Ackerland

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brain

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„Versuchen Sie ma, den Motor zu starten.“
Vincent trat die Kupplung und drehte den Schlüssel im Zündschloss, doch der VOLVO gab lediglich ein Kreischen von sich, das wie ein Protest klang. Die Karre war tot, zweifellos!
„Ich versteh das nicht“, sagte Vincent verzweifelt, während er sich zu dem alten Mann gesellte, der vor der geöffneten Motorhaube stand und angestrengt in das Innere des Motorraums starrte. „Ich war erst letzte Woche mit dem Wagen in der Werkstatt, da lief er noch wie geschmiert.“
Der Farmer, vor dessen Hof Vincents Wagen glücklicherweise liegengeblieben war, zog einen schmutzigen Lappen aus der Gesäßtasche seiner ehemals dunkelblauen Latzhose, wischte sich damit über die Stirn und blickte in die gleißende Sonne des sterbenden Sommers. Insekten schwirrten träge durch die Luft, vollgesogen und satt, und in dem über die brach liegenden Felder wehenden Wind, der den Kragen seines rot karierten Hemdes flattern ließ, konnte man bereits den kommenden Herbst erahnen.
„Und Netz hab ich auch keins hier! Nicht einmal einen Abschleppwagen kann ich rufen, verdammt!“
Entnervt klappte er sein Handy zu, steckte es in die Hosentasche und fuhr sich durch das Haar, was seine makellos geschnittene Frisur ruinierte. Er trug einen dezenten, anthrazitfarbenen Nadelstreifenanzug, ein hellblaues Hemd, das mit seiner dunkelroten Seidenkrawatte harmonierte, und schwarze, auf Hochglanz polierte Lackschuhe, an denen der Schlamm und Schweinekot, aus dem der Boden gemacht zu sein schien, mittlerweile zu einer ockerfarbenen Substanz getrocknet war.
Vincents Blick glitt über die in der Hitze brodelnde Landschaft. Ackerland, so weit das Auge blicken konnte. Braune, schwarze und graue Rechtecke woben die Felder zusammen zu einem Netz aus Erde und Dung, das in der brütenden Hitze des Nachmittags zu atmen schien.
„Tja, ich will ja den Tag nich vor dem Abend kreuzigen, aber ich denk ma, mit der Schüssel kommen Sie heut nirgends mehr hin. Aber … wenn Sie wollen, kann ich Sie nachher mit in den nächsten Ort nehmen. Liegt aufm Weg … sozusagen. Muss vorher nur noch meine Lieblinge füttern.“
Als hätten ihn seine Lieblinge gehört, ertönte plötzlich ein forderndes Quietschen und Blöken, das Vincent eine Gänsehaut über den Körper jagte.
„Ihre … was?“
Der Farmer grinste über das ganze Gesicht, wischte sich erneut mit dem Lappen über die Stirn und wies mit der freien Hand auf ein Gebäude hinter der Scheune, vor der sie standen. „Meine Mastschweine“, verkündete er stolz. „Ohne die würd hier gar nix mehr laufen! Ich mein … schaun Sie sich doch ma um! Sehn Sie hier irgendwo noch nen Hof? Oder nen Stall?“
„Also …“
„Sind Sie irgendwann während der letzten Stunde, als Sie noch auf der Straße warn, an irgendwas anderem vorbei gekommen, als an Straßenschildern?“
Vincent dachte nach. „Nein“, erwiderte er. Er konnte sich nur an den hypnotisierend gleich bleibenden Mittelstreifen und die die Straße säumenden Äcker erinnern, die auf ihn gewirkt hatten wie Massengräber einer unbekannten Schlacht. „Jetzt, wo Sie es sagen … nein, bin ich nicht.“
Der Farmer steckte den Lappen in seine Gesäßtasche und nickte eifrig.
„Liegt am Land.“
Vincent, der sich für das Thema zu erwärmen begann, wirkte verwirrt. „Ich kann Ihnen nicht folgen. Was … liegt am Land?“
„Das Land is so tot, wie ein Friedhof, mein Junge. Toter geht’s nich! Hat mit diesen verdammten Genfuzzis zu tun. Die haben hier vor ein paar Jahren versucht … Sachen zu züchten … irgendwas, wo sie die Gene oder so verändert haben.“
„Sie meinen genmanipulierten Mais. Meiner Gesellschaft …“
„Pah“, brachte der Farmer hervor und spuckte in den Schlamm auf dem Boden. „Was auch immer!“
„Meiner Gesellschaft“, fuhr Vincent fort, als wäre er nicht unterbrochen worden, „gehören Anteile der Forschungsanlagen. Deshalb bin ich ja auch hier. In Marburg findet ein Kongress statt, der sich mit den langfristigen Auswirkungen der Gentechnik auf die Beschaffenheit und Zusammensetzung von Ackerland auseinandersetzt, insbesondere der möglichen Konsequenzen für den Nährstoffgehalt des Grundwassers.“
Der Farmer blickte Vincent an und kniff die Augen zu Schlitzen zusammen, als würde er ihn in einem völlig neuen Licht betrachten.
„Konsequenzen!“ Er sprach es aus, als wäre es ein Schimpfwort. „Dieses Land is so tot wie die Dietrich, das is dabei rausgekommen! Und sonst gar nichts!“
Vincent wurde das Ganze unheimlich. Die spätsommerliche Hitze erdrückte ihn schier unter ihrer Gewalt, als befände er sich unter einem Brennglas. Er wollte nur noch weg von hier, einen Abschleppwagen organisieren und dann schleunigst weiter kommen.
„Was …“, begann er, mehr um das Thema zu wechseln, als aus ehrlichem Interesse, „… was ist mit Ihren Feldern? Ich meine, Sie leben doch nicht allein von Ihren … Nutztieren, oder?“
„Nein, das würd mir nich genug einbringen, um zu überleben, aber … der Acker im Herzen eines Mannes ist steinig. Ein Mann bestellt ihn und lässt darauf wachsen, was er kann.“
Vincent blickte den Farmer verblüfft an. „Ist das von Ihnen?“
„Stephen King. Friedhof der Kuscheltiere. Is meine Bibel … sozusagen. Aber … meine Güte, lassen Sie uns erst ma reingehn und was Kaltes trinken! Hier draußen holt man sich ja nen Sonnenstich!“
Daraufhin ging der Farmer in Richtung des Wohnhauses, wobei er in seinen knallgelben Gummistiefeln durch den in der Hitze zu Skulpturen gebackenen Matsch des Hofes stapfte und sich erneut mit dem Lappen den Schweiß von der Stirn wischte.
Vincent blickte dem Alten zweifelnd hinterher, zog sein Handy aus der Hosentasche und klappte es auf. Als er sah, dass er noch immer keinen Empfang hatte, steckte er es wieder weg und folgte dem Farmer, der bereits im Schatten der windschiefen Veranda verschwunden war und das Wohnhaus betreten hatte.
Das Innere des Hauses wirkte so trist wie sein Äußeres, als wäre das Gebäude lediglich ein Schuppen, in dem man Dinge einlagerte, um sie irgendwann wieder hervorzukramen und sich zu fragen, wozu man sie einst benutzt hatte. Graue, staubige Holzdielen, die bei jedem zweiten Schritt knarrten und ächzten. Verblichene Tapete, die von den Wänden schimmelte.
Im Flur stapelten sich Taschenbücher in absurd hohen Stapeln, Reihe an Reihe, bedeckt mit einer fingerdicken Staubschicht. Vincent betrachtete sich die Bücher genauer und war erstaunt, dass es sich dabei um verschiedene Ausgaben ein und desselben Buches handelte: Friedhof der Kuscheltiere. Die Bibel des Alten.
Kopfschüttelnd betrat er einen Raum, in dessen Mitte ein Tisch, eine alte Bauernkommode und drei wacklige Holzstühle standen. Einzig das Vorhandensein eines alten, sargförmigen Kühlschranks und eines rostfleckigen Waschbeckens aus Emaille ließen erkennen, dass es sich dabei um die Küche handeln musste.
Der Farmer stellte einen schmutzigen Glaskrug mit Wasser auf den Tisch, spülte zwei Gläser ab und stellte sie daneben. Vincent wollte schon ablehnen, doch als er das kühle Nass roch, konnte er sich nicht bremsen. Er kam um vor Durst! Er füllte das Glas, das vor ihm stand, leerte es in einem Zug, stellte es wieder auf den Tisch und stöhnte befriedigt auf, obwohl das Wasser einen bitteren Nachgeschmack auf seiner Zunge hinterließ.
„Geht nichts über Quellwasser, wenn die Sonne brennt, nich wahr?“
Vincent nickte und sog die Luft in tiefen Zügen ein, wobei er den Staub, der über allem lag, förmlich in der Lunge schmecken konnte.
„Sie haben meine Frage nicht beantwortet“, sagte Vincent, wobei er sich vorkam wie der kleine Prinz von Antoine de Saint Exupéry.
„Welche Frage?“
„Ihr Ackerland. Es sieht aus, als würde es weiterhin bestellt werden. Zumindest macht es mir den Eindruck. Es wurde gepflügt, daher gehe ich davon aus, dass auch etwas ausgesät und geerntet wurde.“
„Das is richtig! Bin der Einzige, der sich hier in der Gegend halten konnte!“ Der Farmer sagte das nicht ohne einen gewissen Stolz, als würde er sich gegen verheerende Naturgewalten zur Wehr setzen.
„Was bauen Sie denn an?“
„Was ich kann“, antwortete der Farmer mit einem verschmitzten Lächeln. „Mais, Kohl, Tomaten … was Sie wolln.“
„Wie machen Sie das, wenn der Boden wirklich so tot ist, wie Sie sagen? Ich frage das, weil es für meine Gesellschaft von Nutzen sein könnte. Wenn Sie irgendein Patentrezept haben … dann raus damit!“
Der Farmer grinste, erhob sich, schlurfte zum Kühlschrank und öffnete ihn. Ein instensiver, fauliger Geruch strömte in den Raum, während der Alte etwas aus dem Kühlschrank nahm und auf den Tisch wuchtete.
„Was ist das“, entfuhr es Vincent, der angewidert aufsprang und sich eine Hand vor den Mund hielt, um sich nicht übergeben zu müssen.
„Innereien“, sagte der Farmer, als sei das Natürlichste von der Welt, während er den summenden Kühlschrank schloss und sich wieder auf den Stuhl setzte. „Ich schlachte die verkrüppelten Frischlinge, die eh nich lang machen würdn, un verarbeite sie weiter. Hab da so meine eigene Technik entwickelt. Ein Rezept des Hauses … sozusagen.“
Er schien amüsiert zu sein über den Ekel seines Gastes. Vincent, der zur Tür zurückgewichen war, kam zögernd näher und blickte in den Metalleimer, in dem er nur vage eine in sich verschlungene Masse aus grauem Gedärm, verwesendem Fleisch und wimmelnden Maden erkennen konnte.
„Ich lass das Zeug gären, bis es reif is, dann verfütter ichs an meine Lieblinge. Dann müssen sie es nur noch verdaun, wieder ausscheidn … und das wars! Is der beste Dünger dens wo gibt!“
Der Blutgeruch war übermächtig und schien beinahe greifbar in der Luft zu schweben. Sommerwind wehte durch das offene Fenster herein und brachte für kurze Zeit Erleichterung.
Benommen hielt Vincent sich an der Tischkante fest und schwankte leicht, als er realisierte, was der Alte ihm da erzählte.
„Aber das is noch längst nich alles! Kommen Sie mit ma, mein Junge! Ich zeigs Ihnen!“
Der Farmer stand auf, hob den Eimer vom Tisch und verließ die Küche. Ungläubig wankte Vincent ihm hinterher und folgte ihm nach draußen.
Das Blöken und Kreischen im Stall war mittlerweile um ein Vielfaches lauter geworden. Offenbar konnten die Tiere es gar nicht abwarten, mit ihren eigenen Jungen gefüttert zu werden. Vincent drehte sich der Magen um. Zögernd folgte er dem Farmer in den Stall, blieb jedoch an der Tür stehen, als er das gierige Schmatzen und Schlürfen hörte, als der Alte den Eimer in den Futtertrog leerte. Die Tiere stritten sich um die gammligen Überreste, schrieen und quietschten in namenloser Angst, zu kurz zu kommen. Vincent sah von der Tür aus ihre miteinander verschmelzenden Schatten. Der durchdringende Gestank von rohem Fleisch und frischen Fäkalien drohte ihm die Sinne zu rauben.
„Das Einzige, worauf ich am Anfang achten musste, war, dass sie sich nich gegenseitig fressen, aber … mittlerweile haben sie so was wie ne Rangordnung entwickelt. Das Recht des Stärkeren, un so … un nur die Starken haben überlebt.“
Lächelnd trat der Farmer in die Sonne und blickte über sein Ackerland. Den Eimer, von dem noch immer Rinnsale aus halb geronnenem Blut tropften, das in der Hitze der Sommersonne schmolz, stellte er neben die Stalltür.
„Noch ein paar Fütterungen und der Boden ist bereit, um nächstes Frühjahr wieder Früchte zu tragen.“
Das laute Schmatzen jenseits des Troges zog Vincent magisch an, mit jener unsäglichen und perversen Faszination, die Autofahrer dazu verleitet, ganz langsam an einer Unfallstelle vorüber zu fahren, um blutige Details erkennen und sich im Nachhinein angemessen schockiert vom Gesehenen geben zu können.
Hinter dem Pferch, wo der Stall sich zur Scheune hin öffnete, sah er die verrosteten Überreste einiger Kleinwagen und einen kastenförmigen Umriss, den er als Wohnmobil erkannte. Der bittere Nachgeschmack des Quellwassers schien stärker geworden zu sein und brennend heiß in seinen Adern zu pulsieren.
Fast unkontrolliert zitternd stützte Vincent sich an der eisernen Stalltür ab und spähte in den viereckigen, mit Schmutz und Kot bedeckten Pferch hinab, aus dem der Gestank und das abscheuliche Kreischen der fressenden Tiere drangen.
„Es geht nichts über Kot, wissen Sie? Aber die Art is wichtig“, setzte der Farmer seinen Vortrag fort. „Und ich hab alles probiert, das können Sie mir glauben!“
Vincent erkannte nackte, mit Schmutz verschmierte Körper, die sich in den Trog beugten und wie wild die Innereien verschlangen. Er erkannte Haare, Hände, Füße und Gesichter, entmenschlicht und stumpf, der wilden, hirnlosen Raserei ihres Hungers ausgeliefert. Fette, glänzende Bäuche und knochige, gebeugte Rücken. Aufgeblähte, an den Trog gekettete Körper, die den aufrechten Gang verlernt und sich vollkommen und unwiderruflich ihrer niedersten und rudimentärsten Wurzeln besonnen hatten.
„Aber nichts … absolut nichts …“, hörte Vincent noch, bevor ihm die Sinne schwanden und er zusammenbrach, „… geht über menschlichen Kot!“
 
Hallo Brain,

vorweg, du kannst hier zu recht stolz sein, auf das, was du zusammengeschrieben hast. Die Geschichte ist so gut, dass sich sogar relativ leicht sagen lässt, wo ihre Schwächen oder vermeintlichen Schwächen sind. Denn man könnte sie unter Umständen auch so lassen.

Aber unter anderen Umständen:
Erstens, der Anfang ist noch nicht perfekt. Es holpert beim Hereinkommen noch so einige Male. Hier mal eine Alternative zum ersten Absatz:

„Versuchen Sie ma, den Motor zu starten.“
Vincent trat die Kupplung durch und drehte den Schlüssel im Zündschloss. Der VOLVO gab einen leisen Seufzer von sich, der tief aus den metallischen Innereien kam. Dann Stille. Nichts mehr. Die Karre war so tot wie Jane Mansfield.

Der Text funktioniert noch so eine kleine Weile nicht so richtig. Das liegt vor allem so an Begriffen wie „sterbender Sommer“. An so was bleibt man hängen. Zwar sind dann wieder die Insekten, die träge, vollgesogen und satt durch die Luft schwirren, super, aber der Rest des Satzes ist scheiße, vor allem der flatternde Kragen(mal abgesehen davon, dass die Hitze bei mir mit einem Wind nicht unbedingt zusammen geht – ich stell mir da immer da immer so eine stehende Brühe von abgestandener Luft vor). OK, bin gleich durch. Also, dann kommt noch dieses grauenvolle Ungetüm von wörtlicher Rede, wo dem Leser quasi noch mal klipp und klar gesagt wird, dass es kein Netz gibt – so und ab da an läuft deine Geschichte.
Ja, und sogar richtig gut:

"Entnervt klappte er sein Handy zu, steckte es in die Hosentasche und fuhr sich durch das Haar[red](Punkt!)[/red] Er trug einen dezenten, anthrazitfarbenen Nadelstreifenanzug, ein hellblaues Hemd, das mit seiner dunkelroten Seidenkrawatte harmonierte, und schwarze, auf Hochglanz polierte Lackschuhe, an denen der Schlamm und Schweinekot, aus dem der Boden gemacht zu sein schien, mittlerweile zu einer ockerfarbenen Substanz getrocknet war.
Vincents Blick glitt über die in der Hitze brodelnde Landschaft. Ackerland, so weit das Auge [red](reichte)[/red]. Braune, schwarze und graue Rechtecke woben die Felder zusammen zu einem Netz aus Erde und Dung, das in der brütenden Hitze des Nachmittags zu atmen schien." Usw.

Tja, und das wars dann auch schon, was ich so am Literarischen zu nörgeln habe. Soweit ich mich erinnere, kam danach nur erste Sahne Textarbeit. Also Chapeau!

Aber kommen wir zum zweiten Punkt:
Die Sache mit Steven King.

Also das Zitat ist spitze. Hat Spass gemacht, es zu lesen. Aber die Frage ist, musst du ihn wirklich heran zitieren oder ist er nicht eigentlich ein Lückenbüßer für einen Handlungsstrang, der nicht da ist. Für die Geschichte ist nämlich wichtig, wie kann ich schnell und gut darstellen, dass der Farmer verrückt ist und dass der Leser schon jetzt drauf gebracht wird.
Ich will es mal so sagen, dein Trick(es ist nämlich ganz witzig für Horrorgeschichtenfans, wenn die großen Autoren sich irgendwie in anderen Geschichten wieder finden lassen) er funktioniert sogar! Nee tatsächlich! Ich hab ne ganze Weile drüber rumgemosert, und konnte eigentlich nichts Verwerfliches dran finden. Nur eines eben, es bleibt ein Trick. Wie man es auch hin und her dreht. Du umgehst ein Problem, und jeder sieht, dass du ein Problem umgehst. So ähnlich wie in einer Zaubervorstellung – der Hut ist leer, aber alle wissen, dass das Kaninchen noch da ist. Es muss da sein, weil die Welt eben nicht so beschaffen ist – und kein Psychopath sammelt alle Ausgaben von Friedhof der Kuscheltiere. Und selbst wenn -warum? Ohne das Warum bleibt die Charaktere Seelenlos.

Schon klar, dass das deine Intention war. ABER – richtig gut wird’s erst, wenn du das Kaninchen bei den Eiern packst. Wer ist dieser Farmer wirklich?

Und damit kommen wir zum dritten Punkt: der Schluss.
Er ist ok, weil du den Kern der Geschichte so gut geschrieben hast. Du hast quasi mit deiner guten Schreibe ein ordentliches Polster vorgelegt, so dass man am Ende ankommt und sagt, ok, das Ende ist irgendwie schwach(nicht dass es schwach geschrieben wäre!) aber die ganze Zeit las ich und las ich und dachte, meine Fresse, mal sehen, was da noch kommt. Und die Zeilen wurden weniger, noch weniger, dann kam der Schluss, und ich dachte, Moment mal, ich las den Schluss also nochmal. Mußte überlegen. Die haben also die Innereien gefressen, ok. Aber den Kot hat der Farmer auf die Felder gebracht. Jaja, ok. Und weiter? Was weiter?
Nix weiter, wirst du jetzt sagen und dich auf das offene Ende berufen. Und das haut auch hin, wie gesagt, die Geschichte kann durchaus so stehen bleiben. Aber es fehlt irgendwas, und meiner Meinung nach, ist es ein Einstieg und ein Ende. Muß gar nichts Weltbewegendes sein. So wie solche Geschichten eben anfangen. Man fährt mit dem Prot. durch die Gegend, wer ist er, woher kommt er. Er ist für so eine Genfirma unterwegs. Alles ist tot um ihn herum, die Höfe verlassen, und er weiß, dass das mit dem Genmais zu tun hat, den er mit seinen Kollegen damals hier ausgebracht hat. Dann fängt irgendwann der Wagen an zu holpern, und unser Freund erinnert sich daran, dass hier früher mal ein paar Kollegen verschwunden sind, etwas in der Art. Tja und jetzt kommt die Geschichte. Mit so einer Einleitung umgehst du viele kleine Probleme, die der Text noch hat. Zum Beispiel das mit dem Netz, das nicht da ist. Dann kannst du alles ganz in Ruhe erklären, ohne es unbedingt in den Dialog reinquetschen zu müssen. Auch dass unser Protagonist zwischendurch immer wieder dümmlicherweise sagt, dass er von einem Genlabor kommt, kannst du dadurch rausnehmen. Welcher Mitarbeiter eines Genlabores, das eine ganze Landschaft auf dem Gewissen hat, würde denn auch nur ansatzweise auf die Idee kommen, auch nur ein einziges Sterbenswort darüber vor einem Betroffenen zu äußern. Außer er will eine Heugabel in den Rücken.

Tja, und wenn du Glück hast, ergibt sich aus diesem Anfang dann ein glaubwürdiger Schluss. Vielleicht ergibt sich daraus auch, dass du das Steven-King-Problem aus dem Weg räumen kannst. Vielleicht ändert sich daraus auch viel weniger, als ich jetzt denke.
Aber am Ende stehst du möglicherweise vor einer Geschichte, vor der man den Hut ziehen muß, weil du es geschafft hast, echte Charaktere zu schaffen.

Aber soweit sind wir noch nicht. Ich übrigens meistens auch nicht. Dieselben Probleme habe ich oft, wenn nicht immer.
Aber es kann nie schaden, sie mal laut auszusprechen.
Ansonsten, wie schon gesagt, ist die Geschichte spitze. Hat mir gefallen, sie zu lesen. Ein gutes Stück Textarbeit. Mal sehen, wie die anderen sie finden. Kann ja sein, dass ich wie immer zu nörgelig bin.

Ich hoffe, du verzeihst mir das.
Grüsse, Marcus
 

brain

Mitglied
Also...

...Danke erstmal für das Lesen und aufwendige Kommentieren.

Der Anfang könnte ohne Weiteres so umgeschrieben werden, wie Du vorgeschlagen hast, also dass Vincent durch das tote Land fährt und liegenbleibt, wo ihm dann einfällt, dass da gemunkelt wurde über Leute, die verschwunden sind.

"So weit das Auge blicken konnte..." An dieser Stelle hing ich ne Weile, nachdem ich mit Schreiben fertig war, und habe (ewig lang, glaub ich) abgewogen zwischen "blicken konnte" und "reichte". Umgangssprachlich ist Letzteres wohl eleganter, also ein Punkt, den Du angesprochen hast, den sofort ändere.

Den Hemdzipfel hab ich nachträglich eingebaut, genau wie die Latzhose und die Gummistiefel, um sein Äußeres zu beschreiben, nachdem ich Vincents Anzug so genau beschrieben habe, um klar zu machen, dass er absolut nicht da hin gehört. Deshalb, das Hemd kann weg, und Recht haste, wenn die Sonne brennt und das Land in der Hitze brütet, hatt da nix zu flattern.

Den King hab ich drin, weil das der Ursprung der Story war bzw das Zitat: Der Acker im Herzen eines Mannes ist steinig. Ein Mann bestellt ihn und lässt darauf wachsen, was er kann. Die Bücher im Haus sollen nur Alarmglocken bimmeln lassen, wie bei Shining, als die Frau des Prots sieht, dass er Seitenweise einen Satz geschrieben hat. Das würde ich gern drin behalten bzw könnte der Mann fragen, warum da so viele Ausgaben ein und des selben Buches liegen und der Farmer könnte sagen, dass die unterschiedlichen Übersetzungen der Grund dafür waren und er das Buch gleich noch mal kauft, wenn die Seiten vom Lesen zerfleddern (Das is mir mit NACHTSCHICHT vom King passiert, hab ich genau in der Mitte "durchgelesen", sodass ich quasi 2 halbe Bücher hatte).

Dramaturgisch sollte der Horror sich in Schritten offenbahren:
1. Oh Gott, er verfüttert Innereien an die Schweine!
2. Oh Gott, es sind ihre eigenen Jungen!
3. Oh Gott, das sind gar keine Schweine in dem Pferch! Das sind Menschen, denen er die Innereien ihrer Missgeburten zum Fressen vorsetzt!
4. Welches Schicksal erwartet Vincent? Verfüttert zu werden oder mit den anderen um sein Futter kämpfen zu müssen? Und was wäre schlimmer?

Deine Textvorschläge übernehm ich sofort, für das Inhaltliche will ich mir noch Zeit lassen, um Deine Ideen auf mich wirken zu lassen.

Gruß:))
Alex
 

brain

Mitglied
„Versuchen Sie ma, den Motor zu starten.“
Vincent trat die Kupplung und drehte den Schlüssel im Zündschloss, doch der VOLVO gab lediglich ein Kreischen von sich, das wie ein Protest klang. Die Karre war tot, zweifellos!
„Ich versteh das nicht“, sagte Vincent verzweifelt, während er sich zu dem alten Mann gesellte, der vor der geöffneten Motorhaube stand und angestrengt in das Innere des Motorraums starrte. „Ich war erst letzte Woche mit dem Wagen in der Werkstatt, da lief er noch wie geschmiert.“
Der Farmer, vor dessen Hof Vincents Wagen glücklicherweise liegengeblieben war, zog einen schmutzigen Lappen aus der Gesäßtasche seiner ehemals dunkelblauen Latzhose, wischte sich damit über die Stirn und blickte in die gleißende Sonne des sterbenden Sommers. Insekten schwirrten träge durch die Luft, vollgesogen und satt, und in dem über die brach liegenden Felder wehenden Wind, konnte man bereits den kommenden Herbst erahnen.
„Und Netz hab ich auch keins hier! Nicht einmal einen Abschleppwagen kann ich rufen, verdammt!“
Entnervt klappte er sein Handy zu, steckte es in die Hosentasche und fuhr sich durch das Haar. Er trug einen dezenten, anthrazitfarbenen Nadelstreifenanzug, ein hellblaues Hemd, das mit seiner dunkelroten Seidenkrawatte harmonierte, und schwarze, auf Hochglanz polierte Lackschuhe, an denen der Schlamm und Schweinekot, aus dem der Boden gemacht zu sein schien, mittlerweile zu einer ockerfarbenen Substanz getrocknet war.
Vincents Blick glitt über die in der Hitze brodelnde Landschaft. Ackerland, so weit das Auge reichte. Braune, schwarze und graue Rechtecke woben die Felder zusammen zu einem Netz aus Erde und Dung, das in der brütenden Hitze des Nachmittags zu atmen schien.
„Tja, ich will ja den Tag nich vor dem Abend kreuzigen, aber ich denk ma, mit der Schüssel kommen Sie heut nirgends mehr hin. Aber … wenn Sie wollen, kann ich Sie nachher mit in den nächsten Ort nehmen. Liegt aufm Weg … sozusagen. Muss vorher nur noch meine Lieblinge füttern.“
Als hätten ihn seine Lieblinge gehört, ertönte plötzlich ein forderndes Quietschen und Blöken, das Vincent eine Gänsehaut über den Körper jagte.
„Ihre … was?“
Der Farmer grinste über das ganze Gesicht, wischte sich erneut mit dem Lappen über die Stirn und wies mit der freien Hand auf ein Gebäude hinter der Scheune, vor der sie standen. „Meine Mastschweine“, verkündete er stolz. „Ohne die würd hier gar nix mehr laufen! Ich mein … schaun Sie sich doch ma um! Sehn Sie hier irgendwo noch nen Hof? Oder nen Stall?“
„Also …“
„Sind Sie irgendwann während der letzten Stunde, als Sie noch auf der Straße warn, an irgendwas anderem vorbei gekommen, als an Straßenschildern?“
Vincent dachte nach. „Nein“, erwiderte er. Er konnte sich nur an den hypnotisierend gleich bleibenden Mittelstreifen und die die Straße säumenden Äcker erinnern, die auf ihn gewirkt hatten wie Massengräber einer unbekannten Schlacht. „Jetzt, wo Sie es sagen … nein, bin ich nicht.“
Der Farmer steckte den Lappen in seine Gesäßtasche und nickte eifrig.
„Liegt am Land.“
Vincent, der sich für das Thema zu erwärmen begann, wirkte verwirrt. „Ich kann Ihnen nicht folgen. Was … liegt am Land?“
„Das Land is so tot, wie ein Friedhof, mein Junge. Toter geht’s nich! Hat mit diesen verdammten Genfuzzis zu tun. Die haben hier vor ein paar Jahren versucht … Sachen zu züchten … irgendwas, wo sie die Gene oder so verändert haben.“
„Sie meinen genmanipulierten Mais. Meiner Gesellschaft …“
„Pah“, brachte der Farmer hervor und spuckte in den Schlamm auf dem Boden. „Was auch immer!“
„Meiner Gesellschaft“, fuhr Vincent fort, als wäre er nicht unterbrochen worden, „gehören Anteile der Forschungsanlagen. Deshalb bin ich ja auch hier. In Marburg findet ein Kongress statt, der sich mit den langfristigen Auswirkungen der Gentechnik auf die Beschaffenheit und Zusammensetzung von Ackerland auseinandersetzt, insbesondere der möglichen Konsequenzen für den Nährstoffgehalt des Grundwassers.“
Der Farmer blickte Vincent an und kniff die Augen zu Schlitzen zusammen, als würde er ihn in einem völlig neuen Licht betrachten.
„Konsequenzen!“ Er sprach es aus, als wäre es ein Schimpfwort. „Dieses Land is so tot wie die Dietrich, das is dabei rausgekommen! Und sonst gar nichts!“
Vincent wurde das Ganze unheimlich. Die spätsommerliche Hitze erdrückte ihn schier unter ihrer Gewalt, als befände er sich unter einem Brennglas. Er wollte nur noch weg von hier, einen Abschleppwagen organisieren und dann schleunigst weiter kommen.
„Was …“, begann er, mehr um das Thema zu wechseln, als aus ehrlichem Interesse, „… was ist mit Ihren Feldern? Ich meine, Sie leben doch nicht allein von Ihren … Nutztieren, oder?“
„Nein, das würd mir nich genug einbringen, um zu überleben, aber … der Acker im Herzen eines Mannes ist steinig. Ein Mann bestellt ihn und lässt darauf wachsen, was er kann.“
Vincent blickte den Farmer verblüfft an. „Ist das von Ihnen?“
„Stephen King. Friedhof der Kuscheltiere. Is meine Bibel … sozusagen. Aber … meine Güte, lassen Sie uns erst ma reingehn und was Kaltes trinken! Hier draußen holt man sich ja nen Sonnenstich!“
Daraufhin ging der Farmer in Richtung des Wohnhauses, wobei er in seinen knallgelben Gummistiefeln durch den in der Hitze zu Skulpturen gebackenen Matsch des Hofes stapfte und sich erneut mit dem Lappen den Schweiß von der Stirn wischte.
Vincent blickte dem Alten zweifelnd hinterher, zog sein Handy aus der Hosentasche und klappte es auf. Als er sah, dass er noch immer keinen Empfang hatte, steckte er es wieder weg und folgte dem Farmer, der bereits im Schatten der windschiefen Veranda verschwunden war und das Wohnhaus betreten hatte.
Das Innere des Hauses wirkte so trist wie sein Äußeres, als wäre das Gebäude lediglich ein Schuppen, in dem man Dinge einlagerte, um sie irgendwann wieder hervorzukramen und sich zu fragen, wozu man sie einst benutzt hatte. Graue, staubige Holzdielen, die bei jedem zweiten Schritt knarrten und ächzten. Verblichene Tapete, die von den Wänden schimmelte.
Im Flur stapelten sich Taschenbücher in absurd hohen Stapeln, Reihe an Reihe, bedeckt mit einer fingerdicken Staubschicht. Vincent betrachtete sich die Bücher genauer und war erstaunt, dass es sich dabei um verschiedene Ausgaben ein und desselben Buches handelte: Friedhof der Kuscheltiere. Die Bibel des Alten.
Kopfschüttelnd betrat er einen Raum, in dessen Mitte ein Tisch, eine alte Bauernkommode und drei wacklige Holzstühle standen. Einzig das Vorhandensein eines alten, sargförmigen Kühlschranks und eines rostfleckigen Waschbeckens aus Emaille ließen erkennen, dass es sich dabei um die Küche handeln musste.
Der Farmer stellte einen schmutzigen Glaskrug mit Wasser auf den Tisch, spülte zwei Gläser ab und stellte sie daneben. Vincent wollte schon ablehnen, doch als er das kühle Nass roch, konnte er sich nicht bremsen. Er kam um vor Durst! Er füllte das Glas, das vor ihm stand, leerte es in einem Zug, stellte es wieder auf den Tisch und stöhnte befriedigt auf, obwohl das Wasser einen bitteren Nachgeschmack auf seiner Zunge hinterließ.
„Geht nichts über Quellwasser, wenn die Sonne brennt, nich wahr?“
Vincent nickte und sog die Luft in tiefen Zügen ein, wobei er den Staub, der über allem lag, förmlich in der Lunge schmecken konnte.
„Sie haben meine Frage nicht beantwortet“, sagte Vincent, wobei er sich vorkam wie der kleine Prinz von Antoine de Saint Exupéry.
„Welche Frage?“
„Ihr Ackerland. Es sieht aus, als würde es weiterhin bestellt werden. Zumindest macht es mir den Eindruck. Es wurde gepflügt, daher gehe ich davon aus, dass auch etwas ausgesät und geerntet wurde.“
„Das is richtig! Bin der Einzige, der sich hier in der Gegend halten konnte!“ Der Farmer sagte das nicht ohne einen gewissen Stolz, als würde er sich gegen verheerende Naturgewalten zur Wehr setzen.
„Was bauen Sie denn an?“
„Was ich kann“, antwortete der Farmer mit einem verschmitzten Lächeln. „Mais, Kohl, Tomaten … was Sie wolln.“
„Wie machen Sie das, wenn der Boden wirklich so tot ist, wie Sie sagen? Ich frage das, weil es für meine Gesellschaft von Nutzen sein könnte. Wenn Sie irgendein Patentrezept haben … dann raus damit!“
Der Farmer grinste, erhob sich, schlurfte zum Kühlschrank und öffnete ihn. Ein instensiver, fauliger Geruch strömte in den Raum, während der Alte etwas aus dem Kühlschrank nahm und auf den Tisch wuchtete.
„Was ist das“, entfuhr es Vincent, der angewidert aufsprang und sich eine Hand vor den Mund hielt, um sich nicht übergeben zu müssen.
„Innereien“, sagte der Farmer, als sei das Natürlichste von der Welt, während er den summenden Kühlschrank schloss und sich wieder auf den Stuhl setzte. „Ich schlachte die verkrüppelten Frischlinge, die eh nich lang machen würdn, un verarbeite sie weiter. Hab da so meine eigene Technik entwickelt. Ein Rezept des Hauses … sozusagen.“
Er schien amüsiert zu sein über den Ekel seines Gastes. Vincent, der zur Tür zurückgewichen war, kam zögernd näher und blickte in den Metalleimer, in dem er nur vage eine in sich verschlungene Masse aus grauem Gedärm, verwesendem Fleisch und wimmelnden Maden erkennen konnte.
„Ich lass das Zeug gären, bis es reif is, dann verfütter ichs an meine Lieblinge. Dann müssen sie es nur noch verdaun, wieder ausscheidn … und das wars! Is der beste Dünger dens wo gibt!“
Der Blutgeruch war übermächtig und schien beinahe greifbar in der Luft zu schweben. Sommerwind wehte durch das offene Fenster herein und brachte für kurze Zeit Erleichterung.
Benommen hielt Vincent sich an der Tischkante fest und schwankte leicht, als er realisierte, was der Alte ihm da erzählte.
„Aber das is noch längst nich alles! Kommen Sie mit ma, mein Junge! Ich zeigs Ihnen!“
Der Farmer stand auf, hob den Eimer vom Tisch und verließ die Küche. Ungläubig wankte Vincent ihm hinterher und folgte ihm nach draußen.
Das Blöken und Kreischen im Stall war mittlerweile um ein Vielfaches lauter geworden. Offenbar konnten die Tiere es gar nicht abwarten, mit ihren eigenen Jungen gefüttert zu werden. Vincent drehte sich der Magen um. Zögernd folgte er dem Farmer in den Stall, blieb jedoch an der Tür stehen, als er das gierige Schmatzen und Schlürfen hörte, als der Alte den Eimer in den Futtertrog leerte. Die Tiere stritten sich um die gammligen Überreste, schrieen und quietschten in namenloser Angst, zu kurz zu kommen. Vincent sah von der Tür aus ihre miteinander verschmelzenden Schatten. Der durchdringende Gestank von rohem Fleisch und frischen Fäkalien drohte ihm die Sinne zu rauben.
„Das Einzige, worauf ich am Anfang achten musste, war, dass sie sich nich gegenseitig fressen, aber … mittlerweile haben sie so was wie ne Rangordnung entwickelt. Das Recht des Stärkeren, un so … un nur die Starken haben überlebt.“
Lächelnd trat der Farmer in die Sonne und blickte über sein Ackerland. Den Eimer, von dem noch immer Rinnsale aus halb geronnenem Blut tropften, das in der Hitze der Sommersonne schmolz, stellte er neben die Stalltür.
„Noch ein paar Fütterungen und der Boden ist bereit, um nächstes Frühjahr wieder Früchte zu tragen.“
Das laute Schmatzen jenseits des Troges zog Vincent magisch an, mit jener unsäglichen und perversen Faszination, die Autofahrer dazu verleitet, ganz langsam an einer Unfallstelle vorüber zu fahren, um blutige Details erkennen und sich im Nachhinein angemessen schockiert vom Gesehenen geben zu können.
Hinter dem Pferch, wo der Stall sich zur Scheune hin öffnete, sah er die verrosteten Überreste einiger Kleinwagen und einen kastenförmigen Umriss, den er als Wohnmobil erkannte. Der bittere Nachgeschmack des Quellwassers schien stärker geworden zu sein und brennend heiß in seinen Adern zu pulsieren.
Fast unkontrolliert zitternd stützte Vincent sich an der eisernen Stalltür ab und spähte in den viereckigen, mit Schmutz und Kot bedeckten Pferch hinab, aus dem der Gestank und das abscheuliche Kreischen der fressenden Tiere drangen.
„Es geht nichts über Kot, wissen Sie? Aber die Art is wichtig“, setzte der Farmer seinen Vortrag fort. „Und ich hab alles probiert, das können Sie mir glauben!“
Vincent erkannte nackte, mit Schmutz verschmierte Körper, die sich in den Trog beugten und wie wild die Innereien verschlangen. Er erkannte Haare, Hände, Füße und Gesichter, entmenschlicht und stumpf, der wilden, hirnlosen Raserei ihres Hungers ausgeliefert. Fette, glänzende Bäuche und knochige, gebeugte Rücken. Aufgeblähte, an den Trog gekettete Körper, die den aufrechten Gang verlernt und sich vollkommen und unwiderruflich ihrer niedersten und rudimentärsten Wurzeln besonnen hatten.
„Aber nichts … absolut nichts …“, hörte Vincent noch, bevor ihm die Sinne schwanden und er zusammenbrach, „… geht über menschlichen Kot!“
 
Ach, bleib cool, die Geschichte hat mir nicht ohne Grund gefallen. Ich würd jetzt gar nicht soviel daran herumwerkeln. Sonst machst du womöglich mehr kaputt, als du verbesserst. Wie gesagt, der Anfang könnte eleganter sein, und wenn man so als Leser drauf schaut, wünscht man sich ne schicke Einleitung, à la King, wenn du verstehst, was ich meine. Meine "Kritik" lief eigentlich darauf hinaus, zu sagen, ok, hier haben wir einen grundsoliden Text - wie ist es jetzt möglich, noch eine Stufe höher zu steigen. Eine Frage, die mich selbst oft beschäftigt. Wie mache ich aus etwas gutem oder was das ok ist, oder wie auch immer du es nennen willst, das, was ich selbst bei einer guten Horrorgeschichte suche - das BOAR EY.

Das hat viel mit Geschmack zu tun und Philosophie. Aber irgendwo muß es doch zu finden sein, nicht? Dieses BOAR.
Und wie, verdammt zur Hölle, läßt es sich schreiben?

Wär ich nicht auf der Suche danach, würd ich nicht so gern Texte kritisieren und weiterspinnen.

Jedenfalls wärs für deinen Text wohl gut, wenn du vielleicht noch was am Anfang machst. Gar nicht viel, und dann lass das Ganze liegen. Vielleicht stocherst du ja nur in der Scheiße rum, wenn du in der Geschichte noch mehr unterbringen willst. Und vielleicht täusch ich mich ja, und die Geschichte ist schon so in ihrem Rahmen, in den sie hineingehört. Sone Art Puscher, ne Geschichte, die in die Hosentasche passt.

Ich find das gar nicht verkehrt - jedenfalls kann ich keine so kurzen Geschichten erzählen. Ein Fehler, der mir schon lange am Ego rumnagt.

Also, erstmal abhängen lassen. Vielleicht noch ein bisschen Textarbeit. Aber ansonsten schau dir die Geschichte in einem halben Jahr noch mal an und sag mir, ob sie dir immer noch gefällt. Dann weißt du, ob du noch was dran machen mußt.

Bis demnächst, Marcus
 

brain

Mitglied
Das BOAR EY...

...finde ich vielleicht nur mit a Weng Abstand, das Problem is bei mir denke ich, dass ich zu Potte kommen will, mich also beim Schreiben schon antreibe, weil es mir an Geduld (und Zeit) fehlt, ewig dran zu schreiben.
Picasso wars glaub ich, der gesagt hat, dass ein Bild nie fertig wird, man hört nur auf, daran zu malen.
Zu entscheiden, wann ein Text "vollkommen" ist, oder wann ich ihn nochmal bearbeiten sollte, fällt mir nicht immer leicht, daher stimmt es wohl, erst ma Gras drauf wachsen zu lassen.
Das andere Extrem ist halt, dass ich eine Geschichte, damit sie mir nicht ewig im Nacken hängt, als "beendet" betrachten und abhaken möchte, um mich der nächsten zu widmen, oder mich a Weng mehr meiner Musik zu widmen, oder was halt grad ansteht.
Ich glaube daher kommt auch mein "Unvermögen" einen längeren Text zu verfassen, aus dieser Ungeduld heraus.
Ich liebe zum Beispiel die Novellen von Dan Simmons ("LOVEDEATH" ist ein geniales Buch, nur so nebenbei), liebe es wirklich in diesem Kosmos aufzugehen und von ihm aufgesogen zu werden, den nur eine komplexe, umfassendere Geschichte zu vermitteln vermag.
Doch mein Ziel, wo ich hin will, ist eher der Stil Roald Dahls Geschichten("Küsschen, Küsschen" und "Noch ein Küsschen" sind ebenfalls genial, halt auf eine andere Art und Weise), die quasi mitten im Geschehen ansetzen, sich zu einer Eskalation auftürmen und am Ende mit einer Pointe überraschen, die das Gelesene in ein neues Licht rücken oder schockieren.
Dahls Stärke ist es halt, neue Geschichten zu erzählen, neue Themen im Alltäglichen zu entdecken, dem Leser neue Erfahrungen zu ermöglichen, ähnlich wie Clive Barker (Ok, die Bücher des Blutes wirst Du sicher kennen), der mich in Punkto Stil, Ideen und Wortgewalt sehr an Deine Geschichten erinnert, ebenfalls der Textumfang.
Na ja, die nächste Geschichte muss so oder so a Weng länger werden, da wird die Mona Lisa böse, bin mir nur noch nicht so ganz über das Format im Klaren.

Gruß und Danke:))

Alex
 

brain

Mitglied
"Ackerland"

„Versuchen Sie ma, den Motor zu starten.“
Vincent trat die Kupplung und drehte den Schlüssel im Zündschloss, doch der VOLVO gab lediglich ein Kreischen von sich, das wie ein Protest klang. Die Karre war tot, zweifellos!
„Ich versteh das nicht“, sagte Vincent verzweifelt, während er sich zu dem alten Mann gesellte, der vor der geöffneten Motorhaube stand und angestrengt in das Innere des Motorraums starrte. „Ich war erst letzte Woche mit dem Wagen in der Werkstatt, da lief er noch wie geschmiert.“
Der Farmer, vor dessen Hof Vincents Wagen liegengeblieben war, zog einen schmutzigen Lappen aus der Gesäßtasche seiner ehemals dunkelblauen Latzhose, wischte sich damit über die Stirn und blickte in die gleißende Sonne. Insekten schwirrten träge durch die Luft, vollgesogen und satt.
Er blickte auf sein Handy, klappte es kopfschüttelnd wieder zu, steckte es in die Hosentasche und fuhr sich durch das Haar. Er trug einen dezenten, anthrazitfarbenen Nadelstreifenanzug, ein hellblaues Hemd, das mit seiner dunkelroten Seidenkrawatte harmonierte, und schwarze, auf Hochglanz polierte Lackschuhe, an denen der Schlamm und Schweinekot, aus dem der Boden gemacht zu sein schien, mittlerweile zu einer ockerfarbenen Substanz getrocknet war.
Vincents Blick glitt über die in der Hitze brodelnde Landschaft. Ackerland, so weit das Auge reichte. Braune, schwarze und graue Rechtecke woben die Felder zusammen zu einem Netz aus Erde und Dung, das in der brütenden Hitze des Nachmittags zu atmen schien.
„Tja, ich will ja den Tag nich vor dem Abend kreuzigen, aber ich denk ma, mit der Schüssel kommen Sie heut nirgends mehr hin. Aber … wenn Sie wollen, kann ich Sie nachher mit in den nächsten Ort nehmen. Liegt aufm Weg … sozusagen. Muss vorher nur noch meine Lieblinge füttern.“
Als hätten ihn die Tiere gehört, ertönte plötzlich ein forderndes Quietschen und Blöken, das Vincent eine Gänsehaut über den Körper jagte.
„Ihre … was?“
Der Farmer grinste über das ganze Gesicht, wischte sich erneut mit dem Lappen über die Stirn und wies mit der freien Hand auf ein Gebäude hinter der Scheune, vor der sie standen. „Meine Mastschweine“, verkündete er stolz. „Ohne die würd hier gar nix mehr laufen! Ich mein … schaun Sie sich doch ma um! Sehn Sie hier irgendwo noch nen Hof? Oder nen Stall?“
„Also …“
„Sind Sie irgendwann während der letzten Stunde, als Sie noch auf der Straße warn, an irgendwas anderem vorbei gekommen, als an Straßenschildern?“
Vincent dachte nach. „Nein“, erwiderte er. Er konnte sich nur an den hypnotisierend gleich bleibenden Mittelstreifen und die die Straße säumenden Äcker erinnern, die auf ihn gewirkt hatten wie Massengräber einer unbekannten Schlacht. „Jetzt, wo Sie es sagen … nein, bin ich nicht.“
Der Farmer steckte den Lappen in seine Gesäßtasche und nickte eifrig.
„Liegt am Land.“
Vincent, der sich für das Thema zu erwärmen begann, wirkte verwirrt. „Ich kann Ihnen nicht folgen. Was … liegt am Land?“
„Das Land is so tot, wie ein Friedhof, mein Junge. Toter geht’s nich! Hat mit diesen verdammten Genfuzzis zu tun. Die haben hier vor ein paar Jahren versucht … Sachen zu züchten … irgendwas, wo sie die Gene oder so verändert haben.“
„Sie meinen genmanipulierten Mais."
„Pah“, brachte der Farmer hervor und spuckte in den Schlamm auf dem Boden. „Was auch immer!“
"Nun ja, ich denke alles, was man tut, hat ... Konsequenzen."
Der Farmer blickte Vincent an und kniff die Augen zu Schlitzen zusammen, als würde er ihn in einem völlig neuen Licht betrachten.
„Konsequenzen!“ Er sprach es aus, als wäre es ein Schimpfwort. „Dieses Land is so tot wie Adolf Hitler, das is dabei rausgekommen! Und sonst gar nichts!“
Vincent wurde das Ganze unheimlich. Die spätsommerliche Hitze erdrückte ihn schier unter ihrer Gewalt, als befände er sich unter einem Brennglas. Er wollte nur noch weg von hier, einen Abschleppwagen organisieren und dann schleunigst weiter kommen.
„Was …“, begann er, mehr um das Thema zu wechseln, als aus ehrlichem Interesse, „… was ist mit Ihren Feldern? Ich meine, Sie leben doch nicht allein von Ihren … Nutztieren, oder?“
„Nein, das würd mir nich genug einbringen, um zu überleben, aber … der Acker im Herzen eines Mannes ist steinig. Ein Mann bestellt ihn und lässt darauf wachsen, was er kann.“
Vincent blickte den Farmer verblüfft an. „Ist das von Ihnen?“
„Stephen King. Friedhof der Kuscheltiere. Is meine Bibel … sozusagen. Aber … meine Güte, lassen Sie uns erst ma reingehn und was Kaltes trinken! Hier draußen holt man sich ja nen Sonnenstich!“
Daraufhin ging der Farmer in Richtung des Wohnhauses, wobei er in seinen knallgelben Gummistiefeln durch den in der Hitze zu Skulpturen gebackenen Matsch des Hofes stapfte und sich erneut mit dem Lappen den Schweiß von der Stirn wischte.
Vincent blickte dem Alten zweifelnd hinterher, zog sein Handy aus der Hosentasche und klappte es auf. Als er sah, dass er noch immer keinen Empfang hatte, steckte er es wieder weg und folgte dem Farmer, der bereits im Schatten der windschiefen Veranda verschwunden war und das Wohnhaus betreten hatte.
Das Innere des Hauses wirkte so trist wie sein Äußeres, als wäre das Gebäude lediglich ein Schuppen, in dem man Dinge einlagerte, um sie irgendwann wieder hervorzukramen und sich zu fragen, wozu man sie einst benutzt hatte. Graue, staubige Holzdielen, die bei jedem zweiten Schritt knarrten und ächzten. Verblichene Tapete, die von den Wänden schimmelte.
Kopfschüttelnd betrat er einen Raum, in dessen Mitte ein Tisch, eine alte Bauernkommode und drei wacklige Holzstühle standen. Einzig das Vorhandensein eines alten, sargförmigen Kühlschranks und eines rostfleckigen Waschbeckens aus Emaille ließen erkennen, dass es sich dabei um die Küche handeln musste.
Der Farmer stellte einen schmutzigen Glaskrug mit Wasser auf den Tisch, spülte zwei Gläser ab und stellte sie daneben. Vincent kam um vor Durst! Er füllte das Glas, das vor ihm stand, leerte es in einem Zug, stellte es wieder auf den Tisch und stöhnte befriedigt auf, obwohl das Wasser einen bitteren, nussigen Nachgeschmack auf seiner Zunge hinterließ.
„Geht nichts über Quellwasser, wenn die Sonne brennt, nich wahr?“
Vincent nickte und sog die Luft in tiefen Zügen ein, wobei er den Staub, der über allem lag, förmlich in der Lunge schmecken konnte.
„Sie haben meine Frage nicht beantwortet“, sagte Vincent, wobei er sich vorkam wie der kleine Prinz von Antoine de Saint Exupéry.
„Welche Frage?“
„Ihr Ackerland. Es sieht aus, als würde es weiterhin bestellt werden. Zumindest macht es mir den Eindruck. Es wurde gepflügt, daher gehe ich davon aus, dass auch etwas ausgesät und geerntet wurde.“
„Das is richtig! Bin der Einzige, der sich hier in der Gegend halten konnte!“
Der Farmer sagte das nicht ohne einen gewissen Stolz, als würde er sich gegen verheerende Naturgewalten zur Wehr setzen.
„Was bauen Sie denn an?“
„Was ich kann“, antwortete der Farmer mit einem verschmitzten Lächeln. „Mais, Kohl, Tomaten … was Sie wolln.“
„Wie machen Sie das, wenn der Boden wirklich so tot ist, wie Sie sagen? Wenn Sie irgendein Patentrezept haben … dann raus damit!“
Der Farmer grinste, erhob sich, schlurfte zum Kühlschrank und öffnete ihn. Ein intensiver, fauliger Geruch strömte in den Raum, während der Alte etwas aus dem Kühlschrank nahm und auf den Tisch wuchtete.
„Was ist das“, entfuhr es Vincent, der angewidert aufsprang und sich eine Hand vor den Mund hielt, um sich nicht übergeben zu müssen.
„Innereien“, sagte der Farmer, als sei es das Natürlichste von der Welt, während er den summenden Kühlschrank schloss und sich wieder auf den Stuhl setzte. „Ich schlachte die verkrüppelten Frischlinge, die eh nich lang machen würdn, un verarbeite sie weiter. Hab da so meine eigene Technik entwickelt. Ein Rezept des Hauses … sozusagen.“
Er schien amüsiert zu sein über den Ekel seines Gastes. Vincent, der zur Tür zurückgewichen war, kam zögernd näher und blickte in den Metalleimer, in dem er nur vage eine in sich verschlungene Masse aus grauem Gedärm, verwesendem Fleisch und wimmelnden Maden erkennen konnte.
„Ich lass das Zeug gären, bis es reif is, dann verfütter ichs an meine Lieblinge. Dann müssen sie es nur noch verdaun, wieder ausscheidn … und das wars! Is der beste Dünger dens wo gibt!“
Der Blutgeruch war übermächtig und schien beinahe greifbar in der Luft zu schweben. Sommerwind wehte durch das offene Fenster herein und brachte für kurze Zeit Erleichterung.
Benommen hielt Vincent sich an der Tischkante fest und schwankte leicht, als er realisierte, was der Alte ihm da erzählte.
„Aber das is noch längst nich alles! Kommen Sie mit ma, mein Junge! Ich zeigs Ihnen!“
Der Farmer stand auf, hob den Eimer vom Tisch und verließ die Küche. Ungläubig wankte Vincent ihm hinterher und folgte ihm nach draußen.
Das Blöken und Kreischen im Stall war mittlerweile um ein Vielfaches lauter geworden. Offenbar konnten die Tiere es gar nicht abwarten, mit ihren eigenen Jungen gefüttert zu werden. Vincent drehte sich der Magen um. Zögernd folgte er dem Farmer in den Stall, blieb jedoch an der Tür stehen, als er das gierige Schmatzen und Schlürfen hörte, als der Alte den Eimer in den Futtertrog leerte. Die Tiere stritten sich um die gammligen Überreste, schrien und quietschten in namenloser Angst, zu kurz zu kommen. Vincent sah von der Tür aus ihre miteinander verschmelzenden Schatten, konnte jedoch nur die groben Umrisse der Tiere wahrnehmen. Der durchdringende Gestank von rohem Fleisch und frischen Fäkalien drohte ihm die Sinne zu rauben.
„Das Einzige, worauf ich am Anfang achten musste, war, dass sie sich nich gegenseitig fressen, aber … mittlerweile haben sie so was wie ne Rangordnung entwickelt. Das Recht des Stärkeren, un so … un nur die Starken haben überlebt.“
Lächelnd trat der Farmer in die Sonne und blickte über sein Ackerland. Den Eimer, von dem noch immer Rinnsale aus halb geronnenem Blut tropften, das in der Hitze der Sommersonne trocknete, stellte er neben die Stalltür.
„Noch ein paar Fütterungen und der Boden ist bereit, um nächstes Frühjahr wieder Früchte zu tragen.“
Das laute Schmatzen jenseits des Troges zog Vincent magisch an, mit jener unsäglichen und perversen Faszination, die Autofahrer dazu verleitet, ganz langsam an einer Unfallstelle vorüber zu fahren.
Hinter dem Pferch, wo der Stall sich zur Scheune hin öffnete, sah er die verrosteten Überreste einiger Kleinwagen und einen kastenförmigen Umriss, den er als Wohnmobil erkannte. Der bittere Nachgeschmack des Quellwassers schien stärker geworden zu sein und brennend heiß in seinen Adern zu pulsieren.
Fast unkontrolliert zitternd stützte Vincent sich an der eisernen Stalltür ab und spähte in den viereckigen, mit Schmutz und Kot bedeckten Pferch hinab, aus dem der Gestank und das abscheuliche Kreischen der fressenden Tiere drangen.
„Es geht nichts über Kot, wissen Sie? Aber die Art is wichtig“, setzte der Farmer seinen Vortrag fort. „Und ich hab alles probiert, das können Sie mir glauben!“
Vincent erkannte nackte, mit Schmutz verschmierte Körper, die sich in den Trog beugten und wie wild die Innereien verschlangen. Er erkannte Haare, Hände, Füße und Gesichter, entmenschlicht und stumpf, der wilden, hirnlosen Raserei ihres Hungers ausgeliefert. Fette, glänzende Bäuche und knochige, gebeugte Rücken. Aufgeblähte, an den Trog gekettete Körper, die den aufrechten Gang verlernt und sich vollkommen und unwiderruflich ihrer niedersten und rudimentärsten Wurzeln besonnen hatten.
„Aber nichts … absolut nichts …“, hörte Vincent noch, bevor ihm die Sinne schwanden und er zusammenbrach, „… geht über menschlichen Kot!“
 

brain

Mitglied
Überarbeitet und gekürzt...

So, hab ein paar Schwachstellen ausgemerzt. Ist kürzer jetzt, liest sich finde ich auch besser lesbar. Die Bücherstapel sind weg, der Handymolog und so was halt.

:))
 



 
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