Ach, wie ist der Mensch verächtlich ...

Tula

Mitglied
Ach, wie ist der Mensch verächtlich ...
gleicht er nicht dem rohen Tier?
Herzlos, geil und niederträchtig
säuft er Blut als Elixier.
Doch ich wehre ihm als Dichter
und lass' meine Feder sausen.
Schlag' im Vers die Bösewichter,
Mörder, Frevler und Banausen!

Ach, wie ich die Welt verschmähe ...
Nur nach Mammon geht ihr Lauf.
Doch als Gutmensch bleib' ich zähe,
worauf ich ein Schnäpschen sauf’.
Dann entlarve ich die Larven,
die aus Goldman's Hintern krauchen.
Schneide sie in messerscharfen
Zeilen, bis die Börsen rauchen.

Ach, wie ich den Mensch' verdamme ...
Warum denkt er nur so kurz?
Noch ein Bier! – und ich entflamme
jede Brust! Dann mich … beim Furz
fass' ich mir mein Kämpferherz,
schmier’ den Vers mit Jammerleim,
Widerstand und Weltenschmerz
zum Schlafengehen ... in einen Reim.
 

klaatu

Mitglied
Verdammt... Das ist thematisch nahezu identisch mit etwas was ich die Tage geschrieben habe. Nur viel, viel besser!
LG
k
 

Tula

Mitglied
Hallo klaatu

Danke für deinen Gruß. Nun ja, wohl eher ein kleiner Spaß im Sommerloch, satirisches Selbstporträt oder auch mehr, wir erliegen schließlich alle mal dem Drang, diese miese Welt, in der wir uns selbst dufte und unartig vergnügen, dennoch dichterisch anzuprangern.

Ich habe dabei mal einfach einen älteren Versuch überarbeitet. Anderswo gab es damals noch einen schlauen Spruch dazu, von Karl Kraus (den ich wohl endlich mal eingehender lesen sollte); der sagte oder schrieb mal:
Der Weltschmerz ist die Gicht des Geistes. Aber man spürt es wenigstens, wenn das schlechte Wetter kommt.

Bald bin ich im Urlaub. In der Hoffnung auf gutes Wetter,

LG
Tula
 

James Blond

Mitglied
Hallo Tula,

eine nette Elegie auf den poetischen Phantomschmerz. Man merkt der Form an, dass hier Arbeit hineingesteckt wurde. Schön ironisch wird der Dreiklang der poetischen Attitüde aufs Korn genommen: "verächtlich - verschmähe - verdamme". Passend, wenn man dazu das dichterische Treiben an den Allgemeinplätzen von "Mensch und Welt" beginnen lässt und schon bald wird klar, dass des LI's exklamatorisches Lamento unweigerlich in die unfreiwillige Selbstentlarvung münden wird. So weit so gut.

Doch dann fallen einige merkwürdige Ungereimtheiten ins Auge. Wenn das Auslassungszeichen - hier vermutlich zum Ausdruck einer Gedankenpause - verwendet wird, sollte der Satz wie in S1 auch in S2,S3 anschließend klein weitergeführt werden.

In S3,V3 wird überhaupt mit den Satzzeichen wild gefuhrwerkt: Ausrufezeichen - Gedankenstrich und anschließend geht's klein weiter. Was will uns der Autor damit sagen?

In S3,V4 stört das Ausrufezeichen die Satzstruktur, die Auslassungszeichen verstehe ich hier nicht.

Insgesamt fällt S3 gegenüber S1 und S2 erheblich ab. Der bisherige selbstironische Anklang gerät hier zur offenen Kritik. Der "Furz" leitet einen Stilbruch ein, der eine mögliche Pointe vermasselt. Als wollte der Autor nun allen, die es immer noch nicht kapiert haben, die Fragwürdigkeit jenes Dichterkampfes vor Augen führen, denunziert sein LI zuletzt selbst die eigenen Bemühungen und nimmt damit dem Leser die Freude der selbstständigen Entlarvung.

Am Ende leider zu dick aufgetragen - schade eigentlich.

Grüße
JB
 

Tula

Mitglied
Ach, wie ist der Mensch verächtlich ...
gleicht er nicht dem rohen Tier?
Herzlos, geil und niederträchtig
säuft er Blut als Elixier.
Doch ich wehre ihm als Dichter
und lass' meine Feder sausen.
Schlag' im Vers die Bösewichter,
Mörder, Frevler und Banausen!

Ach, wie ich die Welt verschmähe ...
nur nach Mammon geht ihr Lauf.
Doch als Gutmensch bleib' ich zähe,
worauf ich ein Schnäpschen sauf’.
Dann entlarve ich die Larven,
die aus Goldman's Hintern krauchen.
Schneide sie in messerscharfen
Zeilen, bis die Börsen rauchen.

Ach, wie ich den Mensch' verdamme ...
der sich stets nur selber sieht.
Werf' ihn ins Gedicht, die Flamme,
die ins letzte Sodom zieht.
Jede Nacht mit Schaum im Trichter
wird das Scheusal hingerichtet.
Denn als Philanthrop und Dichter
ist man doch der Welt verpflichtet.
 

Tula

Mitglied
Hallo James
vielen Dank für deinen Kommentar und die Anregungen.
Die Schluderei mit den Satzzeichen kann man schnell bereinigen. Die Idee der letzten Strophe war in der Tat die Überspitzung, aber nun deutest du darauf hin, dass sie (S3) gerade deshalb verflacht oder gar zu dumpfbackig wirkt.

Ich habe eben eine neue Version eingestellt, immer noch mit einer Zuspitzung, aber doch im inhaltlichen Sinne der ersten beiden Strophen, der Dichter als Rächer aller Gerechten usw. Der Furz ist raus, Bier (hier als Schaum) bleibt drin, auch darauf kam es mir in der ersten Version eigentlich an – bei Schnäpschen und Bier werden Welt und Menschheit gebrandmarkt, dann schlurft er gemütlich ins Bett. Das macht er jetzt zwar nicht mehr, hoffe dennoch, dass der Schluss ein wenig nach Pointe klingt.

LG
Tula
 

Tula

Mitglied
Ach, wie ist der Mensch verächtlich ...
gleicht er nicht dem rohen Tier?
Herzlos, geil und niederträchtig
säuft er Blut als Elixier.
Doch ich wehre ihm als Dichter
und lass' meine Feder sausen.
Schlag' im Vers die Bösewichter,
Mörder, Frevler und Banausen!

Ach, wie ich die Welt verschmähe ...
nur nach Mammon geht ihr Lauf.
Doch als Gutmensch bleib' ich zähe,
worauf ich ein Schnäpschen sauf’.
Dann entlarve ich die Larven,
die aus Goldman's Hintern krauchen.
Schneide sie in messerscharfen
Zeilen, bis die Börsen rauchen.

Ach, wie ich den Mensch' verdamme ...
der sich stets nur selber sieht.
Werf' ihn ins Gedicht, die Flamme,
die ins letzte Sodom zieht.
Jede Nacht mit Schaum im Trichter
wird das Scheusal hingerichtet.
Denn als Philanthrop und Dichter
ist man doch der Welt verpflichtet!
 

James Blond

Mitglied
Ach, wie ich den Mensch' verdamme ...
der sich stets nur selber sieht.
Werf' ihn ins Gedicht, die Flamme,
die ins letzte Sodom zieht.
Jede Nacht mit Schaum im Trichter
wird das Scheusal hingerichtet.
Denn als Philanthrop und Dichter
ist man doch der Welt verpflichtet!
Schon erheblich besser.
Aber es ließe sich noch einiges richten, bzw. dichten. V4 sollte schon einen Bezug auf V2 nehmen - "Sodom" steht in der christlichen Tradition für sündige Wollust, nicht für Egoismus oder Rücksichtslosigkeit.

Der "Philanthrop" wiederholt nur den "Gutmensch" aus S2.
Und der "Schaum im Trichter" wird nicht so leicht mit Bierschaum in Verbindung gebracht. Möglich wäre hier z.B. eine ironische Anspielung auf Zorn und Bier mit "Bierschaum vorm Mund" o. ä. :

Da schäumt frisches Bier den Trichter,
bis das Scheusal hingerichtet,
denn als ehrenwerter Dichter
bleibe ich der Welt verpflichtet!


Grüße
JB
 

Tula

Mitglied
Ach, wie ist der Mensch verächtlich ...
gleicht er nicht dem rohen Tier?
Herzlos, geil und niederträchtig
säuft er Blut als Elixier.
Doch ich wehre ihm als Dichter
und lass' meine Feder sausen.
Schlag' im Vers die Bösewichter,
Mörder, Frevler und Banausen!

Ach, wie ich die Welt verschmähe ...
nur nach Mammon geht ihr Lauf.
Doch als Gutmensch bleib' ich zähe,
worauf ich ein Schnäpschen sauf’.
Dann entlarve ich die Larven,
die aus Goldman's Hintern krauchen.
Schneide sie in messerscharfen
Zeilen, bis die Börsen rauchen.

Ach, wie ich den Mensch' verdamme ...
der sich stets nur selber sieht.
Werf' ihn ins Gedicht, die Flamme,
die ins letzte Sodom zieht.
Nachts mit Bier und Schaum im Trichter
wird das Scheusal hingerichtet.
Denn als Philanthrop und Dichter
ist man doch der Welt verpflichtet!
 

Tula

Mitglied
Ach, wie ist der Mensch verächtlich ...
gleicht er nicht dem rohen Tier?
Herzlos, geil und niederträchtig
säuft er Blut als Elixier.
Doch ich wehre ihm als Dichter
und lass' meine Feder sausen.
Schlag' im Vers die Bösewichter,
Mörder, Frevler und Banausen!

Ach, wie ich die Welt verschmähe ...
nur nach Mammon geht ihr Lauf.
Doch als Gutmensch bleib' ich zähe,
worauf ich ein Schnäpschen sauf’.
Dann entlarve ich die Larven,
die aus Goldman's Hintern krauchen.
Schneide sie in messerscharfen
Zeilen, bis die Börsen rauchen.

Ach, wie ich den Mensch' verdamme ...
der nur sein Vergnügen sieht.
Werf' ihn ins Gedicht, die Flamme,
die ins letzte Sodom zieht.
Nachts mit Bier und Schaum im Trichter
wird das Scheusal hingerichtet.
Denn als Philanthrop und Dichter
ist man doch der Welt verpflichtet!
 

Tula

Mitglied
Moin James
Habe mit zwei Änderungen in S3 deine Hinweise verarbeitet. V2 inhaltlich weitergreifend (ohne auf das 'nur an sich selbst denken' zu verzichten); der Schaum bleibt doppelsinnig (Bier und Schaum der Gedanken im Kopf / 'überschäumen' usw.)

Die inhaltliche Wiederholung von Gutmensch und Philanthrop empfinde ich nicht als störend, geht es doch eher um den Widerspruch zwischen 'den Menschen zu lieben' und dann wieder 'das Scheusal Mensch allabendlich zu richten'.

Grüße
Tula
 



 
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