören. Diese werden sowohl von Männchen als auch Weibchen vorgebracht. Es dürfte um den Austausch von Informationen, Gefühlen und Wünschen gehen.

Selbstverständlich verwenden wir hier diese vermenschlichende Sprache lediglich zum besseren Verständnis. Nach erfolgter Paarung ziehen sich beide Partner in ihr gewohntes Leben zurück. Die Henne legt nach etwa drei Wochen drei bis fünf Eier. Die Brutpflege obliegt ihr allein; der Hahn versorgt sie normalerweise mit Futter, solange sie bei den Jungen festgehalten ist. Dies kann jedoch auch fallweise durch die gesamte Gemeinschaft erfolgen. Für Notsituationen funktioniert eine Art soziales Gefüge, das die Überlebenschancen der kleinen Wesen sehr hoch erhält.

Natürliche Feinde hat der Umdumpler nicht. Nesträuber haben schmerzlich die Bekanntschaft der vom Eis gehärteten Schnäbel machen müssen, Raubvögel gibt es so gut wie keine und so können sich die Gesamtvorkommen ungehindert erweitern – das Nahrungsangebot ist unerschöpflich: der Umdumpler ist einer der wenigen Allesfresser unter den Vögeln. Neben tierischen und pflanzlichen Bestandteilen gehört auch Aas, kleinste Steine und Eis, die eigenen Federn etc. zum Speiseplan. Und wo andere wildlebende Tiere sich vor dem Jagdeifer der Menschen fürchten müssen, hat der Umdumpler nicht den geringsten Grund dazu. Für die menschliche Nase ist sowohl der lebende Vogel als auch sein Fleisch derart unerträglich, daß er ganzjährig auf seine natürliche Schonzeit vertrauen darf.

Mit Spannung hat man Versuche verfolgt, die Ressourcen nutzbar zu machen, die sich aus der Vielzahl der kleinen Wesen anzubieten scheinen. Doch die Federn widersetzen sich einer kommerziellen Nutzung – selbst Stahlspäne wären weicher und kuscheliger als die gelben Daunen.

Wir werden uns also weiterhin auf die Beobachtung und Erforschung der süßen Zweibeiner beschränken. Vielleicht läßt sich bald abschließend klären, ob der Umdumpler des Fliegens unfähig oder nur zu faul ist. Bislang gibt es keine gesicherten Erkenntnisse über dieses Rätsel. Für belegbare Informationen – Videoaufnahmen, anatomische Studien, eidliche Aussagen von ortsansässigen Vogelkundlern – wurde bereits eine attraktive Belohnung ausgesetzt. Nähere Informationen dazu sind bei der NASA erhältlich. Das Interesse gerade dieser Organisation wirft neue Fragen auf: Ist der Umdumpler gar ein Import aus dem All...?

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Einen Moment herrschte Stille. Dann überschlugen sich die Stimmen: „Woher hast Du die Fakten für den Bericht? Mit wem hast Du zusammengearbeitet? Gab es Forschungsmittel? Begleitest Du die wissenschaftliche Untersuchung?...“ „Mädels – beruhigt Euch. Ich habe ganz allein gearbeitet und keinerlei Zuschüsse gehabt. Ich hatte ja nicht einmal Informationen! Das Ganze ist reine Phantasie und es gibt – Ehrenwort! - keinen Umdumpler.“ Verblüfftes Schweigen; dann:“Aber warum wollen die hier dann demnächst welche ausstellen???“

Und alle drei fingend schallend an, sich die Seele aus dem Leib zu lachen. Da hatte wohl jemand einen gewaltigen Recherchefehler gemacht und aufgrund der fiktiven Erzählung ein zoologisches Superprojekt ins Leben gerufen. So etwas hat es ja verschiedentlich schon gegeben – der Yeti, das Ungeheuer vom Loch Ness... Alle geboren aus Worten und gewachsen am Glauben der willigen Menschheit. Wer weiß schon, was der Umdumpler noch alles bewegen wird...?



2. Juli 2011
 
A

aligaga

Gast
Lieberweißerrabe,

wer verschämt ist, guckt nicht hin, sondern weg! Wobei der Leser rätselt, wofür sich die Kinder denn schämen müssten. Sind die Damen unbekleidet?

Du musst jetzt ganz stark sein:

Deine Geschichte liest sich wie dürftige Fantasy - eine Verlegerin, eine Illustratöse und eine gefeierte Autorin setzten sich auf den Erdboden und essen von dort, während sich ihre Fans um sie scharen und um Autogramme betteln. Der Grund für diese Prominenz, erfahren wir, läge in einer "Reportage" begründet, die unlängst in einer Zeitschrift abgedruckt worden wäre. Natürlich hat die gefeierte Autorin die besagte Postille im Handtäschchen dabei und liest den ganzen, sterbenslangweiligen Text über irgendeinen Piepmatz vor, der am nördlichen Polarkreis sein Wesen treiben soll. Es ist keine Reportage und kein wissenschaftlicher Text, sondern klingt wie ein Mittelschulaufsatz über Hansi, das süße Kanarienvogerl, aus dem man keine Tschickenbürger braten kann.

Wirklich amüsieren kann man sich allenfalls über die völlig unverständliche Begeisterung, in die die Begleiterinnen der Autorin nach der Vorlesung ausbrechen - dabei ist eine der beiden doch "Verlegerin", die in jedem Fall merken müsste, was für ein dürftiges Geschreibsel das ist. Es wäre nie geeignet, eine namhafte Zeitschrift zu füllen, geschweige denn, dass solche Kümmerenten eine "Forschungslawine" auslösten.

Es mag sein, mein lieberweißerrabe, dass Worte geglaubt werden und dass der Glaube manchmal Berge versetzt. Diese hier tun das aber leider nicht. So dumm, darauf hereinzufallen, sind nicht mal Abc-Schützen.

Tipp: Entweder seriös denken und schreiben oder wirklich witzig sein. Jedenfalls aber plausibel bleiben. Sonst muss man an dem Produkt tatsächlich verschämt vorbeigucken ...

Nichts für ungut und liebe Grüße

aligaga
 

Clara

Mitglied
Als die Decke ausgebreitet und die Leckereien aufgetafelt wurden, war Diana gerade dabei, von ihrer Buchpremiere zu erzählen und was für Termine sich deswegen häufen – Lesungen, soweit deinEinstieg

und inmitten der Leckereien kramt sie ihren Text hervor
schleppt sie den wie einen Haustürschlüssel mit zum Picknick?

die eigentliche Reportage hab ich (noch) nicht gelesen.


Und, das was die Buben so auffällig empfanden - da fehlt mir auch etwas, und sei es eine besondere Stimme, eine Farbe, oder dass der Pulk der da auf die Wiese zugeht um eine Decke auszubreiten
irgendwas besonderes als Blickfang hat.
Der Bub sagte, er kenne ihr Bild - aber sehen Bilder so aus, wie Mensch im täglichen Leben?

es sollte noch ein winziges Detail da am anfang stehen, wodurch die Buben überhaupt aufmerksam wurden um dann Kreisch, das Aha-Erlebnis zu bekommen.

Später lese ich evtl den gesamten Text
 



 
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