Anfang

Hanna Stern

Mitglied
Schon eigenartig... ganz früh am Morgen kommen mir die besten Ideen. Solche, von denen ich sonst nur träumen kann.
Ich sitze im Bus auf dem Weg zur Arbeit, blicke aus dem Fenster hinein in das Dunkel der noch nicht ganz vergangenen Nacht. Im Grunde sehe ich nichts besonderes. Ich sehe mich. Ich sehe die Sitzreihen neben und vor mir und dazwischen ein paar Leute. Sonst nichts. Ich sehe eine Spiegelung, als wäre ich draussen in der Kälte und nicht hier im Warmen. Die Heizung verströmt trockene Luft und ein bisschen wünsche ich mich sogar in diese Kälte und in dieses Dunkel hinaus.

Ich habe nie etwas zu schreiben dabei. Und dann kommen mir die Ideen. Gute Ideen. Großartige Ideen. Ideen, die ich noch nie zuvor hatte. Gedanken, die ich zum ersten Mal denke.
Ich denke sie. Ich denke sie zu Ende, denke immer weiter und sogar noch über das vermeintliche Ende hinaus. Ich schwebe darin, fühle mich wohl, bin stolz auf mich.
Alles was fehlt ist sind ein Stift und ein Blatt Papier auf dem man alles festhalten könnte. Die Großartigen Gedanken, die tollen Ideen.

Was ich mich oft frage: Wie findet man den Anfang einer Geschichte? Der Anfang ist das Entscheidende. Der Anfang muss gut sein. Sehr gut. Ich wage zu behaupten, ein schlechter Anfang bedeutet ab da schon das Ende.
Ich finde ihn nie.
Ich beginne irgendwo in der Mitte. Manchmal auch schon am Ende.
Ein Glückspilz, wem sich dieses Geheimnis offenbart!
Ich bin es nicht.

Aller Anfang ist schwer, heißt da ein Sprichwort.
Auch mein Anfang ist schwer – jeden Tag aufs Neue.
Mein Anfang ist Routine.
Aufstehen
Waschen
Anziehen
Losmarschieren
Einsteigen
Träumen

Die Realität beginnt mit dem Aufsetzen des Fußes auf dem Boden der Tatsachen – meistens erst in der Arbeit.
Der Weg dahin ist reine Phantasie.
Etwas, das ich nicht festhalten kann, das aber immer wiederkehrt.
Es besucht mich jeden Tag aufs Neue.

Heute morgen wurde ich mit einer Entscheidung konfrontiert. Kurz nach dem Aufstehen ist so etwas das schlimmste, das einem passieren kann.
Soll ich mein Leben ändern und noch einmal ganz von vorne beginnen? Zurück zum Anfang, sozusagen.
Würde ich es wagen und selbst in den schwierigen Zeiten nicht daran zweifeln?
Würde ich alles für eine Liebe aufgeben, die ich nicht kenne, von der ich aber weiß das es sie gibt?

Ich habe festgestellt das ich zu schwach für so etwas bin.
Habe festgestellt das ich nicht kämpfen kann.
Im Traum lohnt es sich mehr zu kämpfen...
das ist falsch, ich weiß.
Routine kann bequem sein. Routine nimmt die Angst vor dem was kommen könnte wenn man dieses und jenes versuchen würde...
Man versucht es ja doch nicht.
Man lässt es.
Man schweigt mich sich selbst.

Die Gedanken berühren dich nicht mehr oder nur in einer Weise in der sich nicht schaden können.
Man lässt sie vorbeiziehen wie ein Schwarm junger Vögel auf ihrer ersten großen Reise.

Anfang.
Zurück zum Anfang.
Nochmal.
Von Vorne.
Und Angst haben vor dem Ende.
 



 
Oben Unten