Auch zum Selbstmord...

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Florence

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Auch zum Selbstmord braucht man Ruhe

Zum dritten Mal schon legte Johanna die Tabletten, die ihr hinüberhelfen sollten - in eine bessere Zukunft, in Reih und Glied vor sich auf den Tisch.
Sie glättete das perfekt gebügelte Tischtuch und begann Stirn runzelnd erneut laut zu zählen.
Diese einseitige Art der Unterhaltung hatte sie sich in den letzten Jahren angewöhnt; sie hörte sonst ihre Stimme oft tagelang nicht. Die wenigen Möglichkeiten zum Austausch einiger belangloser Bemerkungen beschränkten sich auf kurze Begegnungen mit zwei oder drei Nachbarn und einem Besuch bei Frau Hötger, einer Bekannten im Nebenhaus.
Als Höhepunkte betrachtete sie die Gelegenheiten, bei denen ihr die 10-jährige Jenny Würz bei ihren Einkäufen behilflich war.
Mit ihrem direkten Nachbarn, einem alten Herrn, war der Kontakt so ziemlich eingeschlafen.
Wenn sie bei ihm klingelte, dauerte es so lange, bis er zur Tür kam, dass sie nicht mehr stehen konnte und zurück in ihre Wohnung musste.
"Gerade mal 65 und schon ein Wrack" seufzte sie.
Rheuma, Asthma und vieles mehr hatten Spuren an ihrem schmächtigen Körper hinterlassen.
Die Krankheiten und ebenso die Medikamente.
"Andere Frauen" sinnierte sie weiter, "werden von ihren Männern und Kindern geschädigt. Ich brauche dazu gar keinen anderen; mache ich ganz alleine."
Sie zählte weiter und kam auf insgesamt 14 Tabletten.
"6 Diazeparm, 5..."
"Das sollte reichen".
Sie rieb sich die Knie und stemmte sich vom Stuhl hoch, um nun doch die Balkontür zu schließen.
Der Lärm aus der unteren Wohnung war heute besonders heftig. Und das einzige jüngere Paar in dem alten Haus wohnte direkt über ihr und ließ sie diese Tatsache kaum mal vergessen.
"Wie soll man sich auf so etwas Elementares konzentrieren wie seinen eigenen Tod, wenn ein Banause wie Würz da unten mit seinem kleinen Mädchen schreit und die da oben sich die Seele aus dem Leib ..."
Das letzte, das schlimme Wort sprach sie nicht aus.
Ihre Mutter hatte sie so erzogen, dass sie nicht einmal Männerunterhosen neben ihr Nachthemd auf die Leine gehängt hätte.
Noch einmal kontrollierte Johanna die Räume ihrer kleinen blitzsauberen Wohnung, bevor sie sich auf ihre letzte Reise machte.
"Küche? Alles abgewaschen. Herd ist sauber. Die Backröhre? Auch in Ordnung!"
Sie ging ins Bad und prüfte die Toilettenschüssel. Sogar den Wasserstein hatte sie am Vorabend noch entfernt und auch ihre gesamte Wäsche gewaschen, um sie am Morgen bügeln zu können.
"Man will sich ja nichts nachsagen lassen" ächzte sie, als sie sich bückte, um den Wäschekorb auszuwischen.
Dann legte sie ihr bestes Kleid heraus und ihre neue Garnitur Unterwäsche; champagnerfarben mit Spitze.
"Man soll sich ja einmachen. Peinlich, aber nicht zu ändern."
Sie ließ ihren Blick durch das Schlafzimmer mit dem schmalen Bett schweifen, das sie frisch bezogen hatte.
"Nein, ich mache es doch auf der Couch. Die taugt sowieso nicht mehr viel und um die neue Matratze wäre es schade."
Ordentlich breitete sie eine Wolldecke auf der Couch aus.
Dann ging sie langsam zur Wohnungstür und entriegelte sie, damit die Feuerwehr sie nicht eintreten musste. Frau Hötger hatte einen Wohnungsschlüssel. Aber wie sollte sie das mitteilen? Sie schüttelte den Kopf.
"Soll nicht mein Problem sein."
Das Überleben bis hierher war ihr schwer genug gefallen. Der tägliche mühsame Kampf um die Kleinigkeiten, die sich vor ihr aufgebaut hatten wie unbezwingbare Berge.
Johanna atmete tief durch. Bald wäre es ja vorbei.
Dann fiel ihr ein, dass ja Jenny sie vielleicht finden würde, wenn sie in einigen Tagen vorbei käme. Das durfte natürlich nicht sein.
"Wenn ich heute einen Brief an Frau Hötger schreibe, bekommt sie ihn übermorgen; dann kann sie ja die Feuerwehr benachrichtigen.
Ja - so mache ich es!"
Entschlossen schrieb sie ein paar Zeilen an ihre alte Bekannte, verschloss und frankierte den Umschlag und legte ihn neben ihre kleinen Freunde, die Tabletten.
"Muss ich also doch noch mal raus."
Unruhig lauschte sie auf die Geräusche, die von unten zu ihr herauf drangen.
Was machte der Kerl da unten bloß? So laut war es bisher noch nie gewesen.
Sie wusste, dass er das Kind schlug. Nicht zu fest, gerade so, dass das Jugendamt und die Schule nichts Auffälliges feststellen konnten. Und die Kleine? Die war seit dem Tod der Mutter vor einem Jahr immer stiller und schmaler geworden.
Johanna wusste, dass die sehr viel ältere Schwester der Mutter Jenny zu sich nehmen würde, aber das Jugendamt hatte in Person der Fürsorgerin die Achseln gezuckt und so waren ihr die Hände gebunden.
Sie hatte auch für einen kranken Mann zu sorgen und wäre vielleicht gar nicht so begeistert über Familienzuwachs.
Aber jedenfalls würde sie das tun, was sie ihre Christenpflicht nannte, hatte sie ihr - Johanna - einmal anvertraut, als sie sich über Jennys Zukunft unterhalten hatten.
Na ja - erst mal musste der Brief weg.
Sie zog ihren Mantel über und nahm vorsichtig die 4 Treppen mit den hohen ausgetretenen Stufen in Angriff. Vor der Wohnungstür der Familie Würz machte sie kurz Halt und lauschte.
Jenny weinte bitterlich; ihr Vater lallte vor sich hin.
Johanna konnte nicht alles verstehen, aber sie hörte, dass er wieder vorhatte, den Wirt zwei Straßen weiter ein Stück reicher zu machen, aber für Jennys Klassenreise kein Geld da war.
Das hieß, er würde in Kürze die Wohnung verlassen.
Sie hatte genug gehört.
Ganz kurz zögerte sie und ging dann zurück nach oben in ihre Wohnung, legte den Brief auf den Tisch und brühte sich eine letzte Tasse Kaffee.
"Wieder Abwasch - aber so kann ich nicht gehen" murmelte sie.
Ein Gedanke war ihr gekommen. Ein Gedanke, der sie nicht wieder los ließ.
"Warum nicht jemanden mitnehmen?" fragte sie sich.
Jemanden, der kein Recht hat, noch mehr Schaden anzurichten.
Jemanden wie den Würz von unten!
Der Gedanke war geboren und musste begutachtet werden.
"Wie soll ich das anstellen" fragte sie sich, während sie in ihrer Tasse rührte und die Tabletten in immer neue Muster legt.
Endlich - sie hörte gerade die Wohnungstür unten ins Schloss fallen - nahm ihr Plan Form an.
Sie humpelte so schnell sie konnte auf den Balkon und rief Jenny, die das Haus gerade verlassen hatte, hinterher.
"Jenny, komm doch bitte mal rauf zu mir. Sei so gut, ja?"
Gutwillig und freundlich, wie es die Art des zierlichen blonden Mädchens war, kam Jenny ihrem Wunsch nach und bald darauf saßen beide am Küchentisch.
Johanna hatte es gerade noch geschafft, eine Zeitung über ihre Tabletten zu werfen und bemühte sich nun, das Kind für einige Zeit aus dem Haus zu schaffen.
"Schätzchen, ich hole doch immer für Frau Hötger ihre Medikamente aus der Apotheke, schaffe das aber heute nicht mehr. Wärst Du wohl so nett...?"
"Sicher, ich flitze gleich los. Soll ich sie bei ihr vorbeibringen?"
"Nein, gib sie nachher ruhig mir. Und - hier sind zwei Euro extra. Geh einen Hamburger essen; den magst Du doch so gern. Und - Du musst Dich nicht beeilen."
Jennys Augen leuchteten auf. Und ob sie Hamburger mochte!
Sie sprang die Treppen hinunter und Johanna machte sich ans Werk.
"So, das Kind ist für eine halbe Stunde aus dem Weg."
Eilig kramte sie in der Speisekammer. Endlich fand sie das Objekt ihrer Begierde.
Eine Flasche Magenbitter, den ihr Frau Hötger irgendwann mal mit den Worten geschenkt hatte "Ihr Untermann badet darin; seine Lieblingsmarke. Vielleicht helfen die 1000 Kräuter ja wirklich."
Sie sollten Johanna jetzt helfen.
Sie blickte auf den unteren Balkon und sah, dass Jennys Vater gerade seine Schuhe polierte. Auf solche Dinge legte er Wert. Seine Tochter durfte keine blauen Flecken aufweisen und seine Schuhe keine stumpfen schmutzigen Stellen. Er trug schon sein Sakko für "draußen", würde also bald das Haus verlassen.
Es war schon dämmerig, was trotz der relativen Trunkenheit des Mannes Johanna sehr Recht war.
Sie humpelte zur Tür und die zwei Treppen hinab bis zur Wohnungstür.
"Gut, dass die Hausbeleuchtung kaputt ist" murmelte sie, als sie die Flasche auf die zweite Stufe der Treppe stellte, die nach unten führte.
"Vielleicht denkt er ja, ein Saufkumpan will sich einen Spaß erlauben. Auf jeden Fall wird er neugierig werden. Und jetzt halt bloß die Klappe, Johanna" schimpfte sie.
Durch den unteren Türspalt sah sie, dass Licht im Korridor brannte; sie würde ihn also gut sehen können.
Sie klingelte und presste sich in die Nische neben der Wohnungstür. Ihr Herz klopfte. Hastig griff sie in ihre Blusentasche nach ihrem Asthmaspray. Panik sprang sie an, als sie bemerkte, dass sie es oben vergessen hatte, aber sie zwang sich, tief durchzuatmen.
Als Würz die Tür ungestüm aufriss, zuckte sie zusammen. Licht fiel auf den Treppenabsatz und beleuchtete die verlockende Flasche.
Neugierig torkelte er zur Treppe, bückte sich tief und griff danach.
J e t z t - dachte Johanna, kniff die Augen zu, fasste Mut, ging in die Knie und kroch hinter ihn.
Sein breites Gesäß, über dem sich die Hose spannte, ragte über ihr auf.
Sie stieß mit dem Kopf zu!
Zuerst schwankte er nur. Entsetzt dachte sie, er würde sich fangen und rückwärts auf sie fallen.
Aber dann stürzte er doch nach vorne. Die Flasche hielt er umklammert. Er überschlug sich; sie hörte ein unangenehmes Knacken, dann Stille, kurz unterbrochen von einem leisen Wimmern.
Schnell - ja wirklich schnell - erhob sie sich, zog seine Wohnungstür ins Schloss und eilte nach oben, wo sie herzklopfend auf die Couch sank, die sie jetzt eigentlich schon in eine bessere Welt tragen sollte.
Und wenn er auch nur verletzt ist; er wird Jenny erst mal nichts antun können. Morgen werde ich ihre Tante anrufen. Nein - heute, verbesserte sie sich. Für mich gibt es ja kein Morgen mehr.
Das mit dem Kopfstoß war eine gute Idee, dachte sie etwas selbstgefällig. Sie hatte genug Krimis gesehen und gelesen, um zu wissen, dass man Stoßspuren am Rücken feststellen konnte.
"Aber wer kommt schon auf die Idee, an seinem Hintern nach Spuren von meinem Kopf zu suchen?" lachte sie laut heraus.
Angestrengt lauschte sie auf Geräusche aus dem Treppenhaus.
"Wird aber langsam Zeit, dass ihn jemand findet, sonst ist Jenny noch diejenige..."
Die jungen Leute von oben hatten ihr mal in einem Anfall von Nächstenliebe ihre Telefonnummer gegeben. "Für Notfälle" hatten sie bemerkt.
Das war ein Notfall und vielleicht würden sie sich ja aus ihren erotischen Verschlingungen lösen und ans Telefon gehen.
So war es. Der Mann meldete sich etwas atemlos, war aber schließlich doch bereit, in seine Hosen zu schlüpfen und nachzusehen, was das für ein Lärm gewesen war.
Nach zwei Minuten klingelte er Sturm an Johannas Tür.
"Würz ist tot" bemerkte er lakonisch.
"Nicht schade drum," ergänzte seine Frau, die im Morgenrock hinter ihm stand.
"Was nun?"
Johanna überlegte nur kurz.
"Jenny besorgt gerade was für mich. Sie wird jeden Moment zurück sein. Das können wir ihr nicht antun. Rufen Sie bitte die Feuerwehr; ich gehe ihr entgegen und lenke sie so lange ab, bis er ...weg..."
"Bis er weggeschafft ist" fiel der junge Mann ein.
Erst als Johanna mit Jenny einen Burger aß - zum ersten Mal übrigens - fiel ihr auf, dass sie ihre Nachmittags-Schmerztablette nicht genommen und schon wieder ihr Spray vergessen hatte.
Egal - so schlimm war es heute gar nicht. Und das Kind war wichtiger. Jenny hatte die Mitteilung vom Tod ihres Vaters mit großen erschrockenen Augen, aber ohne Kommentar hingenommen.
"Tante Monika und Onkel Horst sind zur Kur, da kann ich Morgen nicht hin" kaute sie vor sich hin.
Sie blickte Johanna so vertrauensvoll an, dass diese einen Entschluss fasste.
"Du bleibst erst mal ein paar Tage bei mir. Dann sehen wir weiter."
Als sie das Haus betraten, war nichts mehr zu sehen. Im Briefkasten steckte eine Benachrichtigung; sie würde eine Zeugenaussage machen müssen.
Johanna warf die Vorladung in ihrer Wohnung in den Papierkorb; holte sie aber gleich wieder heraus.
Fast hätte sie vergessen, dass sie ihren Tod noch etwas hinausschieben wollte.
"Vielleicht" murmelte sie vor sich hin, als sie die Tabletten wegräumte (schließlich war jetzt ein Kind im Haus) und ihren Abschiedsbrief zerfetzte, "vielleicht sind ja Tante und Onkel damit einverstanden, dass sie erst einmal hier weiter zur Schule geht und nur bei ihnen schläft oder sie am Wochenende besucht.
Ein Wechsel in der vierten Klasse ist gar nicht gut."
Diesen Gedanken spann sie genüsslich weiter, während sie sich zur Nacht vorbereitete.
Frau Hötger wollte schon lange in ein Altenheim gehen. Ihre Wohnung war größer und lag im Parterre. Sie könnte für Jenny ein eigenes Zimmer einrichten.
In dieser Nacht braucht Johanna kein Schlafmittel. Ein Blick auf das sanfte, entspannte Gesicht Jennys genügte, um ihr Ruhe zu geben.
Sie hatte schon einige Stunden geschlafen, als sie plötzlich hoch schreckte.
Über Frau Hötger, der Herr Rübensam, der rum lief und jeden beschimpfte, der die Türen mit Kot beschmierte und Müll in die Briefkästen steckte, wäre natürlich eine wirkliche Last, wenn sie dort einziehen würde - falls sie die Wohnung bekäme, was sie aber nicht bezweifelte.
Eine wirkliche Last wäre er - ein echtes Problem!
"Aber" lächelte sie schlaftrunken und drehte sich noch einmal auf die andere Seite.
"Für jedes Problem gibt es eine Lösung!"
 

Romy Verve

Mitglied
Hallo Florence,
den Charakter finde ich klasse: eine Oma, die den Selbstbetrug mit den Jahren noch vervollkommnet hat.
Die Geschichte war spannend, es war nicht etwa anstrengend sie bis zum Ende zu lesen, denn es bleibt ein Geheimnis, ob Johanna ihr Vorhaben auch durchzieht. Titel und Ende passen perfekt.
LG
 

jon

Mitglied
Teammitglied
Hübsche Story, auch wenn ich diesem Charakter (den ich nach und nach kennenlerne) nur schwer Selbstmordpläne abnehme. Ich finde nirgends ein Motiv für den Selbstmord - sie scheint an keiner der genannten Alterserscheinungen (Zipplerein, Alleinsein etc.) wirklich zu leiden. Ich habe im Gegenteil des Eindruck, eine recht toughe alte Dame vor mir zu haben. Bei dem späten Satz mit dem "Überleben bis hierher war mühsam" hatte sich dieser Eindruck schon so verfestigt, dass die Behauptung nicht wie eine wirkliche Empfindung Johannas klingt, sondern eher wie eine nachträglich "herbeigedachte" Erklärung.
Das Grundproblem mit dem Text ist aber die Zeichensetzung und die Absatzbildung bei der wörtlichen Rede sowie hier und da Orthogtrafie-, Grammatik- und Semantikfehler.

Beispiele:

Zum dritten Mal schon legte Johanna die Tabletten, die ihr hinüberhelfen sollten - in eine bessere Zukunft, in Reih und Glied vor sich auf den Tisch.
Wie kommst du auf die Idee, den Einschub, den du mit einem Gedankenstrich eröffnest, mit einem Komma zu schließen? Nach "Zukunft" muss ein Strich stehen, kein Komma.

Sie glättete das perfekt gebügelte Tischtuch und begann Stirn runzelnd erneut laut zu zählen
.
stirnrunzelnd
Komma nach "erneut" oder "strinrunzelnd" empfehlenswert

Diese einseitige Art der Unterhaltung hatte sie sich in den letzten Jahren angewöhnt; sie hörte sonst ihre Stimme oft tagelang nicht.
Zählen (auch laut) ist keine Unterhaltung
Ist dir klar, dass das nicht dasselbe ist wie "sie hörte sonst tagelang keine menschliche Stimme" oder "es sprach ja sonst keiner mit ihr"? Dein Satz zeigt eine Narzistin.

Die wenigen Möglichkeiten zum Austausch einiger belangloser Bemerkungen beschränkten sich auf kurze Begegnungen mit zwei oder drei Nachbarn und einem Besuch bei Frau Hötger, einer Bekannten im Nebenhaus.
einen
Warum nur ein Besuch? Meinst du pro Tag, Woche, Monat?

Als Höhepunkte betrachtete sie die Gelegenheiten, bei denen ihr die 10-jährige Jenny Würz bei ihren Einkäufen behilflich war.
Jenny kann nur bei Einkäufen "bei Einkäufen helfen" - es sind also nicht allgemein "die Gelegenheiten", bei denen Jenny beim Einkaufen hilft. Ich vermute, du meinst das auch gar nicht, sondern du meinst die Gelegenheiten zum Sprechen/Unterhalten, also "Gelegenheiten, wenn". Schön klingt das auch nicht, vielleicht kannst du es noch lockerer machen (betrachtete sie die Gespräche mit Jenny)

Mit ihrem direkten Nachbarn, einem alten Herrn, war der Kontakt so ziemlich eingeschlafen.
"so ziemlich" ist Umgangssprache - sowas sollte man in Erzähltexten meiden.
Da steht: Der Kontakt ist zusammen mit dem Nachbarn eingeschlafen. Du meinst: "Der Kontakt mit dem Nachbarn,einem alten Herrn, war eingeshclafen."

Wenn sie bei ihm klingelte, dauerte es so lange, bis er zur Tür kam, dass sie nicht mehr stehen konnte und zurück in ihre Wohnung musste.
Das hier würde ohne Absatz direkt an "eingeschlafen" gehören - das beides gehört zusammen.

"Gerade mal 65 und schon ein Wrack" seufzte sie.
Meint sie damit sich oder den Nachbarn?
Komma nach den Ausführungszeichen! Diesen und ähnliche Fehler machst du im ganzen Text - mal bitte die Regeln ansehen!

Rheuma, Asthma und vieles mehr hatten Spuren an ihrem schmächtigen Körper hinterlassen.
Die Krankheiten und ebenso die Medikamente.
Wieso machst du hier einen Absatz?
Die Spuren in ihrem Körper sind wohl wichtiger - es sei denn, sie ist narzistisch veranlagt (siehe oben).

"Andere Frauen"[red]KOMMA[/red] sinnierte sie weiter, "werden von ihren Männern und Kindern geschädigt. Ich brauche dazu gar keinen anderen; mache ich ganz alleine."
Sie zählte weiter und kam auf insgesamt 14 Tabletten.
"6 Diazeparm, 5..."
"Das sollte reichen".
Logischer fände ich, das Zählen vor das Ergebnis zu schreiben.
Wieso trennst du die Rede mittendurch - sowohl mit Zeichen als auch durch den Absatz?
Zahlen ausschreiben!
Leerzeichen nach "fünf"

Der Lärm aus der unteren Wohnung war heute besonders heftig. Und das einzige jüngere Paar in dem alten Haus wohnte direkt über ihr und ließ sie diese Tatsache kaum mal vergessen.
Verstehe ich nicht: Wieso lässt das junge Paar sie "kaum mal" vergessen, dass der Lärm von unten heute besonders heftig ist?
Lärm ist (außerhalb der Umgangssprache) nicht heftig - er kann stark sein oder besonders laut (aber nicht laut, das wäre dann wieder wie ein weißer Schimmel).

"Wie soll man sich auf so etwas Elementares konzentrieren wie seinen eigenen Tod, wenn ein Banause wie Würz da unten mit seinem kleinen Mädchen schreit und die da oben sich die Seele aus dem Leib ..."
Natürlich kann Johanna des Deutschen so wenig mächtig sein, dass die "mit dem Kind schreien" sagt, aber eigentlich hielt ich sie für klüger.

Das letzte, das schlimme Wort sprach sie nicht aus.
Ihre Mutter hatte sie so erzogen, dass sie nicht einmal Männerunterhosen neben ihr Nachthemd auf die Leine gehängt hätte.
Das gehört zusammen und dann am besten auch noch an die Rede angehängt.


... muss weg, sorry! Soll ich nach den Feiertagen weitermachen?
 

Florence

Mitglied
Hallo, Romy.
Danke für deine Mühe.

Deinen letzten Satz - Sorry, muss weg... - hätte ich fast falsch verstanden. Dachte schon, die ganze Geschichte muss weg.

Dann ist aber der Cent gefallen.

Mach nur weiter so.

Liebe Grüße Florence
 

jon

Mitglied
Teammitglied
Ok, ich mach dann mal jetzt noch ein Stück. Du hast es so gewollt ;)


Noch einmal kontrollierte Johanna die Räume ihrer kleinen blitzsauberen Wohnung, bevor sie sich auf ihre letzte Reise machte.
"Küche?
Alles abgewaschen. Herd ist sauber. Die Backröhre? Auch in Ordnung!"
Sie ging ins Bad und prüfte die Toilettenschüssel. Sogar den Wasserstein hatte sie am Vorabend noch entfernt und auch ihre gesamte Wäsche gewaschen, um sie am Morgen bügeln zu können.
"Man
will sich ja nichts nachsagen lassen"[red]KOMMA[/red] ächzte sie, als sie sich bückte, um den Wäschekorb auszuwischen.
Ich würde eventuell alles in einen Absatz machen, wenigstens aber die unterstrichnen Stellen zusammenziehen, weil das jeweils eine recht enge Einheit ist.


Dann legte sie ihr bestes Kleid heraus und ihre neue Garnitur Unterwäsche; champagnerfarben mit Spitze.
"Man soll sich ja einmachen. Peinlich, aber nicht zu ändern."
Das „ihre neue Garnitur“ klingt für mich nicht ganz rund, es klingt, als habe man immer eine (und zwar genau eine) neue Garnitur im Haus (so wie jeder 1 bestes „Kleid“ hat). Ist aber nur eine Feinheit.
Mehr Stolperpotenial hat die Verbindung „neue Garnitur – man soll sich ja einmachen“ - als würde sie alte Unterwäsche angezogen haben, wenn man sich nicht einmachen würde. Vielleicht „Schade um die schöne Wäsche", dachte sie dabei, „man soll sich ja …

Dann ging sie langsam zur Wohnungstür und entriegelte sie, damit die Feuerwehr sie nicht eintreten musste. Frau Hötger hatte einen Wohnungsschlüssel. Aber wie sollte sie das mitteilen? Sie schüttelte den Kopf.
"Soll nicht mein Problem sein."
Kein Absatz, die Rede ist praktisch der gleiche Inhalt wie das Kopfschütteln.
Die Überleitung von „eintreten" zu "Schlüssel" (und wer wem was {nicht} mitteilt) hakt, die Kausalität wird nicht klar. … eintreten musste. Frau Höger hatte ja einen Schlüssel. Allerdings, so fiel ihr ein, wusste das die Feuerwehr nicht und sie selbst würde es nicht mehr mitteilen können. Die Tür offen lassen? Sie schüttelte den Kopf. „Soll nicht mein Problem sein.“

Das Überleben bis hierher war ihr schwer genug gefallen. Der tägliche mühsame Kampf um die Kleinigkeiten, die sich vor ihr aufgebaut hatten wie unbezwingbare Berge.
"Bis hier an die Tür"? ;)
Ich verstehe nicht, worauf sich das „schwer genug“ bezieht. Ich würde es verstehen, wenn sie beschlossen hätte, nicht noch mühsam sauber zu machen (weil es bisher mühsam genug war) oder nicht noch irgendeine Vorrichtung zu bauen, damit die Tür nicht doch noch eingetreten wird.
Die Kleinigkeiten hatten sich eher aufgetürmt (nicht aufgebaut).
An dieser Stelle steht zwar ein „Grund“, aber bei all der Agilität vorher (das Saubermachen, von dem du nicht erwähnt, dass es mühsam war – sie hat es „aus der Lameng“ eben so erledigt) und auch später wird diese lapidare Aussage irgendwie unglaubhaft.

Dann fiel ihr ein, dass ja Jenny sie vielleicht finden würde, wenn sie in einigen Tagen vorbei käme. Das durfte natürlich nicht sein.
Jenny würde die Tür eintreten? ;) Nein, lass das ruhig, die Frau muss nicht mehr 100%ig logisch denken, und ohne das hier käme die Wendung ja nicht zustande.

"Wenn ich heute einen Brief an Frau Hötger schreibe, bekommt sie ihn übermorgen; dann kann sie ja die Feuerwehr benachrichtigen.
Ja - so mache ich es!"
Kein Absatz.
Oben heißt sie „Höger“.
Das Ausrufezeichen erzeugt/klingt nach Kraft und Dynamik - nicht typisch für Suizidale.

Entschlossen schrieb sie ein paar Zeilen an ihre alte Bekannte, verschloss und frankierte den Umschlag und legte ihn neben ihre kleinen Freunde, die Tabletten.
"Muss ich also doch noch mal raus."
Dass sie ihn dort hinlegt, klingt eher nach einem Abschiedsbrief, der hinterher gefunden werden soll, nicht danach, dass sie ihn – jetzt, denn sie ist quasi schon auf dem „Absprung“ – noch wegbringen will. Ich würde das Unterstrichne einfach streichen. (Auch, weil das mit den „kleinen Freunden" irgendwie kitschig/albern klingt.)

Unruhig lauschte sie auf die Geräusche, die von unten zu ihr herauf drangen.
Was machte der Kerl da unten bloß? So laut war es bisher noch nie gewesen.
Kein Absatz, das zweite ist ja die Erklärung, warum sie lauscht.
Wortdopplung „unten“

Sie wusste, dass er das Kind schlug. Nicht zu fest, gerade so, dass das Jugendamt und die Schule nichts Auffälliges feststellen konnten. Und die Kleine? Die war seit dem Tod der Mutter vor einem Jahr immer stiller und schmaler geworden.
Ich würde "dass er Jenny schlug" schreiben (ich hatte hier die konkrete Zuordnung der Wohnungen schon wieder vergessen).
Richtiger: Dass ihnen nichts auffiel. Wenn man „feststellt“, heißt das, man hat gezielt nach etwas geschaut - und würden Schule und Amt schon so weit sein, dass sie gezielt schauen, dann wäre ihnen schon was aufgefallen (blaue Flecke sind ja nicht die einzigen Indizien, es gibt auch Nachbar-Aussagen, Verhalten des Kindes etc.) (Später gibt es eine Fürsorgerin - also ist dem Amt wohl doch schon was aufgefallen. Seltsam.)

Johanna wusste, dass die sehr viel ältere Schwester der Mutter Jenny zu sich nehmen würde, aber das Jugendamt hatte in Person der Fürsorgerin die Achseln gezuckt und so waren ihr die Hände gebunden.
Sehr viel älter als wer? Wem waren die Hände gebunden? Warum hat die Beamte die Achseln gezuckt und bei welcher Gelegenheit? Und: Wenn der Vater Jenny hingibt, wäre das schon ok; kein Wort jedoch, dass er sich wehrt. – Das ist etwas zu knapp, um sich zu erschließen.
Johanna wusste, dass Jennys Tante das Mädchen zu sich nehmen würde. Als sie es der Fürsorgin gegenüber einmal erwähnt hatte, hatte diese nur die Achseln gezuckt: Die Tante war zu alt, der Vater nicht soo gefährlich und überhaupt hatten das niemand beantragt. Niemand, der ein Recht dazu gehabt hätte jedenfalls.


Sie hatte auch für einen kranken Mann zu sorgen und wäre vielleicht gar nicht so begeistert über Familienzuwachs.
Das klingt wie „schnell noch angebammelt" (auch durch den Absatz, der es abtrennt)! Ich hatte es beim Verbesserunsgvorschlag glatt übersehen. Also:
Johanna wusste, dass Jennys Tante das Mädchen zu sich nehmen würde. Als sie es der Fürsorgin gegenüber einmal erwähnt hatte, hatte diese nur die Achseln gezuckt: Die Tante war zu alt, der Vater nicht soo gefährlich und niemand hatte sowas bis jetzt beantragt; niemand, der ein Recht dazu gehabt hätte jedenfalls. Außerdem hatte die Tante ja auch noch ihren kranken Mann zu pflegen und wäre …

Sie hatte auch für einen kranken Mann zu sorgen und wäre vielleicht gar nicht so begeistert über Familienzuwachs.
Aber jedenfalls würde sie das tun, was sie ihre Christenpflicht nannte, hatte sie ihr - Johanna - einmal anvertraut, als sie sich über Jennys Zukunft unterhalten hatten.
Das erschließt sich mir nicht - wo ist da der Zusammenhang? Wenn Johanna weiß, dass die Tante sie nehmen würde, wieso dann dieses „vielleicht nicht begeistert"? Irgendwie verheddert sich hier die Zuordnung, wer was sagt/denkt/vermutet/weiß.

Sie zog ihren Mantel über und nahm vorsichtig die 4 Treppen mit den hohen ausgetretenen Stufen in Angriff. Vor der Wohnungstür der Familie Würz machte sie kurz Halt und lauschte.
Jenny weinte bitterlich; ihr Vater lallte vor sich hin.
Ich wundere mich ein bisschen: Johanna denkt so lange an der Jenny-Vater-Tante-Sache rum (ist also innerlich noch beteiligt), kann es aber von einem Momentbruchteil zum nächsten einfach abhaken? Gönne ihr wenigstens noch einen Seufzer oder ein Durchatmen, in dessen Zuge sie auch das zu "nicht mehr mein Problem" erklären kann.
Zahlen ausschreiben (es sei denn, das wird unübersichtlich - bei „vier“ besteht da aber kein Risiko ;) )!
„Bitterlich weinen“ klingt ein bisschen kitschig. Außerdem bin ich nicht sicher, ob man „weinen" und „bitterlich weinen“ durch eine Wohnungstür hindurch unterscheiden kann.
Absatz weg – das ist es, was sie beim Lauschen hört.
 



 
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