Afrikanische Eifersucht

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casagrande

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Afrikanische Eifersucht

Einmal im Jahr schwärmen die Termiten. Eine unangenehme Periode von etwa zwei Wochen, in denen in der Dämmerung die Luft von fliegenden Insekten erfüllt ist. Und das so stark, dass man die Augen zusammenkneifen muss und bei Gott nicht reden darf. Es sei denn, man mag den Geschmack von diesen kleinen Krabblern. Nicht wenige der Bewohner der Hafenstadt und der im Busch lebenden Landeier fingen die Flieger, steckten sie in den Mund und zerbissen sie knackend mit Genuss. Und das unabhängig ob Schwarze oder Weiße. Für uns neu Angekommene war schon das Gehen auf diesem, von Millionen von kriechenden und flatternden Viechern bedeckten Boden ein Alptraum. Eklig dieses Geräusch von zerplatzenden Leibern wenn man drauftrat. Und auch das Gefühl, als würde man im weichen Mudd stapfen. Wir waren froh, in eines der Lokale flüchten zu können, in denen ein Generator brummend Strom für die Aircondition erzeugte und die Invasion der Termiten draußen hielt. Seit Monaten gab es keine örtliche Stromversorgung mehr, wer nicht selbst dafür sorgte musste bei Kerzenschein den Abend verbringen. Die Stadt brachte es gerade noch fertig für eine Stunde am Tag für Wasser zu liefern. Zu dieser Zeit war jedermann bemüht, alle Badewannen, Kübel und Gefäße zu füllen um den Tag zu überstehen. Und da der Zeitpunkt der Wasserlieferung unbekannt und willkürlich war, musste immer jemand zu Hause sein.
Am Abend jedenfalls war alles auf der Straße. Die, die es sich leisten konnten rannten in die Bar, der Rest in offene Trinkhallen zum sauer Vergorenen.
Wir aßen eine Kleinigkeit und tranken ein Bier, das am Anfang des Monats, bis ungefähr bis zur Mitte des Monats gefahrlos zu trinken war, Dann wurde es problematisch, da die Sache mit der Desinfektion nicht so recht klappen wolle. Entweder waren die Leitungen der Abfüllstation nicht sterilisiert oder es wurde zu viel von diesem Reinigungsmittel hineingekippt. Regelmäßig gab es in der zweiten Hälfte des Monats mit dem Bier ein Desaster, das einen für mindestens drei Tage aus dem Verkehr zog und nur mit Kohletabletten einigermaßen zu beheben war. Darum tranken die Einheimischen nur Bier aus der Produktion der ersten Hälfte eines Monats. Zumindest ging das damals , als das Produktionsdatum noch aufgedruckt wurde. Später fehlte diese Angabe und das Risiko wurde unkalkulierbar.
Wir saßen also in dem Lokal, jeder Platz war besetzt und an der Theke standen Schwarze und ein paar Weiße in Doppelreihen. Als plötzlich eine lautstarke Streiterei begann. Natürlich war nicht auszumachen um was es ging. Aber das war eigentlich egal. Hauptsache es war was los. Denn Streit bedeutete, dass die Kontrahenten das Lokal verlassen musste, ein strikt einzuhaltendes Gesetz. Der Streit musste draußen stattfinden. Und damit drängte auch schon alles ins Freie. Bier und Essen blieben stehen, man kam ja wieder. Alles hinaus, trotz Termiten und der Hitze von etwa 35°C und der Luftfeuchtigkeit von über 90%. Trotz Schweiß und schwacher Beleuchtung. Das Spektakel wurde von den Taschenlampen beleuchtet, die fast jeder dabei hatte um den Heimweg zu finden.
Es waren zwei Frauen, etwa zwanzig Jahre alt, die sofort in Kampfstellung gingen, angefeuert von der Menge. Es ist wirklich erstaunlich, aber die Frauen sind wesentlich stärker als die Männer, sie verrichten nicht nur die Hausarbeit, sonder bestellen auch die Gemüsefelder und tragen das Zeug vom und zum Markt. Lasten, die kein Mann auf seinem Kopf schleppen könnte. Es war auch nie zu sehen, dass sich ein Mann über eine verbalen Streit hinaus wagte. Sobald es zu kritisch wurde verschwanden die Kerle lieber, sie würden ansonsten, zumindest bei gleichaltrigen Frauen, den Kürzeren ziehen. Es ist sicher nicht Anstand oder Benehmen, das sie zu diesem Rückzug veranlasste.
Aber zum Kampf. Ein Zurück gab es nicht, zu viele Zuschauer. Es ging wohl offensichtlich um Eifersucht. Der Typ, um den die Damen stritten, stand verlegen lächelnd mit einigen anderen Männern in der ersten Reihe und enthielt sich jeden Kommentars. Während die Anderen johlten. Der Streit war schnell aus der Phase der schrillen Laute in die des körperlichen Kampfes gesteigert. Mit einem plötzlichen Griff hatten die beiden Streitenden sich ihre Blusen vom Körper gerissen, krallten sich aneinander und wälzten sich Sekunden später auf dem Boden. Keine Ahnung, warum sie mit nacktem Oberkörper rangen. Ein Kenner erklärte mir, zuerst in Suaheli, und, als ich seinen Dialekt nur teilweise verstand, dann in Französisch, dass die Frauen bei schweren Arbeiten immer den Oberkörper frei machten. Und Raufen sei eine schwere Arbeit. Regeln gab es keine. Die Damen bissen und stießen mit einer derart ungewöhnlichen Brutalität, dass es wirklich wunderte, warum niemand dazwischen ging. Es musste wohl eine gewisse Situation eintreten, ich konnte sie nicht erkennen, bei der eine der Frauen zu stark blessiert war. Jedenfalls beendeten nach vielleicht 15 Minuten einige Zuschauer fast gleichzeitig den Kampf und trennten die zerkratzen und blutenden Frauen.
Dass die Beiden in verschiedene Richtungen in der Dunkelheit verschwanden wunderte niemanden. Hatten sie beide verloren, oder warum bekam keine den Lohn, den Typ? Auf meine diesbezügliche Frage bekam ich als Antwort nur ein verwundertes Lachen. Anfänger!
 



 
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