Ach du lieber Troll

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Lars Neumann

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Ach du lieber Troll

Es war ein mal...
...in Mittelerde, im Zeitalter der Menschen. Der Ringkrieg und seine Helden waren bereits tief im Sand der Geschichte vergraben, die Elben in der kollektiven Erinnerung zu einem fernen Nebelhauch verkommen. Und an Zauberer glaubte nur noch, wer direkt in ihrer Nachbarschaft wohnte. Just zu jener Zeit begab sich folgendes, seltsame Ereignis:

BUMM! BUMM! BUMM...!
[ 4]»Was soll dieses verfluchte Geklopfe mitten in der Nacht? Kommt morgen wieder, wenn\'s hell ist!«
BUMM! BUMM! BUMM...!
Schon wieder! Franto Täuschler, seines Zeichens Händler in Neu-Bruchthal (Zunftmitgliedsnr. 48b), schlurfte widerwillig und schlecht gelaunt der massiven Eingangstür entgegen. Denn er lag kurz zuvor noch in seinem warmen Bett, von baldigen Geschäften träumend.
BUMM! BUMM...!
[ 4]»Ruuuhe, verdammt nochmal! Ihr weckt ja die ganze Stadt auf!«
BUMM....!
[ 4]»Ich komme ja schon!!!«
Als er, mit einer Laterne bewaffnet, die Schlösser entriegelte, dachte er Dinge wie: \'verdammtes Bettlerpack, jetzt versuchen die es schon nach Mitternacht\'. Während er den Hauptflügel schwungvoll öffnete murmelte er ein »Euch werd\' ich helfen!«, kurz danach ein »Ähmmm...«, allerdings war dieses fast nicht hörbar.
[ 4]»Hallo Herr Täuschler! Mein Name ist Schiefer, Diamantus Schiefer und ich bin ein....na? Erraten sie es?«
Wo ein paar Stunden zuvor noch ein Weg war, schien nun eine Wand aus massivem Fels zu sein.
[ 4]»Ein T. T. T. Trrr....«
[ 4]»Genau! Ein Bergtroll, um genau zu sein! Leider gibt\'s nicht mehr viele die uns auseinanderhalten können, trotz aller Unterschiede. Aber irgendwie sind wir doch alle Trolle, oder? Ha, ha, ha, ha...«
Der Troll stubste Franto\'s Schulter mit einem Finger, dieser fühlte sich dabei als würde ihn eine Herde Rinder überrennen.
[ 4]»Übrigens könnten Zwerge einen Höhlen- von \'nem Bergtroll bereits am Geruch...., wir lassen dieses Thema wohl besser.«
Erst in diesem Moment fiel Franto auf das der Fels, \'tschuldigung, der Troll eine Krawatte samt dazugehörender Krawattennadel trug. Obendrein noch Manschetten mit goldenen Knöpfen. Allerdings ohne Hemd. Dieses war anscheinend in der Reinigung. Seine Hose ebenfalls. Deshalb konnte er sich auch ungeniert unter seinem Lendenschurz kratzen.(Rindsleder!)
[ 4]»Herr Täuschler, sie fragen sich sicher warum ich bei ihnen vorstellig werde. Ich bin auf der Suche nach Möglichkeiten meinen Besitz zu erweitern und sie sind dafür ein ideales Ziel!«
[ 4]»Besitz?...Ähmmm...Ziel...?«
[ 4]»Ja. Ziel. Äh, geht es ihnen nicht gut? Sie sind auf einmal ganz bleich im Gesicht. Außerdem erkenne ich einen leichten Anflug von Angstschweiß auf ihrer Stirn.«
Der Händler begann sich zurückzuziehen. Vorsichtig, millimeterweise, dabei still darauf hoffend, die Tür würde einen ausgewachsenen Troll aufhalten. Vorausgesetzt es gelänge ihm rechtzeitig sie zu schließen.
[ 4]»Ahh! Jetzt verstehe ich! Keine Sorge Sir, die Zeiten von Raub und dergleichen Schnick-Schnack sind vorbei! Ganz großes Trollehrenwort!«
[ 4]»Wirklich?«
[ 4]»Jawoll! Wenn\'s anders ist soll mich der Blitz beim Schlammentsorgen treffen!«
Täuschung war in den diamantartigen Augen des nächtlichen Besuchers nicht zu erkennen. Aber hatte denn seit damals überhaupt jemand Erfahrung mit solchen Typen?
[ 4]»Sie wissen nichts davon? Na, dann eben die lange Version.«
Diamantus stellte seine Aktentasche beiseite. Diese war nur ein klein wenig niedriger als eine Schrankwand. Nachdem er sich vor den Eingangsstufen auf den Boden gesetzt hatte reichte ihm sein Gegenüber bis zur Brust.
[ 4]»Seit das große Auge fiel hat sich einiges geändert, und das beschränkt sich nicht nur darauf das wir ordentlich gekleidet an unserer Eloquenz feilen!«
Er rückte kurz seine Manschetten zurecht.
[ 4]»Früher lebten wir ausschließlich an dunklen Orten, gingen ein bisschen auf Raubzüge und verspeisten anschließend die Beraubten.«
Neugierig geworden hängte Franto die Laterne an einen Haken um sich ebenfalls zu setzen. Wenn er schon dauernd nach oben sehen musste konnte er sich wenigstens anlehnen.
[ 4]»Da man uns nicht sonderlich intelligent nennen konnte war es kein Problem für den einen oder anderen dunklen Herrscher uns für seine Sache einzuspannen. Passierte alle Tausend Jahre oder so. Nur seit Sauron und seine Bande wegen einer Hand voll Halblinge zugrunde ging hat sich keiner mehr getraut nach der Macht zu greifen! Man weiß eben nicht mehr wer einem als nächstes in den Rücken fällt. Abgereiste Elben hin, altersgreise Zauberer her. Also blieb uns nichts anderes übrig als uns eine neue Arbeit zu suchen.«
[ 4]»War wohl nicht leicht mit eurem Ruf. Oh, ich wollte sie nicht unterbrechen, Herr Schiefer. Fahren sie fort!«
[ 4]»Nein, sie sind im Recht. Unser Image haben wir uns in tausenden von Jahren erworben. Das ändert man nicht von Heute auf Morgen.«
Der Troll griff kurz in seine Aktentasche, brachte ein Taschentuch Marke „Vierpersonenzelt“ zum Vorschein und schnäuzte sich mit langem, olifantengleichem Tröten.
[ 4]»Jedenfalls berieten unsere Ältesten sehr lange darüber. Sie wägten Stärken gegen Schwächen ab, durchdachten verschiedene Möglichkeiten, und entschieden sich letztendlich für das Transportgewerbe.«
[ 4]»Trans-was für\'n Gewerbe?«
[ 4]»Trans-port-ge-wer-be, Karawanen, Fuhrwerke, sie wundern sich?«
[ 4]»Nicht grade wenig, wieso gerade dies?«
[ 4]»Na ja, mancher Troll kapiert bis Heute nicht warum, aber es wird schon besser. Sehen sie, wir sind stark, ausdauernd und was wir im Kopf haben ist wie in Stein gemeißelt. Egal wo wir bereits waren, wir finden immer wieder hin. Und ein besonderer Vorteil macht uns unschlagbar: Wir sind Nachtgeschöpfe!«
Eine aus Franto\'s Morgenmantel beförderte Taschenuhr zeigte an wie spät es mittlerweile war. Stirnrunzeln begleitete die Erkenntnis.
[ 4]»Ja. Ist mir aufgefallen. Halb vier Uhr nachts ist wirklich unschlagbar«
[ 4]»Jedenfalls sind Nachts die Straßen frei. Wir haben Verträge mit den meisten größeren Städten und müssen nicht vor den Mauern warten bis die Stadtwache Lust verspürt uns hineinzulassen. Wir benötigen keine Zugtiere, sind dadurch günstiger als die Konkurrenz. Waren die mit uns verschickt werden sind sicherer, oder kennen sie einen Räuber der freiwillig zwanzig oder mehr Trolle angreift?«
Man sah wie Franto sich das Szenario bildlich vorstellte. Denn er schüttelte sowohl sich als auch seinen Kopf. Und zwar heftig.
[ 4]»Ich auch nicht, und ich war mal in der Branche, hä, hä. Ach ja, Umzüge machen wir auch.«
[ 4]»Umzüge?«
Der Händler warf einen abschätzenden, skeptischen Blick auf den ganzen Diamantus Schiefer. Versuchte ihn sich in seinem Schlafzimmer, nein das war zu klein, in seinem Wohnzimmer vorzustellen.
[ 4]»Seid ihr nicht etwas zu groß für das 3. Stockwerk ohne Aufzug?«
[ 4]»Wir schon, aber man hat seine Helferlein. Sie erinnern sich bestimmt noch. Kleine Statur, kurze krumme Beine, auch nur Nachts unterwegs, vorwiegend in Scharen auftretend.«
[ 4]»Orks?«
[ 4]»Jepp! Sind gar nicht so übel. Sofern man sie Stubenrein kriegt. Aber sie sind billig, die lassen sich tatsächlich mit Pferdefleisch bezahlen! Hi, hi.«
[ 4]»O.k., Ganz viele Vorteile, aber was ist mit Vorurteilen? Welcher Händler überlässt jemandem mit eurem Ruf Geld oder Waren? Nicht böse werden, aber unsereins würde seine Existenz aufs Spiel setzen.«
[ 4]»Nein! Wir werden schon lange nicht mehr so leicht böse wie früher. Ich ahne wie schwer es sein muss uns zu vertrauen, und ja, wir müssten oft erst noch lernen untereinander klarzukommen. Aber innerhalb eines Clans ist es bereits normal, nur außerhalb, na ja...«
Diamantus nestelte verlegen an seiner Krawatte.
[ 4]»Und? Wie wollt ihr nun Vertrauen schaffen wo Gewohnheit dagegen spricht?«
Das \"Taschentuch\" wurde erneut benützt und verschwand in den unergründlichen Tiefen der \"Aktentasche\".
[ 4]»Wir beschränken uns darauf Waren zu besorgen die vor Ort nicht erhältlich sind. Zunächst auf eigene Kosten, was nicht leicht ist, aber wir werden von der Zwergenbingenbank unterstützt.«
[ 4]»Wirklich? Die Zwerge nehmen nicht jeden als Kunden!«
[ 4]»Aber man hat eine Menge Privilegien wenn man einer ist. 104 Filialen verteilt über ganz Mittelerde, drei davon in Mordor! Sie verschicken ihre Waren, die Bank schreibt ihr Geld gut, oder andersherum. Wir Trolle transportieren nur.«
[ 4]»Also, um das ganze Theater abzukürzen, was könnt ihr mir anbieten?«
Diamantus beförderte grinsend einen riesigen Stapel Pergamente zu Tage und legte ihn vor Franto auf den Boden. Dieser machte große Augen aufgrund der Menge der Unterlagen.
[ 4]»Dies ist eine kleine Liste der lieferbaren Waren. Wenn ich das nächste mal vorbeikomme, sagen wir in einer Woche, geben sie mir Bescheid wie sie sich entschieden haben. Die Preise sind verhandelbar.«
[ 4]»Natürlich. Aber ich bitte sie um einen Gefallen.«
[ 4]»Gerne, was kann ich für sie tun?«
[ 4]»Kommen sie bitte nicht mehr ganz so spät! Auch ich muss irgendwann einmal schlafen!«
Beide grinsten als sie sich verabschiedeten, und als Franto die Tür schloss sah er den Troll langsam, mit der unter den linken Arm geklemmten Tasche, den Weg hinunter schlendern.

Als Diamantus die Ortsmitte erreicht hatte, schälte sich ein Schatten von einer Hauswand und gesellte sich an seine rechte Seite. Es war ein weiterer Troll, allerdings trug dieser lediglich einen Lendenschurz. Sie unterhielten sich in einer Sprache die nur die wenigen Zauberer noch verstanden.
[ 4]»Und, wie ist es gelaufen?«
[ 4]»Perfekt, wie immer!«
[ 4]»Tatsächlich? Ich verstehe trotzdem nicht warum wir uns bei den Menschen derart anbiedern müssen.«
[ 4]»Wirklich? Du warst doch dabei als der Rat der Clans darüber entschieden hat! Soll ich dir\'s nochmal erklären?«
[ 4]»Ja. Bitte.«
[ 4]»Also, ganz langsam und zum mitschreiben: Zunächst einmal schaffen wir Vertrauen. In zwei bis dreihundert Jahren haben sie vergessen wie wir früher waren, denn die Menschen sind kurzlebig. Mit der Zeit werden sie abhängig, was sie zum Leben brauchen bekommen sie dann von uns oder gar nicht. Und das meiste Geld, wenn nicht sogar alles, wird bis dahin von den Zwergen kontrolliert. Das ist zwar alles in allem langwieriger als Krieg, aber man kommt mit sehr viel weniger Opfern an die Macht!«
[ 4]»Hinterhältig, herrlich hinterhältig. Ach, hätte das große Auge dies erleben dürfen, ha, ha, ho, ho.........«
Und als die beiden sich fröhlich zum Stadttor aufmachten begannen sie leise, ein kleines, altes Liedchen zu singen:


Dereinst war ich ein kleiner Troll,
und machte mir die Hose voll.
Wenn mal ein Mensch des Weges kam,
Orks mir meine Brotzeit stahlen!

Heut\' bin ich ein großer Troll,
weiß nicht was ich machen soll.
Egal ob Tier, ob Mensch und Ork,
wenn sie mich seh\'n laufen sie fort!

Sie wissen alle ganz genau,
erwisch\' ich sie werd\'n sie verhaun\'.
Solang bis die Fetzen fliegen,
weit verstreut die Knochen liegen!

Verscharr\' sie dann an dunklem Ort,
benütz\' ihr Grab als mein Abort.
In meinen Taschen all ihr Gooold!!!
Ich bin nun mal ein großer Troooll!!!

Und wenn sie nicht gestorben sind, dann singen sie noch Heute...
 

Lars Neumann

Mitglied
Ach du lieber Troll – Ursprünge und Einflüsse

Die wahren Eltern dieser Geschichte sind ein Buch und ein unglaublicher Zufall.
Das schuldige Buch ist aber nicht Tolkiens Werk an sich, dessen Wert natürlich außer Frage steht, sondern eine Essay-Sammlung über seinen Einfluss auf Leben und Werke anderer Autoren. Tolkiens Zauber, herausgegeben von Karen Haber und illustriert von John Howe, zeigt wie vielseitig die Sicht auf Tolkiens Schaffen ist. Ein besonderer Gedanke darin beschäftigte mich länger:

Am Ende des Herrn der Ringe sind Sauron, Scharrer und Co. tot. Wer könnte im kommenden Zeitalter der Menschen deren Nachfolge antreten? Wer ist Mittelerde's next top Villain?
Als ich mir meine eigenen Gedanken dazu machte kam mir ein unglaublicher Zufall zu Hilfe:
Ich war 2010 in der Nähe von München auf der Autobahn unterwegs als ein anderer LKW meinen überholte. An sich nichts besonderes, aber als ich sein Heck sah hatte ich eine Eingebung. Denn darauf stand: Troll-Transporte! (Nachzuprüfen unter troll-transport.at)
Warum eigentlich nicht? Trolle werden zwar als böse, aber in den wenigsten Fällen als intelligent oder gerissen dargestellt. Könnten sie dieses persönliche Manko im Kollektiv ausgleichen? Könnten sie einen Sinneswandel vortäuschen?
Und Zwerge als Komplizen? Die Erwähnung einer Zwergenbingenbank setzt die Rückeroberung Moria's voraus, dürfte nach dem Tod des Balrog aber kein Problem darstellen. Zwerge werden für gewöhnlich als gierig dargestellt, und Geld verdirbt den Charakter nicht, es legt ihn nur frei!

Andere Details sind zwar meinem eigenen beruflichen Werdegang geschuldet, aber in der Hauptsache ist es eine Verbeugung vor Autoren die mich besonders beeindruckt haben. Andrzej Sapkowski, Esther M. Friesner, Stanislaw Lem, Robert A. Heinlein und viele hier nicht genannte haben es vollbracht, bei aller Ernsthaftigkeit, humorvoll zu schreiben. Ihre Fantasien sind für mich oft näher am wahren Leben als manch gezwungener, pseudo- realistischer Plot.
Danke, Leute, lasst euch dafür feiern! Am besten mit einem Glas TROLLinger!
 
moin lars!

eine hübsche kleine, spaßig erzählte episode.

bin mir nicht sicher, ob trolle wirklich derart langfristig planen - aber sei's drum. eine nette idee allemal.

ein wenig stören mich nur das lied am ende und der abschlusssatz. meiner meinung nach braucht's das nicht.

wäre interessant zu erfahren, wie es weitergeht ...

lg
 

Lars Neumann

Mitglied
Liedchen und Schlusssatz

Servus eenemenetekel!

Schön dass es dir gefallen hat. Bis jetzt hatte noch niemand etwas gravierendes daran auszusetzen, was mich überrascht, denn es ist der erste Text den ich öffentlich gemacht habe.

Das, dich störende, kleine Liedchen ist fester Bestandteil und war von Anfang an so geplant. Denn es soll nicht nur klar werden dass Trolle noch böse sind. Das Liedchen soll zeigen, dass sie ihren Hass auf alle anderen Lebewesen nicht abgelegt haben, übertriebene Brutalität weiterhin gutheißen und sie, trotz all der neu erworbenen Fähigkeiten, kindlich naiv damit umgehen. In dieser Form braucht es dafür nur wenige Worte. Meiner Meinung nach hätte alles Andere den Text unnötig aufgeblasen.

Der Schlusssatz ist dem Anfang geschuldet.
Denn der Text wurde Anfangs abgelehnt, weil er unfertig wirkte, wie der Teil von etwas anderem. Nach dem ich noch die Zeitform geändert hatte las es sich fast wie ein Märchen. Also: Es war ein mal...
Und wo das steht gehört auch ein „Und wenn sie nicht gestorben sind...“ hin! :)

Eine Fortsetzung ist bis jetzt nicht geplant, aber man soll ja niemals nie sagen...

lg
 



 
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