Atmosphärisches aus Peking

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Hieronymus

Mitglied
In Peking nach Medaillenglanz zu jagen
sind Hochtrainierte ab sofort gezwungen.
Da dringt viel Gift in edle Sportlerlungen,
doch ließ der Smog sich leider nicht vertagen.

Nicht nur vom Wettkampf wäre zu berichten;
die Obrigkeit wird damit spielend fertig.
Auf Pressefreiheit lässt sich leicht verzichten,
ist die Kontrolle erst allgegenwärtig.

Hätt‘ man das nicht im Voraus wissen können?
Man wollte den Chinesen auch was gönnen!
Wohin auch immer das Geschehen driftet,
die Atmosphäre ist und bleibt vergiftet.
 

MarenS

Mitglied
Klasse! Einzig und allein das etwas saloppe "was gönnen" stört mich.
Ansonsten: Thematik aktuell und gut umgesetzt findet

Maren
 
P

Peter Waldnacht

Gast
Ja, das "gönnen" stört mich neben der Klischeehaftigkeit auch.
Das wird ja jetzt alles überall so verbreitet. Stimmt. Und stimmt auch wieder nicht so.
Gönnen, hum, wenn das mal kein Chinese liest.

Eher früher als später werden es die Chinesen sein, die irgendjemandem etwas gönnen.
Das sind 1,4 Milliarden Menschen. Das sind nur 1,4 Milliarden Menschen.
Weil sie sich extrem am Riemen reißen.
Sie tun uns (der Welt) damit einen Gefallen.
Das hat anscheinend bisher aber noch keiner wirklich realisiert, zumindest wird über die extreme Disziplin, die da am Werke ist, lieber geschwiegen.

Peking ist tatsächlich unaushaltbar im August, da kann kein Mensch frei atmen.
Darüber, dass zur Smogvermeidung der gesamte Haupt-Verkehr verboten wird (und verboten werden kann), wird auch eher geschwiegen. Und auch, warum da so viel smog ist, wird nur indirekt erwähnt.
Nur wenn man seine Maus umdreht, beginnt man es zu ahnen.
 

MarenS

Mitglied
Hmpf, als klischeehaft habe ich dieses Gedicht nicht empfunden aber vielleicht denke ich mir auch sebst viel bei dem Thema.
Vieles was nur angetippt ist kann man weiter denken und weiter hinterfragen, meine ich.

Grüße von Maren
 

JoteS

Foren-Redakteur
Teammitglied
Hallo PW

Stimmt: Wenn ich meine Maus umdrehe, so steht da: IN CHINA IST DER WURM DRIN (Made in China) :D

J.
 

strolch

Mitglied
ja genau, man wußte vieles vorher - aber da war viel profit zu machen, auch deutsche firmen haben viel verdient dort, so lange wurde nichts hinterfragt, von der politik, die auch da schon so war.

ja und über mein freund busch rede ich erst gar nicht, dieser mensch soll blos die klappe halten - menschenrechte, hat ihm und der usa - noch nie etwas bedeutet.. aber wie heißt es? "wenn zwei das gleiche tun, ist dies noch nicht das selbe."

lg brigitte
 

mitis

Mitglied
die erste strophe finde ich noch ganz gut, weil ich es auch ziemlich krank finde, dass abgerichtete sport-roboter irgendwohin geschickt werden, um dort unter - egal welchen bedingungen - höchstleistungen zu erbringen.
dass das gedicht dann von den sportlern zur pressefreiheit oder nicht kippt, ist mir für die drei strophen zu viel. es sieht ja so aus, als gäbe es bei uns die riesen-pressefreiheit.
dass man den chinesen etwas gönnen wollte, sehe ich auch nicht unbedingt so, denn rund um den sport machen ein paar konzerne riesen-geschäfte.
fazit: das thema des gedichtes widerspiegelt m.E. unhinterfragt in gereimter form die alltägliche berichterstattung. einen neuen gedanken sehe ich nicht unbedingt darin.
lg mitis
 

Hieronymus

Mitglied
Hallo an alle,

vielen Dank für Eure Reaktionen.
Die Kritiker haben Recht: Das Gedicht ist als Spontanreaktion auf die Berichterstattung des "Mittagsechos" aus Peking entstanden. In seiner Kürze und schnellen Entstehung kann es dem komplexen Thema nicht gerecht werden.
Ich bitte aber, eine ironische Lesart des Verbs "gönnen" in Betracht zu ziehen.
Mir kam es hauptsächlich auf die doppelte Bedeutung der "vergifteten Atmosphäre" an.

Viele Grüße
Hieronymus
 

strolch

Mitglied
ich glaube nicht das man leistungssportler zwingt, zwingen kann. wer da hinfährt, will gewinnen bzw.eine gute leistung bringen, für sich, nicht mal so sehr für das land. - da nach winkt dann vielleicht, dass große geld, da kommt es drauf an, ob die sportart medienwirksam ist

lg brigitte
 

JoteS

Foren-Redakteur
Teammitglied
Hallo Hieronimus

Es ist und bleibt ein gutes Gedicht. Natürlich kann man in dieser Kürze nicht differenziert über ein komplexes Thema schreibem. Muss man auch gar nicht.

Wenn man das müsste, könnte über viele Themen nur in epischer Breite geschrieben werden. Einen kleinen Ausschnitt hast Du sauber auf den Punkt gebracht - das genügt.

LG

Jürgen
 

Hieronymus

Mitglied
Hallo strolch,

das Wort "gezwungen" ist in diesem Gedicht etwa so zu verstehen, wie mancher Angestellte "gezwungen" ist, in einem lauten Großraumbüro zu arbeiten, obwohl er ja kündigen könnte.
So können sich wahrscheinlich die wenigsten Sportler den Karriereknick leisten, den ein willentliches Fernbleiben von den olympischen Spielen mit sich bringen würde.

LG Hieronymus
 

Hieronymus

Mitglied
Hallo Jürgen,

vielen Dank für Deine argumentative Unterstützung (und die Punkte :) ).
Ich finde auch, dass man ein Gedicht nicht wie einen politischen Essay lesen sollte.

LG Hieronymus
 

MarenS

Mitglied
Mich stört eigentlich eher das "WAS gönnen" aber es bringt mich nicht um.
Deine Intension ist gut zu erkennen und die Vergiftung offensichtlich.

Grüße von Maren
 

Sta.tor

Foren-Redakteur
Es war für mich nach der Lektüre ganz klar, worauf du hinaus wolltest und das ist dir auch sehr gut gelungen. Das wechselnde Reimschema sorgt nebenbei für anspruchsvollen Lesegenuss.
Atmosphärenvergifter gibt es allerdings überall.

VG Thomas
 

Hieronymus

Mitglied
In Peking nach Medaillenglanz zu jagen
sind Hochtrainierte ab sofort gezwungen.
Da dringt viel Gift in edle Sportlerlungen,
doch ließ der Smog sich leider nicht vertagen.

Nicht nur vom Wettkampf wäre zu berichten;
die Obrigkeit wird damit spielend fertig.
Auf Pressefreiheit lässt sich leicht verzichten,
ist die Kontrolle erst allgegenwärtig.

Hätt‘ man das nicht im Voraus wissen können?
Man wollte den Chinesen etwas gönnen!
Wohin auch immer das Geschehen driftet,
die Atmosphäre ist und bleibt vergiftet.
 

Hieronymus

Mitglied
@Maren:
Ich habe nun das "was" durch "etwas" ersetzt und zudem die Wiederholung des "auch" vermieden. Ist das ungefähr in Deinem Sinne?

@Sta.tor:
Vielen Dank für Deinen Kommentar, der auch auf die Form eingeht. Der metaphorische Zusammenhang zwischen Luftverpestung und Zensur gibt vielleicht zu der Überlegung Anlass, ob da sonst noch ein Zusammenhang besteht.

LG Hieronymus
 



 
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