Angst

Yossarian

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Dies ist die schockierende Geschichte des Edmund Filtzer.
Schon seit seiner Kindheit hatte er viele Ängste.
Natürlich mit Recht, denn heutzutage kann man an schrecklichen Dingen wie Krebs, Aids oder BSE erkranken, man kann sogar an einer simplen Blindarmentzündung sterben.
Terroristen und Jungendgangs belagern unsere Städte, Autos und Straßenbahnen sind zu jeder Tageszeit eine ernstzunehmende Gefahr.
Selbst Mikrowellen, Küchenmesser oder Waschmaschinen sind längst als akute Bedrohungen anerkannt.
Um all dem vorzubeugen, traf Edmund Filtzer allerlei verständliche Vorsichtsmaßnahmen. Er rührte beispielsweise nie eine Zigarette an, oder trank Alkohol und ernährte sich ausschließlich von frischen Gemüse und Obst.
Auch hat man ihn nie mit einer Frau gesehen.
Überhaupt haben nur wenige per Arztattest als vollkommen gesund eingestufte Menschen Edmund Filtzer je zu Gesicht bekommen. Er arbeitete und lebte in einem sterilen, fensterlosen Raum, frei von jeglichen Staub, mutmaßlich bakeritenverseuchten Möbeln und Waschmaschinen.
Er war tatsächlich so klinisch sauber und unberührt von weltlichen Unrat, dass er sich im Grunde nie waschen brauchte.
Obwohl er eigentlich kaum noch etwas zu befürchten hatte, war sein Raum von Wachposten umstellt und stündlich schaute ein unbekleideter, zuvor desinfizierter Arzt nach seinem Befinden.
Lange Zeit hatten seine Vorsichtsmaßnahmen Erfolg und es schien, als könne er ewig leben, doch trotz des weichen Bettes, der schon im Kindesalter abgeschlossenen Rentenversicherung und den Vitamintabletten, plagten Edmund Filtzer große Sorgen über mögliche Rückenschmerzen, eine abgesicherte Zukunft und seinem Kreislauf.
Doch wie sich herausstellen sollte, erwartete ihn weit schlimmeres. Sein körperliches Abwehrsystem erkannte nämlich irgendwann, dass Edmund Filtzer sehr gut allein auf sich aufpassen konnte und verließ ihn in eines Nachts gelangweilt.
Nun wäre das nicht weiter schlimm gewesen, schließlich hatte sich das Abwehrsystem nicht ohne Grund verabschiedet. Doch schon am nächsten Morgen reichten allein die Salatblätter, damit es ihm schrecklich Elend ging.
Er verkannte in seiner Panik den wahren Grund seiner Erkrankung und aß keinen Salat mehr, Tomaten, Kartoffel, Äpfel und Erdbeeren sollten bald folgen.
Schließlich nahm er lediglich laborgeprüfte Flüssignahrung zu sich. Als auch dies nicht helfen wollte und er zunehmend schwächer wurde, einmal sogar zusammenbrach, bewegte er sich kaum noch um auch dieser Gefahr vorzubeugen.
Seine Schmerzen aber blieben bestehen und so gab es keine andere Möglichkeit als von nun an in einer winzigen Kapsel zu leben, in welcher durchgehend die Luft gewechselt wurde und man ihm Nahrung durch Schläuche zugeführte.
Ferner wurde seine Kapsel rund um die Uhr mit diversen Messgeräten geprüft und drei Ärzte betreuten ihn durchgehend.
Zwar wurde er weiterhin von Ängsten geplagt, doch seine Schmerzen verschwanden.
Heute ist Edmund Filtzer Tod.
Er starb als ein Flugzeug ausgerechnet über seiner Kapsel abstürzte, er hatte keine Chance zu entkommen.
Wir alle gedenken seiner Asche.
 



 
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