Meine Eltern fuhren nie in Urlaub, es fehlte am Geld. Bevor mir allzu langweilig wurde, schaute ich im Fernsehen den Radfahrern zu. Wenn die Tour de France in die großen Ferien fiel, träumte ich mich auf eins der Begleitfahrzeuge, auf eins dieser fetten Motorräder.
Vorige Woche steuerte ein solches Tour-Moto gezielt auf unseren Wagen zu: Attention! Arrêtez-vous! Schrecksekunde, weil just sehr kommod unterwegs auf einer Straße, die sich nah an die Küste schmiegt, eine richtige Küstenstraße, eine der vielen ruhigen Straßen auf der Halbinsel Cotentin in der Normandie. Hinter dir niemand, vor dir niemand, und das minutenlang, sehr schön. Doch plötzlich in ein hiesiges, kleines, unbedeutendes Radrennen geraten.
Endlich in ein Radrennen geraten, ich wollte nichts lieber als das, ich hielt Ausschau nach einer Fahrerin, die ich von der Reiseliteratur kannte, eine ganz bestimmte Fahrerin. Genau wie der Autor Jochen Schmidt wollte ich sie von Herzen ermuntern: Allez, dickes Mädchen, allez!
So gut es ging fokussierte ich die Sportler im rasend schnell vorbeiziehenden Schwarm. Alles nur stramme Burschen, nicht der Rede wert – Allez, stramme Burschen, allez! - das klingt nicht gut, wir sagten nichts. Etwas später die betagte Dame auf ihrem Einkaufsrad, wir waren begeistert, wir riefen: „Allez, altes Mädchen, allez!“ Bestimmt kam sie vom Markt zurück, vom Wochenmarkt in Saint-Pierre-Église, ein vollkommen unaufgeregtes Städtchen.
Ich selbst hatte dort Käse gekauft, einen Weichkäse aus der Region. Bei einer vollkommen unaufgeregten Käseverkäuferin. Sie unterhielt sich mit dem Kunden vor mir, er hatte längst bezahlt, aber es gab noch irgendwelche Dinge zu besprechen. Es dauerte, ich fühlte mich unsichtbar, ich rief: Allez, Käsemädchen, allez!
Ach was, natürlich rief ich diesmal nichts, ich trat ein paar Schritte nach links zum Nachbarstand. So verlor ich meinen Platz beim Camembert, drei fröhliche Französinnen mit Kleidern in Bonbonfarben hatten meinen klitzekleinen Ausflug zu den Konfitüren ausgenutzt. Immerhin mussten sie genau wie ich warten, bis sich das Käsemädchen endlich von dem gutaussehenden Kunden gelöst hatte. Ein Typ wie ein Filmschauspieler. Sogar im Weggehen rief er noch was hinterher: „Bisous! Bisous!“
Die Bonbon-Französinnen prüften den Reifegrad verschiedener Camembert, eine Wissenschaft für sich, es dauerte geraume Zeit, bis ich endlich dran kam, bis ich etwas murmelte, für das ich für einen Holländer gehalten wurde. Ja, das war mir nicht genehm, (im Nachhinein spüre ich den Unsinn dieses Gefühls.)
Bis ich selbst eingeladen war, an den Camemberts herumzudrücken. Schließlich kann man von dem Weichheitsgrad eines Camemberts den Grad des Aromas ableiten. Sehr weiche schmecken sehr streng, wenn ich das richtig verstanden habe. Ich wählte einen mittelweichen Camembert, und mittelweiche Matratzen liebe ich auch am meisten. Womöglich liebe ich überhaupt das mittelweiche Leben, wie ich auch mittelweiche Frauen bevorzuge.
Später tranken wir noch einen Café Crème mit Blick auf den Markt. Neben uns der Filmschauspieler, der Küsschen an Käsemädchen verteilt. Er trank Rotwein, er rauchte selbstgedrehte Zigaretten, es war noch früh am Tag. Ich verzweifelte, weil ich nicht auf seinen Namen kam, und nicht auf den Titel des Films, in dem ich ihn spielen sah. Vermutlich eine mittelheitere Sommerkomödie, ich schaue am Liebsten mittelheitere Filme aus Frankreich. Ich rauchte ebenfalls und schrieb eine kleine Notiz in mein iPhone:
Allez, mittelweiches Leben, allez!
Vorige Woche steuerte ein solches Tour-Moto gezielt auf unseren Wagen zu: Attention! Arrêtez-vous! Schrecksekunde, weil just sehr kommod unterwegs auf einer Straße, die sich nah an die Küste schmiegt, eine richtige Küstenstraße, eine der vielen ruhigen Straßen auf der Halbinsel Cotentin in der Normandie. Hinter dir niemand, vor dir niemand, und das minutenlang, sehr schön. Doch plötzlich in ein hiesiges, kleines, unbedeutendes Radrennen geraten.
Endlich in ein Radrennen geraten, ich wollte nichts lieber als das, ich hielt Ausschau nach einer Fahrerin, die ich von der Reiseliteratur kannte, eine ganz bestimmte Fahrerin. Genau wie der Autor Jochen Schmidt wollte ich sie von Herzen ermuntern: Allez, dickes Mädchen, allez!
So gut es ging fokussierte ich die Sportler im rasend schnell vorbeiziehenden Schwarm. Alles nur stramme Burschen, nicht der Rede wert – Allez, stramme Burschen, allez! - das klingt nicht gut, wir sagten nichts. Etwas später die betagte Dame auf ihrem Einkaufsrad, wir waren begeistert, wir riefen: „Allez, altes Mädchen, allez!“ Bestimmt kam sie vom Markt zurück, vom Wochenmarkt in Saint-Pierre-Église, ein vollkommen unaufgeregtes Städtchen.
Ich selbst hatte dort Käse gekauft, einen Weichkäse aus der Region. Bei einer vollkommen unaufgeregten Käseverkäuferin. Sie unterhielt sich mit dem Kunden vor mir, er hatte längst bezahlt, aber es gab noch irgendwelche Dinge zu besprechen. Es dauerte, ich fühlte mich unsichtbar, ich rief: Allez, Käsemädchen, allez!
Ach was, natürlich rief ich diesmal nichts, ich trat ein paar Schritte nach links zum Nachbarstand. So verlor ich meinen Platz beim Camembert, drei fröhliche Französinnen mit Kleidern in Bonbonfarben hatten meinen klitzekleinen Ausflug zu den Konfitüren ausgenutzt. Immerhin mussten sie genau wie ich warten, bis sich das Käsemädchen endlich von dem gutaussehenden Kunden gelöst hatte. Ein Typ wie ein Filmschauspieler. Sogar im Weggehen rief er noch was hinterher: „Bisous! Bisous!“
Die Bonbon-Französinnen prüften den Reifegrad verschiedener Camembert, eine Wissenschaft für sich, es dauerte geraume Zeit, bis ich endlich dran kam, bis ich etwas murmelte, für das ich für einen Holländer gehalten wurde. Ja, das war mir nicht genehm, (im Nachhinein spüre ich den Unsinn dieses Gefühls.)
Bis ich selbst eingeladen war, an den Camemberts herumzudrücken. Schließlich kann man von dem Weichheitsgrad eines Camemberts den Grad des Aromas ableiten. Sehr weiche schmecken sehr streng, wenn ich das richtig verstanden habe. Ich wählte einen mittelweichen Camembert, und mittelweiche Matratzen liebe ich auch am meisten. Womöglich liebe ich überhaupt das mittelweiche Leben, wie ich auch mittelweiche Frauen bevorzuge.
Später tranken wir noch einen Café Crème mit Blick auf den Markt. Neben uns der Filmschauspieler, der Küsschen an Käsemädchen verteilt. Er trank Rotwein, er rauchte selbstgedrehte Zigaretten, es war noch früh am Tag. Ich verzweifelte, weil ich nicht auf seinen Namen kam, und nicht auf den Titel des Films, in dem ich ihn spielen sah. Vermutlich eine mittelheitere Sommerkomödie, ich schaue am Liebsten mittelheitere Filme aus Frankreich. Ich rauchte ebenfalls und schrieb eine kleine Notiz in mein iPhone:
Allez, mittelweiches Leben, allez!
