Begegnung mit Bin Laden

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habibi

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Begegnung mit Bin Laden

Auf der südlichen arabischen Halbinsel, dort, wo sich die Wüste dreitausend Meter zum Jemen hochwirft, liegt in tausendneunhundert Metern der Ort Taif.
Die Wasserversorgung der Siedlung war nicht mehr sicher gestellt, nachdem zunehmend die oberen Schichten der Hafenstadt Jeddah, Angehörige der saudischen Königsfamilie und Hotelketten ihre Paläste und Residenzen für den Sommeraufenthalt dort errichtet hatten. Die vorhandenen Quellen waren Jahrhunderte lang ausreichend für die wenigen Beduinen gewesen, doch die zunehmende Zahl der Sommergäste, die aus der Hitze der Wüste in das vergleichsweise kühle Taif flüchteten, machte zusätzliches Wasser notwendig.
Wir hatten den Auftrag bekommen, eine doppelte fünfundvierzig Zoll Wasserleitung von der Meerentsalzungsanlage in der Nähe von Makkah zu dem etwa zwölf Kilometer entfernten Taif hoch zu bauen. Das schloss auch einen Tunnel mit ein, ausreichend für das Doppelrohr und eine befahrbare Fluchtspur für die königliche Familie. Der vier Kilometer lange Tunnel war notwendig, weil im felsigen Gelände eine offene Rohrführung wegen der saisonbedingten heftigen Regenfälle zu riskant war. Der Regen siegelt den Boden sofort ab, ein Versickern des Wassers ist damit unmöglich und damit schwellen die Abflüsse in Minutenschnelle zu reißenden Flüssen an. Es ist bekannt, dass wesentlich mehr Menschen und auch Tiere durch solche Ereignisse zu Schaden kommen, als wegen Mangel an Wasser in der Wüste verdursten.

Bei der Begehung der vorgesehenen Leitungstrasse legten wir das Tunnelportal fest und entdeckten ungefähr achtzig Meter oberhalb sechs ältere verlassene Baracken. Beduinen in der Nähe gaben uns die Auskunft, dass dies die Arbeiterunterkünfte für den Bau der Strasse von Makkah nach Taif gewesen wären.
Vor einigen Jahren hatte Bin Laden eine Autobahn gebaut, die besonders dem Königshaus erlaubte, in wenigen Minuten seinen Palast in Taif zu erreichen. Sie ersetzte die vormals nur schwer zu befahrende unbefestigte Piste. Die Arbeiten an der Autobahn waren Bin Laden im Cost - Plus Verfahren übertragen worden, das heißt, er konnte seinen Aufwand inklusive einem Gewinn risikolos und ohne Überprüfung abrechnen. Das war die Grundlage für den späteren Reichtum des Bin Laden Clans.
Wir kontaktierten die Firma Bin Laden in Riyadh und bekamen für eine geringe Gebühr die Nutzungsrechte für die alten Baracken, reparierten sie etwas, bauten eine Küche ein und bezogen das Camp. Einhundertvierzig Asiaten, fünfunddreißig Europäer und zwölf Palästinenser. Nach etwa zwei Monaten traf das Tunnelbohrgerät ein, ein Koloss von vier Metern Durchmesser und fünfundvierzig Metern Länge. Inzwischen war das Tunnelportal gesprengt, der Angriff in fünfzehn Metern Tiefe vorbereitet, die eigentlichen Bohrarbeiten begannen.
Die Kantine war in Betrieb und pünktlich jeden Tag kamen die Paviane aus den umliegenden Bergen und warteten auf die Abfälle. Verteilt, die Felsen vom Camp hinunter, saßen sie, die mutigen nahe, die weniger Vorwitzigen weiter unten. Sie sortierten je nach Position das Obst, Gemüse, Brot und das Gekochte, das die Küchenhilfen über den Abgrund kippten. Dabei fiel ein alter Affe auf, der weit früher als all die anderen ganz oben sich hinhockte und im laufe der zeit immer näher rückte, schließlich direkt an der Kantinentüre saß. Die Philippinos bauten ihm einen Verschlag, später eine richtige offene Unterkunft, in der der alte Herr gefüttert wurde und schlafen konnte. Er wurde nach dem früheren Besitzer des Camps „Bin Laden“ benannt, war friedlich und zufrieden und freundlich. Weil er des Öfteren von den anderen Pavianen belästigt wurde, die ihm den Fraß klauten, bauten wir ihm auch noch eine Türe mit einem Schloss in die Behausung ein.
Nach ungefähr vier Monaten reiste die Belegschaft wegen der Weihnachtfeiertage nach Hause oder zu Freunden, es blieben nur vier Mann zur Bewachung das Camps zurück. Damit war auch der Kantinenbetrieb eingestellt. Womit wir nicht gerechnet hatten – die Paviane akzeptierten dies nicht. Zwei Tage fütterten wir sie noch mit altem Brot, dann war Schluss, wir hatten keine Abfälle mehr. Weitere zwei Tage warteten die Affen zur üblichen Fütterzeit auf ihren Fraß. Am folgenden Tag, als wieder kein Futter für sie ausgegeben wurde, stürmten sie das Camp.
Zuerst befreiten sie Bin Laden, wohl auch, weil in seinem Verschlag noch Futter war. Sie rissen das Schloss mit dem Riegel einfach ab. Wir verzogen uns in die Kantine, schlossen die Fensterläden und warteten ab. Nicht ohne Angst, denn die Meute von mehr als fünfzig Pavianen rüttelte an den Läden und versuchte sie abzureißen. Bei zwei der Arbeiterbaracken gelang ihnen das auch, sie zertrümmerten anschließend die Fensterscheiben und zogen sich dabei blutige Verletzungen zu. Das versetzte sie noch mehr in Rage, sie hausten wie die Vandalen, zerstörten die Betten und Spinde, rissen die Kleider heraus und verstreuten das Zeug bei ihrem Abzug in der Gegend. Wir fanden später Teile davon noch in Kilometern Entfernung. Bin Laden turnte mit ihnen ab.
Wir verrammelten nach dem Abgang der Meute das Camp so gut es ging und flüchteten nach Taif, wo wir bis zum Ende der Feiertage blieben.
Erst als die Arbeiterbelegschaft zwölf Tage später aus dem Urlaub zurück kam bezogen wir das Camp wieder. In seiner Hütte saß Bin Laden und wartete.
Das Camp wurde repariert, der normale Betrieb ging weiter, auch die Paviane wurden wieder gefüttert, alle waren zufrieden. Die Hütte Bin Ladens wurde wieder verriegelt, damit ihn die anderen Affen nicht belästigten oder ihm das Futter wegstibitzten.
Nach etwa acht Monaten war das Projekt zu Ende und wir lösten das Camp auf, nagelten die Fensterläden und Türen zu , rissen die Behausung Bin Ladens ab und verließen das Land.
Über das weitere Schicksal Bin Ladens sind nur Informationen aus Medienberichten bekannt. Aber möglicherweise handeln die über einen anderen Bin Laden?!
 
Hallo habibi, deine Geschichte hätte mehr Aufmerksamkeit verdient! Es ist zwar keine Satire im eigentlichen Sinn, sie ist aber sehr informativ geschrieben. Hoffentlich bekommen die Amerikaner keinen Wind davon, die würden doch zu gerne einen Bin Laden einfangen, und wär es auch nur fast der Richtige.
-Bernhard-
 

casagrande

Mitglied
Hi Bernhard
Gebe dir recht, die Geschichte wäre besser in den Kurzgeschichten aufgehoben. Aber das war der Moderatorin zu heiß und sie hat den Text in die Satire verschoben. Vielleicht wäre der Name tatsächlich für die Auserwählten eine Notwendigkeit zum Einschreiten gewesen.
Herzlich Habibi
 



 
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