Beförderungsbestimmungen

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Anonym

Gast
Der Schmerz
ist ein Schaffner
und inwendig
tragen wir
Lochkarten
auf unseren Herzen.

Dich überhaupt
und immer
lieben können:
noch eine Herzwand
freihaben.
_____________
 

Anonym

Gast
Hallo Ingwer

vielen Dank für deine Antwort. Ich bin mir beim Text vor allem über zwei Dinge unsicher:
Zum einen, ob der Titel wirklich zum Text passt und zum anderen, ob sich im Text für den Leser etwas Positives oder doch eher Resignatives ausdrückt. Vielleicht könntest du darauf kurz eingehen? Das wäre mir eine große Hilfe!

Viele Grüße
 

Ingwer

Mitglied
Hallo Unbekannte/r,

gerne; ich glaube, ich wäre nach meinem ersten emotionalen Eindruck eh noch genauer auf den Text eingegangen.

Ob der Titel zum Text passt: Ich muss sagen, darüber habe ich auch schon nachgedacht. Du benutzt in Deinem Gedicht "Zugfahrmetaphern"- Emotionales drückst Du also an die Dienstleistungsgesellschaft angepasst eher mechanistisch aus. Ich finde, dass die Frage, ob der Titel zum Gedicht passt, eng mit Deiner anderen Frage zusammenhängt, nämlich, welche Wirkung der Text hat.
"Beförderungsbestimmungen" klingt kalt, rational, regelgeleitet, bürokratisiert (eben nach der Deutschen Bahn ;)) und dies formt natürlich einen Gegensatz zu dem, was man normalerweise mit Liebe und Gefühlsangelegenheiten assoziieren würde. Diese (Be)deutungsdiskrepanz finde ich durchaus interessant. Eine andere Überschrift würde alles vielleicht eher kitschig erscheinen lassen- hättest Du denn Alternativvorschläge?
Ich würde das Gedicht als Wunschvorstellung interpretieren, bzw. als das, was man sich vornimmt, das, was man immer schaffen will: Die Liebe am Leben erhalten, egal wie viel Schmerz einem auch zugefügt wird, für das zu kämpfen, was einem wertvoll ist, nicht aufzugeben. Ich sehe es als keimende Hoffnung, als Wunsch, das Unmögliche zu schaffen. Die wahre Liebe halten zu können.

Dies wäre meine Interpretation.
Hat mich sehr berührt.

Eine Kleinigkeit würde ich ändern:
Statt:
Der Schmerz
ist ein Schaffner
lieber
Der Schmerz
ist Schaffner.

Ein wenig stört mich auch der Ausdruck "Inwendig Lochkarten auf den Herzen tragen"- das klingt ein wenig holprig, aber eine wirklich gute Alternative fällt mir gerade auch nicht ein.

Mit besten Grüßen und in der Hoffnung, ein wenig weitergeholfen zu haben,

Ingwer
 

Anonym

Gast
Hallo Ingwer,

wow, vielen Dank für diese ausführliche Kritik!

Eine andere Überschrift würde alles vielleicht eher kitschig erscheinen lassen- hättest Du denn Alternativvorschläge?
Ehrlich gesagt hatte ich bis kurz vor Ende gar keinen (Arbeits)Titel, außer vielleicht die Idee, die Anfangsworte zu nehmen: "Der Schmerz ist ein Schaffner", was allerdings tatsächlich ein wenig kitschig klingt ;) Wenn sich durch den jetztigen Titel ein spürbarer Kontrast/Relativierung zum Inhalt ergibt, erfüllt er seinen Zweck -glaube ich- recht gut, selbst wenn er an sich überhaupt nicht zum Lesen verführt. Immerhin, du hast dich davon nicht abschrecken lassen ;)
Ich würde das Gedicht als Wunschvorstellung interpretieren, bzw. als das, was man sich vornimmt, das, was man immer schaffen will: Die Liebe am Leben erhalten, egal wie viel Schmerz einem auch zugefügt wird, für das zu kämpfen, was einem wertvoll ist, nicht aufzugeben. Ich sehe es als keimende Hoffnung, als Wunsch, das Unmögliche zu schaffen. Die wahre Liebe halten zu können.
Dass eine derart optimistische Sichtweise/Lesart möglich ist, hatte ich gar nicht erwartet. Eine angenehme Überraschung! So sehr ich diese Auslegung auch mag, muss ich es für mich doch als Indiz werten, dass die (wenigen) konkreten Anhaltspunkte im Text vielleicht doch zu weit zurückgenommen/ zu dissoziiert bzw. zu individuell geprägt und damit nicht übertragbar sind:
In "der Schmerz ist ein Schaffner" verbarg sich bei mir ursprünglich die (zugegeben reichlich überalterte) Vorstellung von einem (einzelnen) Schaffner, der noch mit einer Lochzange Fahrscheine entwertet. Warum mir gerade dieses Bild so evident war, weiß ich gar nicht. Wahrscheinlich wird hier jeder Leser einen "eigenen Schaffner mitbringen" ;) So bleibt es gewissermaßen bei einem freien Spiel der Assoziationen. Sich als Autor darauf zu verlassen, ist zwar ein wenig riskant, aber reizvoll, wie ich finde.
Über die Stolperstellen werde ich noch einmal in Ruhe nachdenken. Du hast mir damit mehr als nur ein wenig weitergeholfen, Ingwer. Wäre das hier eine Gerichtsverhandlung würde ich wohl sagen: "Keine weiteren Fragen mehr an den Zeugen!" ;) Danke!

und viele Grüße
 



 
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