Guten Tag, Ihr Lieben!
Zuerst: Ich habe nichts gegen kräftige Kritik, da hatte Sanne/Stoffel recht. Schließlich muß man als Schreiberling froh sein, wenn sich überhaupt jemand die Zeit für einen kleinen Beitrag nimmt. Und nachdem ich gelegentlich ebenso offen meine Ansichten zu einem Beitrag kundtue, kann ich jetzt schwer die beleidigte Leberwurst spielen, nur weil mir jemand sagt, daß ihm/ihr mein Gedicht gegen den Strich geht.
Zum Zweiten: Man kann in der Tat Deinem Vorschlag folgen, liebe Sanne, und die umgreifenden Verse als vierhebig auszuprägen. Das habe ich bewußt nicht getan. Letztlich gewinnt Deine Form zwar etwas an Geschwindigkeit, das war es dann aber auch schon. Ich wollte den getragenen Rhythmus, und er paßt auch zum Thema.
Im Übrigen zeigt mein Sprachgefühl an, daß der letzte Vers der ersten Strophe jedenfalls ohne das "Und" kommen sollte.
Die "Krähen"-Metapher: Das Bild ist so alt wie die deutsche Dichtung. Es spielt auf den Tod als dauernden Begleiter an. Im Herbst und frühen Winter sind es die dunklen Vögel, die Rabenkrähen, die die Landschaft, besonders die abgeernteten Felder, bevölkern. Und sie steigen in der Tat auf, wenn der Schneesturm kommt. Daher paßt das Ganze wie die Faust aufs Auge. Man möge mir diesen kleinen bildungsbürgerlichen Ausflug verzeihen.
Des Weiteren: Das Wort "Divergenz", OK, da lasse ich den Ärger ein Stückweit gelten, aber eben nur ein Stückweit. Letztlich doppelt dieses deutsche Wort lateinischen Ursprungs genau diesen Unterschied zwischen warmen Raum und Schneegestöber und das auch noch in einer sehr melodiösen Weise: Erst das grelle "i", dann das harte "er" und dann am Ende das weiche "e", eigentlich wortmelodisch perfekt passend, eher aber eine zufällige Ausbeute.
Auch wieder ein bildungsbürgerlicher Schlenker: Der da dichtet, muß seine Sprache schon kennen, und das hat nichts mit der Ausbildung zu tun, das kann man sich "erlesen". Ich weiß, daß ich mal wieder ein schreckliches und arrogantes Ekelpaket bin ... Aber ein souveräner Umgang mit den Vielfalt unserer Sprache darf nicht dadurch bestraft werden, indem man auf den Duden verweist.
Nun zum krachendsten Kritikpunkt: Reimen, um des Reimes Willen. Dieses Schlagetodargument lasse ich für meine Gedichte nicht gelten. Keines, das in der Lupe steht, ist reine l'art pour l'art oder "Fingerübung".
(Und selbst wenn: Dann gälte es, selbst einmal den Beweis anzutreten, daß man die Sprache als Handwerkszeug des Lyrikers wirklich sattelfest beherrschte.
Ich münze diesen vorstehenden Satz jetzt bewußt nicht auf Deine Einträge, liebe Sanne, sondern lasse ihn einfach einmal so im Raum stehen; für Anwesende gilt, da sie sonst beleidigt sein oder sich persönlich angegriffen fühlen könnten, eine solche Replik ebensowenig wie für alle, die diese Antwort lesen oder später als Disputanten hinzuukommen sollten. Diese Globalexkulpierung muß schon deshalb sein, weil ich nachher nicht zur persona non grata in der Lupe erklärt werden möchte!
Man hätte den Satz also auch lassen können, aber bevor ich einen Kropf bekomme, habe ich ihn dann doch gesagt.)
Ich habe an anderer Stelle einmal in 10 Thesen sehr ausführlich dargelegt, wie ich den Zustand der heutigen deutschen Lyrik sehe. Mehr dazu in der nächsten Nummer der Asphaltspuren, kommt jetzt heraus, mehr unter
http://www.asphaltspuren.de, oder ab 15.12.2005 unter
http://www.gedankenlieder.de unter Walther' Specials - Rubrik Artikel. Dann sind die ASP06 draußen, und ich kann den Beitrag veröffentlichen. Da kann man auch nachlesen, wie ich Lyrik für mich "bewerte" und warum Gefallen alleine noch kein Gütesiegel für ein "gutes" Gedicht ist.
Nix für ungut, sei Dir noch zugerufen: Aber Du warst ja auch nicht zartbesaitet.
Nun zu Dir, lieber Prosaiker! Da danke ich natürlich für Deinen guten Zuspruch. Den hat jeder nötig, der sich dichtend betätigt und der armen Mitwelt mit seinem mehr oder minder qualifizierten Sermon gelegentlich die Zeit stiehlt (und auf den Senkel geht, wie oben bei Sanne geschehen). Aber auch die anderen alle, die sich redlich mühen und sich fragen, warum denn nur niemand sich einmal zustimmend zu ihren mit Herzblut gefertigten Dichtwerken äußert.
Lieben Abendgruß entbietet
W.,
sich für diese und alle anderen Entgleisungen entschuldigend, falls jemand betroffen und verletzt sein sollte